BVwG L512 1422929-3

BVwGL512 1422929-34.7.2014

AsylG 2005 §12a Abs2
BFA-VG §22
B-VG Art.133 Abs4
AsylG 2005 §12a Abs2
BFA-VG §22
B-VG Art.133 Abs4

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2014:L512.1422929.3.00

 

Spruch:

L512 1422929-3/3E

BESCHLUSS

In dem amtswegig eingeleiteten Verfahren über die durch den mündlich verkündeten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 12.06.2014, Zl. 649509708/17407975, erfolgte Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes betreffend XXXX, geb. XXXX, StA. der islamischen Republik Pakistan, hat der Bundesverwaltungsgericht durch die Richterin Mag. Marlene Jungwirt als Einzelrichterin beschlossen:

A)

Die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes ist gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 idF BGBl. I Nr. 2013/144 iVm § 22 BFA-Verfahrensgesetz BGBl. I Nr. 68/2013, nicht rechtmäßig. Der zitierte Bescheid wird daher aufgehoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang

I.1. Die beschwerdeführende Partei (in weiterer Folge kurz als "bP" bezeichnet), ein pakistanischer Staatsbürger, stellte am 02.11.2011 ihren ersten Antrag auf internationalen Schutz in Österreich und begründete den Antrag im Wesentlichen damit, dass sie Probleme in Pakistan mit den Gläubigern, die der Muslim League angehören, gehabt habe. Diese hätten die bP verfolgt. Man hätte die bP zusammengeschlagen und gefoltert.

I.2. Mit Bescheid des Bundesasylamtes (BAA) vom 08.11.2011, Zl. 11 13.214-BAT, wurde der Antrag gemäß § 3 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Ziffer 13 AsylG 2005 abgewiesen und der Status eines Asylberechtigten nicht zuerkannt (Spruchpunkt I.). Gem. § 8 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Ziffer 13 AsylG wurde der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Pakistan nicht zugesprochen (Spruchpunkt II.). Gemäß § 10 Abs 1 AsylG wurde die Ausweisung aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Pakistan verfügt (Spruchpunkt III.).

I.3. Die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 20.06.2012, Zl. E11 422.929-1/2011/17E, gem. §§ 3, 8 Abs. 1 Z 1 und 10 Abs 1 Z 2 AsylG 2005 idgF als unbegründet abgewiesen. Das Erkenntnis erwuchs am 28.06.2012 in Rechtskraft.

I.4. Am 30.07.2013 stellte die bP ihren zweiten Antrag auf internationalen Schutz in Österreich und begründete den Antrag im Wesentlichen damit, dass ihr Vater von Rebellen mit dem Messer bedroht und geschnitten worden wäre. Der Bruder hätte ihr das mitgeteilt und aus diesem Grunde hätte er auch jetzt Angst. Dies wäre dokumentiert worden und sie lege nunmehr diese Dokumente vor. Die Politiker würden ihren Kindern Angst machen und sie auch fragen, wo sich die bP aufhalte. Die bP wäre ein Geschäftsmann und würde von diversen Leuten erpresst werden, Zahlungen zu leisten. Der Vorfall mit dem Vater wäre am 11.7.2012 gewesen. Die bP leide an Kreuzprobleme, ansonsten hätte die bP keine Beschwerden oder Krankheiten.

I.5. Mit Bescheid des Bundesasylamtes (BAA) vom 05.09.2013, Zl. 13 11.068-EAST WEST, wurde der Antrag gemäß § 68 Abs. 1 AVG 1991, BGBl. I Nr. 51/1991 idgF, wegen entschiedener Sache zurückgewiesen und der BF gem. § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 BGBl I 2005/100 idgF aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Pakistan ausgewiesen.

I.6. Die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 23.09.2013, Zl. E11 422.929-2/2013/3E, gem. §§ 68 Abs 1 AVG und 10 Abs 1 Z 2 AsylG idgF als unbegründet abgewiesen. Das Erkenntnis erwuchs am 27.09.2013 in Rechtskraft.

I.7. Am 16.12.2013 stellte die bP ihren dritten Antrag auf internationalen Schutz in Österreich und begründete den Antrag im Wesentlichen damit, dass ihre Gegner eine Drohung gegen die bP ausgesprochen hätten. Diese hätten ihrem Vater attackiert und mehrmals gedroht, dass diese die bP umbringen würden, wenn diese nach Pakistan zurückkehre. Sie würden die Kinder bP entführen, wenn die bP nicht nach Hause komme. Der Vater der bP habe darüber bei der lokalen Polizei in Pakistan eine Anzeige erstattet. Die bP legte diesbezüglich Kopien dieser Unterlagen vor. Die bP habe vor etwa eineinhalb Monaten von den Drohungen durch ihren Vater erfahren. Die bP leide seit dem Erhalt der zweiten negativen Entscheidung an Depressionen, Schlafstörungen sowie Appetitlosigkeit. Zudem habe sie Rückenschmerzen. Die bP legte zahlreiche Unterlagen für Ihr diesbezügliches Vorbringen, sowie Unterlagen bezüglich ihres Gesundheitszustandes und ihrer Integration vor.

I.8. Mit im Spruch genannten mündlich verkündeten Bescheid des Bundesasylamtes wurde der faktische Abschiebeschutz gem. § 12a Abs. 2 AsylG aufgehoben. Begründend wurde ausgeführt, dass der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt sich seit Rechtskraft des Vorverfahrens nicht geändert habe und der neuerliche Antrag werde voraussichtlich wegen entschiedener Sache zurückzuweisen sein. Die bP habe keinen neuen Sachverhalt vorgebracht. Zudem hätte sich die Lage im Herkunftsland nicht entscheidungsrelevant geändert. Eine Gefahr im Sinne des § 12 a Abs. 2 Z 3 AsylG sei nicht ersichtlich.

I.9. Die Verwaltungsakten des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, auf welchen die Feststellungen zum Verfahrensgang und Sachverhalt gründen, langten am 30.06.2014 bei der zuständigen Gerichtsabteilung des Bundesverwaltungsgerichtes ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen (Sachverhalt):

Der relevante Sachverhalt ergibt sich aus den unter Punkt I getroffenen Ausführungen.

2. Beweiswürdigung:

Der festgestellte Sachverhalt steht aufgrund der außer Zweifel stehenden und von den Parteien nicht beanstandeten Aktenlage fest.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 i.d.F. BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.

Zu A)

§ 12 Abs. 1 AsylG 2005 lautet auszugsweise:

"Ein Fremder, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, kann, außer in den Fällen des § 12a, bis zur Erlassung einer durchsetzbaren Entscheidung, bis zur Gegenstandslosigkeit des Verfahrens oder nach einer Einstellung bis zu dem Zeitpunkt, an dem eine Fortsetzung des Verfahrens gemäß § 24 Abs. 2 nicht mehr zulässig ist, weder zurückgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben werden (faktischer Abschiebeschutz); [...]"

§ 12a Abs. 2 AsylG 2005 lautet:

"Hat der Fremde einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) gestellt und liegt kein Fall des Abs. 1 vor, kann das Bundesamt den faktischen Abschiebeschutz des Fremden aufheben, wenn

1. gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG oder eine Ausweisung gemäß § 66 FPG besteht,

2. der Antrag voraussichtlich zurückzuweisen ist, weil keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts eingetreten ist, und

3. die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten und für ihn als Zivilperson keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde."

§ 22 BFA-VG lautet:

(1) Eine Entscheidung des Bundesamtes, mit der der faktische Abschiebeschutz eines Fremden aufgehoben wurde (§ 12a Abs. 2 AsylG 2005), ist vom Bundesverwaltungsgericht unverzüglich einer Überprüfung zu unterziehen. Das Verfahren ist ohne Abhaltung einer mündlichen Verhandlung zu entscheiden. § 20 gilt sinngemäß. § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG ist nicht anzuwenden.

(2) Die Aufhebung des Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 und eine aufrechte Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG oder eine Ausweisung gemäß § 66 FPG sind mit der Erlassung der Entscheidung gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 durchsetzbar. Mit der Durchführung der die Rückkehrentscheidung oder Ausweisung umsetzenden Abschiebung gemäß § 46 FPG ist bis zum Ablauf des dritten Arbeitstages ab Einlangen der gemäß § 22 Abs. 10 AsylG 2005 zu übermittelnden Verwaltungsakten bei der zuständigen Gerichtsabteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuzuwarten. Das Bundesverwaltungsgericht hat das Bundesamt unverzüglich vom Einlangen der Verwaltungsakten bei der zuständigen Gerichtsabteilung und von der im Rahmen der Überprüfung gemäß Abs. 1 getroffenen Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes zu verständigen.

(3) Über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes im Rahmen der Überprüfung gemäß Abs. 1 hat das Bundesverwaltungsgericht binnen acht Wochen zu entscheiden.

§ 75 Abs. 23 AsylG idgF:

Ausweisungen, die gemäß § 10 in der Fassung vor dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. 87/2012 erlassen wurden, bleiben binnen 18 Monaten ab einer Ausreise des Fremden aufrecht. Diese Ausweisungen gelten als aufenthaltsbeendende Maßnahmen gemäß dem 1. oder 3. Abschnitt des 8. Hauptstückes des FPG in der Fassung nach dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. 87/2012.

Zu den Voraussetzungen des § 12 a AsylG 2005, auf den gegenständlichen Fall bezogen, im Detail:

Gegen die bP besteht aufgrund des Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 23.09.2013, Zl. E11 422.929-2/2013/3E, in Bezug auf den zweiten Antrag auf internationalen Schutz der bP, im Sinne des § 75 Abs. 23 AsylG 2005 idgF - eine aufrechte Ausweisung/Rückkehrentscheidung.

Zurückweisung wegen entschiedener Sache gemäß § 68 Abs. 1 AVG:

Gemäß § 68 Abs. 1 AVG sind Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 AVG die Abänderung eines der Beschwerde nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen, wenn die Behörde nicht Anlass zu einer Verfügung gemäß § 68 Abs. 2 bis 4 AVG findet. Diesem ausdrücklichen Begehren auf Abänderung steht ein Ansuchen gleich, das bezweckt, eine Sache erneut inhaltlich zu behandeln, die bereits rechtskräftig entschieden ist (VwGH 30.9.1994, 94/08/0183; 30.5.1995, 93/08/0207; 9.9.1999, 97/21/0913; 7.6.2000, 99/01/0321).

"Entschiedene Sache" iSd § 68 Abs. 1 AVG liegt vor, wenn sich gegenüber dem Vorbescheid weder die Rechtslage noch der wesentliche Sachverhalt geändert hat und sich das neue Parteibegehren im Wesentlichen mit dem früheren deckt (VwGH 9.9.1999, 97/21/0913;

27.9.2000, 98/12/0057; 25.4.2002, 2000/07/0235; 17.9.2008, 2008/23/0684; 11.11.2008, 2008/23/1251; 19.2.2009, 2008/01/0344;

6.11.2009, 2008/19/0783). Werden nur Nebenumstände modifiziert, die für die rechtliche Beurteilung der Hauptsache unerheblich sind, so ändert dies nichts an der Identität der Sache. Nur eine wesentliche Änderung des Sachverhaltes - nicht bloß von Nebenumständen - kann zu einer neuerlichen Entscheidung führen (vgl. zB VwGH 27.9.2000, 98/12/0057; 25.4.2007, 2004/20/0100; 17.9.2008, 2008/23/0684; 19.2.2009, 2008/01/0344; 6.11.2009, 2008/19/0783). Liegt keine relevante Änderung der Rechtslage oder des Begehrens vor und hat sich der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt nicht geändert, so steht die Rechtskraft des Vorbescheides einer inhaltlichen Erledigung des neuerlichen Antrages entgegen. Stützt sich ein Asylantrag auf einen Sachverhalt, der verwirklicht worden ist, bevor das Verfahren über einen (früheren) Antrag beendet worden ist, so steht diesem (späteren) Antrag die Rechtskraft des Vorbescheides entgegen (VwGH 10.6.1998, 96/20/0266).

Gegenüber neu entstandenen Tatsachen (novae causae supervenientes; vgl. VwGH 20.2.1992, 91/09/0196) fehlt es an der Identität der Sache; neu hervorgekommene Tatsachen (oder Beweismittel) rechtfertigen dagegen allenfalls eine Wiederaufnahme iSd § 69 Abs. 1 Z 2 AVG (wegen nova reperta; zur Abgrenzung vgl. zB VwGH 4.5.2000, 99/20/0192; 21.9.2000, 98/20/0564; 24.8.2004, 2003/01/0431; 4.11.2004, 2002/20/0391), bedeuten jedoch keine Änderung des Sachverhaltes iSd § 68 Abs. 1 AVG. Eine neue Sachentscheidung ist nicht nur bei identem Begehren auf Grund desselben Sachverhaltes ausgeschlossen, sondern auch dann, wenn dasselbe Begehren auf Tatsachen und Beweismittel gestützt wird, die schon vor Abschluss des Vorverfahrens bestanden haben (VwGH 30.9.1994, 94/08/0183 mwN; 24.8.2004, 2003/01/0431; 17.9.2008, 2008/23/0684).

Zu einer neuen Sachentscheidung - nach etwa notwendigen amtswegigen Ermittlungen iSd § 18 Abs. 1 AsylG - kann die Behörde jedoch nur durch eine solche behauptete Änderung des Sachverhaltes berechtigt und verpflichtet werden, der für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen rechtlich Asylrelevanz zukäme; eine andere rechtliche Beurteilung des Antrages darf nicht von vornherein ausgeschlossen sein. Dem neuen Tatsachenvorbringen muss eine Sachverhaltsänderung zu entnehmen sein, die - falls sie festgestellt werden kann - zu einem anderen Ergebnis als das erste Verfahren führen kann (VwGH 4.11.2004, 2002/20/0391, mwN zur gleichlautenden Vorgängerbestimmung des § 18 Abs. 1 AsylG 2005, nämlich § 28 AsylG 1997; 17.9.2008, 2008/23/0684; weiters VwGH 6.11.2009, 2008/19/0783).

Aus § 68 AVG ergibt sich, dass Bescheide mit Eintritt ihrer Unanfechtbarkeit auch prinzipiell unwiderrufbar werden, sofern nichts anderes ausdrücklich normiert ist. Über die mit einem rechtskräftigen Bescheid erledigte Sache darf nicht neuerlich entschieden werden. Bei der Prüfung, ob Identität der Sache vorliegt, ist vom rechtskräftigen Vorbescheid auszugehen, ohne seine sachliche Richtigkeit - nochmals - zu überprüfen; die Rechtskraftwirkung besteht gerade darin, dass die von der Behörde einmal untersuchte und entschiedene Sache nicht neuerlich untersucht und entschieden werden darf (vgl. zB VwGH 15.10.1999, 96/21/0097; 25.4.2002, 2000/07/0235).

Ob ein neuerlicher Antrag wegen geänderten Sachverhaltes zulässig ist, darf nur anhand jener Gründe geprüft werden, welche die Partei in erster Instanz zur Begründung ihres Begehrens geltend gemacht hat; in der Berufung (hier: Beschwerde) gegen den Zurückweisungsbescheid dürfen derartige Gründe nicht neu vorgetragen werden (vgl. zB VwSlg. 5642 A/1961; 23.5.1995, 94/04/0081; 15.10.1999, 96/21/0097; 4.4.2001, 98/09/0041; 25.4.2002, 2000/07/0235). Allgemein bekannte Tatsachen hat das Bundesasylamt jedoch als Spezialbehörde von Amts wegen zu berücksichtigen (vgl. VwGH 7.6.2000, 99/01/0321; 29.6.2000, 99/01/0400).

Es erfordert eine Prognose, um bestimmen zu können, dass der Asylantrag voraussichtlich wegen entschiedener Sache zurückzuweisen sein wird. (vgl. die Erläut. zur RV des FrÄG 2009, 330 BlgNR 24. GP, 13: "Die Z 2 stellt eine Grobprüfung in Form einer Prognose über die Zulässigkeit des Antrags dar."). Es kann daher der Fall eintreten, dass die Prognose, der Antrag werde zurückzuweisen sein, nicht zutrifft und sich im Laufe des Verfahrens herausstellt, dass eine inhaltliche Entscheidung über den Antrag zu treffen sein wird (vgl. nochmals die Erläut. zur RV des FrÄG 2009, 330 BlgNR 24. GP, 13: "In keinem Fall wird mit der Aufhebung des Abschiebeschutzes die Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz selbst vorweggenommen, auch wenn in der Praxis wohl regelmäßig eine zurückweisende Entscheidung gemäß § 68 AVG folgen wird. Vielmehr handelt es sich um eine der Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz vorgelagerte Prüfung im Rahmen des Zulassungsverfahrens."). Die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes kann in diesen Fällen dazu führen, dass der Asylwerber trotzdem - vor der inhaltlichen Entscheidung über den Antrag - außer Landes gebracht wird und dass dies u.U. mit Folgen verbunden ist, vor denen das Asylrecht gerade schützen will. An eine solche Prognose sind daher strengere Maßstäbe anzulegen als in vergleichbaren Fällen (etwa der Beschleunigung eines Verfahrens gemäß § 27 Abs. 4 AsylG 2005 auf Grund der irrigen Prognose, der Asylantrag werde abzuweisen sein). Umgekehrt steht der Verzicht auf die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes der Zurückweisung des Asylantrages gemäß § 68 Abs. 1 AVG selbstverständlich nicht entgegen. In diesem Zusammenhang hat es auch Bedeutung, dass das Bundesasylamt auch dann, wenn die Voraussetzungen vorliegen, den faktischen Abschiebeschutz nicht aufheben muss, sondern dass ihm das Gesetz Ermessen einräumt (verbo "kann" in § § 12 a Abs. 2 AsylG 2005); die Ermessensübung ist im Bescheid zu begründen. In Frage werden bei der notwendigen Abwägung z.B. Umstände kommen wie jener, wie lange Zeit seit der Rechtskraft des Vorbescheides verstrichen ist, wenn der neue Antrag gestellt wird, oder wie häufig der Asylwerber Asylanträge stellt (vgl. dazu wieder AsylGH 3.3.2010, C5 265.439-2/2010/2E).

Die bP stützt zwar ihre neuerliche Antragstellung grundsätzlich auf eine Bedrohung, die die bP bereits im ersten bzw. zweiten Asylverfahren vorgebracht hat, gibt jedoch dazu an, dass nicht nur die bP sondern auch ihr Vater sowie ihre Kinder nach der Rechtskraft des zweiten Asylverfahrens bedroht wurden. Zum Beweis ihrer Angaben legte die bP zahlreiche Unterlagen, vor allem eine Anzeigenbestätigung, vor.

Aus der Aktenlage ist ersichtlich, dass die vorgelegten Unterlagen nur zum Teil übersetzt wurden bzw. ist aus den im Bescheid dargelegten Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens im Lichte der Frage, ob entschiedene Sache i.S.d. § 68 AVG vorliegen würde, nicht zu entnehmen, ob bzw. warum diese Unterlagen keinen glaubwürdigen Kern aufweisen können.

Aufgrund dieser Umstände kann im derzeitigen Verfahrensstadium - innerhalb des zur Verfügung stehenden und in mehrfacher Hinsicht (insbesondere durch die besonders verkürzten Entscheidungsfristen) eingeschränkten Beurteilungsspielraumes - noch nicht abschließend beurteilt werden, ob der vorliegende Antrag wegen entschiedener Sache zurückzuweisen sein wird.

Somit ist jedenfalls eine der drei Voraussetzungen, unter denen gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 der faktische Abschiebeschutz aufgehoben werden darf, derzeit nicht erfüllt. Die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes ist somit nicht rechtmäßig.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Da die in der vorliegenden Entscheidung die maßgeblichen Rechtsfragen klar waren und keiner Auslegung bedurften, ging das Bundesverwaltungsgericht nicht vom Vorliegen einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung gemäß § 133 Abs. 4 V-BVG aus.

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