B-VG Art.133 Abs4
GEG §6 Abs2
GEG §6a Abs1
VwGVG §28 Abs2
VwGVG §28 Abs5
AVG 1950 §57 Abs3
B-VG Art.133 Abs4
GEG §6 Abs2
GEG §6a Abs1
VwGVG §28 Abs2
VwGVG §28 Abs5
European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2017:W176.2127382.1.00
Spruch:
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. NEWALD über die Beschwerde (1.) XXXX und (2.) XXXX, beide vertreten durch die Weh Rechtsanwalt GmbH, gegen den Bescheid des Präsidenten des Landesgerichtes Feldkirch vom 12.04.2016, Zl. 929 01 Jv 3846-33/15y, 929 REV 3736/15x, betreffend Gerichtsgebühren zu Recht erkannt:
A)
Der Beschwerde wird Folge gegeben und Bescheid gemäß § 28 Abs. 1, 2 und 5 iVm § 27 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013 (VwGVG) im angefochtenen Spruchpunkt behoben.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930 (B-VG), nicht zulässig.
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Mit – in den Verfahren Zlen. XXXX, ergangenen –jeweils 15 Zwangsstrafverfügungen jeweils vom 09.07.2015 verhängte das Landesgericht Feldkirch gegen die Erstbeschwerdeführerin und gegen den Zweitbeschwerdeführer wegen Verstoßes gegen die Verpflichtung nach den §§ 277 ff Unternehmensgesetzbuch, dRGBl. S 219/1897 (UGB), jeweils Zwangsstrafen idHv insgesamt EUR 17.500,--. Diese insgesamt 30 Verfügungen wurden jeweils am 14.07.2015 zugestellt und nicht weiter bekämpft.
2. Mit Zahlungsaufträgen (Mandatsbescheiden) jeweils vom 26.08.2015 schrieb die Kostenbeamtin des Landesgerichtes Feldkirch für dessen Präsidenten den Beschwerdeführern die gegen sie verhängten Zwangsstrafen im Gesamtbetrag jeweils von EUR 17.500,-- sowie jeweils die Einhebungsgebühr gemäß § 6a Abs. 1 Gerichtliches Einbringungsgesetz, BGBl. Nr. 288/1962 (GEG), idHv EUR 8,--, somit jeweils einen Betrag von EUR 17.508,-- zur Zahlung vor.
Die Zahlungsaufträge wurden den Beschwerdeführern jeweils am 31.08.2015 zugestellt.
3. Dagegen erhoben die Beschwerdeführer mit einem am 14.09.2015 – und somit fristgerecht – eingebrachten (gemeinsamen) Schriftsatz das Rechtsmittel der Vorstellung.
4. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 12.04.2016 wies der Präsident des Landesgerichtes Feldkirch die Vorstellung als unzulässig zurück.
Werde ein Zahlungsauftrag über einen Betrag, der in Durchführung einer rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung vorgeschrieben werde, nur hinsichtlich der Gesetzmäßigkeit der durch den Gerichtsbeschluss dem Grunde und der Höhe nach bereits festgestellten Zahlungspflicht bekämpft, sei die Vorstellung nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zurückzuweisen.
5. Dagegen erhoben die Beschwerdeführer fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde.
6. In der Folge legte der Präsident des Landesgerichtes Feldkirch die Beschwerde samt den Bezug habenden Verwaltungsunterlagen dem Bundesverwaltungsgericht vor.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Die gegen die Zahlungsaufträge (Mandatsbescheide) vom 26.08.2015 erhobene Vorstellung wurde am 14.09.2015 eingebracht. Die belangte Behörde sprach mit Bescheid vom 12.04.2016 über diese Vorstellung ab.
1.2. Die belangte Behörde setzte innerhalb von zwei Wochen ab Einlangen der Vorstellung keine Ermittlungsschritte.
2. Beweiswürdigung:
2.1. Diese Feststellungen ergeben sich aus den vorgelegten Verwaltungsunterlagen, insbesondere aus dem Mandatsbescheid, welcher eindeutig als solcher bezeichnet ist, dem Nachweis betreffend der Einbringung der Vorstellung sowie dem angefochtenen Bescheid.
2.2. Die Feststellung, wonach die Behörde innerhalb von zwei Wochen keine Ermittlungsschritte gesetzt hat, ergibt sich ebenfalls aus dem vorgelegten Verwaltungsakt, insbesondere auch der darin enthaltenen Aktenübersicht. Die einzige zwischen der Vorstellung (ON 5) und dem angefochtenen Bescheid (ON 7) vergebene Ordnungsnummer bezieht sich auf einen – am 25.01.2016 beim Landesgericht Innsbruck eingelangten –Beschluss des Oberlandesgerichtes Innsbruck vom 11.01.2016 (ON 6).
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1.1. Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz, BGBl. I Nr. 10/2013 (BVwGG), entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Mangels materienspezifischer Sonderregelung besteht somit gegenständlich Einzelrichterzuständigkeit.
3.1.2. Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930 (B-VG), die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 (BAO), des Agrarverfahrensgesetzes, BGBl. Nr. 173/1950 (AgrVG), des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984, BGBl. Nr. 29/1984 (DVG), sowie jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
3.1.3. Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.
3.2. Zu Spruchpunkt A):
3.2.1. Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
§ 28 Abs. 5 VwGVG lautet: Hebt das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid auf, sind die Behörden verpflichtet, in der betreffenden Rechtssache mit den ihnen zu Gebote stehenden rechtlichen Mitteln unverzüglich den der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtes entsprechenden Rechtszustand herzustellen.
Aus der Literatur ergibt sich, dass es sich bei einer Aufhebung gem. § 28 Abs. 5 VwGVG um eine materielle Erledigung der Rechtssache in Form eines Erkenntnisses handle. Diese Form der negativen Sachentscheidung sei von der Formalerledigung nach § 28 Abs. 3 2. Satz und Abs. 4 VwGVG zu unterscheiden. Eine neuerliche Entscheidung der Verwaltungsbehörde über den Gegenstand werde bei ersatzloser Behebung regelmäßig nicht mehr in Betracht kommen, wenngleich im Einzelfall über den zugrundeliegenden (unerledigten) Antrag dennoch abermals zu entscheiden sein könne.
3.2.2. Auf Mandatsbescheide gemäß § 6 Abs. 2 GEG – in der hier anzuwendenden Fassung vor der Gerichtgebühren-Novelle 2015 – findet § 57 Abs. 3 AVG Anwendung (vgl. VwGH 16.12.2014, Ro 2014/16/0075).
Gemäß § 57 Abs. 3 AVG hat die Behörde binnen zwei Wochen nach Einlangen der Vorstellung das Ermittlungsverfahren einzuleiten, widrigenfalls der angefochtene Bescheid von Gesetzes wegen außer Kraft tritt. Auf Verlangen der Partei ist das Außerkrafttreten des Bescheides zu bestätigen.
Aus der Judikatur und Literatur zu dieser Bestimmung ergibt sich, dass bei Unterlassen von Ermittlungsschritten der Mandatsbescheid ipso iure außer Kraft tritt (VwGH 25.04.1991, 91/06/0010; Hengstschläger/Leeb, AVG, § 57 Rz 38). Unter Ermittlungsverfahren ist ein Verfahren zur Feststellung des für die Anordnung maßgebenden Sachverhalts oder zur Gewährung von Parteiengehör zu verstehen (Hengstschläger/Leeb, AVG, § 57 Rz 39 mwN).
Eine besondere Form für die Einleitung des Ermittlungsverfahrens ist nicht vorgesehen, doch muss die Behörde eindeutig zu erkennen geben, dass sie sich durch die Anordnung von Ermittlungen mit der Angelegenheit befasst (VwGH 01.10.1991, 91/11/0058; 23.01.2007, 2006/11/0159; Hengstschläger/Leeb, AVG, § 57 Rz 40 mwN). Es muss sich dabei um ein aktenkundiges Verhalten handeln (VwGH 11.02.1992, 92/11/0006). Ausreichend ist auch ein bloß innerbehördlicher Vorgang, wie etwa die Anfrage an eine andere Abteilung (VwGH 11.02.1992, 92/11/0006) oder auch die Wiederholung von Ermittlungsschritten (VwGH 01.10.1991, 91/11/0058).
Die Prüfung der Rechtzeitigkeit einer Vorstellung zählt grundsätzlich zu den Ermittlungsschritten (VwGH 19.02.1986, 85/11/0231), ist aber auf den ersten Blick zu sehen, dass die Vorstellung rechtzeitig eingebracht worden war, bedarf es keiner weiteren Ermittlungen. Der erwähnte erste Blick aber stellt keinen Verfahrensschritt dar – abgesehen davon, dass er aktenmäßig gar nicht zum Ausdruck kommt, sodass es nach der Aktenlage offen ist, ob die Erstbehörde der Rechtzeitigkeit der Vorstellung überhaupt Beachtung geschenkt hat (VwGH 21.10.1994, 94/11/0202).
Ist ein Bescheid gemäß § 57 Abs. 3 erster Satz AVG von Gesetzes wegen außer Kraft getreten, so darf die Oberbehörde bei sonstiger Unzuständigkeit nicht dahin entscheiden, dass der Spruch dieses Bescheides in bestimmter Weise (in Erledigung einer Vorstellung) abgeändert werde (VwGH 24.06.1983, 83/02/0139). Daraus ergibt sich nach Rechtsmeinung des Bundesverwaltungsgerichtes gleichfalls, dass auch bei Bestätigung eines außer Kraft getreten Mandatsbescheides in Erledigung einer Vorstellung Unzuständigkeit der Behörde gegeben ist.
3.2.3. Wie sich aus den Feststellungen ergibt, wurden innerhalb der zweiwöchigen Frist des § 57 Abs. 3 AVG keine Ermittlungsschritte iS dieser Bestimmung gesetzt.
Im Übrigen brachte die belangte Behörde im Vorstellungsbescheid klar zum Ausdruck, dass sie die Beschwerdeführer nicht bloß ihrerseits zur Zahlung von Gerichtsgebühren verpflichte, sondern dass sie die Mandatsbescheid – im Sinne der Abweisung bzw. Zurückweisung der Vorstellung – bestätige (vgl. abermals VwGH 16.12.2014, Ro 2014/16/0075).
Dies hat zur Folge, dass die Mandatsbescheide vom 26.08.2015 kraft gesetzlicher Anordnung des § 57 Abs. 3 AVG außer Kraft getreten sind. Die belangte Behörde hätte folglich nicht mehr über die Vorstellung gegen die Mandatsbescheide entscheiden dürfen, sondern allenfalls selbst gemäß § 6 Abs. 1 GEG mittels ("Voll-")Bescheid über die Gebühr entscheiden können. Auf Verlangen der Partei hat die Behörde das Außerkrafttreten eines Mandatsbescheides schriftlich zu bestätigen (Hengstschläger/Leeb, AVG, § 57 Rz 43). Im Ergebnis führt dies dazu, dass die belangte Behörde für die Entscheidung über die Vorstellung unzuständig war.
3.2.4. Dem dargestellten Bescheid lastet daher eine Rechtswidrigkeit iSd Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG an, weshalb er gemäß § 28 Abs. 1, 2 und 5 iVm § 27 VwGVG zu beheben war.
3.2.5. Der Umstand, dass die Mandatsbescheide außer Kraft getreten sind, hat nicht zur Folge, dass in dieser Angelegenheit res iudicata vorliegt. Die Behörde ist somit nicht gehindert, ein Ermittlungsverfahren einzuleiten und sodann in der Sache neuerlich zu entscheiden (VwGH 22.09.1992, 92/11/0071; 10.08.2000, 2000/07/0038; Hengstschläger/Leeb, AVG, § 57 Rz 44 mwN).
3.2.7. Die Durchführung einer Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG entfallen, da bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der verfahrensgegenständliche Bescheid aufzuheben ist.
3.3. Zu Spruchpunkt B): 3.3.1. Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
3.3.2. Im vorliegenden Fall ist die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt.
Die Frage, ob § 57 Abs. 3 AVG auf Mandatsbescheide gemäß § 6 Abs. 2 GEG Anwendung findet, hat der Verwaltungsgericht in seinem oben mehrfach zitierten Erkenntnis vom 16.12.2014, Zl. Ro 2014/16/0075, geklärt.
Weiters wurde von der – oben unter Punkt 3.2.2. dargestellten – Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage, wann von einem Ermittlungsschritt iSd § 57 Abs. 3 AVG auszugehen ist, nicht abgegangen.
3.3.3. Es war somit insgesamt spruchgemäß zu entscheiden.
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