BVwG W185 2142334-1

BVwGW185 2142334-11.2.2017

AsylG 2005 §5
B-VG Art.133 Abs4
FPG §61
AsylG 2005 §5
B-VG Art.133 Abs4
FPG §61

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2017:W185.2142334.1.00

 

Spruch:

W185 2142334-1/8E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Gerhard PRÜNSTER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX alias XXXX alias XXXX alias XXXX , geb. XXXX alias XXXX , StA. Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 23.11.2016, Zl. 1123659102-161021316, zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird gemäß § 5 AsylG 2005 und § 61 FPG als

unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger aus Afghanistan, stellte am 21.07.2016 gemeinsam mit seinem mitgereisten volljährigen Bruder den Antrag, ihm in Österreich internationalen Schutz zu gewähren. Laut der im Akt aufliegenden EURODAC-Treffermeldung wurde der Beschwerdeführer in Italien erkennungsdienstlich behandelt (IT2 vom 04.07.2016).

Am 22.07.2016 fand eine Erstbefragung des Beschwerdeführers durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes statt, in welcher der Beschwerdeführer zu seinem Reiseweg befragt, angab, seine Heimat vor ungefähr vier Monaten verlassen zu haben und über den Iran, die Türkei und Italien nach Österreich gekommen zu sein. Er habe in keinem anderen Land um Asyl angesucht und von Anfang an nach Österreich kommen wollen, da hier seine Familie aufhältig sei. Es handle sich dabei um seine Eltern, einen Bruder und eine Schwester. Gesundheitliche Beschwerden machte der Beschwerdeführer nicht geltend. Was seinen ca zweiwöchigen Aufenthalt in Italien anbelange, so seien die hygienischen Bedingungen im Lager sehr schlecht gewesen.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl richtete am 16.08.2016 ein Aufnahmeersuchen gem. Art. 13 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates (in der Folge Dublin III-VO) an Italien. Mit Schreiben vom 13.09.2016 stimmten die italienischen Behörden zu, den Beschwerdeführer auf Grundlage von Art. 13 Abs. 1 der Dublin-III-VO zu übernehmen.

Mit Eingabe vom 16.10.2016 brachte die rechtsfreundliche Vertretung des Beschwerdeführers eine Stellungnahme ein. Darin wurde zum einen auf seine familiären Bindungen in Österreich, zum anderen auf das gegenständlich zutreffende Effizienzgebot verwiesen. So wurde vorgebracht, dass sich – neben dem mitgereisten Bruder – die Eltern und minderjährigen Geschwister des Beschwerdeführers in Österreich als Asylwerber aufhalten würden, wobei deren Verfahren bereits zugelassen worden seien. Die genannten Familienangehörigen hätten bereits im Jänner 2016 Asylanträge im Bundesgebiet gestellt. Alle hätten bis dato in Afghanistan im gemeinsamen Haushalt zusammengelebt; die zwei älteren Geschwister seien länger in der Heimat verblieben, um das Hab und Gut der Familie zu veräußern und seien deshalb einige Monate nach den übrigen Familienmitgliedern geflohen. Dass in Österreich kein gemeinsamer Haushalt (mehr) bestehe, beruhe nicht auf eigenem Wunsch, sondern auf einer entsprechenden Entscheidung der Grundversorgungsbehörde. Der Beschwerdeführer sowie sein mitgereister Bruder würden dennoch mit den Eltern und Geschwistern täglich in Kontakt stehen und die meiste Zeit miteinander verbringen. Trotz der Volljährigkeit des Beschwerdeführers und seines mitgereisten Bruders bestünde zu den übrigen Familienmitgliedern ein enges familiäres Verhältnis, das jedenfalls in den Anwendungsbereich des Art. 8 EMRK falle. Zum Beweis dafür werde die zeugenschaftliche Einvernahme der in Österreich aufhältigen Familienangehörigen beantragt. Hinzu komme im vorliegenden Fall die Wahrung des Kindeswohls der minderjährigen Geschwister des Beschwerdeführers, die beide naturgemäß eine enge Beziehung zu diesem und seinem Bruder hätten. Im Übrigen hätten alle dieselben Fluchtgründe geltend gemacht, weshalb es im Sinne des Effizienzgebotes sei, sämtliche Anträge von einem Staat zu prüfen.

Am 17.10.2016 fand – in Anwesenheit eines Rechtsberaters und nach durchgeführter Rechtsberatung - eine Einvernahme des Beschwerdeführers vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl statt. Hierbei verneinte dieser das Vorliegen von gesundheitlichen Problemen und verwies in weiterer Folge auf seine in Österreich aufhältigen Familienangehörigen. Sie hätten eine sehr gute Beziehung untereinander. Die Verfahren seiner Eltern und seiner beiden jüngeren Geschwister seien zugelassen worden. Auch wenn keine finanzielle Abhängigkeit bestünde, seien seine Eltern pflegebedürftig und auf seine Hilfe bzw die seines mitgereisten Bruders angewiesen. Die beiden bei den Eltern befindlichen Geschwister seien minderjährig, würden in die Schule gehen und könnten den Eltern nicht helfen. Das linke Bein der Mutter des Beschwerdeführers sei angeschwollen, weshalb diese nicht gehen könne. Die Mutter habe bereits drei Operationen gehabt, wobei die letzte Operation vor sieben Jahren durchgeführt worden sei. Diese Operationen hätten zu einer Schwellung des Beines geführt. Am 25.10.2016 habe die Mutter eine weitere Untersuchung. Der Vater des Beschwerdeführers sei alt und habe aufgrund von Krampfadern ebenfalls Probleme mit den Beinen. Der Beschwerdeführer und sein Bruder würden offiziell nicht im gemeinsamen Haushalt mit den übrigen Familienmitgliedern wohnen, würden "aber eigentlich" bei den Eltern wohnen. Auch wenn grundsätzlich nichts gegen seine Außerlandesbringung nach Italien spreche, wolle der Beschwerdeführer nicht von seinen Eltern getrennt werden. Die Eltern seien krank und würden seine Hilfe und die des mitgereisten Bruders benötigen. Zudem habe der Beschwerdeführer bereits Deutsch gelernt und Freunde gefunden. Er und sein Bruder hätten bereits damals in Italien den Wunsch geäußert, zu den Eltern nach Österreich reisen zu wollen, weshalb sie einen Landesverweis erhalten hätten. Im Übrigen seien die Umstände in Italien unerträglich gewesen. Nicht nur, dass das Essen so schlecht gewesen sei, dass er und sein Bruder dort nichts gegessen hätten, sondern sei sein Bruder im Lager von einem Polizeihund gebissen worden.

Im Zuge der Einvernahme legte der Beschwerdeführer eine Tazkira sowie ein ärztliches Schreiben bezüglich seiner Mutter vor (AS 141 bis 143). Aus dem Befund seiner Mutter vom 09.08.2016 geht folgende Diagnose hervor: "Rechtskonvexe Rotationsskoliose der LWS. Kein relevanter Beckenschiefstand oder relevante relative Beinlängendifferenz. Deutliche Osteochondrose/Discopathie mit Erniedrigung der Bandscheibe. Zumindest relative ossäre Spinalkanalstenose. Degenerative überlastungsinduzierte Veränderungen der SIG".

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass gemäß Artikel 13 Abs. 1 der Dublin III-VO Italien für die Prüfung des Antrages zuständig sei (Spruchpunkt I.). Gleichzeitig wurde gegen den Beschwerdeführer gemäß § 61 Abs. 1 FPG die Außerlandesbringung angeordnet und festgestellt, dass demzufolge dessen Abschiebung nach Italien gemäß § 61 Abs. 2 FPG zulässig sei (Spruchpunkt II.).

Die Feststellungen zur Lage in Italien wurden im Wesentlichen Folgendermaßen zusammengefasst (nunmehr gekürzt durch das Bundesverwaltungsgericht):

Neueste Ereignisse – Integrierte Kurzinformationen

KI vom 14.11.2016, Unterbringung und Asylstatistik (relevant für Abschnitte 2/Allgemeines zum Asylverfahren und 6/Versorgung)

Mit Stand 10.11.2016 waren in Italien laut offiziellen Statistiken des italienischen Innenministeriums 174.023 Personen in Flüchtlingsunterkünften untergebracht, davon 976 in Hotspots, 13.878 in Erstaufnahmezentren, 136.108 in temporären Strukturen (meist durch NGOs und Private mit staatlicher Förderung zur Verfügung gestellt) und 23.061 in staatlicher Betreuung (SPRAR):

(ÖB 11.11.2016a)

Statistik der italienischen Asylbehörde zu Asylentscheidungen im Jahr 2016, Stand 28.Oktober:

(ÖB 11.11.2016b)

Quellen:

KI vom 28.10.2016, Unterbringung und Asylstatistik (relevant für Abschnitte 2/Allgemeines zum Asylverfahren, 3/Dublin-Rückkehrer und 6/Versorgung)

Mit Stand 23.10.2016 waren in Italien 166.921 Personen in Flüchtlingsunterkünften untergebracht, davon 647 in Hotspots, 13.441 in Erstaufnahmezentren, 129.862 in temporären Strukturen (meist durch NGOs und Private mit staatlicher Förderung zur Verfügung gestellt) und 22.971 in staatlicher Betreuung (SPRAR):

(VB 25.10.2016)

Statistiken der italienischen Asylbehörde zur Zahl der Asylanträge mit Stand 14.10.2016:

(VB 18.10.2016)

Im Sinne des Tarakhel-Urteils stellte IT im Juni 2015 in einem Rundbrief eine Liste von SPRAR-Einrichtungen zur Verfügung, welche für die Unterbringung von Familien geeignet sind. Im Februar 2016 wurde in einem neuen Rundbrief diese Liste aktualisiert (siehe dazu Kap. 3 und 6.3 dieses LIB).

Am 12. Oktober wurde wieder ein neuer Rundbrief versendet und die Liste aktualisiert. Sie umfasst nun 11 SPRAR-Projekte mit zusammen 58 Unterbringungsplätzen für Familien mit Kindern (MdI 12.10.2016).

Quellen:

KI vom 23.8.2016, Unterbringung und Asylstatistik (relevant für Abschnitte 2/Allgemeines zum Asylverfahren und 6.1/Unterbringung)

Mit Stand 16.8.2016 waren in Italien 144.988 Personen in Flüchtlingsunterkünften untergebracht, davon 964 in Hotspots, 13.259 in Erstaufnahmezentren, 110.249 in temporären Strukturen (meist durch NGOs und Private mit staatlicher Förderung zur Verfügung gestellt) und 20.516 in staatlicher Betreuung (SPRAR):

(ÖB 19.8.2016)

Statistiken der italienischen Asylbehörde zur Zahl der Asylanträge mit Stand 19.8.2016:

(VB 22.8.2016)

Sowie Statistiken der italienischen Asylbehörde zu Asylwerbern und der Zahl der Asylentscheidungen mit Stand 19.8.2016:

(VB 22.8.2016)

Quellen:

KI vom 2.8.2016, Unterbringung (relevant für Abschnitt 6.1/Unterbringung)

Mit Stand 27.7.2016 waren in Italien 139.207 Personen in Flüchtlingsunterkünften untergebracht, davon 1.016 in Hotspots,

13.572 in Erstaufnahmezentren, 104.248 in temporären Strukturen (meist durch NGOs und Private mit staatlicher Förderung zur Verfügung gestellt) und 20.371 in staatlicher Betreuung (SPRAR):

(ÖB 29.7.2016)

Quellen:

KI vom 18.5.2016, Asylstatistik Mai 2016 (relevant für Abschnitt 2/Allgemeines zum Asylverfahren)

Statistiken der italienischen Asylbehörde zu Asylanträgen, Asylantragstellern und Asylentscheidungen mit Stand 13. Mai 2016:

(VB 17.5.2016)

(VB 17.5.2016)

Quellen:

Allgemeines zum Asylverfahren

Die Zahl der Migranten, die nach Italien kommen, ist weit größer als die Zahl derer, die dort bleiben (UNHRC 1.5.2015).

Für das erstinstanzliche Asylverfahren in Italien zuständig sind die sogenannten Territorialkommissionen für internationalen Schutz (Commissioni Territoriali per il Riconoscimento della Protezione Internazionale). Es gibt ein mehrstufiges Asylverfahren und Beschwerdemöglichkeiten:

(AIDA 12.2015; für ausführliche Informationen siehe dieselbe Quelle)

Quellen:

Dublin-Rückkehrer

Die meisten Dublin-Rückkehrer landen am Flughafen Rom-Fiumicino, einige auch am Flughafen Mailand-Malpensa. Ihnen wird am Flughafen von der Polizei eine Einladung (verbale di invito) ausgehändigt, der zu entnehmen ist, welche Questura für ihr Asylverfahren zuständig ist. Die Situation von Dublin-Rückkehrern hängt vom Stand ihres Verfahrens in Italien ab.

1. Wenn ein Rückkehrer noch keinen Asylantrag in IT gestellt hat, kann er dies tun, wie jeder andere auch.

2. Ist das Verfahren des AW noch anhängig, wird es fortgesetzt und er hat dieselben Rechte wie jeder andere AW.

3. Hat er beim ersten Aufenthalt in Italien eine negative Entscheidung erhalten und dagegen keine Beschwerde eingelegt, kann er zur Außerlandesbringung in ein CIE gebracht werden.

4. Wurde das Verfahren des Rückkehrers negativ entschieden, dieser aber nicht informiert (weil er etwa schon weg war), kann er Beschwerde einlegen.

5. Hat der AW Italien vor seinem persönlichen Interview verlassen und erging folglich eine negative Entscheidung, kann der Rückkehrer ein neues Interview beantragen (AIDA 12.2015).

Im Falle einer 8-köpfigen afghanischen Familie, welche über Italien nach Österreich und weiter in die Schweiz gereist ist und welche im Rahmen der Dublin-Verordnung von der Schweiz nach Italien rückzuüberstellen war, hat der EGMR am 4.11.2014 festgestellt, dass eine Überstellung nach Italien das Verbot der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung (Art. 3 EMRK) verletzen würde, falls die Schweiz nicht vorab von Italien Einzelfallzusicherungen für eine altersgerechte Betreuung der Kinder und für die Wahrung der Einheit der Familie einholt (sogen. Tarakhel-Urteil) (EGMR 4.11.2014; vgl AIDA 12.2015).

Im Sinne des Tarakhel-Urteils stellte IT im Juni 2015 in einem Rundbrief eine Liste von SPRAR-Einrichtungen zur Verfügung, welche für die Unterbringung von Familien geeignet sind (AIDA 12.2015). Im Februar 2016 wurde in einem neuen Rundbrief diese Liste aktualisiert. Sie umfasst 23 SPRAR-Projekte mit zusammen 85 Unterbringungsplätzen für Familien mit Kindern (MdI 15.2.2016).

Quellen:

Non-Refoulement

Grundsätzlich bietet Italien Schutz gegen Abschiebung oder Rückkehr von Flüchtlingen in Länder, in denen ihr Leben oder ihre Freiheit aufgrund Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe oder politischer Gesinnung bedroht wäre (USDOS 25.6.2015).

Italien bringt gegebenenfalls Antragsteller im Rahmen der Dublin-VO außer Landes oder schiebt in sichere Herkunftsstaaten ab. Zwischen Jänner und August 2015 schob Italien 8.497 Migranten in ihre Heimatländer ab, hauptsächlich Tunesien, Ägypten und Nigeria (USDOS 4.2016).

Von Problemen wird von den ital. Adriahäfen (sogen. "offizielle Grenzpunkte") berichtet, wo im Rahmen bilateraler Abkommen direkte und informelle Rückschiebungen von Italien nach Griechenland stattfinden, welche die Betroffenen einem Refoulement-Risiko aussetzen können. Für diese Praxis wurde Italien am 21.10.2014 vom EGMR verurteilt (Sharifi and Others v. Italy and Greece). Zuletzt nahm die Zahl der blinden Passagiere auf den Fähren aber ab, was an geänderten Migrationsrouten liegen dürfte. (AIDA 12.2015).

Quellen:

Versorgung

Unterbringung

Mit LD 142/2015 wurde ein 2-Phasen-Unterbringungssystem eingeführt, das im Wesentlichen dem davor Üblichen entspricht. Die erste Phase bilden die Ersthelfer- und Unterbringungszentren CPSA, Erstaufnahmezentren CPA und Notfallzentren CAS, sowie Unterbringungszentren CARA. In diesen Einrichtungen sollen AW nur temporär untergebracht werden, bis Verlegung in SPRAR möglich ist. Das SPRAR bildet die 2. Phase der Unterbringung. Fremde sind zur Unterbringung in Italien berechtigt, sobald sie den Willen erkennbar machen, um Asyl ansuchen zu wollen und wenn eine Bedürftigkeit besteht, welche auf Basis von Eigendeklaration festgestellt wird. Das Unterbringungsrecht gilt bis zur erstinstanzlichen Entscheidung (bzw. dem Ende der Rechtsmittelfrist). Bei Rechtsmitteln mit automatischer aufschiebender Wirkung besteht das Recht auch bis zur Entscheidung des Gerichts (AIDA 12.2015).

Die Praxis, dass der tatsächliche Zugang zur Unterbringung erst mit der Verbalizzazione (formelle Registrierung des Antrags) gegeben ist, anstatt sofort nach Fotosegnalamento (erkennungsdienstliche Behandlung), bestand laut AIDA aber zumindest bis Ende September 2015 fort. Zwischen diesen beiden Schritten waren, abhängig von Region und Antragszahlen, vor allem in den großen Städten Wartezeiten von Wochen oder gar Monaten möglich. Betroffene AW waren daher auf Freunde oder Notunterkünfte angewiesen, oder es drohte ihnen Obdachlosigkeit. Zum Ausmaß dieses Phänomens gibt es allerdings keine statistischen Zahlen. Auch ist nicht bekannt, wie sich die Situation momentan darstellt. Betroffen waren außerdem nur Personen, die ihren Antrag im Land stellten, keine auf See geretteten AW (AIDA 12.2015).

CPSA, CDA, CARA und CAS

CPSA (Centri di primo soccorso e accoglienza), CDA (Centri di Accoglienza) und CARA (Centri d’Accoglienza Richiedenti Asilo) umfassen 13 Zentren. Diese Zentren der Erstaufnahme bieten im Vergleich zum SPRAR eher grundlegende Versorgung mit Essen, Kleidung, Basisinformation, Rechtsberatung und medizinischer Notversorgung. Es handelt sich um große Zentren mit vielen Unterbringungsplätzen. Die CAS (Centri di accoglienza straordinaria) dienen hauptsächlich zur Unterbringung von Bootsflüchtlingen, ihre Zahl wird je nach Bedarf angepasst und ist daher nur schwer festzumachen. Die Zahl der Unterbringungsplätze lag im Oktober 2015 bei 7.290 (CPSA, CDA und CARA) und 70.918 (CAS). Es ist geplant, dass bis Ende 2016 die Erstaufnahmestrukturen zu Regionalzentren (Regional Hubs) umgewandelt werden, in denen die ASt. zur Formalisierung ihrer Anträge 7-30 Tage bleiben und dann weiterverlegt werden. Es sollen so bis Mitte 2016 14.750 Plätze zur Verfügung stehen, bzw. 15.500 bis Ende 2016. Am Ende soll es ein derartiges Zentrum in jeder Region des Landes geben. Die Zentren sind offen und dürfen tagsüber verlassen werden. Auf individuelle Bedürfnisse der ASt. (Geschlecht, Alter, Vulnerabilität) ist Rücksicht zu nehmen. In CARA erhalten Untergebrachte EUR 75/Monat Taschengeld, die Höhe des Taschengeldes in CAS ist nicht bekannt (AIDA 12.2015). In der Praxis unterscheiden sich die Unterbringungsbedingungen zwischen den Zentrumstypen und je nach Region zum Teil erheblich. Überbelegung ist oft ein Problem. Da ASt. überall in Italien untergebracht werden können, wo gerade Platz ist, viele es jedoch bevorzugen in Rom zu leben, verlassen viele von ihnen das CARA-System (AIDA 12.2015).

SPRAR

Die SPRAR-Projekte der Gemeinden (Sistema di protezione per richiedenti asilo e rifugiati) sind hauptsächlich Wohnungen oder kleine Zentren. Im Mai 2015 bestand das SPRAR aus 430 Einzelprojekten. Die Zahl der Unterbringungsplätze Ende 2015 bei 19.715, aber die Schaffung von 10.000 weiteren Plätzen wurde angekündigt. SPRAR-Projekte bieten Übersetzungsleistungen, linguistisch-kulturelle Mediation, rechtliche Beratung, medizinische Versorgung, sozio-psychologische Unterstützung, Unterstützung Vulnerabler, Integrationsberatung, und Freizeitaktivitäten. Die Unterbringungsbedingungen sind besser als in CARA-Zentren. Es gibt eigene Projekte im Rahmen des SPRAR für UM bzw. geistig oder körperlich Behinderte, welche spezialisierte Leistungen bieten. Im SPRAR Untergebrachte erhalten EUR 60-75 Taschengeld. Das SPRAR verfügt über standardisierte Integrationsprogramme für AW und Schutzberechtigte, die auch Jobtrainings und Praktika umfassen. Auch wenn es Unterschiede zwischen den einzelnen Projekten gibt, werden die Integrationsmaßnahmen in den italienischen Zentren dennoch als unzulänglich kritisiert. Die max. Aufenthaltsdauer im SPRAR liegt bei 6 bis 12 Monaten (AIDA 12.2015; vgl. AIDA 12.3.2016).

Für Mitte Februar 2016 wird von insgesamt 105.248 Unterbringungsplätzen (alle Formen) in Italien berichtet. Die meisten davon (wie oben) sind CAS-Plätze (AIDA 12.3.2016).

Darüber hinaus existiert außerhalb der staatlichen Strukturen noch ein Netzwerk privater Unterbringungsmöglichkeiten, betrieben etwa von Kirchen und Freiwilligenorganisationen. Ihre Zahl ist schwierig festzumachen. Interessant sind sie im Notfall oder für die Unterbringung von Familien (AIDA 12.2015).

Gemäß LD 142/2015 dürfen AW bereits 2 Monate nach Antragstellung arbeiten, wobei es in der Praxis bürokratische Schwierigkeiten bei der Ausübung dieses Rechtes gibt. Die Sprachbarriere ist ebenfalls ein erschwerender Faktor. Sind AW im SPRAR untergebracht, haben sie auch Zugang zu den dortigen Jobtrainings (AIDA 12.2015).

Ist in keiner der beiden Strukturen Platz für einen AW vorhanden, wäre für den Zeitraum in dem der AW nicht untergebracht wird, eigentlich ein Taggeld vorgesehen. In der Praxis wird dieses aber nicht ausbezahlt, sondern der AW trotzdem untergebracht und eine gewisse Überbelegung in Kauf genommen (AIDA 12.2015).

CIE

Zusätzlich sind noch die Schubhaftkapazitäten zu nennen. Italien verfügt über 7 CIE (Centro di identificazione ed espulsione) mit einer Kapazität von 955 Plätzen (AIDA 12.2015).

Quellen:

Hotspots

In Italien sind bisher 3 Hotspots eröffnet worden (Lampedusa, Pozzallo, Trapani). Geplant sind 6 Hotspots mit insgesamt 2.500 Plätzen. Deren Zweck ist es, dort zusammen mit Personal der europäischen Asylunterstützungsagentur EASO die mixed migration flows zu kanalisieren und Migranten von Asylwerbern zu trennen. Letztere werden in die Regionalzentren überstellt (AIDA 12.2015; UNHCR 18.2.2016). Bestimmte Nationalitäten kommen für Relocation in andere EU-Länder in Frage (AI 24.2.2016).

Die Hotspots ernteten Kritik von NGOs, da es sich um geschlossene Zentren handelt. Auch sollen die Bedingungen zum Teil schlecht sein, sodass sich die NGO Médécins Sans Frontières (MSF) aus dem Hotspot Pozzallo zurückzog (AIDA 12.3.2016)

Quellen:

Dublin-Rückkehrer

Als größtes Problem für Rückkehrer wird die Unterbringungssituation betrachtet. Dublin-Rückkehrer (AW oder Schutzberechtigte), die zuvor in Italien nicht untergebracht waren, haben bei Rückkehr Zugang zu Unterbringung. Eine Aussage darüber, wie lange es dauert bis auch tatsächlich ein Platz gefunden ist, ist nicht möglich. Berichten zufolge ist es in der Vergangenheit zu Fällen gekommen, in denen Dublin-Rückkehrer nicht untergebracht werden konnten und sich selbst unterbringen mussten, mitunter in Behelfssiedlungen. (AIDA 12.2015).

Gleichzeitig besagen ältere Berichte, dass ein AW, der dem Unterbringungszentrum ohne Genehmigung über eine bestimmte Frist fernbleibt, seinen Unterbringungsplatz verliert und danach nicht wieder in derselben Struktur untergebracht werden kann (AIDA 1.2015). Angeblich gilt dieses Verbot der erneuten Unterbringung für 6 Monate nach dem Verlassen der Unterbringung (SFH 5.2011).

Um die Unterbringungssituation von Dublin-Rückkehrern zu verbessern, wurden ab 2011 im Rahmen des Europäischen Flüchtlingsfonds (FER) Projekte nahe der Flughäfen finanziert, an denen diese am häufigsten ankommen (ARCO, ARCA, ASTRA am Flughafen Rom-Fiumicino; STELLA, ALI, TERRA am Flughafen Mailand-Malpensa; und weitere in Venedig, Bari und Bologna) (AIDA 1.2015). Informationen aus dem ital. Innenministerium zufolge, sind diese Projekte mittlerweile alle ausgelaufen und wurden von der EU nicht nachfinanziert. Die Betroffenen sind derzeit durchweg in den national unterhaltenen Zentren untergebracht (CPSA, CDA, CARA, CIE, SPRAR). Die genaue Aufteilung auf die diversen Arten von Einrichtungen ist nicht bekannt, jedoch die Aufteilung nach Region (siehe Grafik). Am 29.2.2016 waren insgesamt 107.387 Personen in den diversen Einrichtungen untergebracht.

(VB 10.3.2016)

Im Sinne des Tarakhel-Urteils stellte Italien im Juni 2015 in einem Rundbrief eine Liste von SPRAR-Einrichtungen zur Verfügung, welche für die Unterbringung von Familien geeignet sind (AIDA 12.2015). Im Februar 2016 wurde in einem neuen Rundbrief diese Liste aktualisiert. Sie umfasst 23 SPRAR-Projekte mit zusammen 85 Unterbringungsplätzen für Familien mit Kindern (MdI 15.2.2016).

Quellen:

Medizinische Versorgung

Asylwerber und Personen mit einem Schutzstatus in Italien müssen sich beim italienischen Nationalen Gesundheitsdienst registrieren und haben dann dieselben Rechte und Pflichten in Bezug auf medizinische Versorgung wie italienische Staatsbürger. AW haben dieses Recht ab Registrierung ihres Asylantrags. Das gilt sowohl für untergebrachte, wie für nicht untergebrachte AW. Die Anmeldung erfolgt in den Büros der lokalen Gesundheitsdienste (Aziende sanitaria locali, ASL). Im Zuge der Registrierung wird eine Gesundheitskarte (tessera sanitaria) ausgestellt. Die Registrierung berechtigt zu folgenden Leistungen: freie Wahl eines Hausarztes bzw. Kinderarztes (kostenlose Arztbesuche, Hausbesuche, Rezepte, usw.);

Geburtshilfe und gynäkologische Betreuung bei der Familienberatung (consultorio familiare) ohne allgemeinärztliche Überweisung;

kostenlose Aufenthalte in öffentlichen Krankenhäusern. Asylwerber und Schutzberechtigte können sich auf Basis einer Eigendeklaration bei der ASL als bedürftig registrieren lassen. Sie werden dann arbeitslosen Staatsbürgern gleichgestellt und müssen keine Praxisgebühr ("Ticket") bezahlen. In einem Zentrum Untergebrachte erhalten bei diesem Schritt Hilfe von ihren Betreuern. Nach Ablauf der ersten 6 Monate müssen sich AW offiziell arbeitslos melden, um die Ticketbefreiung behalten zu können. Zum effektiven Zugang zu medizinischer Versorgung für Asylwerber und Schutzberechtigte erklärt AIDA, dass bei den Mitarbeitern im Gesundheitsbereich Desinformation und Mangel an Erfahrung in der Behandlung von Migranten häufig sind. Die Sprachbarriere ist aber das größte Zugangshindernis (AIDA 12.2015).

AW und Schutzberechtigte mit psychischen Problemen (z.B. Folteropfer) haben das Recht auf dieselbe Behandlung wie italienische Staatsbürger. In der Praxis können sie von spezialisierten Dienstleistungen profitieren, die im Rahmen des Nationalen Gesundheitsdienstes und von spezialisierten NGOs und Privaten angeboten werden. Verschiedene medizinische Zentren und Ärzte, die früher im sogenannten NIRAST (Italian Network for Asylum Seekers who Survived Torture) organisiert waren, arbeiten unter verschiedenen Finanzierungen weiter in der Unterstützung von Folteropfern (AIDA 12.2015).

Irreguläre Migranten haben das Recht auf medizinische Notversorgung und präventive Versorgung zum Schutz der individuellen und kollektiven Gesundheit. Damit haben sie dieselben Rechte wie italienische Staatsbürger (AIDA 12.2015).

Illegal aufhältige Personen können von medizinischen Notdiensten usw. Gebrauch machen. Die Gesetze verbieten es dem medizinischen und Verwaltungspersonal die Polizei bezüglich illegaler Migranten zu informieren (UNHRC 21.7.2014).

Quellen:

Anerkannte Flüchtlinge / subsidiär Schutzberechtigte

Anerkannte Flüchtlinge und subsidiär Schutzberechtigte sind laut LD 142/2015 nunmehr unterschiedslos für 5 Jahre (verlängerbar) aufenthaltsberechtigt. Dasselbe Dekret hat auch die Aktivitäten der National Coordinating Working Group zur Verbesserung des nationalen Aufnahmesystems und des Integrationsplans für Schutzberechtigte bestätigt. In dieser Arbeitsgruppe sind auch Vertreter von UNHCR und NGOs (AIDA 12.2015).

2011 wurde zur Verbesserung der Integration von Schutzberechtigten das nationale Unterbringungssystem erweitert und ein Nationaler Integrationsplan etabliert. Jobtrainings und andere Integrationsprogramme sind auch durch nationale Fördertöpfe bzw. AMIF möglich. In diesem Rahmen fördert das ital. Innenministerium NGOs, welche Integrationsmaßnahmen anbieten. Diese Projekte sind allerdings zeitlich begrenzt und richten sich an eine eingeschränkte Zahl von Nutznießern. Auch die Gemeinden können Jobtrainings und –praktika finanzieren, sowie Arbeitsstipendien (borse lavoro), die Italienern und Fremden gleichermaßen zur Verfügung stehen (AIDA 12.2015).

Asylwerber und Personen mit einem Schutzstatus in Italien müssen sich beim italienischen Nationalen Gesundheitsdienst registrieren und haben dann dieselben Rechte und Pflichten in Bezug auf medizinische Versorgung wie italienische Staatsbürger. Die Anmeldung erfolgt in den Büros der lokalen Gesundheitsdienste (Aziende sanitaria locali, ASL). Im Zuge der Registrierung wird eine Gesundheitskarte (tessera sanitaria) ausgestellt. Die Registrierung berechtigt zu folgenden Leistungen: freie Wahl eines Hausarztes bzw. Kinderarztes (kostenlose Arztbesuche, Hausbesuche, Rezepte, usw.);

Geburtshilfe und gynäkologische Betreuung bei der Familienberatung (consultorio familiare) ohne allgemeinärztliche Überweisung;

kostenlose Aufenthalte in öffentlichen Krankenhäusern. Asylwerber und Schutzberechtigte können sich auf Basis einer Eigendeklaration bei der ASL als bedürftig registrieren lassen. Sie werden dann arbeitslosen Staatsbürgern gleichgestellt und müssen keine Praxisgebühr ("Ticket") bezahlen. Zum effektiven Zugang zu medizinischer Versorgung für Asylwerber und Schutzberechtigte erklärt AIDA, dass bei den Mitarbeitern im Gesundheitsbereich Desinformation und Mangel an Erfahrung in der Behandlung von Migranten häufig sind. Die Sprachbarriere ist aber das größte Zugangshindernis (AIDA 12.2015).

USDOS bezeichnet die Anstrengungen der ital. Regierung zur Integration von Flüchtlingen als begrenzt. Die hohe Arbeitslosigkeit erschwert es ihnen zusätzlich legale Beschäftigung zu finden (USDOS 4.2016).

Generell ist es für Schutzberechtigte, die nach Italien zurückgeschickt werden, schwierig, eine Unterkunft zu finden. Das italienische System geht davon aus, dass man ab Gewährung des Schutzstatus arbeiten und für sich selbst sorgen kann. Bezüglich Sozialhilfe sind anerkannte Flüchtlinge mit Italienern gleichgestellt. Das italienische Sozialhilfesystem ist jedoch schwach und kann kein Existenzminimum garantieren. Es beruht stark auf der Unterstützung durch die Familie (SFH 10.2013; vgl. SFH 4.8.2014).

Die sozioökonomische Integration von Schutzberechtigten ist de facto an die Regionen delegiert. Die Regionen haben dabei weitreichende Kompetenzen zur Regelung sozialer Belange. Insgesamt ist das Niveau der Integration von Flüchtlingen zwischen einzelnen Regionen und Gemeinden sehr unterschiedlich und unklare Kompetenzverteilungen verkomplizieren die Abläufe. Aufgrund der Wirtschaftskrise gab es budgetäre Kürzungen mit unmittelbaren negativen Auswirkungen auf die Unterstützung Schutzberechtigter. Die Integrationsaussichten Schutzberechtigter in Italien sind damit begrenzt. Die Ausübung bestimmter Rechte bedingt angeblich das Vorhandensein von Dokumenten, welche viele Schutzberechtigte nicht haben und aus ihren Herkunftsstaaten auch nicht erhalten können (UNHCR 3.2015).

Nicht-Italiener werden auf dem Arbeitsmarkt diskriminiert und gelegentlich Opfer von Ausbeutung. NGOs zufolge schmälert der Mangel an Beratung und Trainingsprogrammen die Chancen der Flüchtlinge auf eine Anstellung (USDOS 4.2016).

Rückkehrer mit Schutzstatus in Italien, die zuvor bereits in einem CARA untergebracht waren, haben bei Rückkehr kein Recht mehr auf Unterbringung in einem solchen. Sie können ausnahmsweise dort untergebracht werden, wenn Plätze frei sind. Schutzberechtigte haben Zugang zu Unterbringung im SPRAR. Dort existieren standardisierte Integrationsprogramme für AW und Schutzberechtigte, die auch Jobtrainings und Praktika umfassen. Die Integrationsmaßnahmen für AW und Schutzberechtigte in den italienischen Zentren werden aber generell als unzulänglich kritisiert (AIDA 12.2015).

Quellen:

Zusammengefasst wurde festgehalten, dass aus den Angaben des Beschwerdeführers keine stichhaltigen Gründe für die Annahme glaubhaft gemacht worden seien, dass dieser tatsächlich konkret Gefahr liefe, in Italien Folter, unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen zu werden oder dass ihm eine Verletzung seiner durch Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte dadurch drohen könnte. Neben seinem mitgereisten Bruder würden sich in Österreich noch seine Eltern und zwei jüngere Geschwister befinden und könne eine familiäre Bindung zu diesen nicht ausgeschlossen werden. Nichtsdestotrotz seien die Eltern in der Grundversorgung gemeldet, weshalb für sie entsprechende Behandlungsmöglichkeiten gegeben seien. Zudem hätten die gesundheitlichen Probleme der Eltern den eigenen Angaben zufolge bereits vor der Flucht bestanden und hätten die Eltern trotzdem nach Österreich gelangen können. Zwischen den Antragszeitpunkten des Beschwerdeführers (sowie seines mitgereisten Bruders) und der restlichen Familie, würden sechs Monate liegen; in dieser Zeit hätten sich die bereits seit längerem im Bundesgebiet aufhältigen Familienangehörigen selbst versorgen können. Der mittlerweile volljährig gewordene Bruder und die noch minderjährige Schwester des Beschwerdeführers, welche bereits mit den Eltern nach Österreich gekommen seien, wären in der Lage, die Eltern zu betreuen und zu versorgen. Es könne nicht festgestellt werden, dass die Eltern des Beschwerdeführers dermaßen auf die Unterstützung des Beschwerdeführers angewiesen wären oder dass ein derart qualifiziertes Pflege-, Unterhalt- und/oder Unterstützungsverhältnis vorläge, dass dem Beschwerdeführer ein weiterer Verbleib im Gebiet der EU außerhalb des Bundesgebietes schlicht unzumutbar wäre. Es sei daher davon auszugehen, dass die Anordnung der Außerlandesbringung nicht zu einer relevanten Verletzung der Dublin III-VO sowie von Art. 7 GRC bzw. Art. 8 EMRK führe und die Zurückweisungsentscheidung daher unter diesen Aspekten zulässig sei. Der Beschwerdeführer leide auch nicht an einer schweren körperlichen Erkrankung oder an einer schweren psychischen Störung, welche bei einer Überstellung eine unzumutbare Verschlechterung des Gesundheitszustandes bewirken würde. In Italien sei die ärztliche Versorgung in ausreichendem Maß gegeben. Italien sei Schutzwillig und schutzfähig gegen Übergriffe jeglicher Art. Die Regelvermutung des § 5 Abs 3 AsylG habe nicht erschüttert werden können; ein zwingender Grund für die Ausübung des Selbsteintrittsrechts habe sich nicht ergeben.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, fristgerecht eingebrachte Beschwerde. Darin wird gerügt, dass die belangte Behörde wesentliche Aspekte des maßgeblichen Sachverhalts unberücksichtigt gelassen und es dahingehend auch unterlassen habe, entsprechende Feststellungen zu treffen. Hätte sie dies getan, wäre sie zu einem anderen, für den Beschwerdeführer günstigeren Ergebnis, gelangt, da sie (zur Wahrung der Familieneinheit) verpflichtet gewesen wäre, gestützt auf Art. 17 Abs. 1 der Dublin III-VO, den Selbsteintritt zu erklären. Die Verfahren der Eltern und der beiden jüngeren Geschwister des Beschwerdeführers seien zugelassen worden. In diesem Zusammenhang sei der belangten Behörde als wesentlicher Verfahrensmangel anzulasten, dass sie dem Beweisantrag, die Eltern und Geschwister des Beschwerdeführers als Zeugen zum Beweis für das Bestehen eines engen Abhängigkeitsverhältnisses einzuvernehmen, aufgrund einer antizipierenden Würdigung nicht nachgekommen sei. Im angefochtenen Bescheid sei auch keine Auseinandersetzung mit den Fluchtgründen des Beschwerdeführers und dessen Familienangehörigen erfolgt. Alle Familienmitglieder hätten dieselben Fluchtgründe geltend gemacht. Im Sinne der Sicherstellung kohärenter Entscheidungen wäre es daher zweckmäßig, die Asylverfahren des Beschwerdeführers, seines mitgereisten Bruder sowie der in Österreich aufhältigen Familienangehörigen in einem Mitgliedstaat zu führen. Die belangte Behörde übersehe auch das junge Alter der noch minderjährigen Schwester des Beschwerdeführers und ihres erst gerade volljährig gewordenen Bruders, die allesamt – mit Ausnahme der kurzfristig erzwungenen Trennung – noch niemals allein außerhalb des elterlichen Haushalts gelebt hätten. So sei der belangten Behörde letztlich anzulasten, dass sie es verabsäumt habe, sich mit den Auswirkungen ihrer Entscheidung auf das Kindeswohl der noch minderjährigen Schwester des Beschwerdeführers auseinanderzusetzen. Die gegenständliche Sachverhaltskonstellation biete demnach ausreichende Anhaltspunkte dafür, gemäß Art. 17 Abs. 1 der Dublin-III-VO vom Selbsteintrittsrecht Gebrauch zu machen. Der Beschwerdeführer erachte sich in seinem Recht auf Achtung seines Privat- und Familienlebens nach Art 8 EMRK verletzt.

Mit Aktenvermerk vom 19.12.2016 wurden seitens des erkennenden Gerichts die Gründe festgehalten, weshalb im gegenständlichen Fall keine aufschiebende Wirkung zu gewähren sei.

Mit Eingabe der rechtsfreundlichen Vertretung des Beschwerdeführers vom 28.12.2016 wurde um die Überprüfung der Voraussetzungen für die aufschiebende Wirkung ersucht.

Mit weiterer Eingabe vom 02.01.2017 stellte die rechtsfreundliche Vertretung einen Fristsetzungsantrag gem. Art. 133 Abs. 1 Z 2 B-VG und § 38 Abs. 1 VwGG sowie einen Antrag auf die Gewährung von Verfahrenshilfe im Umfang der Gebührenbefreiung iSd § 64 Abs. 1 Z 1 lit. ad ZPO. Es wurden weitwendige Ausführungen dazu erstattet, dass nach Ansicht des Beschwerdeführers das Bundesverwaltungsgericht in jedem Fall verpflichtet sei, innerhalb einer Woche über einen Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung (im stattgebenden oder im abweisenden Fall) in Form eines Beschlusses (oder Erkenntnisses) zu entscheiden und damit eine nachprüfenden Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts zu ermöglichen. Der Beschwerdeführer beantrage daher, der Verwaltungsgerichtshof möge dem Bundesverwaltungsgericht auftragen, die Entscheidung über den gemeinsam mit der Beschwerde gestellten Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung innerhalb einer vom VwGH festzusetzenden angemessenen Frist in Form eines Beschlusses oder Erkenntnisses zu erlassen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer, ein volljähriger Staatsangehöriger aus Afghanistan, reiste letztlich von der Türkei kommend über Italien illegal in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten ein, wo er am 04.07.2016 erkennungsdienstlich behandelt wurde. Nach illegaler Einreise in Österreich mit seinem mitgereisten volljährigen Bruder stellte der Beschwerdeführer hier am 21.07.2016 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl richtete am 16.08.2016 ein Aufnahmeersuchen gem. Art. 13 Abs. 1 Dublin III-VO an Italien und stimmten die italienischen Behörden mit Schreiben vom 13.09.2016 ausdrücklich zu, den Beschwerdeführer gem. Art. 13 Abs. 1 der Dublin-III-VO zu übernehmen.

Das Bundesverwaltungsgericht schließt sich den oben wiedergegebenen Feststellungen des angefochtenen Bescheides zur Allgemeinsituation im Mitgliedstaat Italien an.

Konkrete, in der Person des Beschwerdeführers gelegene Gründe, welche für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung im zuständigen Mitgliedstaat sprechen, liegen nicht vor.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Überstellung nach Italien Gefahr liefe, einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe bzw. einer sonstigen konkreten individuellen Gefahr unterworfen zu werden.

Der Beschwerdeführer hat in Österreich familiäre Anknüpfungspunkte in Form seines mitgereisten erwachsenen Bruders und seiner Eltern sowie den beiden mit den Eltern gereisten Geschwistern. Die Verfahren der Eltern und der beiden erwähnten Geschwister wurden zugelassen. Eine über die üblichen Beziehungen zwischen (erwachsenen) Verwandten hinausgehende Bindungen bzw. ein (finanzielles) Abhängigkeitsverhältnis zwischen den Genannten, konnte nicht festgestellt werden.

Der Beschwerdeführer leidet an keinen schweren bzw. lebensbedrohlichen Erkrankungen. Auch die Eltern des Beschwerdeführers sind nicht lebensbedrohlich erkrankt oder pflegebedürftig.

Gegenüber dem mitgereisten erwachsenen Bruder des Beschwerdeführers ergeht heute eine inhaltlich gleichlautende Entscheidung.

2. Beweiswürdigung:

Die festgestellten Tatsachen hinsichtlich der illegalen Einreise des Beschwerdeführers in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten sowie dessen erkennungsdienstlicher Behandlung in Italien, ergeben sich aus den eigenen Angaben des Beschwerdeführers in Zusammenschau mit der vorliegenden EURODAC-Treffermeldung der Kategorie "2" mit Italien.

Die Feststellung bezüglich der Zustimmung zur Aufnahme des Beschwerdeführers seitens Italiens leitet sich aus dem durchgeführten Konsultationsverfahren zwischen den österreichischen und den italienischen Dublin-Behörden ab, welches im Verwaltungsakt dokumentiert ist.

Die Gesamtsituation des Asylwesens im zuständigen Mitgliedstaat resultiert aus den umfangreichen und durch aktuelle Quellen belegten Länderfeststellungen des angefochtenen Bescheides, welche auf alle entscheidungsrelevanten Fragen eingehen. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hat in seiner Entscheidung neben Ausführungen zur Versorgungslage von Asylwerbern in Italien auch Feststellungen zur dortigen Rechtslage und Vollzugspraxis von asyl- und fremdenrechtlichen Bestimmungen (darunter konkret auch im Hinblick auf Rückkehrer nach der Dublin-VO) samt dem jeweiligen Rechtschutz im Rechtsmittelweg getroffen.

Aus den im angefochtenen Bescheid dargestellten Länderinformationen ergeben sich keine ausreichend begründeten Hinweise darauf, dass das italienische Asylwesen grobe systemische Mängel aufweisen würde. Insofern war aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts insbesondere in Bezug auf die Durchführung des Asylverfahrens, die medizinische Versorgung sowie die Sicherheitslage von Asylsuchenden in Italien, den Feststellungen der erstinstanzlichen Entscheidung zu folgen. Individuelle, unmittelbare und vor allem hinreichend konkrete Bedrohungen, welche den Länderberichten klar und substantiell widersprechen würden, hat der Beschwerdeführer nicht dargetan. Eine den Beschwerdeführer konkret treffende Bedrohungssituation in Italien wurde nicht ausreichend substantiiert vorgebracht (siehe hiezu die weiteren Ausführungen unten).

Die Feststellungen zum Gesundheitszustand des Beschwerdeführers und dessen Familienangehörigen ergeben sich aus den eigenen Angaben des Beschwerdeführers und dem vorgelegten ärztlichen Schreiben hinsichtlich der Mutter des Beschwerdeführers. Diesbezüglich wurde kein Vorbringen erstattet, welches geeignet wäre, den Schutzbereich des Art. 3 EMRK zu tangieren.

Die festgestellten persönlichen Verhältnisse des Beschwerdeführers ergeben sich aus den eigenen Angaben und der damit im Einklang stehenden Aktenlage.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 idF BGBl I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

§ 1 BFA-VG, BGBl I Nr. 25/2016, bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und FPG bleiben unberührt. In Asylverfahren tritt das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl an die Stelle des Bundesasylamtes (vgl § 75 Abs 18 AsylG 2005 idF BGBl I 2013/144).

§ 16 Abs. 6 und § 18 Abs. 7 BFA-VG bestimmen für Beschwerdevorverfahren und Beschwerdeverfahren, dass §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anzuwenden sind.

Zu A) Abweisung der Beschwerde:

Die maßgeblichen Bestimmungen des Asylgesetzes 2005 (AsylG 2005) idgF lauten:

§ 5 (1) Ein nicht gemäß §§ 4 oder 4a erledigter Antrag auf internationalen Schutz ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin-Verordnung zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist. Mit der Zurückweisungsentscheidung ist auch festzustellen, welcher Staat zuständig ist. Eine Zurückweisung des Antrages hat zu unterbleiben, wenn im Rahmen einer Prüfung des § 9 Abs. 2 BFA-VG festgestellt wird, dass eine mit der Zurückweisung verbundene Anordnung zur Außerlandesbringung zu einer Verletzung von Art. 8 EMRK führen würde.

(2) Gemäß Abs. 1 ist auch vorzugehen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin-Verordnung dafür zuständig ist zu prüfen, welcher Staat zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist.

(3) Sofern nicht besondere Gründe, die in der Person des Asylwerbers gelegen sind, glaubhaft gemacht werden oder beim Bundesamt oder beim Bundesverwaltungsgericht offenkundig sind, die für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung sprechen, ist davon auszugehen, dass der Asylwerber in einem Staat nach Abs. 1 Schutz vor Verfolgung findet.

§ 10 (1) Eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz ist mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn

1. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4 oder 4a zurückgewiesen wird,

2. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 5 zurückgewiesen wird,

3. und in den Fällen der Z 1 und 3 bis 5 von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt wird sowie in den Fällen der Z 1 bis 5 kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 vorliegt.

§ 9 Abs. 1 und 2 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) idgF lautet:

§ 9 (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine

Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4. der Grad der Integration,

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

§ 61 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) idgF lautet:

§ 61 (1) Das Bundesamt hat gegen einen Drittstaatsangehörigen eine

Außerlandesbringung anzuordnen, wenn

1. dessen Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4a oder 5 AsylG 2005 zurückgewiesen wird oder nach jeder weiteren, einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §§ 4a oder 5 AsylG 2005 folgenden, zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 Abs. 1 AVG oder

2. (2) Eine Anordnung zur Außerlandesbringung hat zur Folge, dass eine Abschiebung des Drittstaatsangehörigen in den Zielstaat zulässig ist. Die Anordnung bleibt binnen 18 Monaten ab Ausreise des Drittstaatsangehörigen aufrecht.

(3) Wenn die Durchführung der Anordnung zur Außerlandesbringung aus Gründen, die in der Person des Drittstaatsangehörigen liegen, eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde und diese nicht von Dauer sind, ist die Durchführung für die notwendige Zeit aufzuschieben.

(4) Die Anordnung zur Außerlandesbringung tritt außer Kraft, wenn das Asylverfahren gemäß § 28 AsylG 2005 zugelassen wird.

Die maßgeblichen Bestimmungen der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates (Dublin III-VO) lauten:

"Art. 3 Verfahren zur Prüfung eines Antrags auf internationalen Schutz

(1) Die Mitgliedstaaten prüfen jeden Antrag auf internationalen Schutz, den ein Drittstaatsangehöriger oder Staatenloser im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats einschließlich an der Grenze oder in den Transitzonen stellt. Der Antrag wird von einem einzigen Mitgliedstaat geprüft, der nach den Kriterien des Kapitels III als zuständiger Staat bestimmt wird.

(2) Lässt sich anhand der Kriterien dieser Verordnung der zuständige Mitgliedstaat nicht bestimmen, so ist der erste Mitgliedstaat, in dem der Antrag auf internationalen Schutz gestellt wurde, für dessen Prüfung zuständig.

Erweist es sich als unmöglich, einen Antragsteller an den zunächst als zuständig bestimmten Mitgliedstaat zu überstellen, da es wesentliche Gründe für die Annahme gibt, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Antragsteller in diesem Mitgliedstaat systemische Schwachstellen aufweisen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Artikels 4 der EU–Grundrechtecharta mit sich bringen, so setzt der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat, die Prüfung der in Kapitel III vorgesehenen Kriterien fort, um festzustellen, ob ein anderer Mitgliedstaat als zuständig bestimmt werden kann.

Kann keine Überstellung gemäß diesem Absatz an einen aufgrund der Kriterien des Kapitels III bestimmten Mitgliedstaat oder an den ersten Mitgliedstaat, in dem der Antrag gestellt wurde, vorgenommen werden, so wird der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat der zuständige Mitgliedstaat.

(3) Jeder Mitgliedstaat behält das Recht, einen Antragsteller nach Maßgabe der Bestimmungen und Schutzgarantien der Richtlinie 32/2013/EU in einen sicheren Drittstaat zurück- oder auszuweisen.

Art. 7 Rangfolge der Kriterien

(1) Die Kriterien zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats finden in der in diesem Kapitel genannten Rangfolge Anwendung.

(2) Bei der Bestimmung des nach den Kriterien dieses Kapitels zuständigen Mitgliedstaats wird von der Situation ausgegangen, die zu dem Zeitpunkt gegeben ist, zu dem der Antragsteller seinen Antrag auf internationalen Schutz zum ersten Mal in einem Mitgliedstaat stellt.

(3) Im Hinblick auf die Anwendung der in den Artikeln 8, 10 und 6 (Anmerkung: gemeint wohl 16) genannten Kriterien berücksichtigen die Mitgliedstaaten alle vorliegenden Indizien für den Aufenthalt von Familienangehörigen, Verwandten oder Personen jeder anderen verwandtschaftlichen Beziehung des Antragstellers im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats, sofern diese Indizien vorgelegt werden, bevor ein anderer Mitgliedstaat dem Gesuch um Aufnahme- oder Wiederaufnahme der betreffenden Person gemäß den Artikeln 22 und 25 stattgegeben hat, und sofern über frühere Anträge des Antragstellers auf internationalen Schutz noch keine Erstentscheidung in der Sache ergangen ist.

Art. 13 Einreise und/oder Aufenthalt

(1) Wird auf der Grundlage von Beweismitteln oder Indizien gemäß den beiden in Artikel 22 Absatz 3 dieser Verordnung genannten Verzeichnissen, einschließlich der Daten nach der Verordnung (EU) Nr. 603/2013 festgestellt, dass ein Antragsteller aus einem Drittstaat kommend die Land-, See- oder Luftgrenze eines Mitgliedstaats illegal überschritten hat, so ist dieser Mitgliedstaat für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig. Die Zuständigkeit endet zwölf Monate nach dem Tag des illegalen Grenzübertritts.

(2) Ist ein Mitgliedstaat nicht oder gemäß Absatz 1 dieses Artikels nicht länger zuständig und wird auf der Grundlage von Beweismitteln oder Indizien gemäß den beiden in Artikel 22 Absatz 3 genannten Verzeichnissen festgestellt, dass der Antragsteller — der illegal in die Hoheitsgebiete der Mitgliedstaaten eingereist ist oder bei dem die Umstände der Einreise nicht festgestellt werden können — sich vor der Antragstellung während eines ununterbrochenen Zeitraums von mindestens fünf Monaten in einem Mitgliedstaat aufgehalten hat, so ist dieser Mitgliedstaat für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig.

Hat sich der Antragsteller für Zeiträume von mindestens fünf Monaten in verschiedenen Mitgliedstaaten aufgehalten, so ist der Mitgliedstaat, wo er sich zuletzt aufgehalten hat, für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig.

Art. 16 Abhängige Personen

(1) Ist ein Antragsteller wegen Schwangerschaft, eines neugeborenen Kindes, schwerer Krankheit, ernsthafter Behinderung oder hohen Alters auf die Unterstützung seines Kindes, eines seiner Geschwister oder eines Elternteils, das/der sich rechtmäßig in einem Mitgliedstaat aufhält, angewiesen oder ist sein Kind, eines seiner Geschwister oder ein Elternteil, das/der sich rechtmäßig in einem Mitgliedstaat aufhält, auf die Unterstützung des Antragstellers angewiesen, so entscheiden die Mitgliedstaaten in der Regel, den Antragsteller und dieses Kind, dieses seiner Geschwister oder Elternteil nicht zu trennen bzw. sie zusammenzuführen, sofern die familiäre Bindung bereits im Herkunftsland bestanden hat, das Kind, eines seiner Geschwister oder der Elternteil in der Lage ist, die abhängige Person zu unterstützen und die betroffenen Personen ihren Wunsch schriftlich kundgetan haben.

(2) Hält sich das Kind, eines seiner Geschwister oder ein Elternteil im Sinne des Absatzes 1 rechtmäßig in einem anderen Mitgliedstaat als der Antragsteller auf, so ist der Mitgliedstaat, in dem sich das Kind, eines seiner Geschwister oder ein Elternteil rechtmäßig aufhält, zuständiger Mitgliedstaat, sofern der Gesundheitszustand des Antragstellers diesen nicht längerfristig daran hindert, in diesen Mitgliedstaat zu reisen. In diesem Fall, ist der Mitgliedstaat, in dem sich der Antragsteller aufhält, zuständiger Mitgliedstaat. Dieser Mitgliedstaat kann nicht zum Gegenstand der Verpflichtung gemacht werden, das Kind, eines seiner Geschwister oder ein Elternteil in sein Hoheitsgebiet zu verbringen.

(3) Der Kommission wird die Befugnis übertragen gemäß Artikel 45 in Bezug auf die Elemente, die zur Beurteilung des Abhängigkeitsverhältnisses zu berücksichtigen sind, in Bezug auf die Kriterien zur Feststellung des Bestehens einer nachgewiesenen familiären Bindung, in Bezug auf die Kriterien zur Beurteilung der Fähigkeit der betreffenden Person zur Sorge für die abhängige Person und in Bezug auf die Elemente, die zur Beurteilung einer längerfristigen Reiseunfähigkeit zu berücksichtigen sind, delegierte Rechtsakte zu erlassen.

(4) Die Kommission legt im Wege von Durchführungsrechtsakten einheitliche Bedingungen für Konsultationen und den Informationsaustausch zwischen den Mitgliedstaaten fest. Diese Durchführungsrechtsakte werden nach dem in Artikel 44 Absatz 2 genannten Prüfverfahren erlassen.

Art. 17 Ermessensklauseln

(1) Abweichend von Artikel 3 Absatz 1 kann jeder Mitgliedstaat beschließen, einen bei ihm von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen gestellten Antrag auf internationalen Schutz zu prüfen, auch wenn er nach den in dieser Verordnung festgelegten Kriterien nicht für die Prüfung zuständig ist.

Der Mitgliedstaat, der gemäß diesem Absatz beschließt, einen Antrag auf internationalen Schutz zu prüfen, wird dadurch zum zuständigen Mitgliedstaat und übernimmt die mit dieser Zuständigkeit einhergehenden Verpflichtungen. Er unterrichtet gegebenenfalls über das elektronische Kommunikationsnetz DubliNet, das gemäß Artikel 18 der Verordnung (EG) Nr. 1560/2003 eingerichtet worden ist, den zuvor zuständigen Mitgliedstaat, den Mitgliedstaat, der ein Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats durchführt, oder den Mitgliedstaat, an den ein Aufnahme- oder Wiederaufnahmegesuch gerichtet wurde.

Der Mitgliedstaat, der nach Maßgabe dieses Absatzes zuständig wird, teilt diese Tatsache unverzüglich über Eurodac nach Maßgabe der Verordnung (EU) Nr. 603/2013 mit, indem er den Zeitpunkt über die erfolgte Entscheidung zur Prüfung des Antrags anfügt.

(2) Der Mitgliedstaat, in dem ein Antrag auf internationalen Schutz gestellt worden ist und der das Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats durchführt, oder der zuständige Mitgliedstaat kann, bevor eine Erstentscheidung in der Sache ergangen ist, jederzeit einen anderen Mitgliedstaat ersuchen, den Antragsteller aufzunehmen, aus humanitären Gründen, die sich insbesondere aus dem familiären oder kulturellen Kontext ergeben, um Personen jeder verwandtschaftlichen Beziehung zusammenzuführen, auch wenn der andere Mitgliedstaat nach den Kriterien in den Artikeln 8 bis 11 und 16 nicht zuständig ist. Die betroffenen Personen müssen dem schriftlich zustimmen.

Das Aufnahmegesuch umfasst alle Unterlagen, über die der ersuchende Mitgliedstaat verfügt, um dem ersuchten Mitgliedstaat die Beurteilung des Falles zu ermöglichen.

Der ersuchte Mitgliedstaat nimmt alle erforderlichen Überprüfungen vor, um zu prüfen, dass die angeführten humanitären Gründe vorliegen, und antwortet dem ersuchenden Mitgliedstaat über das elektronische Kommunikationsnetz DubliNet, das gemäß Artikel 18 der Verordnung (EG) Nr. 1560/2003 eingerichtet wurde, innerhalb von zwei Monaten nach Eingang des Gesuchs. Eine Ablehnung des Gesuchs ist zu begründen.

Gibt der ersuchte Mitgliedstaat dem Gesuch statt, so wird ihm die Zuständigkeit für die Antragsprüfung übertragen.

Zur Frage der Unzuständigkeit Österreichs für die Durchführung des gegenständlichen Verfahrens pflichtet das Bundesverwaltungsgericht der Verwaltungsbehörde bei, dass sich aus dem festgestellten Sachverhalt die Zuständigkeit Italiens ergibt. Es war hierbei zudem eine Auseinandersetzung mit der Frage erforderlich, auf welcher Bestimmung die Zuständigkeit des ersuchten Mitgliedstaates beruht (VfGH 27.6.2012, U 462/12); dies freilich, sofern maßgeblich, unter Berücksichtigung der Urteile des Gerichtshofes der Europäischen Union vom 10.12.2013 in der Rechtssache C-394/12 ; Shamso Abdullahi/Österreich und vom 07.06.2016 in der Rechtssache C-63/15 ; Mehrdad Ghezelbash/Niederlande.

Der EuGH sprach in seinem Urteil vom 10.12.2013, C-394/12 , Shamso Abdullahi/Österreich Rz 60, aus, dass in einem Fall, in dem ein Mitgliedstaat der Aufnahme eines Asylbewerbers nach Maßgabe des in Art. 10 Abs. 1 Dublin II-VO festgelegten Kriteriums zugestimmt hat, der Asylbewerber der Heranziehung dieses Kriteriums nur damit entgegentreten kann, dass er systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in diesem Mitgliedstaat geltend macht, die ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass er tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GRC ausgesetzt zu werden.

Zudem hat der EuGH in seinem Urteil vom 07.06.2016, C-63/15 , Gezelbash (Große Kammer), festgestellt, dass Art. 27 Abs. 1 Dublin III-VO im Licht des 19. Erwägungsgrundes dieser Verordnung dahin auszulegen ist, dass [ ] ein Asylbewerber im Rahmen eines Rechtsbehelfs gegen eine Entscheidung über seine Überstellung die fehlerhafte Anwendung eines in Kapitel III dieser Verordnung festgelegten Zuständigkeitskriteriums [ ] geltend machen kann.

Damit im Einklang steht das Urteil des EuGH ebenfalls vom 07.06.2016, C-155/15 , Karim (Große Kammer), wonach ein Asylbewerber im Rahmen eines Rechtsbehelfs gegen eine Entscheidung über seine Überstellung einen Verstoß gegen die Regelung des Art. 19 Abs. 2 Unterabs. 2 der Verordnung geltend machen kann.

In materieller Hinsicht ist die Zuständigkeit Italiens zur Prüfung des in Rede stehenden Asylantrages in Art. 13 Abs. 1 Dublin III-VO begründet, da der Beschwerdeführer letztlich aus der Türkei, einem Drittstaat, kommend, die Grenze von Italien illegal überschritten hat und dort am 04.07.2016 erkennungsdienstlich behandelt wurde. Italien hat auch mit Schreiben vom 13.09.2016 explizit zugestimmt, den Beschwerdeführer auf der Grundlage des Art. 13 Abs. 1 der Dublin-III-VO aufzunehmen. Die Zuständigkeit Italiens ist zwischenzeitig auch nicht wieder erloschen. Die Überstellungsfrist ist noch offen.

Die Voraussetzungen der Art. 16 sowie Art. 17 Abs. 2 Dublin III-VO liegen gegenständlich nicht vor, da das geforderte besondere Abhängigkeitsverhältnis bzw. die humanitären Gründe im Sinne dieser Bestimmungen fehlen (siehe die Ausführungen weiter unten).

Nach der Rechtsprechung des VfGH (zB 17.06.2005, B 336/05;

15.10.2004, G 237/03) und des VwGH (zB 23.01.2007, 2006/01/0949;

25.04.2006, 2006/19/0673) ist aus innerstaatlichen verfassungsrechtlichen Gründen das Selbsteintrittsrecht zwingend auszuüben, sollte die innerstaatliche Überprüfung der Auswirkungen einer Überstellung ergeben, dass Grundrechte des betreffenden Asylwerbers bedroht wären.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hat von der Möglichkeit der Ausübung des Selbsteintrittsrechts nach Art. 17 Abs. 1 Dublin-III-VO keinen Gebrauch gemacht. Es war daher zu prüfen, ob von diesem im gegenständlichen Verfahren ausnahmsweise zur Vermeidung einer Verletzung der EMRK oder der GRC zwingend Gebrauch zu machen gewesen wäre.

Mögliche Verletzung von Art. 4 GRC bzw. Art. 3 EMRK:

Gemäß Art. 4 GRC bzw. Art. 3 EMRK darf niemand Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden.

Die bloße Möglichkeit einer dem Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben werden soll, genügt nicht, um die Abschiebung des Fremden in diesen Staat als unzulässig erscheinen zu lassen. Wenn keine Gruppenverfolgung oder sonstige amtswegig zu berücksichtigende notorische Umstände grober Menschenrechtsverletzungen in Mitgliedstaaten der EU in Bezug auf Art. 3 EMRK vorliegen (VwGH 27.09.2005, Zl. 2005/01/0313), bedarf es zur Glaubhaftmachung der genannten Bedrohung oder Gefährdung konkreter auf den betreffenden Fremden bezogener Umstände, die gerade in seinem Fall eine solche Bedrohung oder Gefährdung im Fall seiner Abschiebung als wahrscheinlich erscheinen lassen (VwGH 26.11.1999, Zl 96/21/0499, VwGH 09.05.2003, Zl. 98/18/0317; vgl. auch VwGH 16.07.2003, Zl. 2003/01/0059): "Davon abgesehen liegt es aber beim Asylwerber, besondere Gründe, die für die reale Gefahr eines fehlenden Verfolgungsschutzes im zuständigen Mitgliedstaat sprechen, vorzubringen und glaubhaft zu machen. Dazu wird es erforderlich sein, dass der Asylwerber ein ausreichend konkretes Vorbringen erstattet, warum die Verbringung in den zuständigen Mitgliedstaat gerade für ihn die reale Gefahr eines fehlenden Verfolgungsschutzes, insbesondere einer Verletzung von Art. 3 EMRK, nach sich ziehen könnte, und er die Asylbehörden davon überzeugt, dass der behauptete Sachverhalt (zumindest) wahrscheinlich ist." (VwGH 23.01.2007, Zl. 2006/01/0949).

Die Vorlage allgemeiner Berichte ersetzt dieses Erfordernis in der Regel nicht (vgl. VwGH 17.02.1998, Zl. 96/18/0379; EGMR Mamatkulov & Askarov v Türkei, Rs 46827, 46951/99, 71-77), eine geringe Anerkennungsquote, eine mögliche Festnahme im Falle einer Überstellung ebenso eine allfällige Unterschreitung des verfahrensrechtlichen Standards des Art. 13 EMRK sind für sich genommen nicht ausreichend, die Wahrscheinlichkeit einer hier relevanten Menschenrechtsverletzung darzutun. Relevant wäre dagegen etwa das Vertreten von mit der GFK unvertretbaren rechtlichen Sonderpositionen in einem Mitgliedstaat oder das Vorliegen einer massiv rechtswidrigen Verfahrensgestaltung im individuellen Fall, wenn der Asylantrag im zuständigen Mitgliedstaat bereits abgewiesen wurde (Art. 16 Abs. 1 lit e Dublin II VO). Eine ausdrückliche Übernahmeerklärung des anderen Mitgliedstaates hat in die Abwägung einzufließen (VwGH 31.03.2005, Zl. 2002/20/0582, VwGH 31.05.2005, Zl. 2005/20/0025, VwGH 25.04.2006, Zl. 2006/19/0673), ebenso andere Zusicherungen der europäischen Partnerstaaten Österreichs.

Mit der Frage, ab welchem Ausmaß von festgestellten Mängeln im Asylsystem des zuständigen Mitgliedstaates der Union ein Asylwerber von einem anderen Aufenthaltsstaat nicht mehr auf die Inanspruchnahme des Rechtsschutzes durch die innerstaatlichen Gerichte im zuständigen Mitgliedstaat und letztlich den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zur Wahrnehmung seiner Rechte verwiesen werden darf, sondern vielmehr vom Aufenthaltsstaat zwingend das Selbsteintrittsrecht nach Art. 3 Abs. 2 Dublin II-Verordnung (nunmehr Art. 17 Abs. 1 Dublin III-Verordnung) auszuüben ist, hat sich der Gerichtshof der Europäischen Union in seinem Urteil vom 21.12.2011, C-411/10 und C-493/10 , N.S./Vereinigtes Königreich, (zu vergleichbaren Bestimmungen der Dublin II-VO) befasst und, ausgehend von der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte in der Entscheidung vom 02.12.2008, 32733/08, K.R.S./Vereinigtes Königreich, sowie deren Präzisierung mit der Entscheidung des EGMR vom 21.01.2011, 30696/09, M.S.S./Belgien und Griechenland, ausdrücklich ausgesprochen, dass nicht jede Verletzung eines Grundrechtes durch den zuständigen Mitgliedstaat, sondern erst systemische Mängel im Asylverfahren und den Aufnahmebedingungen für Asylbewerber im zuständigen Mitgliedstaat die Ausübung des Selbsteintrittsrechtes durch den Aufenthaltsstaat gebieten (Rn. 86). An dieser Stelle ist auch auf das damit in Einklang stehende Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Union vom 14.11.2013 in der Rechtssache C-4/11 , Bundesrepublik Deutschland/Kaveh Puid zu verweisen (Rn. 36, 37).

Somit ist zum einen unionsrechtlich (im Hinblick auf die Urteile des EuGH vom 10.12.2013, C-394/12 , Shamso Abdullahi/Österreich, sowie jeweils vom 07.06.2016, C-63/15 , Gezelbash, und C-155/15 , Karim) zu prüfen, ob im zuständigen Mitgliedstaat systemische Mängel im Asylverfahren und den Aufnahmebedingungen für Asylbewerber vorherrschen, und zum anderen, ob der Beschwerdeführer im Falle der Zurückweisung seines Antrages auf internationalen Schutz und seiner Außerlandesbringung nach Italien gemäß §§ 5 AsylG und 61 FPG – unter Bezugnahme auf seine persönliche Situation – in seinen Rechten gemäß Art. 3 und/oder 8 EMRK verletzt werden würde, wobei der Maßstab des "real risk" anzulegen ist.

Es ist festzuhalten, dass kein konkretes Vorbringen ergangen ist, das geeignet wäre, anzunehmen, dass der rechtliche und faktische Standard der italienischen Asylverfahren eine Verletzung fundamentaler Menschenrechte erkennen ließe. Aus den von der erstinstanzlichen Behörde getroffenen Feststellungen zum italienischen Asylverfahren ergibt sich eindeutig, dass Asylwerbern dort ein rechtsstaatliches Asylverfahren offen steht, in welchem die Voraussetzungen der Asylgewährung und des Rückschiebungsschutzes im Einklang mit den internationalen Verpflichtungen, insbesondere der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK, definiert sind. Eine Art 3 EMRK-Verletzung im Falle einer Überstellung nach Italien wurde im Übrigen nicht einmal behauptet.

Konkretes detailliertes Vorbringen, das geeignet wäre, anzunehmen, dass Italien in Hinblick auf Asylwerber/Innen aus Afghanistan unzumutbare rechtliche Sonderpositionen vertreten würde, ist nicht erstattet worden.

Die von der belangten Behörde getroffenen Feststellungen zur Lage in Italien sind aktuell (so stammen die neuesten Informationen vom November 2016) und ergeben sich aus den dargelegten Erkenntnisquellen. Die belangte Behörde hat dabei Berichte verschiedenster allgemein anerkannter Institutionen berücksichtigt. Diese Quellen liegen dem Bundesverwaltungsgericht von Amts wegen vor und decken sich im Wesentlichen mit dem Amtswissen des erkennenden Gerichtes, das sich aus der ständigen Beachtung der aktuellen Quellenlage (Einsicht in aktuelle Berichte zur Lage in Italien sowie Berücksichtigung der höchstgerichtlichen Rechtsprechung und der Rechtsprechung anderer Dublin-Länder) ergibt.

Das erkennende Gericht geht davon aus, dass die allgemeine Lage für nach Italien überstellte Asylwerber aktuell keine reale Gefahr einer gegen menschenrechtliche Bestimmungen verstoßenden Behandlung darstellt. Insbesondere sind die Praxis der asylrechtlichen und der subsidiären Schutzgewährung, die Grund- und Gesundheitsversorgung sowie die Sicherheitslage unbedenklich und genügen den Grundsätzen des Unionsrechts (zB AsylGH 08.10.2013, S6 438.101-1/2013; 02.10.2013, S7 437.970-1/2013; 02.09.2013, S1 436741-1/2013; BVwG 22.04.2014, W153 2001839-1 und darauf bezogen VfGH 06.06.2014, E 333-336/2014-6).

Es liegen insbesondere auch keine Verurteilungen Italiens durch den EGMR oder den EuGH vor, welche eine Praxis systemischer Mängel des italienischen Asylwesens, insbesondere im Fall von Dublin-Überstellten aus anderen EU-Staaten, erkennen ließen. Die Europäische Kommission hat zwar am 24.10.2012 ein Fristsetzungsschreiben gemäß Art. 258 AEUV wegen Verletzung europäischer Richtlinien im Asylwesen an Italien gerichtet, ein weitergehendes Verfahren vor dem EuGH liegt derzeit jedoch nicht vor. Aus der Rechtsprechung des EuGH ergibt sich außerdem, dass die Verletzung einzelner Bestimmungen von Richtlinien nicht schon per se mit dem Vorliegen systematischer Mängel gleichzusetzen ist (21.12.2011, C-411/10 und C-493/10 , N.S. ua./Vereinigtes Königreich).

Auch verschiedene Einzelfallentscheidungen deutscher Gerichte belegen nicht solche systemischen, regelmäßig zu schweren Menschenrechtsverletzungen führenden, Mängel in Italien, handelt es sich doch zumeist um solche betreffend die Zuerkennung aufschiebender Wirkung.

Hinzu kommt ergänzend, dass UNHCR zu Italien, anders als zu Griechenland, keine Empfehlung an die EU-Mitgliedstaaten ausgesprochen hat, wonach von Überstellungen nach Italien aufgrund des Vorliegens akuter und systemischer Probleme im dortigen Aufnahmewesen Abstand zu nehmen wäre.

Im EGMR-Urteil vom 04.11.2014 in der Sache Tarakhel/Schweiz, 29217/12, wiederholte der Gerichtshof, dass die derzeitige allgemeine Situation von Asylsuchenden in Italien keineswegs mit jener in Griechenland, wie sie im Fall M.S.S./Belgien und Griechenland festgestellt wurde, zu vergleichen ist. Des Weiteren obliegt es dem Aufenthaltsstaat, vor einer Überstellung der im Verfahren betroffenen Asylwerber eine Zusicherung für deren Aufnahme und Unterbringung von Italien zu erhalten. Im dieser Entscheidung zugrundeliegenden Fall handelte es sich jedoch um eine mehrköpfige Familie einschließlich sechs minderjähriger Kinder, wobei es sicherzustellen galt, dass die gesamte Familie in Italien gemeinsam und dem Alter der Kinder entsprechend untergebracht wird. Das gegenständliche Verfahren betrifft jedoch keine Familie mit Kindern, sondern einen jungen und volljährigen Mann, der unter keiner schwerwiegenden gesundheitlichen Beeinträchtigung leidet. Eine im vorliegenden Fall bestehende besondere Vulnerabilität des Beschwerdeführers ist jedenfalls nicht hervorgekommen.

Zuletzt hat der EGMR in seinem Urteil A.M.E./Niederlande, 51428/10, vom 13.01.2015, wiederholt, dass die gegenwärtige Situation in Italien nicht mit jener in Griechenland zur Zeit der Entscheidung M.S.S./Belgien und Griechenland vergleichbar ist und die generelle Aufnahmesituation kein Hindernis für die Überstellung aller Asylwerber nach Italien darstellt.

Der EGMR hält in einer früheren Entscheidung vom 02.04.2013, 27725/10, Mohammed Hussein ua./Niederlande und Italien, im Wesentlichen fest, dass eine Überstellung nach Italien zumutbar ist und die Zukunftsaussichten in Italien kein ausreichend konkretes und ernsthaftes Risiko einer besonderen Notlage im Sinne von Art. 3 EMRK darstellen. Zudem weisen die generellen Aufnahmebedingungen für Asylsuchende in Italien keine systematischen Mängel auf.

In diesem Zusammenhang ist auch auf die Entscheidung des EGMR vom 04.06.2013, 6198/12, Daytbegova und Magomedova/Österreich, zu verweisen, in welcher der Gerichtshof ausführt, dass die Zustände in Italien keineswegs mit jenen in Griechenland zu vergleichen sind. Selbst im Hinblick auf psychisch vulnerable Personen besteht in Italien eine hinreichende medizinische Versorgung, weshalb, sofern ein entsprechender Informationsaustausch zwischen den Mitgliedstaaten besteht, eine Überstellung nach Italien nicht als unzulässig erkannt werden kann.

Der Beschwerdeführer hat im Zuge seiner Einvernahmen angeführt, dass die Versorgung in Italien schlecht gewesen sei; insbesondere übte er Kritik an den hygienischen Zuständen sowie der Qualität des Essens im Lager. Damit hat der Beschwerdeführer jedoch keine systemischen Mängel im italienischen Asylwesen und Aufnahmesystem geltend gemacht.

Das Bundesverwaltungsgericht verkennt nicht, dass der italienische Staat Probleme bei der lückenlosen Versorgung von Asylwerbern und Personen mit Aufenthaltstiteln hat. Es kann allerdings nicht von solchen Mängeln im italienischen Asylsystem gesprochen werden, welche eine Überstellung des Beschwerdeführers jedenfalls unzulässig erscheinen lassen würden. Im Gegensatz zu der von der internationalen Rechtsprechung einhellig als systemisch mangelhaft beurteilten Lage in Griechenland, beschränken sich die Probleme in Italien im Wesentlichen auf die materielle Versorgung von Flüchtlingen, wobei jedoch sonst von einem im Großen und Ganzen funktionierenden Asylwesen auszugehen ist. Im Übrigen werden die thematisierten Kapazitätsprobleme durch das Vorhandensein zahlreicher humanitärer (lokaler und kirchlicher) Organisationen relativiert. Trotz regional bestehender Engpässe bei den Aufnahmekapazitäten kann nach den Länderberichten zu Italien jedenfalls nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit angenommen werden, dass der Beschwerdeführer im Fall einer Überstellung nach Italien konkret Gefahr liefe, dort einer gegen das Folterverbot des Art. 3 EMRK verstoßenden Behandlung unterworfen zu werden. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass der Beschwerdeführer bislang noch keinen Asylantrag in Italien gestellt hat. Obwohl Italien demnach nicht zu dazu verpflichtet war - mangels Asylantragstellung - einer illegal aufhältigen Person ohne weiteres Versorgungsleistungen in Form von Unterkunft u.ä. zukommen zu lassen, ist dem Beschwerdeführer offenbar dennoch in Italien Versorgung gewährleistet worden. Die subjektive Unzufriedenheit mit dieser Versorgung kann nicht dazu führen, die an sich bestehende Grundversorgung für Asylwerber in Italien in Frage zu stellen.

Der Beschwerdeführer hat weiters vorgebracht, dass sein mitgereister Bruder im Lager von einem Polizeihund gebissen worden sei. Mangels belegbarer Nachweise hiefür (der Beschwerdeführer hat angekündigt, der Behörde diesbezüglich ein Foto zukommen zu lassen, was jedoch unterblieben ist), handelt es sich hierbei letztlich um eine bloß in den Raum gestellte Behauptung. Selbst bei Wahrunterstellung des Vorbringens hätten der Beschwerdeführer bzw. sein Bruder die Möglichkeit gehabt, solch ein Fehlverhalten der italienischen Polizei zur Anzeige zu bringen und den Rechtsweg zu beschreiten. Dies ist jedoch nicht geschehen. Für eine Schutzunfähigkeit oder Schutzunwilligkeit der italienischen Sicherheitsbehörden fehlen jegliche Anhaltspunkte.

Soweit der Beschwerdeführer angibt, wegen seiner Familienangehörigen nach Österreich gekommen zu sein, ist hiezu festzuhalten, dass es nicht dem Asylwerber obliegt, das Asylverfahren in einem Land seiner Wahl durchzuführen, sondern gelten hiefür die Bestimmungen der Dublin III-VO, die im vorliegenden Fall unzweifelhaft eine Zuständigkeit Italiens ergeben. So ist an dieser Stelle auf den Hauptzweck der Dublin-VO zu verweisen, wonach eine im Allgemeinen von individuellen Wünschen der Asylwerber losgelöste Zuständigkeitsregelung zu treffen ist. Italien hat sich - wie bereits erwähnt - ausdrücklich bereit erklärt, den Beschwerdeführer aufzunehmen.

Es kann dem Beschwerdeführer jedenfalls zugemutet werden, den Wunsch nach Einwanderung und Familienzusammenführung in Österreich im Einklang mit den einschlägigen unionsrechtlichen und österreichischen Rechtsvorschriften zu verwirklichen.

Nach der maßgeblichen Rechtsprechung kann ein allein durch Missachtung der fremden- und aufenthaltsrechtlichen Vorschriften erwirkter Aufenthalt keinen Rechtsanspruch aus Art. 8 EMRK bewirken. Eine andere Auffassung würde sogar zu einer Bevorzugung dieser Gruppe gegenüber den sich rechtstreu verhaltenden Drittstaatsangehörigen führen (EGMR 08.04.2008, 21878/06, Nnyanzi; VfGH 12.06.2010, U 613/10).

Das im Rechtsmittelschriftsatz enthaltene Vorbringen, wonach im angefochtenen Bescheid keine Auseinandersetzung mit den Fluchtgründen des Beschwerdeführers (und seiner Familienangehörigen) erfolgt sei, ist gegenständlich irrelevant, zumal es sich um eine der inhaltlichen Prüfung vorgelagerten Zuständigkeitsprüfung handelt, nämlich um die Prüfung, welcher Mitgliedstaat für die inhaltliche Prüfung des Antrags zuständig ist. Italien ist, wie bereits ausgeführt, nach den Bestimmungen der Dublin III-VO für die inhaltliche Prüfung des Antrags zuständig und hat sich auch für zuständig erklärt. Es ist gerade der hauptsächliche Sinn der Bestimmungen der Dublin III-VO, dass eine inhaltliche Prüfung des Antrags nur in einem Mitgliedstaat stattfindet. Der zuständige Mitgliedstaat richtet sich - wie bereits oben ausgeführt - nicht nach dem Wunsch des Asylwerbers, sondern lediglich nach den in der Dublin III-VO normierten Zuständigkeitskriterien.

Im vorliegenden Fall steht fest, dass der Beschwerdeführer als Dublin-Rückkehrer nunmehr offiziell an die italienischen Behörden überstellt wird. Der Beschwerdeführer hat in Italien jedenfalls die Möglichkeit, einen Asylantrag zu stellen und in der Folge Unterbringung und (medizinische) Versorgung zu erhalten. Im Übrigen hat er bei einer Überstellung nach Italien auch keine unmittelbare Abschiebung in seine Heimat zu befürchten, zumal Italien das Non-Refoulement-Gebot beachtet und dort demnach Rückführungen in Länder, in welchem das Leben oder die Freiheit der Person gefährdet ist oder sie der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe ausgesetzt wäre, nicht durchgeführt werden dürfen.

Aus dem gesamten Akteninhalt sind keine Hinweise auf einen aktuellen existenzbedrohenden gesundheitlichen Zustand des Beschwerdeführers ersichtlich.

Er ist nach eigenen Angaben gesund. Sollte der Beschwerdeführer im Zielland einer ärztlichen Behandlung bedürfen, so ist diese nach den Länderfeststellungen in ausreichendem Maße gewährleistet. Auch aus der rezenten Rechtsprechung des VwGH vom 28.4.2015, Ra 2014/19/0172-8, ergibt sich kein Hinweis, dass die medizinische Versorgung von Asylsuchenden in Italien nicht gegeben wäre.

Auf Grundlage von im Wesentlichen übereinstimmenden Länderberichten im durch eine außerordentliche Revision angefochtenen Bescheid des Bundesverwaltungsgerichtes hat der VwGH in einer Entscheidung vom 13.07.2015, Ra 2015/18/0143, keinen Anlass gesehen, die Abstandnahme von der Ausübung des Selbsteintrittsrechts zu bemängeln.

Insgesamt ergeben sich aus dem Parteivorbringen weder eine systemische, noch eine individuell drohende Gefahr des Beschwerdeführers in Italien, welche für die reale Gefahr einer Verletzung des Art. 3 EMRK sprechen würde, weshalb die Rechtsvermutung des § 5 Abs. 3 AsylG zur Anwendung kommt, wonach ein Asylwerber im zuständigen Mitgliedstaat Schutz vor Verfolgung findet.

Jedenfalls hätte der Beschwerdeführer die Möglichkeit, etwaige ihm drohende oder eingetretene Verletzungen seiner Rechte, etwa durch eine unmenschliche Behandlung im Sinne des Art 3 EMRK, bei den zuständigen Behörden in Italien und letztlich beim EGMR geltend zu machen.

Mögliche Verletzung von Art. 7 GRC bzw. Art. 8 EMRK:

Nach Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Der Eingriff einer öffentlichen Behörde in Ausübung dieses Rechts ist gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Zu den in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) zu Art. 8 EMRK entwickelten Grundsätzen zählt unter anderem auch, dass das durch Art. 8 EMRK gewährleistete Recht auf Achtung des Familienlebens, das Vorhandensein einer "Familie" voraussetzt. Ein Recht auf Familienleben gem. Art. 8 EMRK kann sich nicht nur in Bezug auf die Kernfamilie ergeben, sondern auch auf andere verwandtschaftliche Verhältnisse (wie bspw. zwischen erwachsenen Geschwistern), insofern bestimmte Voraussetzungen einer hinreichend stark ausgeprägten Nahebeziehung erfüllt sind. Diese Voraussetzungen sind u.a. gegenseitige finanzielle Abhängigkeit, ein gemeinsamer Wohnsitz sowie sonstige Abhängigkeit wie beispielsweise gegenseitige Pflege.

Eine familiäre Beziehung unter Erwachsenen fällt nach der ständigen Rechtsprechung des EGMR nur dann unter den Schutz des Familienlebens des Art 8 EMRK, wenn zusätzliche Merkmale der Abhängigkeit hinzutreten, die über die üblichen Bindungen hinausgehen (EGMR 20.12.2011, 6222/10, A.H. Khan, Rn 32; 12.1.2010, 47486/06, A.W. Khan; 10.7.2003, 53441/99, Benhebba Rn 36). Auch auf die Beziehung zwischen Eltern und ihrem erwachsenen Kind wendet die Rechtsprechung des EGMR regelmäßig dieses Kriterium der zusätzlichen, über die üblichen Bindungen hinausgehenden Merkmale der Abhängigkeit, an.

Gegenständlich befinden sich – neben dem mitgereisten erwachsenen Bruder des Beschwerdeführers - die Eltern und zwei Geschwister des Beschwerdeführers als Asylwerber in Österreich; dies seit Ende Jänner 2016. Die Verfahren der Eltern und der beiden mit diesen nach Österreich gekommenen Geschwister des Beschwerdeführers wurden in Österreich zugelassen.

Das Bestehen einer (wechselseitigen) ausgeprägten Abhängigkeit des Beschwerdeführers zu diesen Personen iSd vorstehend zitierten Judikatur, ist jedoch zu verneinen. Es liegen weder finanzielle noch sonstige Abhängigkeiten vor.

Ein allenfalls im Herkunftsstaat bestandener gemeinsamer Haushalt zwischen dem (erwachsenen) Beschwerdeführer und den genannten Familienangehörigen bestand jedenfalls seit zumindest Mitte Jänner 2016 (Flucht der Familie aus Afghanistan) nicht mehr. Auch in Österreich besteht ein solcher – aus welchen und von wem auch immer zu vertretenden Gründen – nicht. Das "Familienleben" beschränkt sich seit ca einem halben Jahr daher (nur) auf regelmäßige Besuche bzw gelegentliche Übernachtungen.

Mag die Beziehung des Beschwerdeführers zu den genannten Familienangehörigen auch -wie vorgebracht – eine sehr enge sein, so bleibt doch festzuhalten, dass sich aus dem festgestellten Sachverhalt nicht ergibt bzw nicht dargetan wurde, dass eine über die üblichen Bindungen zwischen erwachsenen Verwandten hinausgehende besondere Beziehungsintensität bestünde. Eine emotionale Bindung allein reicht nicht aus, um ein schützenswertes Familienleben iSd Art 8 EMRK zu begründen.

Entgegen dem Vorbringen in der Beschwerde konnte das Gericht auch nicht erkennen, dass die Eltern des Beschwerdeführers – etwa aufgrund hohen Alters, einer schweren Krankheit oder einer ernsthaften Behinderung (Art 16 Abs 1 Dublin III-VO) - auf die Unterstützung des Beschwerdeführers angewiesen wären. Der Vater ist ca 62 Jahre alt und leidet nach den Angaben des Beschwerdeführers an Krampfadern; die Mutter leidet seit vielen Jahren – nach etlichen Operationen in der Heimat (die letzte Operation erfolgte vor 7 Jahren!) - an folgenden Erkrankungen:

"Rechtskonvexe Rotationsskoliose der LWS. Kein relevanter Beckenschiefstand oder relevante relative Beinlängendifferenz. Deutliche Osteochondrose/Discopathie mit Erniedrigung der Bandscheibe. Zumindest relative ossäre Spinalkanalstenose. Degenerative überlastungsinduzierte Veränderungen der SIG".

Entgegen dem Vorbringen in der Beschwerde kann das erkennende Gericht aus diesem Befund keinen akuten Pflegebedarf der Mutter des Beschwerdeführers erkennen. Überdies ist in diesem Zusammenhang festzuhalten, dass, selbst wenn man von einem Pflegebedarf ausgehen wollte, es nicht erforderlich ist, dass die Pflege bzw Betreuung und Versorgung der Mutter durch den Beschwerdeführer erfolgen müsste. So erscheinen weder der Gatte der Mutter des Beschwerdeführers (aufgrund seines Alters bzw eigener Erkrankungen) nicht in der Lage, die Versorgung derselben sicher zu stellen bzw durchzuführen, noch gibt es objektive Anhaltspunkte, dass deren bei ihnen wohnhafte Kinder nicht in der Lage wären, die Mutter bei Bedarf zu betreuen und zu pflegen (wie dies vorgebracht wurde). Eines der genannten Kinder ist gerade volljährig geworden; das andere Kind ist gerade noch minderjährig. Es ist für das Gericht nicht ersichtlich, warum eine allfällige Pflege/Betreuung nicht auch durch die genannten Kinder (mit)erfolgen können sollte. Da die Genannten als (annähernd) Volljährige keiner Schulpflicht mehr unterliegen und ein allfälliger Schulbesuch auch nicht nachgewiesen wurde, und auch keine berufliche Inanspruchnahme vorgebracht wurde, ist davon auszugehen, dass bei Bedarf eine (Mit)Betreuung der Mutter auch durch die bei den Eltern wohnhaften Geschwister des Beschwerdeführers erfolgen kann.

Das Vorliegen einer (wechselseitigen) finanziellen Abhängigkeit wurde vom Beschwerdeführer selbst explizit verneint und liegt eine solche auch nicht vor, zumal sich sämtliche Familienmitglieder in Österreich (bzw dann in Italien) in der Grundversorgung befinden und somit nicht auf die finanzielle Unterstützung durch Familienmitglieder angewiesen sind.

Nach dem Gesagten war es auch nicht zwingend erforderlich, eine zeugenschaftliche Einvernahme der Familienangehörigen des Beschwerdeführers vorzunehmen.

Der Wunsch allein, nicht von seinen in Österreich lebenden Verwandten getrennt werden zu wollen, vermag vor dem Hintergrund der angeführten Umstände keine Situation zu begründen, die einer Überstellung des Beschwerdeführers nach Italien entgegenstehen würde.

Die Ausweisung des Beschwerdeführers stellt daher im gegenständlichen Fall im Verhältnis zu seinen in Österreich lebenden Eltern und jüngeren Geschwistern und vice versa keine Verletzung des Rechts auf ein Familienleben iSd Art. 8 EMRK dar.

Da gegen den mitgereisten erwachsenen Bruder des Beschwerdeführers eine gleichlautende aufenthaltsbeendende Maßnahme ergangen ist, die ebenso mit dem am heutigen Tag ergehenden Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes bestätigt wird, ist auch kein ungerechtfertigter Eingriff in das Recht auf ein Familienleben zu dem genannten Bruder zu erkennen.

Hinsichtlich des nach Art 8 EMRK zu schützenden Privatlebens ist festzuhalten, dass schon aufgrund der kurzen Aufenthaltsdauer ein schützenswertes Privatleben, wie beispielsweise wegen einer bereits erfolgten außergewöhnlichen Integration in Österreich etwa aufgrund sehr langer Verfahrensdauer (vgl. VfGH 26.02.2007, Zl. 1802, 1803/06-11), nicht angenommen werden kann.

Während seines nur wenige Monate dauernden Aufenthalts im Bundesgebiet kam dem Beschwerdeführer nicht einmal eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung zu, sondern es bestand – da das Verfahren nicht zugelassen war – lediglich faktischer Abschiebeschutz.

Gemessen an der Judikatur des EGMR und der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechtes ist dieser Zeitraum als kein ausreichend langer zu qualifizieren. Aus der Rechtsprechung des VwGH ergibt sich, dass etwa ab einem zehnjährigen Aufenthalt im Regelfall die privaten Interessen am Verbleib im Bundesgebiet die öffentlichen Interessen überwiegen können (09.05.2003, 2002/18/0293). Gleiches gilt für einen siebenjährigen Aufenthalt, wenn eine berufliche und soziale Verfestigung vorliegt (05.07.2005, 2004/21/0124).

Die privaten und familiären Interessen des Beschwerdeführers an einem Verbleib im Bundesgebiet haben nur sehr geringes Gewicht und treten fallbezogen gegenüber dem öffentlichen Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Bestimmungen aus Sicht des Schutzes der öffentlichen Ordnung, dem nach der Rechtsprechung des VwGH ein hoher Stellenwert zukommt, in den Hintergrund.

Das Bundesverwaltungsgericht gelangt daher insgesamt zu dem Ergebnis, dass im vorliegenden Fall keine Verletzung von Bestimmungen der GRC oder der EMRK zu befürchten ist. Daher bestand auch keine Veranlassung, von dem in Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO vorgesehenen Selbsteintrittsrecht Gebrauch zu machen und eine inhaltliche Prüfung des Antrages auf internationalen Schutz vorzunehmen.

Nach § 21 Abs. 6a und 7 BFA-VG idgF konnte eine mündliche Verhandlung unterbleiben (siehe auch das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 28.05.2014, Zlen. Ra 2014/20/0017 und 0018, wobei die dort genannten Kriterien für die Auslegung des § 21 Abs. 7 BFA-VG gegenständlich erfüllt sind). Es ergab sich sohin auch kein Hinweis auf die Notwendigkeit, den maßgeblichen Sachverhalt mit dem Beschwerdeführer zu erörtern (vgl. VwGH 23.01.2003, 2002/20/0533, VwGH 01.04.2004, 2001/20/0291).

Eine gesonderte Erwägung bezüglich einer allfälligen Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 17 BFA-VG konnte angesichts der erfolgten Sachentscheidung entfallen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Im vorliegenden Fall liegen die tragenden Elemente der Entscheidung allein in der Bewertung der Asyl- und Aufnahmesituation im Mitgliedsstaat, die auf den umfassenden und aktuellen Feststellungen der Behörde über die Lage im Vertragsstaat beruht, sowie in der Bewertung der Intensität des Privat- und Familienlebens des Beschwerdeführers und demgemäß in Tatbestandsfragen.

Hinsichtlich der Einordnung des Sachverhaltes konnte sich das Bundesverwaltungsgericht insbesondere auf die Rechtsprechung der Höchstgerichte und des EGMR bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den rechtlichen Erwägungen wiedergegeben.

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