VfGH G144/2020 ua

VfGHG144/2020 ua30.9.2020

Zurückweisung des Individualantrags auf Aufhebung von Steuerbefreiungen für die Personenbeförderung mit Luftfahrzeugen im UStG 1994 und MineralölsteuerG sowie auf Aufhebung der Luftfahrtbegünstigungsverordnung ("Klimaklage"); kein Eingriff in die Rechtssphäre der Antragsteller selbst bei Überwälzung der den Unternehmer treffenden Abgabenlast (zur Entrichtung der Umsatzsteuer für grenzüberschreitende Beförderungsleistungen mit der Bahn) auf die Verbraucher

Normen

B-VG Art139 Abs1 Z3
B-VG Art140 Abs1 Z1 litc
UStG 1994 §2, §6, §10
MineralölsteuerG 1995 §4, §5, §12, §15, §22, §52, §54, §64c, §64i, §64r
LuftfahrtbegünstigungsV, BGBl II 185/2017
VfGG §7 Abs1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VFGH:2020:G144.2020

 

Spruch:

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung

I. Antrag

Gestützt auf Art140 Abs1 Z1 litc B‑VG sowie – der Sache nach – auf Art139 Abs1 Z3 B‑VG begehren die Antragsteller,

"a) die folgenden gesetzliche[n] Bestimmungen zur Gänze bzw die Wortfolgen in folgenden Gesetzesbestimmungen jeweils wegen Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleistete[r] Rechte infolge Verfassungswidrigkeit aufzuheben […]:

 in §6 Abs1 Z3 litd UStG 1994 die Aufhebung des Wortlautes 'und Luftfahrzeugen'

 in §10 Abs3 Z9 UStG 1994 die Aufhebung des Wortlautes 'soweit nicht §6 Abs1 Z3 anzuwenden ist'

 §4 Abs1 Z1 MineralölsteuerG 1995 zur Gänze,

 [in] §4 Abs2 Z5 MineralölsteuerG 1995 die Aufhebung des Wortlautes 'die steuerfreie Verwendung [von Luftfahrtbetriebsstoffen] nach Abs1 Z1',

 §5 Abs2 Z3 lita [gemeint: §5 Abs3a MineralölsteuerG 1995] zur Gänze,

 §12 Abs1 Z1 MineralölsteuerG 1995, zur Gänze

 [in] §12 Abs2 MineralölsteuerG 1995 die Aufhebung des Wortlautes 'oder eines Unternehmens im Sinne des §4 Abs1 Z1',

 [in] §12 Abs4 MineralölsteuerG 1995 die Aufhebung des Wortlautes 'in den Fällen des §4 Abs1 Z1 bei dem Zollamt' und 'bzw die Beschreibung der gewerbsmäßigen Luftfahrt-Dienstleistung im Sinne des §4 Abs1 Z1',

 §15 Abs3 MineralölsteuerG 1995, zur Gänze

 §52 Abs2 Z4 litd MineralölsteuerG 1995, zur Gänze

 §54 Abs3 MineralölsteuerG 1995, zur Gänze

 [in] §64c Abs1 und 2 MineralölsteuerG die Aufhebung des Wortlautes 'Abs1 Z1 und',

 [in] §64i Abs1 und 2 MineralölsteuerG 1995 die Aufhebung des Wortlautes '§4 Abs1 Z1',

 §64r MineralölsteuerG 1995 zur Gänze

b) die Aufhebung folgender Verordnung wegen Gesetzwidrigkeit in Folge Wegfall der verfassungswidrigen Gesetzesgrundlage:

Verordnung des Bundesministers für Finanzen zur näheren Regelung der steuerbegünstigten Verwendung von Luftfahrtbetriebsstoffen ('Luftfahrtbegünstigungsverordnung' idF BGBl II Nr 185/2017) zur Gänze

c) den Zuspruch der Kosten iSd §27 VfGG zuzüglich USt."

II. Rechtslage

Die maßgebliche Rechtslage stellt sich wie folgt dar (die angefochtenen Bestimmungen sind hervorgehoben):

1. §1 des Bundesgesetzes über die Besteuerung der Umsätze (Umsatzsteuergesetz 1994 – UStG 1994), BGBl 663/1994, idF BGBl I 34/2010 lautet:

"Steuerbare Umsätze

§1. (1) Der Umsatzsteuer unterliegen die folgenden Umsätze:

1. Die Lieferungen und sonstigen Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt. Die Steuerbarkeit wird nicht dadurch ausgeschlossen, daß der Umsatz auf Grund gesetzlicher oder behördlicher Anordnung bewirkt wird oder kraft gesetzlicher Vorschrift als bewirkt gilt;

[…]

(2) Inland ist das Bundesgebiet. Ausland ist das Gebiet, das hienach nicht Inland ist. Wird ein Umsatz im Inland ausgeführt, so kommt es für die Besteuerung nicht darauf an, ob der Unternehmer österreichischer Staatsbürger ist, seinen Wohnsitz oder seinen Sitz im Inland hat, im Inland eine Betriebsstätte unterhält, die Rechnung ausstellt oder die Zahlung empfängt.

[…]"

2. §3a UStG 1994 idF BGBl I 118/2015 lautet:

"Sonstige Leistung

§3a. (1) Sonstige Leistungen sind Leistungen, die nicht in einer Lieferung bestehen. Eine sonstige Leistung kann auch in einem Unterlassen oder im Dulden einer Handlung oder eines Zustandes bestehen.

[…]

(10) Eine Personenbeförderungsleistung wird dort ausgeführt, wo die Beförderung bewirkt wird. Erstreckt sich eine Beförderungsleistung sowohl auf das Inland als auch auf das Ausland, so fällt der inländische Teil der Leistung unter dieses Bundesgesetz. Als inländischer Teil der Leistung gilt auch die Beförderung auf den von inländischen Eisenbahnverwaltungen betriebenen, auf ausländischem Gebiet gelegenen Anschlussstrecken, sowie die Beförderung auf ausländischen Durchgangsstrecken, soweit eine durchgehende Abfertigung nach Inlandstarifen erfolgt. Gleiches gilt für eine Güterbeförderungsleistung, wenn der Leistungsempfänger ein Nichtunternehmer im Sinne des Abs5 Z3 ist.

[…]"

3. §6 UStG 1994 idF BGBl I 103/2019 lautet:

"Steuerbefreiungen

§6. (1) Von den unter §1 Abs1 Z1 fallenden Umsätzen sind steuerfrei:

1. […]

2. die Umsätze für die Seeschiffahrt und für die Luftfahrt (§9);

3. […]

d) die Beförderungen von Personen mit Schiffen und Luftfahrzeugen im grenzüberschreitenden Beförderungsverkehr, ausgenommen die Personenbeförderung auf dem Bodensee.

[…]"

4. §10 UStG 1994 idF BGBl I 103/2019 lautet:

"Steuersätze

§10. (1) Die Steuer beträgt für jeden steuerpflichtigen Umsatz 20% der Bemessungsgrundlage (§§4 und 5).

(2) Die Steuer ermäßigt sich auf 10% für

[…]

6. die Beförderung von Personen mit Verkehrsmitteln aller Art, soweit nicht §6 Abs1 Z3 oder §10 Abs3 Z9 anzuwenden ist. Das Gleiche gilt sinngemäß für die Einräumung oder Übertragung des Rechtes auf Inanspruchnahme von Leistungen, die in einer Personenbeförderung bestehen;

[…]

(3) Ist der Steuersatz nach Abs2 nicht anzuwenden, ermäßigt sich die Steuer auf 13% für

[…]

9. die Beförderung von Personen mit Luftverkehrsfahrzeugen, soweit nicht §6 Abs1 Z3 anzuwenden ist. Das Gleiche gilt sinngemäß für die Einräumung oder Übertragung des Rechtes auf Inanspruchnahme von Leistungen, die in einer Personenbeförderung bestehen;

[…]"

5. §4 des Bundesgesetzes, mit dem die Mineralölsteuer an das Gemeinschaftsrecht angepaßt wird (Mineralölsteuergesetz 1995), BGBl 630/1994, idF BGBl I 103/2019 lautet:

"Steuerbefreiungen

§4. (1) Von der Mineralölsteuer sind befreit:

1. Mineralöl, das als Luftfahrtbetriebsstoff an Luftfahrtunternehmen aus Steuerlagern oder Zolllagern abgegeben wird und unmittelbar der entgeltlichen Erbringung von Luftfahrt-Dienstleistungen dient; als Luftfahrt-Dienstleistungen gelten die gewerbsmäßige Beförderung von Personen oder Sachen und sonstige gewerbsmäßige Dienstleistungen, die mittels eines Luftfahrzeuges unmittelbar an den Kunden des Luftfahrtunternehmens erbracht werden;

[…]

(2) Der Bundesminister für Finanzen wird ermächtigt, durch Verordnung

[…]

5. die steuerfreie Verwendung von Luftfahrtbetriebsstoffen nach Abs1 Z1 sowie die Vergütung der Mineralölsteuer nach §5 Abs3a zu regeln und die dazu notwendigen Verfahrensvorschriften zu erlassen.

[…]"

6. §5 Mineralölsteuergesetz 1995 idF BGBl I 103/2019 lautet:

"Steuererstattung oder Steuervergütung im Steuergebiet

§5. (1) […]

(2) Erstattungs- oder vergütungsberechtigt ist

1. in den Fällen des Abs1 Z1 und Z4 der Inhaber des Steuerlagers,

2. im übrigen derjenige, für dessen Rechnung die Mineralöle, Kraftstoffe oder Heizstoffe verwendet wurden.

(3) Wurde für Mineralöle, Kraftstoffe oder Heizstoffe, die nach §4 Abs1 Z2 bis 8 steuerfrei sind, die Mineralölsteuer entrichtet, so ist sie, außer in den Fällen des §4 Abs1 Z5 und 7, auf Antrag des Steuerschuldners zu erstatten.

(3a) Wurde für Mineralöle, die nach §4 Abs1 Z1 steuerfrei sind, die Mineralölsteuer entrichtet, so ist sie auf Antrag des Verwenders zu vergüten.

[…]"

7. §12 Mineralölsteuergesetz 1995 idF BGBl I 117/2016 lautet:

"4. Verfahren der Steuerbefreiung

Freischein, Ausstellung

§12. (1) Wer Mineralöl

1. der im §4 Abs1 Z1 bezeichneten Art oder

2. der im §4 Abs1 Z9 bezeichneten Art zu einem im §4 Abs1 Z9 angeführten Zweck außerhalb eines Steuerlagers

steuerfrei verwenden will, bedarf einer Bewilligung (Freischein).

(2) Freischeine sind auf Antrag des Inhabers des Betriebes, in dem das Mineralöl verwendet werden soll (Verwendungsbetrieb) oder eines Unternehmens im Sinne des §4 Abs1 Z1 auszustellen, wenn kein Ausschließungsgrund (Abs3) vorliegt.

(3) Freischeine dürfen nicht ausgestellt werden, wenn die bestimmungsgemäße Verwendung des Mineralöls durch Überwachungsmaßnahmen des Zollamtes nicht gesichert werden kann oder nur durch umfangreiche oder zeitraubende Maßnahmen gesichert werden könnte.

(4) Der Antrag auf Ausstellung des Freischeins ist in den Fällen des §4 Abs1 Z9 bei dem Zollamt schriftlich einzubringen, in dessen Bereich sich der Verwendungsbetrieb befindet, in den Fällen des §4 Abs1 Z1 bei dem Zollamt, in dessen Bereich sich der Geschäfts- oder Wohnsitz des Verwenders befindet, in Ermangelung eines solchen im Steuergebiet, beim Zollamt Eisenstadt Flughafen Wien. Im Einzelfall (Einzelfreischein) ist das Zollamt zuständig, in dessen Zuständigkeitsbereich die Betankung erfolgen soll. Der Antrag muss alle Angaben über die für die Ausstellung des Freischeins erforderlichen Voraussetzungen enthalten; beizufügen sind die Unterlagen für den Nachweis oder die Glaubhaftmachung der Angaben, eine Beschreibung des Verwendungsbetriebes und eine Beschreibung der Lagerung, der Verwendung und des Verbrauches von Mineralöl im Betrieb bzw die Beschreibung der gewerbsmäßigen Luftfahrt-Dienstleistung im Sinne des §4 Abs1 Z1. Das Zollamt hat das Ergebnis der Überprüfung der eingereichten Beschreibungen in einer mit dem Betriebsinhaber aufzunehmenden Niederschrift (Befundprotokoll) festzuhalten. Auf diese Beschreibungen kann in späteren Eingaben des Antragstellers Bezug genommen werden, soweit Änderungen der darin angegebenen Verhältnisse nicht eingetreten sind. Im Falle der Ausstellung eines Einzelfreischeins kann das Zollamt auf die Aufnahme eines Befundprotokolls verzichten."

8. §15 Mineralölsteuergesetz 1995 idF BGBl I 117/2016 lautet:

"Freischein, Verpflichtungen

§15. (1) Der Lieferant darf Mineralöl nur dann unversteuert abgeben, wenn im Zeitpunkt der Abgabe ein gültiger Freischein des Empfängers vorliegt.

(2) Der Lieferant hat in seinen Aufzeichnungen die Art und die Menge des Mineralöls, den Tag der Abgabe, den Namen (Firma) und die Anschrift des Inhabers des Freischeins und die genaue Bezeichnung des Freischeins aufzunehmen.

(3) In den Fällen des §4 Abs1 Z1 ist das Mineralöl unmittelbar als Luftfahrtbetriebsstoff in Luftfahrzeuge abzugeben und zu verwenden.

(4) In den Fällen des §4 Abs1 Z9 hat der Inhaber des Freischeins das Mineralöl unverzüglich in seinen Betrieb aufzunehmen. Es darf nur zu dem im Freischein genannten Zweck verwendet werden.

(5) Wird auf Grund eines Freischeins bezogenes Mineralöl zu einem im Freischein nicht angegebenen Zweck verwendet, liegt eine bestimmungswidrige Verwendung vor. Dies gilt nicht für Mineralöl, das in einem Verwendungsbetrieb bei Untersuchungen verbraucht wird, die mit einem begünstigten Verwendungszweck zusammenhängen."

9. §52 Mineralölsteuergesetz 1995 idF BGBl I 117/2016 lautet:

"13. Aufzeichnungspflichten

§52. (1) Der Inhaber eines Herstellungsbetriebes hat Aufzeichnungen zu führen, aus denen hervorgehen muß,

[…]

(2) Aus den Aufzeichnungen müssen zu ersehen sein:

[…]

4. für das aus dem Betrieb weggebrachte Mineralöl die Art und die Menge sowie der Tag der Wegbringung; zusätzlich müssen entweder aus den Aufzeichnungen oder den Belegen der Name oder die Firma und die Anschrift des Abnehmers zu entnehmen sein und,

a) wenn das Mineralöl im Steuergebiet in ein Steuerlager oder einen Verwendungsbetrieb aufgenommen werden soll, die Bezeichnung und die Anschrift dieses Betriebes oder,

b) wenn das Mineralöl in einen anderen Mitgliedstaat unter Steueraussetzung verbracht werden soll, der Name oder die Firma und die Anschrift des Abnehmers im Mitgliedstaat, oder

c) wenn das Mineralöl aus dem Steuergebiet ausgeführt wurde, der Tag des Ausgangs aus dem Zollgebiet, oder

d) wenn das Mineralöl in den Fällen des §4 Abs1 Z1 aus dem Betrieb weggebracht wurde, die Art und die Menge pro Betankung, die Registrierung des Luftfahrzeuges und die Nummer des Betankungsscheines;

[…]"

10. §54 Mineralölsteuergesetz 1995 idF BGBl I 117/2016 lautet:

"§54. […]

(3) Der Inhaber eines Luftfahrtunternehmens nach §4 Abs1 Z1 hat Aufzeichnungen zu führen, aus denen die Art und Menge des unversteuert bezogenen Mineralöls und die gewerbsmäßig erbrachten Luftfahrt-Dienstleistungen hervorgehen."

11. §64c Mineralölsteuergesetz 1995 idF BGBl 427/1996 lautet:

"§64c. (1) §2 Abs1 Z2, 6 und 8, Abs4 Z2, Abs5, 6 und 8 bis 10, §3 Abs1 Z4 und Z9, §4 Abs1 Z1, Z2 und Z9 sowie Abs2 Z3, §5 Abs1 Z2, Abs3 und 4, §7, §9 Abs1 letzter Satz, Abs6, 7, 10 und 11, §10, §11 Abs1, 2 und 4 letzter Satz, §13 Abs1 Z1 und Z3 bis 5, §15 Abs1, §17 Abs1 erster Satz, §21 Abs1 Z2 litb, Z4 bis 6 und Abs8, §22 Z3, 5 und 6, §23, §24, §26 Abs3 Z1, §27 Abs3, §28 Abs2 Z4, §29 Abs3, §30 Abs2 bis 4 erster Satz, §31 Abs1 vorletzter und letzter Satz, §32 Abs2, §33 Abs3, §34 Abs2 bis 4, §35 Abs2, §36, §37 Abs3, §38 Abs3, 4 und 5 erster Satz, §40 Abs1 letzter Satz und Abs2, §43 Abs2, §44 Abs3 erster Satz und Abs6 erster Satz, §45 einschließlich der Überschrift, §47 Abs3, §48 Abs1 Z1, §49 Abs2 und 3 erster Halbsatz, §50, §51 Abs4 letzter Satz, §52 Abs2 Z2 litb und Abs3, §53 Abs2 letzter Satz, §56 Abs1 und §60 erster Satz in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl Nr 427/1996 treten am 1. September 1996 in Kraft. §4 Abs1 Z10, §34 Abs5 bis 7, §35 Abs1 letzter Satz, §42 Abs1 letzter Satz, §43 Abs3 und §51 Abs5 treten mit Ablauf des 31. August 1996 außer Kraft.

(2) §4 Abs1 Z1 und Z9 sowie §7 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl Nr 427/1996 sind auf Waren anzuwenden, für die die Steuerschuld nach dem 31. August 1996 entstanden ist oder für die in den Fällen der Einfuhr der Zeitpunkt des Entstehens der Zollschuld nach diesem Zeitpunkt gelegen ist oder deren begünstigte Verwendung nach diesem Zeitpunkt stattfindet."

12. §64i Mineralölsteuergesetz 1995 idF BGBl I 24/2007 lautet:

"§64i. (1) §3 Abs1 Z1 bis 4, Z6 und 7, Abs2, §4 Abs1 Z1, §7 Abs1, §7a Abs3, §8 Abs1, §24 Abs1 und §26 Abs3 Z1 in der Fassung des Budgetbegleitgesetzes 2007, BGBl I Nr 24, treten mit 1. Juli 2007 in Kraft.

(2) §3 Abs1 Z1 bis 4, Z6 und 7, Abs2, §4 Abs1 Z1, §7 Abs1, §7a Abs3 und §8 Abs1 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl I Nr 180/2004 sind weiterhin auf Waren anzuwenden, für welche die Steuerschuld vor dem 1. Juli 2007 entstanden ist."

13. §64r Mineralölsteuergesetz 1995 idF BGBl I 117/2016 lautet:

"§64r. §4 Abs1 Z1, Abs2 Z4 und Z5 und Abs3, §5 Abs3, Abs3a, Abs5 Z1a, Z1b und Z3, §12 Abs1, 2 und 4, §15 Abs3 und 4, §52 Abs2 Z4 litc und d und §54 Abs3, jeweils in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl I Nr 117/2016, treten mit 1. Oktober 2017 in Kraft und sind auf jene Mineralöle anzuwenden, die nach dem 30. September 2017 als Luftfahrtbetriebsstoffe nach §4 Abs1 Z1 abgegeben werden."

14. Die Verordnung des Bundesministers für Finanzen zur näheren Regelung der steuerbegünstigten Verwendung von Luftfahrtbetriebsstoffen (Luftfahrtbegünstigungsverordnung), BGBl II 185/2017 lautet:

"Aufgrund des §4 Abs2 Z5 des Mineralölsteuergesetzes 1995 (MinStG), BGBl Nr 630/1994, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl I Nr 117/2016 wird verordnet:

Definitionen

§1. In dieser Verordnung bezeichnet der Ausdruck

1. 'Fluglinienverkehr' die dem öffentlichen Verkehr dienende, regelmäßige flugplanmäßige Beförderung nach §4 Abs1 Z1 des Mineralölsteuergesetzes 1995 (MinStG) auf bestimmten Strecken;

2. 'Bedarfsflugverkehr' jede andere gewerbsmäßige Luftfahrt-Dienstleistung nach §4 Abs1 Z1 MinStG;

3. 'Flugplan' das an die Öffentlichkeit gerichtete Angebot eines Luftfahrtunternehmens, während einer bestimmten, mehrere Monate umfassenden Periode zu bestimmten, im Voraus feststehenden Abflugzeiten Personen oder Sachen gewerbsmäßig zu befördern oder ein gleichwertiges Angebot;

4. 'Luftfahrtunternehmen' Luftverkehrsunternehmen im Sinne des Luftfahrtgesetzes sowie sonstige Unternehmen, die über eine Berechtigung zur entgeltlichen Erbringung von Luftfahrt-Dienstleistungen verfügen;

5. 'Freischein Luftfahrt' (§2 Abs2) die Bewilligung zur steuerfreien Verwendung von Luftfahrtbetriebsstoffen nach §12 Abs1 Z1 MinStG für nach §4 Abs1 Z1 MinStG begünstigte Luftfahrtunternehmen. Je nach Bewilligungsumfang ist dieser nach §2 Abs2 dieser Verordnung als globaler, eingeschränkter oder Einzelfreischein auszustellen. Im Falle von §2 Abs2 Z1 (globaler Freischein) und Z3 (Einzelfreischein) ist der Freischein als solcher auch Betankungsschein. Im Falle von §2 Abs2 Z2 (eingeschränkter Freischein) ist für nach §4 Abs1 Z1 MinStG begünstigte Luftfahrzeuge jeweils ein gesonderter Betankungsschein auszustellen (§2 Abs3);

6. 'Betankungsschein' (§2 Abs3) die Bewilligung zur steuerfreien Verwendung von Luftfahrtbetriebsstoffen nach §12 Abs1 Z1 MinStG für nach §4 Abs1 Z1 MinStG begünstigte Luftfahrzeuge.

Bewilligungsarten

§2. (1) Die unversteuerte Abgabe von Luftfahrtbetriebsstoffen setzt einen Freischein Luftfahrt für das nach §4 Abs1 Z1 MinStG begünstigte Luftfahrtunternehmen samt gültigem Betankungsschein für das Luftfahrzeug voraus, in das die Luftfahrtbetriebsstoffe nach §15 Abs3 MinStG abgegeben werden und von dem sie verwendet werden.

(2)

1. Globaler Freischein: Mit einem globalen Freischein wird einem Luftfahrtunternehmen mit Fluglinienverkehr die steuerfreie Verwendung von Luftfahrtbetriebsstoffen bewilligt. Dieser Freischein umfasst alle Luftfahrzeuge, die im Fluglinienverkehr vom Freischeininhaber eingesetzt werden. Der Einsatz im Fluglinienverkehr muss grundsätzlich auf sämtliche von ihm eingesetzten Luftfahrzeuge zutreffen.

2. Eingeschränkter Freischein: Mit einem eingeschränkten Freischein wird einem Luftfahrtunternehmen die steuerfreie Verwendung von Luftfahrtbetriebsstoffen im Bedarfsflugverkehr bewilligt. Die Bewilligung umfasst nur jene Luftfahrzeuge, deren ausschließliche Nutzung in der gewerbsmäßigen Luftfahrt nachgewiesen oder glaubhaft gemacht werden kann. Das Zollamt kann in berücksichtigungswürdigen Einzelfällen Ausnahmen von der ausschließlichen gewerbsmäßigen Nutzung gewähren, wenn durch die Ausnahme Steuerbelange nicht beeinträchtigt werden, insbesondere die bestimmungsgemäße Verwendung der Luftfahrtbetriebsstoffe sichergestellt werden kann.

3. Einzelfreischein: Mit einem Einzelfreischein wird einem Luftfahrtunternehmen die steuerfreie Verwendung von Luftfahrtbetriebsstoffen für ein einzelnes Luftfahrzeug im Bedarfsflugverkehr einmalig bewilligt.

(3) Mit einem Betankungsschein wird dem Inhaber eines Freischeines Luftfahrt nach Abs2 der unversteuerte Bezug von Luftfahrtbetriebsstoffen für das betreffende Luftfahrzeug sowie deren steuerfreie Verwendung bewilligt. Gilt ein Freischein Luftfahrt nach Abs2 Z1 (globaler Freischein) und Z3 (Einzelfreischein) als solcher auch als Betankungsschein, ist dies auf dem Freischein ersichtlich zu machen. Im Falle von Abs2 Z2 (eingeschränkter Freischein) ist auf Grundlage des Freischeins Luftfahrt für jedes einzelne Luftfahrzeug der unversteuerte Bezug und die steuerfreie Verwendung durch einen gesonderten Betankungsschein zu bewilligen. Solche gesondert ausgestellten Betankungsscheine sind zu befristen (Höchstdauer drei Jahre). Auf Antrag des Freischeininhabers ist eine Verlängerung um jeweils bis zu drei Jahre möglich. §14 MinStG ist auf derartige Verlängerungen sinngemäß anzuwenden.

(4) Im Freischein Luftfahrt sind insbesondere anzugeben:

1. die Art des Freischeins (Abs2 Z1, Z2 oder Z3);

2. der Name (die Firma) und die Anschrift des zum unversteuerten Bezug und zur steuerfreien Verwendung berechtigten Luftfahrtunternehmens;

3. gegebenenfalls der Zweck, zu dem die Luftfahrtbetriebsstoffe steuerfrei verwendet werden dürfen;

4. gegebenenfalls der Zeitraum, innerhalb dessen Luftfahrtbetriebsstoffe unversteuert bezogen und steuerfrei verwendet werden dürfen;

5. für Einzelfreischeine nach Abs2 Z3 Angaben zum Luftfahrzeug (Registrierung des Luftfahrzeuges, Herstellerbezeichnung, Seriennummer) sowie eine Beschreibung der begünstigten Luftfahrt-Dienstleistung.

(5) Im gesonderten Betankungsschein sind insbesondere anzugeben:

1. Verweis auf den Freischein Luftfahrt;

2. der Name (die Firma) und die Anschrift des zum unversteuerten Bezug und zur steuerfreien Verwendung berechtigten Luftfahrtunternehmens;

3. Angaben zum Luftfahrzeug (Registrierung des Luftfahrzeuges, Herstellerbezeichnung, Seriennummer);

4. gegebenenfalls eine Beschreibung der begünstigten Luftfahrt-Dienstleistung;

5. der Zeitraum, innerhalb dessen Luftfahrtbetriebsstoffe unversteuert bezogen und steuerfrei verwendet werden dürfen.

Bewilligungserteilung

§3. (1) Der Antragsteller hat die Voraussetzungen für die Ausstellung des Freischeines Luftfahrt einschließlich Betankungsschein darzulegen und nachzuweisen oder zumindest glaubhaft zu machen. Jedenfalls ist die gewerbsmäßige Luftfahrt-Dienstleistung zu beschreiben und anzugeben, welche ArtFreischein Luftfahrt beantragt wird.

(2) Zur Erlangung eines globalen Freischeins ist insbesondere

– das Bestehen eines Luftfahrtunternehmens durch Vorlage einer Betriebsgenehmigung nach der Verordnung (EG) Nr 1008/2008 über gemeinsame Vorschriften für die Durchführung von Luftverkehrsdiensten in der Gemeinschaft, ABl. Nr L 293 vom 31.10.2008, S. 3, oder einer Bewilligung nach §12 Bundesgesetz über den zwischenstaatlichen Luftverkehr sowie

– die flugplanmäßige Beförderung durch Vorlage eines bewilligten Flugplanes oder entsprechender Unterlagen über ein gleichwertiges Angebot

nachzuweisen.

(3) Zur Erlangung eines eingeschränkten Freischeins sind insbesondere die Umstände dar- und offenzulegen, die die gewerbsmäßige Luftfahrt belegen (z. B. Geschäftsmodelle). Weiters sind die begünstigt eingesetzten Luftfahrzeuge und die Dauer ihres geplanten begünstigten Einsatzes anzugeben sowie ihre ausschließliche Nutzung in der gewerbsmäßigen Luftfahrt nachzuweisen oder glaubhaft zu machen.

(4) Zur Erlangung eines Einzelfreischeins sind beispielsweise der Beförderungsauftrag oder Frachtdokumente vorzulegen.

(5) Zur Erlangung eines gesonderten Betankungsscheines (§2 Abs3) ist der Freischein Luftfahrt, zu dem der Betankungsschein ausgestellt werden soll, anzugeben und die ausschließliche Nutzung des betreffenden Luftfahrzeugs in der gewerbsmäßigen Luftfahrt nachzuweisen oder glaubhaft zu machen. Weiters ist die Dauer anzugeben, für die der Betankungsschein ausgestellt werden soll. Die Befristung endet jedenfalls zum Zeitpunkt des Ablaufs des betreffenden Freischeins Luftfahrt.

(6) Sind amtliche Vordrucke oder Muster vorgesehen, so sind diese zu verwenden.

Unversteuerte Abgabe von Luftfahrtbetriebsstoffen

§4. (1) Im Zuge einer unversteuerten Abgabe von Luftfahrtbetriebsstoffen ist dem Steuer- oder Zolllagerinhaber das Vorhandensein eines gültigen Betankungsscheines nachzuweisen.

(2) In den Fällen des §2 Abs2 Z3 ist der Betankungsschein dem Steuer- oder Zolllagerinhaber vorzulegen und von diesem einzuziehen, aufzubewahren und dem zuständigen Zollamt auf Verlangen vorzulegen.

(3) In besonders berücksichtigungswürdigen Einzelfällen, in denen

1. eine unmittelbare Abgabe des Luftfahrtbetriebsstoffs in das Luftfahrzeug nicht in Betracht kommt, weil das Luftfahrzeug für Flüge in Not- und Krisenfällen, insbesondere zu Rettungsflügen in Gebiete eingesetzt wird, die so weit von einem Steuer- oder Zolllager entfernt sind, dass es im Falle einer unmittelbaren Abgabe der Luftfahrtbetriebsstoffe aus dem Steuer- oder Zolllager zu unverhältnismäßigen Verzögerungen des Rettungseinsatzes käme, und

2. der unversteuert abgegebene Luftfahrtbetriebsstoff nur als Luftfahrtbetriebsstoff einsetzbar ist, und

3. die bestimmungsgemäße Verwendung insbesondere anhand von Aufzeichnungen lückenlos dargelegt und Missbrauch ausgeschlossen werden kann,

kann das Zollamt auf Antrag des Verwenders im Zuge der Ausstellung des Betankungsscheines mit einem entsprechenden Vermerk von dem Erfordernis der unmittelbaren Abgabe der Luftfahrtbetriebsstoffe in das Luftfahrzeug aus einem Steuer- oder Zolllager absehen. Im Antrag hat der Verwender darzulegen, von welchen Standorten aus das Luftfahrzeug betankt werden soll.

Vergütung

§5. (1) Zur Geltendmachung einer Vergütung nach §5 Abs3a MinStG hat der Verwender der Luftfahrtbetriebsstoffe das Vorliegen der in §4 Abs1 Z1 MinStG genannten Voraussetzungen sowie die bereits erfolgte Entrichtung der Mineralölsteuer für die Luftfahrtbetriebsstoffe nachzuweisen oder zumindest glaubhaft zu machen.

(2) In besonders berücksichtigungswürdigen Einzelfällen, in denen eine unmittelbare Abgabe des Luftfahrtbetriebsstoffs in das Luftfahrzeug aus tatsächlichen und wirtschaftlichen Gründen nicht in Betracht kommt, die bestimmungsgemäße Verwendung aber insbesondere anhand von Aufzeichnungen lückenlos dargelegt und Missbrauch ausgeschlossen werden kann, kann das Zollamt auf Antrag des Verwenders von dem Erfordernis der unmittelbaren Abgabe der Luftfahrtbetriebsstoffe in das Luftfahrzeug aus einem Steuer- oder Zolllager absehen.

Inkrafttreten

§6. Diese Verordnung tritt mit 1. Oktober 2017 in Kraft und ist auf Mineralöle anzuwenden, die nach dem 30. September 2017 als Luftfahrtbetriebsstoffe nach §4 Abs1 Z1 MinStG abgegeben werden. Werden Freischeine Luftfahrt und gesonderte Betankungsscheine vor diesem Zeitpunkt ausgestellt, ist in diesen darauf hinzuweisen, dass diese erst ab 1. Oktober 2017 wirksam werden."

III. Antragsvorbringen und Vorverfahren

1. Mit dem Antrag wenden sich die Antragsteller, die nach ihrem Vorbringen aus Gründen des Umweltschutzes die Bahn als Verkehrsmittel wählen, gegen die steuerliche Begünstigung von Luftverkehrsunternehmen im UStG 1994 und im MineralölsteuerG 1995. Diese bedinge eine unsachliche Bevorzugung des personenbezogenen Flugverkehrs und Benachteiligung des deutlich weniger klimaschädlichen Verkehrsmittels Eisenbahn, wodurch klimaschädliches Verhalten begünstigt werde. Dies führe zur Klimaänderung und hiedurch eintretenden Extremwetterereignissen und Hitzeperioden. Vor diesem Hintergrund seien die Antragsteller in ihren Rechten nach Art2 und 8 EMRK verletzt, da den Staat aus diesen Grundrechten abzuleitende Schutzpflichten treffen würden. Aus diesem Grund müssten die klimaschädlichen Befreiungen des §6 Abs1 Z3 litd UStG 1994 und §4 Abs1 Z1 MineralölsteuerG 1995 aufgehoben werden.

1.1. Zur Zulässigkeit des Antrages führen die Antragsteller im Wesentlichen Folgendes aus:

1.1.1. Zur unmittelbaren Betroffenheit der Antragsteller:

Die Eigenschaft als Normadressat sei keine zwingend notwendige Voraussetzung für die unmittelbare Betroffenheit der Antragsteller in ihrer Rechtssphäre. Der Verfassungsgerichtshof habe wiederholt eine unmittelbare Betroffenheit gleich der eines Normadressaten angenommen, wenn das Gesetz dem Inhalt und dem Zweck nach die durch ein Grundrecht geschützte Rechtssphäre von Antragstellern betroffen habe (vgl dazu ua die unmittelbare Betroffenheit von Arbeitnehmern durch ein an den Arbeitgeber gerichtetes Nachtarbeitsverbot für Frauen, VfSlg 13.038/1992, sowie die Vorratsdatenspeicherung, VfSlg 19.892/2014).

Obwohl §6 Abs1 Z3 litd UStG 1994 unmittelbar nur an Unternehmer adressiert sei und die Antragsteller Nichtunternehmer iSd UStG 1994 seien, seien sie dennoch unmittelbar in ihrer Rechtssphäre betroffen, da es gerade der Zweck des UStG 1994 sei, dass die Umsatzsteuer letztlich vom Nichtunternehmer getragen werde (vgl etwa VwGH 17.10.2002, 2001/17/0192). Die Umsatzsteuer sei eine Verbrauchsteuer (vgl ua die Materialien zum UStG 1972, die Rechtsprechung des EuGH – etwa 29.2.1996, Rs. C-215/94 , Mohr; 18.12.1997, Rs. C‑384/95, Landboden-Agrardienste – sowie die Kommentarliteratur), der Unternehmer sei lediglich aus technischen Gründen Steuerschuldner.

Aus diesem Grund entfalteten umsatzsteuerliche Regelungen mehr als rein faktische Reflexwirkungen gegenüber Verbrauchern, da letztendlich der tatsächliche Normadressat der Umsatzsteuer der Nichtunternehmer sei.

Auch die Mineralölsteuer wirke faktisch gegenüber Verbrauchern. Zwar normiere §22 MineralölsteuerG 1995, dass die Steuerschuld für die Mineralölsteuer den Inhaber des Steuerlagers treffe, doch handle es sich auch bei der Mineralölsteuer um eine Verbrauchsteuer, die letztlich von den Konsumenten zu tragen sei.

Im konkreten Fall berühre §6 Abs1 Z3 litd UStG 1994 bzw §4 Abs1 Z1 MineralölsteuerG 1995 dem Inhalt und Zweck nach die Rechtssphäre der Antragsteller, da diese als Nichtunternehmer de facto Normadressaten der Umsatzsteuer bzw Mineralölsteuer und somit unmittelbar betroffen seien. Die Antragsteller seien von §6 Abs1 Z3 litd UStG 1994 bzw von §4 Abs1 Z1 MineralölsteuerG 1995 insofern unmittelbar betroffen, als dass das von ihnen bevorzugte umweltfreundlichere Verkehrsmittel auf Grund der dort normierten Ausnahme schlechter gestellt werde. Darüber hinaus stellten die gegenständlichen Rechtsvorschriften eine aktive Verletzung der grundrechtlich gewährleisteten Schutzpflichten gemäß Art2 EMRK und Art2 GRC gegenüber allen Antragstellern und gemäß Art8 EMRK und Art7 GRC gegenüber der ersten Antragstellerin und dem dritten Antragsteller dar.

1.1.2. Zur rechtlichen Betroffenheit der Antragsteller:

Die steuerrechtliche Bevorzugung des personenbezogenen, grenzüberschreitenden Flugverkehrs gegenüber dem Bahnverkehr durch §6 Abs1 Z3 litd UStG 1994 und §4 Abs1 Z1 MineralölsteuerG 1995 verletze die Antragsteller in ihren verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Gleichheit vor dem Gesetz gemäß Art7 B‑VG, Art2 StGG und Art20 GRC, auf Leben gemäß Art2 EMRK und Art2 GRC und auf Achtung des Privat- und Familienlebens gemäß Art8 EMRK und Art7 GRC.

1.1.2.1. Die rechtliche Betroffenheit der Antragsteller auf Grund der Verletzung ihres verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit vor dem Gesetz gemäß Art7 B‑VG, Art2 StGG und Art20 GRC wird wie folgt begründet:

Obwohl Bahn- und Flugverkehr, insbesondere auch auf Grund des Hochgeschwindigkeitsnetzes der Bahn, innerhalb Österreichs und im europäischen Umfeld hinsichtlich Gesamtreisedauer gleichwertige Verkehrsmittel seien, eine Flugreise 31 Mal mehr an CO2 emittiere als eine Zugfahrt und das Prinzip des Umweltschutzes ein im Verfassungsrang stehendes Staatsziel sei sowie der österreichische Nationalrat den Klimanotstand ausgerufen habe (Entschließung 141/E zum "Climate Emergency"), werde der personenbezogene Flugverkehr gegenüber dem personenbezogenen Bahnverkehr bevorzugt.

Die Entscheidung der Antragsteller, aus Umweltschutzgründen individuell weniger CO2 zu emittieren, habe zur Folge, dass die Antragsteller wegen der in §6 Abs1 Z3 litd UStG 1994 und §4 Abs1 Z1 MineralölsteuerG 1995 verankerten Steuerbefreiung einen höheren Nettoticketpreis für eine Zugfahrt zu bezahlen hätten.

Diese steuerliche Ungleichbehandlung von gleichwertigen Verkehrsmitteln habe zur Folge, dass die Antragsteller auf Grund ihrer Orientierung am Staatsziel Umweltschutz einen größeren Anteil ihres Einkommens für ein klimafreundliches Verkehrsmittel auszugeben hätten. Diese Ungleichbehandlung liege nicht im öffentlichen Interesse, weshalb das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Gleichheit vor dem Gesetz verletzt sei:

Angesichts der preislichen Differenz der gleichwertigen Verkehrsmittel werde ein klimaschädliches Verkehrsverhalten gefördert. Dies habe einen Anstieg von Treibhausgasen zur Folge. Damit bedingten die Steuerbefreiungen nicht nur Strafzahlungen wegen Nichterreichens der Treibhausgasemissionsreduktionsziele und verminderte Steuereinnahmen sondern auch erhebliche wirtschaftliche Schäden für Menschen und Ökosysteme. Demgegenüber würde eine Besteuerung der Luftfahrt gemäß anerkannter Studien zu keinen gesamtwirtschaftlichen Einbußen führen.

1.1.2.2. Die rechtliche Betroffenheit der Antragsteller auf Grund der Verletzung ihres verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Leben gemäß Art2 EMRK und Art2 GRC wird wie folgt begründet:

Art2 EMRK und Art2 GRC begründeten nicht nur eine Pflicht des Staates, ungerechtfertigte Eingriffe in das Leben zu unterlassen, sondern auch, das menschliche Leben wirksam zu schützen, und zwar – so erforderlich – auch durch die Verpflichtung Dritter. Die Schutzpflicht gemäß Art2 EMRK beinhalte auch die Verpflichtung des Staates, die zum Schutz des Lebens erforderlichen Gesetzes- und Verwaltungsmaßnahmen zu treffen.

Diese Prinzipien fänden auch in Fragen des Umweltrechtes Anwendung: Der Staat sei im Rahmen seiner Schutzpflicht verpflichtet, Beeinträchtigungen des Rechtes auf Leben durch Umweltkatastrophen präventiv zu verhindern bzw gefahrenerhöhendes Verhalten nicht zu fördern (EGMR 20.3.2008, Fall Budayeva ua/Russland, Appl 15.339/02; 10.7.2012, Fall Kayak/Türkei, Appl 60.444/08; 29.4.2002, Fall Pretty, Appl 2346/02, Z39; vgl auch EGMR 30.11.2004, Fall Öneryildiz/Türkei, Appl 48.939/99, Z71).

Angesichts der auf Grund der Klimakrise vorhersehbaren und der teilweise realisierten Bedrohung (wie zB durch mit der Klimakrise einhergehende Felsstürze, Murenabgänge, Hochwasser etc.) des Lebens der Antragsteller sei Österreich zur Schaffung einer Rechtslage verpflichtet, die eine Senkung von Treibhausgasemissionen herbeiführe. Charakteristisch für das schädigende Ereignis Klimakrise sei, dass der Eintritt dieser lebensbedrohlichen Folgen und der Effekt von staatlich ergriffenen Schutzmaßnahmen zeitlich auseinanderlägen. Daraus folge einerseits, dass die Grundrechtsverletzung der bekämpften Rechtsnormen erst einige Jahre später in ihrem vollen Ausmaß sichtbar und spürbar werde. Andererseits bedeute das, dass Schutzmaßnahmen zur Abwehr dieser Folgen nur dann rechtzeitig und daher wirksam seien, wenn sie zum jetzigen Zeitpunkt gesetzt würden.

Die staatliche Förderung der Luftfahrt durch §6 Abs1 Z3 litd UStG 1994 und §4 Abs1 Z1 MineralölsteuerG 1995 sei daher mit der Schutzpflicht Österreichs gemäß Art2 EMRK nicht vereinbar, sondern stünde in direktem Widerspruch zu dieser Schutzpflicht.

1.1.2.3. Die rechtliche Betroffenheit der ersten Antragstellerin und des dritten Antragstellers auf Grund der Verletzung ihres verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Achtung des Privat- und Familienlebens gemäß Art8 EMRK und Art7 GRC wird wie folgt begründet:

Gemäß Art8 Abs1 EMRK und Art7 GRC bestehe eine Schutzpflicht des Staates in Bezug auf Umweltbeeinträchtigungen, die sich negativ auf die Gesundheit, die körperliche Integrität oder das Privat- bzw Familienleben auswirkten. Das in Art8 EMRK verankerte Recht auf Achtung der Wohnung werde nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte als Schutznorm hinsichtlich Umweltbeeinträchtigungen durch Immissionen angesehen (EGMR 9.6.2005, Fall Fadeyeva/Russland, Appl 55.723/00, Z68; 22.5.2003, Fall Kyrtatos/Griechenland, Appl 41.666/98, Z52; 10.2.2011, Fall Dubetska ua/ Ukraine, Appl 30.499/03, Z105).

Neben dem von den Antragstellern mit zahlreichen Zitaten aus der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschrechte belegten Schutz vor Beeinträchtigungen durch Umweltverschmutzungen habe der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte den Anwendungsbereich des Art8 EMRK auch im Falle von Naturkatastrophen bejaht (EGMR 20.3.2008, Fall Budayeva ua/Russland, Appl 15.339/02; 28.2.2012, Fall Kolyadenko ua/Russland, Appl 17.423/05).

Eine schwerwiegende, tatsächlich eingetretene Gesundheitsgefährdung sei für den Anwendungsbereich des Art8 EMRK nicht erforderlich. Der schädliche Umwelteinfluss müsse ein gewisses Maß ("minimum threshold") erreichen; hiebei seien alle relevanten Faktoren miteinzubeziehen (EGMR 9.12.1994, Fall López Ostra/Spanien, Appl 16.798/90, Z51; 20.3.2008, Fall Budayeva ua/Russland, Appl 15.339/02). Für einen Kausalzusammenhang gemäß Art8 EMRK sei demnach eine genaue Aufschlüsselung der durch diese Gesetze gegenüber den einzelnen Antragstellern verursachten, schädlichen Treibhausgasemissionen in konkret bezifferten CO2/g nicht erforderlich (EGMR 10.1.2012, Fall Di Sarno ua/Italien, Appl 30.765/08).

Die steuerlichen Begünstigungen des §6 Abs1 Z3 litd UStG 1994 und §4 Abs1 Z1 MineralölsteuerG 1995 bewirkten ein wissenschaftlich nachgewiesenes Ansteigen von Treibhausgasemissionen, die die Folgen der Klimakrise verstärkten. Diese Folgen stellten wissenschaftlich erwiesene Risiken für Gesundheit, körperliche Integrität und das Wohlbefinden des Menschen dar, welche mit eben erwähnten Fällen vergleichbar seien bzw diese in letzter Konsequenz sogar überträfen.

Betroffen sei die 72jährige erste Antragstellerin, zumal nach dem fünften Sachbericht des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC-Sachbericht) 80% der durch die zunehmende Hitze verursachten Todesfälle bei über 75jährigen Menschen, insbesondere bei Frauen, aufträten. Der dritte Antragsteller sei schwer an Multipler Sklerose erkrankt und darüber hinaus von dem damit einhergehenden Uhthoff-Syndrom betroffen, weshalb seine bereits vorhandenen Lähmungserscheinungen und Gehschwierigkeiten durch jeden Hitzeschub für die Dauer der Hitze verschlimmert würden.

Der österreichische Gesetzgeber sei gemäß Art8 EMRK und Art7 GRC zur Ergreifung von Schutzmaßnahmen gegenüber der ersten Antragstellerin und dem dritten Antragsteller verpflichtet. Die gegenständlichen Gesetzesbestimmungen stellten eine aktive Verletzung dieser Schutzpflicht dar.

1.1.3. Zur aktuellen Betroffenheit der Antragsteller:

Der Grundrechtseingriff werde gegenwärtig durch das Gesetz selbst bewirkt, ohne dass es eines Bescheides oder eines Gerichtsurteiles bedürfe. §6 Abs1 Z3 litd UStG 1994 und §4 Abs1 Z1 MineralölsteuerG 1995 stellten eine dem Verbraucher gegenüber unmittelbar wirksame Steuerbefreiung bzw Begünstigung des personenbezogenen Flugverkehrs dar. Die Umsatzsteuer werde dem Verbraucher vom Unternehmer gemäß §11 UStG 1994 in Rechnung gestellt. Somit sei für Flugtickets selbst bei gleichlautenden Nettopreisen in jedem Fall vom Verbraucher weniger als für Bahntickets zu bezahlen, wobei Bahn und Flug primär im grenzüberschreitenden Reiseverkehr in Konkurrenz stünden. Die Steuerbefreiung gemäß §4 Abs1 Z1 MineralölsteuerG 1995 bewirke zusätzlich, dass die Luftfahrt den Verbrauchern gegenüber unmittelbar wirksame, günstigere Preise anbieten könne und somit das klimaschädliche Verkehrsmittel aktiv gefördert werde.

1.1.4. Zur Unzumutbarkeit eines Umweges:

Jedenfalls unzumutbar sei es nach der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes ein strafbares oder auch nur ein rechtswidriges Verhalten zu provozieren, nur um einen Weg zur Anrufung des Verfassungsgerichtshofes zu finden (VfSlg 16.202/2001, 14.260/1995, 13.725/1994, 13.659/1993, 11.369/1987).

Im Hinblick auf die bekämpfte Rechtsnorm des §6 Abs1 Z3 litd UStG 1994 sei anzuführen, dass die Antragsteller zwingend die Umsatzsteuer bei Kauf des Bahntickets an das Bahnunternehmen zu zahlen hätten, anderenfalls sie kein Ticket kaufen und somit die Leistungen der Bahn nicht straffrei in Anspruch nehmen könnten. In Hinblick auf die steuerliche Begünstigung gemäß §4 Abs1 Z1 MineralölsteuerG 1995 sei auszuführen, dass jedes Bahnticket auf Grund dieser Begünstigung grundsätzlich teurer als ein Flugticket sei, da die Bahn dem Verbraucher die Energiekosten für den Transport in Rechnung stellen müsse, die Luftfahrt eine Steuer für ihre Energiekosten (Kerosinsteuer) hingegen nicht. Beide Begünstigungen wirkten sich unmittelbar auf den Ticketpreis aus, ohne dass ein Bescheid an die Antragsteller ergehe. Das Setzen einer strafbaren Handlung sei nicht denkbar und im Übrigen nicht zumutbar.

Auch die Geltendmachung einer Staatshaftung gemäß Art137 B‑VG sei ausgeschlossen, da kein offenkundiger Verstoß gegen Unionsrecht vorliege.

1.2. Zur inhaltlichen Begründung der Verfassungswidrigkeit der angefochtenen Bestimmungen stützen sich die Antragsteller auf die verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Gleichheit vor dem Gesetz gemäß Art7 B‑VG und Art2 StGG, auf Leben gemäß Art2 EMRK und Art2 GRC und auf Achtung des Privat- und Familienlebens gemäß Art8 EMRK und Art7 GRC.

Darüber hinaus seien Art6 EMRK und Art47 GRC, Art13 EMRK und Art47 GRC, Art37 GRC (Umweltschutz) und §§1 und 3 des Bundesverfassungsgesetzes über die Nachhaltigkeit, den Tierschutz, den umfassenden Umweltschutz, die Sicherstellung der Wasser- und Lebensmittelversorgung und die Forschung, BGBl I 111/2013, idF BGBl I 82/2019 (BVG Nachhaltigkeit) berührt. Die angefochtenen gesetzlichen Bestimmungen verstießen auch gegen §3 BVG Nachhaltigkeit sowie gegen Art3 Abs3 EUV, Art11 AEUV, Art114 Abs3 bis 5 AEUV sowie Art191 bis 193 AEUV, die bei der Auslegung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte zu berücksichtigen seien.

2. Die Bundesregierung hat keine Äußerung erstattet.

3. Der Bundesminister für Finanzen hat eine Äußerung erstattet, in der den im Antrag erhobenen Bedenken wie folgt entgegengetreten wird:

"Wendet man [Art139 Abs1 Z3 B‑VG und §57 VfGG] auf den vorliegenden Individualantrag an, so ergibt sich nach Ansicht des Bundesministers für Finanzen, dass der Antrag aus den folgenden Gründen unzulässig ist:

Die Antragsteller begründen den Antrag auf Aufhebung der Luftfahrtbegünstigungsverordnung mit Gesetzwidrigkeit in Folge Wegfalls der verfassungswidrigen Gesetzesgrundlage. Wie der Verfassungsgerichtshof in seiner mit VfSlg 8058/1977 beginnenden ständigen Rechtsprechung ausgeführt hat, ist grundlegende Voraussetzung für die Antragslegitimation, dass die Verordnung in die Rechtssphäre der betroffenen Person unmittelbar eingreift und sie – im Fall ihrer Gesetzwidrigkeit – verletzt. Hiebei hat der Verfassungsgerichtshof vom Antragsvorbringen auszugehen und lediglich zu prüfen, ob die vom Antragsteller ins Treffen geführten Wirkungen solche sind, wie sie Art139 Abs1 Z3 B‑VG als Voraussetzung für die Antragslegitimation fordert (vgl zB VfGH 3.3.2020, V89/2019 mwN).

Das Vorbringen ist aus Sicht des Bundesministers für Finanzen jedoch nicht geeignet, eine aktuelle Beeinträchtigung rechtlich geschützter Interessen der Antragsteller darzulegen. Die Luftfahrtbegünstigungsverordnung regelt das Verfahren der Gewährung von Mineralölsteuerbegünstigungen an bestimmte Luftfahrtunternehmen. Keiner der Antragsteller ist Normadressat dieser Regelung. Selbst wenn man den Ausführungen der Antragsteller folgte und – entgegen der Einschätzung des Bundesministeriums für Finanzen – eine Mineralölsteuerbegünstigung für die Binnenluftfahrt zur Personenbeförderung als verfassungswidrig erachtete, fände diese Verordnung auf internationale Flüge und auch auf Frachtflüge und die Erbringung sonstiger gewerblicher Dienstleistungen im Sinne des §4 Abs1 Z1 MinStG unverändert Anwendung.

Aus Sicht der Bundesregierung ist zudem die Grundlage der Luftfahrtbegünstigungsverordnung nicht verfassungswidrig (siehe dazu auch den Ministerratsvortrag im Verfahren G-144-145/2020), denn einerseits hält sie den Individualantrag der Antragsteller nach Art140 Abs1 B‑VG für unzulässig. Andererseits teilt die Bundesregierung die von den Antragstellern gesehene Gleichwertigkeit von Bahnverkehr und innerkontinentalem bzw innerösterreichischem Flugverkehr nicht und sieht die unterschiedliche steuerliche Behandlung zudem sachlich gerechtfertigt. Der behauptete Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz gemäß Art2 StGG und Art7 B‑VG sowie Art20 GRC liegt somit nach Ansicht der Bundesregierung nicht vor.

Laut Treibhausgasbilanz 2018 des Umweltbundesamts weist der Sektor Verkehr im Jahr 2018 THG-Emissionen im Ausmaß von ca. 23,9 Mio. Tonnen CO2-Äquivalent auf, die CO2-Emissionen aus dem ausschließlich innerstaatlichen Flugverkehr betrugen im Jahr 2018 ca. 46.000 Tonnen (https://www.umweltbundesamt.at/fileadmin/site/aktuelles/veranstaltungen/ 2020/THG-Bilanz_2018_Hintergrundinformation.pdf) und nur einen Bruchteil an den gesamten Treibhausgas-Emissionen Österreichs (rund 0,1 % bzw 0,04 Mio. Tonnen CO2-Äquivalent im Jahr 2017; siehe auch Klimaschutzbericht 2019 des Umweltbundesamtes (sS 108 bzw S 37; https://www.umweltbundesamt.at/ fileadmin/site/publikationen/REP0702.pdf; abgefragt am 22. April 2020). Die Auffassung der Antragsteller, dass im MinStG vorgesehene Steuerbefreiungen zugunsten des Flugverkehrs im Widerspruch zu den sich aus Art2 EMRK (bzw Art2 GRC) und Art8 EMRK (bzw Art7 GRC) ergebenden Schutzpflichten stünden, ist für die Bundesregierung nicht nachvollziehbar, der Antrag sohin auch unbegründet.

Weitere Bedenken gegen die Verfassungskonformität der Verordnung bringen die Antragsteller nicht vor.

Zusammenfassend ist der Bundesminister für Finanzen der Auffassung, dass die geforderten Prozessvoraussetzungen beim gegenständlichen Individualantrag nicht vorliegen, der Antrag nicht ausreichend begründet ist bzw der angeführte Grund nicht zutrifft und der Antrag somit unzulässig, in eventu unbegründet ist."

IV. Erwägungen

1. Gemäß Art139 Abs1 Z3 B‑VG bzw Art140 Abs1 Z1 litc B‐VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über Gesetzwidrigkeit von Verordnungen bzw Verfassungswidrigkeit von Gesetzen auf Antrag einer Person, die unmittelbar durch diese Gesetz- bzw Verfassungswidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, wenn die Verordnung bzw das Gesetz ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für diese Person wirksam geworden ist.

Voraussetzung der Antragslegitimation gemäß Art139 Abs1 Z3 B‑VG bzw Art140 Abs1 Z1 litc B‑VG ist einerseits, dass der Antragsteller behauptet, unmittelbar durch die angefochtene Verordnung bzw das angefochtene Gesetz – im Hinblick auf dessen Gesetz- bzw Verfassungswidrigkeit – in seinen Rechten verletzt worden zu sein, dann aber auch, dass die Verordnung bzw das Gesetz für den Antragsteller tatsächlich, und zwar ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides wirksam geworden ist. Grundlegende Voraussetzung der Antragslegitimation ist, dass die Verordnung bzw das Gesetz in die Rechtssphäre des Antragstellers nachteilig eingreift und diese – im Falle seiner Gesetz- bzw Verfassungswidrigkeit – verletzt.

Nicht jedem Normadressaten aber kommt die Anfechtungsbefugnis zu. Es ist darüber hinaus erforderlich, dass die Verordnung bzw das Gesetz selbst tatsächlich in die Rechtssphäre des Antragstellers unmittelbar eingreift. Ein derartiger Eingriff ist jedenfalls nur dann anzunehmen, wenn dieser nach Art und Ausmaß durch die Verordnung bzw das Gesetz selbst eindeutig bestimmt ist, wenn er die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt und wenn dem Antragsteller kein anderer zumutbarer Weg zur Abwehr des – behaupteterweise – rechtswidrigen Eingriffes zur Verfügung steht (VfSlg 11.868/1988, 15.632/1999, 16.616/2002, 16.891/2003).

Hiebei hat der Verfassungsgerichtshof vom Antragsvorbringen auszugehen und lediglich zu prüfen, ob die vom Antragsteller ins Treffen geführten Wirkungen solche sind, wie sie Art139 Abs1 Z3 B‑VG bzw Art140 Abs1 Z1 litc B‐VG als Voraussetzung für die Antragslegitimation fordern (vgl zB VfSlg 10.353/1985, 15.306/1998, 16.890/2003).

Im Antragsvorbringen darf nach §62 Abs1 VfGG nicht offen bleiben, welche Gesetzesvorschrift oder welcher Teil einer Vorschrift nach Auffassung des Antragstellers aus welchem Grund aufgehoben werden soll (siehe mwN VfGH 2.3.2015, G140/2014 ua; vgl auch VfGH 10.12.2015, G639/2015; 15.10.2016, G103-104/2016 ua). Werden Bestimmungen mitangefochten (etwa alle eines ganzen Gesetzes), müssen auch gegen diese Bestimmungen konkrete Bedenken vorgebracht werden bzw dargelegt werden, inwiefern diese Bestimmungen mit (nach Auffassung des Antragstellers) den Sitz der Verfassungswidrigkeit bildenden Bestimmungen in einem konkreten Regelungszusammenhang stehen und eine untrennbare Einheit mit diesen bilden (VfSlg 19.894/2014; VfGH 29.9.2015, G324/2015; 15.10.2016, G183/2016 ua).

2. Die Antragsteller wenden sich mit ihren Bedenken betreffend die angefochtenen gesetzlichen Bestimmungen ausschließlich gegen §6 Abs1 Z3 litd UStG 1994 und §4 Abs1 Z1 MineralölsteuerG 1995. Hinsichtlich der übrigen angefochtenen gesetzlichen Bestimmungen werden im Antrag keine Bedenken vorgebracht und wird auch nicht dargelegt, dass diese in einem untrennbaren Zusammenhang mit §6 Abs1 Z3 litd UStG 1994 bzw §4 Abs1 Z1 MineralölsteuerG 1995 stünden.

Der Antrag ist daher betreffend §10 Abs3 Z9 UStG 1994 sowie §4 Abs2 Z5, §5 Abs2 Z3 lita [gemeint wohl §5 Abs3a], §12 Abs1 Z1, §12 Abs2, §12 Abs4, §15 Abs3, §52 Abs2 Z4 litd, §54 Abs3, §64c Abs1 und 2, §64i Abs1 und 2 und §64r MineralölsteuerG 1995 schon aus diesem Grund zurückzuweisen.

3. Zur Zulässigkeit der Anträge betreffend §6 Abs1 Z3 litd UStG 1994 und §4 Abs1 Z1 MineralölsteuerG 1995:

3.1. Die Antragsteller, die nach ihrem Vorbringen allesamt Nichtunternehmer sind, behaupten, von den Steuerbefreiungstatbeständen des §6 Abs1 Z3 litd UStG 1994 und §4 Abs1 Z1 MineralölsteuerG 1995 insofern unmittelbar betroffen zu sein, als dass das von ihnen bevorzugte Verkehrsmittel Bahn auf Grund dieser Tatbestände schlechter gestellt werde.

Zwar seien die Antragsteller nicht Normadressaten der Bestimmungen, doch wären sie unmittelbar in ihrer Rechtssphäre betroffen, da es sich bei der Umsatzsteuer und der Mineralölsteuer um Verbrauchsteuern handle, deren Zweck es gerade sei, dass sie letztlich vom Konsumenten getragen würden; der Unternehmer sei nur aus technischen Gründen Steuerschuldner. Unter Verweis auf die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes in seinen Erkenntnissen VfSlg 13.038/1992 und VfSlg 19.892/2014 bringen die Antragsteller ferner vor, dass der Verfassungsgerichtshof wiederholt eine unmittelbare Betroffenheit gleich der eines Normadressaten angenommen habe, wenn das Gesetz dem Inhalt und dem Zweck nach die durch ein Grundrecht geschützte Rechtssphäre von Antragstellern betroffen habe, weshalb die Antragsteller "tatsächliche Normadressaten" seien.

Der Rechtseingriff ergebe sich aus der Verletzung der grundrechtlich gewährleisteten Schutzpflichten gemäß Art2 EMRK und Art2 GRC und gegenüber der ersten Antragstellerin und dem dritten Antragsteller auch gemäß Art8 EMRK und Art7 GRC. Die Steuerbefreiungen für den Flugverkehr führten auf Grund ihrer Klimaschädlichkeit und der hiedurch bewirkten Extremwetterereignisse und vermehrten Hitzeperioden zu einem nicht gerechtfertigten Eingriff in die verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte der Antragsteller.

Der Grundrechtseingriff werde gegenwärtig durch das Gesetz selbst bewirkt, ohne dass es eines Bescheides (etwa eines Bescheides des Finanzamtes gegenüber den Verbrauchern) oder eines Gerichtsurteils bedürfe; die Steuer sei vom Verbraucher an den Unternehmer im Rahmen des Ticketkaufes zu bezahlen. Ein zumutbarer Umweg bestehe nicht.

3.2. Dieses Vorbringen zu Art2 und 8 EMRK ist vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zur Zulässigkeit von Individualanträgen nicht geeignet, darzulegen, dass die Antragsteller Normadressaten sind bzw unmittelbar durch die angefochtenen Normen in ihren Rechten verletzt werden:

3.2.1. Im gegebenen Zusammenhang ist zu beachten, dass – was die Antragsteller auch erkennen – die Verpflichtung zur Entrichtung der Umsatzsteuer für grenzüberschreitende Beförderungsleistungen mit der Bahn den Unternehmer iSd §2 UStG 1994 bzw die Pflicht zur Entrichtung der Mineralölsteuer den Inhaber des Steuerlagers iSd §22 MineralölsteuerG 1995 trifft. Dabei hängt es von vielen Faktoren ab, inwieweit die den Steuerschuldner treffende Abgabenlast am Markt auf Verbraucher ökonomisch abwälzbar ist und auch tatsächlich vom Steuerschuldner abgewälzt wird.

Hieraus ergibt sich, dass Verbraucher durch umsatzsteuerliche oder verbrauchsteuerliche gesetzliche Regelungen, die eine Steuerpflicht vorsehen, ungeachtet der Belastungskonzeption der Abgaben als Verbrauchsteuern, selbst dann nicht in ihren Rechten verletzt wären, wenn die Abgabenlast allenfalls auf die Verbraucher überwälzt würde (vgl VfSlg 8292/1978).

3.2.2. Es ist den Antragstellern zwar einzuräumen, dass der Verfassungsgerichtshof nach Zweck und Inhalt von angefochtenen Regelungen auch nicht unmittelbar von einer Regelung adressierte Rechtspersonen als Normadressaten angesehen hat, wenn durch die Regelung nicht nur deren persönliche Situation berührt wird, sondern auch in die – insbesondere auch durch verfassungsgesetzlich gewährleistete Rechte geprägte – Rechtssphäre eingegriffen wird (VfSlg 19.892/2014 ua). Ein solcher Eingriff liegt im vorliegenden Fall aber schon deshalb nicht vor, da die Antragsteller nach ihren Angaben für grenzüberschreitende Personenbeförderungsdienstleistungen nicht die Leistungen von Luftfahrtunternehmen in Anspruch nehmen (wollen), sondern jene von Eisenbahnunternehmen (vgl auch VfSlg 14.716/1996, 15.665/1999).

3.2.3. Damit sind die Antragsteller aber keinesfalls Adressaten der nur für den Flugverkehr und nicht auch den Bahnverkehr maßgebenden Vorschriften der §6 Abs1 Z3 litd UStG 1994 und §4 Abs1 Z1 MineralölsteuerG 1995.

3.2.4. Da der Antrag betreffend §6 Abs1 Z3 litd UStG 1994 und §4 Abs1 Z1 MineralölsteuerG 1995 schon aus diesem Grund als unzulässig zurückzuweisen ist, erübrigt sich die Prüfung, ob weitere Prozessvoraussetzungen fehlen.

4. Bei diesem Ergebnis ist auch der mit "Gesetzwidrigkeit in Folge Wegfall der verfassungswidrigen Gesetzesgrundlage" begründete Antrag auf Aufhebung der Luftfahrtbegünstigungsverordnung mangels Darlegung von Bedenken zurückzuweisen.

V. Ergebnis

1. Der Antrag ist als unzulässig zurückzuweisen.

2. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lite VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

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