VfGH G25/2016 ua

VfGHG25/2016 ua15.6.2016

Abweisung eines Parteiantrags auf Aufhebung von Bestimmungen des EU-JZG und des ARHG betreffend den Europäischen Haftbefehl und die Prüfung der Zulässigkeit des Auslieferungsersuchens durch das (inländische) Gericht; kein Verstoß gegen den Gleichheitssatz; kein Verstoß gegen das Determinierungsgebot; teilweise Zurückweisung des Antrags mangels Präjudizialität

Normen

B-VG Art140 Abs1 Z1 litd
B-VG Art140 Abs1 / Prüfungsumfang
B-VG Art140 Abs1 / Präjudizialität
B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art18
EMRK Art6
VfGG §62a Abs1
ARHG §33
EU-JZG §4 Abs2, Abs5, §19, Anhang I

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VFGH:2016:G25.2016

 

Spruch:

I. Der Antrag wird, soweit er die Aufhebung des §4 Abs2 und 5 und des Teiles B des Anhangs I EU-JZG begehrt, als unzulässig zurückgewiesen.

II. Im Übrigen wird der Antrag abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe

I. Antrag

Gestützt auf Art140 Abs1 Z1 litd B‑VG begehrt der Antragsteller, der Verfassungsgerichtshof möge §4 und §19 des Bundesgesetzes über die justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen mit den Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU-JZG), BGBl I 36/2004, idF BGBl I 112/2007, den Anhang I dieses Gesetzes idF BGBl I 38/2007 sowie §33 des Auslieferungs- und Rechtshilfegesetzes (ARHG), BGBl 529/1979, idF BGBl I 15/2004 als verfassungswidrig aufheben.

Diesem Antrag liegt ein Übergabeverfahren auf Grund eines Europäischen Haftbefehls zugrunde, das in erster Instanz mit dem die Übergabe des Antragstellers an die slowakischen Behörden bewilligenden Beschluss des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 13. Jänner 2016, Z313 Hr 76/15x-23, endete. Diesem Beschluss zufolge wird dem Antragsteller – wie aus dem vom Spezialisierten Strafgericht in Pezinok, Stelle Banska Bystricá, ausgestellten Europäischen Haftbefehl ersichtlich – in der Slowakei zur Last gelegt, im April 2010 in Bratislava als Geschäftsführer eines Unternehmens wissentlich seine durch Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis dadurch missbraucht zu haben, dass er für das von ihm vertretene Unternehmen massiv nachteilige Verträge über den Verkauf einer Liegenschaft sowie den Erwerb wertloser Optionen abgeschlossen habe, wodurch dem Unternehmen ein Schaden von mehr als 7 Mio Euro entstanden sei. Laut ersuchendem Gericht stellt der dem Antragsteller vorgeworfene Sachverhalt eine besonders schwere Pflichtverletzung bei der Verwaltung fremden Vermögens gemäß §237 Abs1, Abs4 lita des slowakischen Strafgesetzes dar, das dem "Listendelikt" der "betrügerischen Handlungen" zugeordnet wurde.

Gegen den seine Übergabe bewilligenden Beschluss erhob der Antragsteller –gemäß Beschluss des Oberlandesgerichtes Wien vom 12. Februar 2016, Z 22 Bs 42/16m-1, rechtzeitig und auch sonst zulässig – am 1. Februar 2016 Beschwerde; am selben Tag brachte er den vorliegenden Antrag ein.

II. Rechtslage

1. Die – jeweils zur Gänze – angefochtenen Bestimmungen lauten wie folgt:

1.1.1. §4 EU-JZG idF BGBl I 112/2007

"Anwendungsbereich des Europäischen Haftbefehls

§4. (1) Ein Europäischer Haftbefehl kann zur Strafverfolgung wegen einer Handlung erlassen oder vollstreckt werden, deren Begehung nach dem Recht des Ausstellungsstaats mit einer Freiheitsstrafe, deren Obergrenze mindestens ein Jahr beträgt, oder einer mit Freiheitsentziehung verbundenen vorbeugenden Maßnahme in dieser Dauer bedroht ist, wenn sie unabhängig von ihrer gesetzlichen Bezeichnung auch nach dem Recht des Vollstreckungsstaats eine mit gerichtlicher Strafe bedrohte Handlung darstellt. Ob in einem anderen Ausstellungsstaat ein nach österreichischem Recht zur Verfolgung notwendiger Antrag oder eine solche Ermächtigung vorliegt, ist unbeachtlich.

(2) Ein Europäischer Haftbefehl kann zur Vollstreckung einer Freiheitsstrafe oder einer mit Freiheitsentziehung verbundenen vorbeugenden Maßnahme erlassen oder vollstreckt werden, wenn noch mindestens vier Monate zu vollstrecken sind und die zugrunde liegende Handlung unabhängig von ihrer gesetzlichen Bezeichnung auch nach dem Recht des Vollstreckungsstaats eine mit gerichtlicher Strafe bedrohte Handlung darstellt. Mehrere Freiheitsstrafen oder ihre zu vollstreckenden Reste sind zusammenzurechnen.

(3) Für eine Entscheidung nach Abs1 oder 2 ist die beiderseitige Strafbarkeit nicht zu prüfen, wenn die dem Europäischen Haftbefehl zu Grunde liegende mit Strafe bedrohte Handlung von der ausstellenden Justizbehörde einer der in Anhang I, Teil A, angeführten Kategorie von Straftaten zugeordnet wurde und nach dem Recht des Ausstellungsstaats mit einer Freiheitsstrafe, deren Obergrenze mindestens drei Jahre beträgt, oder einer mit Freiheitsentziehung verbundenen vorbeugenden Maßnahme in dieser Dauer bedroht ist.

(4) Für die Einordnung einer Handlung in eine der Kategorien von Straftaten nach Anhang I, Teil A, durch die ausstellende Justizbehörde ist die wörtliche Übereinstimmung mit Begriffen des Rechts des Vollstreckungsstaats nicht erforderlich.

(5) Ist nach Abs1 oder 2 die Vollstreckung eines Europäischen Haftbefehls zulässig, so erfolgt die Übergabe auf Grund dieses Europäischen Haftbefehls zusätzlich auch zur Verfolgung wegen anderer Straftaten oder zur Vollstreckung anderer Freiheitsstrafen oder anderer mit Freiheitsentziehung verbundener vorbeugender Maßnahmen, wenn die Vollstreckung sonst wegen der Höhe der Strafdrohung (Abs1) oder des Ausmaßes der Strafe oder Maßnahme (Abs2) unzulässig wäre."

1.1.2. §19 EU-JZG idF BGBl I 112/2007

"Prüfung des Europäischen Haftbefehls

§19. (1) Die Voraussetzungen für eine Übergabe sind an Hand des Inhalts des Europäischen Haftbefehls zu prüfen. Eine Verdachtsprüfung ist nur im Umfang des §33 Abs2 ARHG vorzunehmen.

(2) Ist das Gericht der Ansicht, dass der Inhalt des Europäischen Haftbefehls und die sonst von der ausstellenden Justizbehörde zur Verfügung gestellten Angaben nicht ausreichen, um über die Übergabe entscheiden zu können, so hat es von der ausstellenden Justizbehörde unverzüglich die erforderlichen zusätzlichen Angaben zu verlangen. Für das Einlangen der zusätzlichen Angaben ist eine angemessene Frist zu bestimmen. Die Entscheidungsfristen nach den §§20 und 21 bleiben dadurch unverändert.

(3) Ist die rechtliche Würdigung als Straftat nach Anhang I, Teil A, offensichtlich fehlerhaft oder hat die betroffene Person dagegen begründete Einwände erhoben, so hat das Gericht nach Abs2 vorzugehen, wenn sonst die Übergabe unzulässig wäre.

(4) Die Vollstreckung des Europäischen Haftbefehls ist auf Grund von Einwänden der betroffenen Person abzulehnen, wenn ihre Übergabe die in Art6 des Vertrags über die Europäische Union anerkannten Grundsätze verletzen würde oder objektive Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Haftbefehl zum Zweck der Verfolgung oder Bestrafung der betroffenen Person aus Gründen ihres Geschlechts, ihrer Rasse, Religion, ethnischen Herkunft, Staatsangehörigkeit, Sprache oder politischen Überzeugung oder sexuellen Ausrichtung erlassen worden ist oder die Stellung dieser Person aus einem dieser Gründe sonst beeinträchtigt würde. Eine Prüfung der Einwände kann unterbleiben, wenn die betroffene Person die Einwände vor den zuständigen Justizbehörden des Ausstellungsstaats, vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte oder vor dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften hätte geltend machen können."

1.1.3. Anhang I des EU-JZG idF BGBl I 38/2007

"Anhang I

Liste von Straftaten, bei denen die beiderseitige Strafbarkeit nicht geprüft wird

Teil A

1. Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung,

2. Terrorismus,

3. Menschenhandel,

4. sexuelle Ausbeutung von Kindern und Kinderpornografie,

5. illegaler Handel mit Drogen und psychotropen Stoffen,

6. illegaler Handel mit Waffen, Munition und Sprengstoffen,

7. Korruption,

8. Betrugsdelikte, einschließlich Betrug zum Nachteil der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften im Sinne des Übereinkommens vom 26. Juli 1995 über den Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften,

9. Wäsche von Erträgen aus Straftaten,

10. Geldfälschung, einschließlich der Euro-Fälschung,

11. Cyberkriminalität,

12. Umweltkriminalität, einschließlich des illegalen Handels mit bedrohten Tierarten oder mit bedrohten Pflanzen- und Baumarten,

13. Beihilfe zur illegalen Einreise und zum illegalen Aufenthalt,

14. vorsätzliche Tötung, schwere Körperverletzung,

15. illegaler Handel mit Organen und menschlichem Gewebe,

16. Entführung, Freiheitsberaubung und Geiselnahme,

17. Rassismus und Fremdenfeindlichkeit,

18. Diebstahl in organisierter Form oder mit Waffen,

19. illegaler Handel mit Kulturgütern, einschließlich Antiquitäten und Kunstgegenstände,

20. Betrug,

21. Erpressung und Schutzgelderpressung,

22. Nachahmung und Produktpiraterie,

23. Fälschung von amtlichen Dokumenten und Handel damit,

24. Fälschung von Zahlungsmitteln,

25. illegaler Handel mit Hormonen und anderen Wachstumsförderern,

26. illegaler Handel mit nuklearen und radioaktiven Substanzen,

27. Handel mit gestohlenen Kraftfahrzeugen,

28. Vergewaltigung,

29. Brandstiftung,

30. Verbrechen, die in die Zuständigkeit des Internationalen Strafgerichtshofs fallen,

31. Flugzeug- und Schiffsentführung,

32. Sabotage.

Teil B

1. Gegen die den Straßenverkehr regelnden Vorschriften verstoßende Verhaltensweise, einschließlich Verstößen gegen Vorschriften über Lenk- und Ruhezeiten und des Gefahrgutrechts,

2. Warenschmuggel,

3. Verletzung von Rechten an geistigem Eigentum,

4. Bedrohungen von Personen und Gewalttaten gegen sie, einschließlich Gewalttätigkeit bei Sportveranstaltungen,

5. Sachbeschädigung,

6. Diebstahl,

7. Straftatbestände, die vom Entscheidungsstaat festgelegt wurden und durch Verpflichtungen abgedeckt sind, die sich aus im Rahmen des EG-Vertrags oder des Titels VI des EU-Vertrags erlassenen Rechtsakten ergeben."

1.2. §33 ARHG idF BGBl I 15/2004 bestimmt:

"Prüfung des Auslieferungsersuchens durch das Gericht

§33. (1) Die Zulässigkeit der Auslieferung ist an Hand des Auslieferungsersuchens und seiner Unterlagen zu prüfen.

(2) Ob die betroffene Person der ihr zur Last gelegten strafbaren Handlung nach den Auslieferungsunterlagen hinreichend verdächtig ist, ist nur zu prüfen, wenn insoweit erhebliche Bedenken bestehen, insbesondere wenn Beweise vorliegen oder angeboten werden, durch die der Verdacht ohne Verzug entkräftet werden könnte.

(3) Die Zulässigkeit der Auslieferung ist in rechtlicher Hinsicht einschließlich aller sich aus den zwischenstaatlichen Vereinbarungen ergebenden Voraussetzungen und Hindernisse für die Auslieferung der betroffenen Person, insbesondere auf dem Gebiet des Asylrechtes, umfassend unter dem Gesichtspunkt der der betroffenen Person nach Gesetz und Bundesverfassung zukommenden subjektiven Rechte zu prüfen."

2.1. Das EU-JZG, BGBl I 36/2004, (in concreto §§2 bis 38 und Anhang I) erging in Umsetzung des Rahmenbeschlusses über den Europäischen Haftbefehl, ABl. 2002 L 190, 1 (nunmehr idF des Rahmenbeschlusses 2009/299/JI, ABl. 2009 L 81, 24; im Folgenden RB-EuHB), mit welchem das Auslieferungsrecht innerhalb der Europäischen Union neu gestaltet wurde. Die bisherigen, auf dem Europäischen Auslieferungsübereinkommen vom 13. Dezember 1957 beruhenden Regeln wurden durch ein System der Übergabe auf Grund eines Europäischen Haftbefehls ersetzt. Dieser ist eine im sog. Ausstellungsstaat ergangene gerichtliche Entscheidung, welche die Festnahme und Übergabe einer Person durch einen anderen Mitgliedstaat, den "Vollstreckungsstaat", zur Strafverfolgung oder Strafvollstreckung bezweckt. Diese unionsweite Ausgestaltung der Auslieferung beruht auf dem Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung.

Das Prinzip der beiderseitigen Strafbarkeit wurde im RB-EuHB zwar grundsätzlich beibehalten; hinsichtlich eines Katalogs von 32 Straftaten genügt gemäß Art2 Abs2 RB-EuHB jedoch die Strafbarkeit im Ausstellungsstaat. Voraussetzung ist, dass der Tatbestand mit einer Freiheitsstrafe bedroht ist, deren Obergrenze mindestens drei Jahre beträgt.

Gemäß Art15 Abs1 RB-EuHB entscheidet die vollstreckende Justizbehörde nach Maßgabe des RB-EuHB und innerhalb der darin vorgesehenen Fristen über die Übergabe der betreffenden Person. Im Hinblick auf Art1 Abs2 ist der Europäische Haftbefehl für die Entscheidung über die Übergabe ausschlaggebend.

Ist die vollstreckende Justizbehörde der Ansicht, dass die vom Ausstellungsstaat übermittelten Informationen im Europäischen Haftbefehl nicht ausreichen, um über die Übergabe entscheiden zu können, muss sie gemäß Art15 Abs2 RB‑EuHB um Übermittlung der notwendigen zusätzlichen Informationen ersuchen.

Der Gerichtshof der Europäischen Union hat den RB-EuHB – auf Vorlage des Belgischen Verfassungsgerichts – in der Rechtssache C-303/05 , Advocaten voor de Wereld VZW, mit Urteil vom 3. Mai 2007, Slg. 2007 I-03672, für insgesamt unionsrechtskonform erklärt.

Der Katalog von Straftaten wurde in wörtlicher Übereinstimmung zu Art2 Abs2 RB-EuHB in die Anlage I (nunmehr Teil A) des EU-JZG übernommen.

2.2. Die Erläuterungen führen zu §4 bzw. §19 EU-JZG aus (Erläut. RV 370 BlgNR 22. GP , 7 f. bzw. 12 f.):

2.2.1. "Kernstück des Europäischen Haftbefehls ist eine Liste von 32 sehr unterschiedlichen strafbaren Handlungen, bei denen vom Vollstreckungsstaat die beiderseitige Strafbarkeit nicht geprüft werden darf. Wenn die ausstellende Justizbehörde den Sachverhalt als eine solche Tat beurteilt und dieser nach dem Recht des Ausstellungsstaats mit einer Freiheitsstrafe oder einer mit Freiheitsentziehung verbundenen vorbeugenden Maßnahme im Höchstmaß von mindestens drei Jahren bedroht ist, berechtigt daher auch das Fehlen der beiderseitigen gerichtlichen Strafbarkeit nicht zur Ablehnung der Vollstreckung des Europäischen Haftbefehls. Diese Liste wird durch Abs3 und Anhang I in den Gesetzesentwurf zur Gänze und unverändert übernommen. Ob und in welchem Umfang die Richtigkeit der Einordnung in die Liste vom österreichischen Gericht geprüft werden kann, wird durch §19 Abs2 und 3 geregelt.

Außerhalb dieser Liste gilt nach Abs1 weiterhin der allgemeine Grundsatz der beiderseitigen gerichtlichen Strafbarkeit als Voraussetzung für eine Übergabe zur Strafverfolgung oder Strafvollstreckung. Voraussetzung ist aber eine Strafdrohung nach dem Recht des Ausstellungsstaats von mindestens einem Jahr. Eine Unterscheidung zwischen vorsätzlich oder fahrlässig begangenen Taten findet nicht statt.

Zur Strafvollstreckung kann ein Europäischer Haftbefehl erlassen oder vollstreckt werden, wenn beiderseitige Strafbarkeit nach Abs1 oder eine Tat nach Abs3 vorliegt und mindestens noch insgesamt 4 Monate Freiheitsstrafe zu vollstrecken sind. Dabei sind vollstreckbare Ersatzfreiheitsstrafen wie Freiheitsstrafen zu behandeln und mehrere Freiheitsstrafen oder Strafreste zusammenzurechnen.

Für die Vollstreckung eines Europäischen Haftbefehls im Inland gilt nach Abs5 der schon in §11 Abs3 ARHG vorgesehene Grundsatz der akzessorischen Auslieferung. Ist daher die Vollstreckung eines Europäischen Haftbefehls zumindest hinsichtlich einer Tat nach Abs1 oder 3 zu bewilligen, so ist die Vollstreckung auch hinsichtlich aller anderen Taten zulässig, soweit beiderseitige Strafbarkeit vorliegt. Unter diesen Voraussetzungen wird die Vollstreckung des Haftbefehls auch zum Vollzug von weniger als insgesamt 4 Monaten Freiheitsstrafe bewilligt."

2.2.2. "Der Europäische Haftbefehl ist in gleicher Weise wie ein Auslieferungsersuchen zu prüfen. Es gilt der Grundsatz der formellen Prüfung. Eine Verdachtsprüfung findet daher nur nach Maßgabe des §33 Abs2 ARHG statt.

Die Einordnung der Taten in die Liste nach Anhang I ist grundsätzlich nur über Einwand der betroffenen Person oder von Amts wegen bei offenkundiger Unrichtigkeit zu prüfen. Der ausstellenden Justizbehörde soll jedoch die Möglichkeit zu einer Stellungnahme eingeräumt werden, wenn die Übergabe sonst unzulässig wäre. Dabei wäre in gleicher Weise wie bei einem Ersuchen um Vorlage von ergänzenden Unterlagen vorzugehen. Der ausstellenden Justizbehörde ist eine Frist für ihre Stellungnahme oder für ergänzende Unterlagen zu setzen.

Sonderbestimmungen bestehen für den Einwand der drohenden Verletzung des Art6 des EU-Vertrags. Solche Einwände sollen dann zu prüfen sein, wenn die betroffene Person bislang gehindert gewesen ist, die Einwände vor der ausstellenden Justizbehörde oder vor Europäischen Gerichten vorzubringen.

[...]"

III. Antragsvorbringen und Vorverfahren

1.1. Zur Zulässigkeit des Antrages wird vorgebracht, dass der Antragsteller im Anlassverfahren Z 313 Hr 76/15x als an die slowakischen Behörden zu übergebender "Betroffener" Partei des Übergabeverfahrens sei. Gegen den die Übergabe bewilligenden Beschluss des Landesgerichtes für Strafsachen Wien habe er Beschwerde gemäß §21 Abs1 EU-JZG iVm §31 Abs6 ARHG erhoben. Diese und der unter einem gestellte Parteiantrag seien rechtzeitig, da beide (nach Anmeldung der Beschwerde in der Drei-Tages-Frist des §31 Abs6 ARHG iVm §21 Abs1 EU-JZG) innerhalb von 14 Tagen nach Zustellung der schriftlichen Ausfertigung des Beschlusses erhoben worden seien. Bei der Entscheidung über die Bewilligung der Übergabe handle es sich um eine "entschiedene Rechtssache" iSd Art140 Abs1 Z1 litd B‑VG. Die angefochtenen Bestimmungen seien vom Landesgericht für Strafsachen Wien bei seiner Entscheidung (zumindest teilweise) angewendet worden. Die Anfechtung des §33 ARHG sowie der §§4, 19 und des Anhangs I EU-JZG jeweils zur Gänze erfolge im Hinblick darauf, dass andernfalls ein "sinnfreier Torso" verbliebe.

Die in §62a Abs1 Z10 VfGG normierte Ausnahme des Übergabeverfahrens nach dem EU-JZG von der Möglichkeit der Antragstellung nach Art140 Abs1 Z1 litd B‑VG sei verfassungswidrig, wobei auf das beim Verfassungsgerichtshof zu G645/2015 anhängige amtswegige Gesetzesprüfungsverfahren verwiesen wird. Mit Aufhebung des §62a Abs1 Z10 VfGG durch den Verfassungsgerichtshof entfiele dieses Prozesshindernis. Der Antragsteller regt daher an, (auch) aus Anlass seines Antrages ein Gesetzesprüfungsverfahren einzuleiten.

1.2. Seine Bedenken gegen die angefochtenen Regelungen legt der Antragsteller wie folgt dar:

1.2.1. §4 und der Anhang I verstießen gegen den Gleichheitssatz und das Bestimmtheitsgebot.

Gemäß §4 Abs3 EU-JZG sei – wie auch das Erstgericht angenommen habe – die beiderseitige Strafbarkeit nicht zu prüfen, wenn die dem Europäischen Haftbefehl zugrunde liegende strafbare Handlung von der ausstellenden Justizbehörde einer der in "Anhang I, Teil A" angeführten Kategorien von Straftaten zugeordnet worden sei.

"§4 Abs3 und Anhang I enthält nicht einmal einen Hinweis darauf, wer Verfasser der im Anhang I enthaltenen Tatbestände ist, ebensowenig der Anhang I selbst. Es ist auch nicht klar, was nun ausschlaggebend dafür sein soll, ob ein Betrugsdelikt oder Betrug vorliegt. Der österreichische Gesetzgeber hat hier einen Rahmenbeschluss umgesetzt, ohne zu wissen, was mit den Listendelikten im entferntesten Sinn gemeint ist."

§4 Abs3 EU-JZG verweise auf die Liste (des Anhangs I), von der unklar sei, wem diese nun zuzurechnen sei. Zwar sei formaljuristisch der österreichische Gesetzgeber ihr Verfasser; de facto sei die Liste jedoch "per Rahmenbeschluss" eingeführt worden, sodass wohl der Rat der Europäischen Union ihr Verfasser sei. Damit werde im Ergebnis in §4 Abs3 EU-JZG auf eine andere Rechtsetzungsautorität verwiesen, was verfassungsrechtlich unzulässig sei.

Der Katalog des Anhangs I, Teil A, zum EU-JZG enthalte eine völlig unsystematische Aneinanderreihung von Tatbeständen, die zum Teil ident seien (zB Z8 – "Betrugsdelikte" und Z20 – "Betrug"; vgl. Murschetz, Der Rahmenbeschluss über den Europäischen Haftbefehl und seine Umsetzung im EU-JZG, ÖJZ2007, 98 [101]).

Weder §4 EU-JZG noch die Anlage I, Teil A, führten Gründe dafür an, dass gerade diese "Listendelikte" geeignet wären, von einer Prüfung der beiderseitigen Strafbarkeit abzusehen. §4 leg.cit. erlaube auch nicht, dass das über das Übergabeersuchen entscheidende Gericht selbst eine rechtliche Qualifikation des im Europäischen Haftbefehl enthaltenen Sachverhalts vornehmen dürfe; von diesem werde lediglich die Prüfung verlangt, ob die ersuchende Justizbehörde die Zuordnung zu einem Delikt der Anlage I, Teil A, zum EU-JZG vorgenommen habe. Auch die Materialien (RV 370 BlgNR 22. GP , 7) gäben keinen Aufschluss. Es liege daher der Schluss nahe, dass die Liste nicht nach sachlichen Gesichtspunkten zusammengestellt worden sei. Die wortidente Übernahme aus dem RB-EuHB reiche für die Sachlichkeit nicht aus.

§4 EU-JZG und die Liste nach Anhang I widersprächen schon deshalb dem Gleichheitsgrundsatz, weil es sich um einen zufällig entstandenen Katalog handle, der nicht nach sachlichen Kriterien zustande gekommen sei, sondern sich "eher" als Ergebnis eines politischen Kompromisses darstelle.

Da infolge mangelnder Bestimmtheit der Liste das zur Entscheidung über den Europäischen Haftbefehl berufene Gericht nicht einmal prüfen könne, ob die Zuordnung eines bestimmten Sachverhalts zu einem bestimmten Listendelikt korrekt vorgenommen worden sei – im vorliegenden Fall sei einerseits von "Betrug" (was für ein Listendelikt spreche), andererseits von "Untreue" (was gegen ein Listendelikt spreche) die Rede – , widersprächen §4 und der Anhang I dem Bestimmtheitsgebot. Auch der Grundsatz der Spezialität wäre nur eingehalten, wenn dem Europäischen Haftbefehl klare Sachverhaltsangaben entnommen werden könnten. Sei dies nicht der Fall, werde der zu Übergebende der Willkür des ersuchenden Staates ausgesetzt, da der Gegenstand des im ersuchenden Staat abgeführten Strafverfahrens nicht bereits im Übergabeverfahren abgegrenzt werde. Auch dies widerspreche dem Gleichheitsgrundsatz.

1.2.2. In Ansehung des §19 (und erneut auch des Anhangs I) EU-JZG behauptet der Antragsteller gleichfalls einen Verstoß gegen Art18 Abs1 B‑VG bzw. – en passant – gegen den Gleichheitsgrundsatz:

"Der österreichische Richter muss gemäß §19 Abs3 EU-JZG nicht nur prüfen, ob der ersuchende Staat ein Listendelikt angekreuzt hat, sondern auch, ob dabei ein offensichtlicher Fehler bei der rechtlichen Beurteilung unterlaufen ist. Schon diese Beurteilung kann ihm nicht gelingen, da er regelmäßig nicht beurteilen kann, was der Prüfungsmaßstab dafür ist, ob eine bestimmte nationale Norm einem der Listendelikte entspricht. [...]

Im vorliegenden Fall war das Landesgericht für Strafsachen Wien mit dem Problem konfrontiert, grob prüfen zu müssen, ob nun der im Europäischen Haftbefehl angegebene Sachverhalt dem Listendelikt der Betrugsdelikte (an achter Stelle der Liste) oder dem Listendelikt des Betrugs (an zwanzigster Stelle der Liste) zuzuordnen ist. Da es jedoch innerhalb der Europäischen Union massive Unterschiede gibt, was nun Betrugsdelikte sind, ist völlig unklar, was nun die Deliktsmerkmale der Listendelikte Z8 und 20 sein sollen.

Schon deshalb widerspricht die Liste Anhang I dem Bestimmtheitsgebot der Bundesverfassung. [...]"

Noch unklarer sei, was unter "begründeten Einwänden" iSd §19 Abs3 EU-JZG, die von der betroffenen Person erhoben werden können, zu verstehen sei.

Abgesehen davon widerspreche §19 EU-JZG dem Gleichheitssatz und dem Bestimmtheitsgebot, weil im Dunklen bleibe, ob im Europäischen Haftbefehl Sachverhaltsangaben zu allen Deliktsmerkmalen des nationalen Delikts einschließlich der subjektiven Tatseite enthalten sein müssten.

1.2.3. In Bezug auf §33 ARHG bringt der Antragsteller vor, dass die Wortfolge "erhebliche Bedenken" nach §33 Abs2 leg.cit. ebenfalls gegen das Bestimmtheitsgebot verstoße. Darüber hinaus widerspreche eine Auslegung, wonach von einem Betroffenen verlangt werde, einen bloß behaupteten Tatverdacht sofort und unmittelbar zu entkräften, ebenso dem Sachlichkeitsgebot des Gleichheitssatzes wie eine Beweislastregel, die – wie §33 ARHG – vom Betroffenen im Ergebnis verlange, bereits im Auslieferungsverfahren seine Unschuld zu beweisen. Letztere Bestimmung verstoße auch gegen das Rechtsstaatsprinzip und das Recht auf ein faires Verfahren. Zudem bestehe kein Grund, Betroffene, denen in Österreich eine Straftat vorgeworfen wird, anders zu behandeln als Betroffene, hinsichtlich derer ein Auslieferungsersuchen gestellt werde.

2. Das Landesgericht für Strafsachen Wien legte die seinem Beschluss zugrunde liegenden Akten vor; das mittels Beschwerde angerufene Oberlandesgericht Wien stellte im Hinblick auf §62a Abs5 VfGG mit Beschluss vom 12. Februar 2016, Z22 Bs 42/16m-1, die Rechtzeitigkeit und sonstige Zulässigkeit des vom Antragsteller im Ausgangsverfahren erhobenen Rechtsmittels fest.

3. Die Bundesregierung hat eine Äußerung erstattet. Sie erachtet den Antrag primär für unzulässig, in der Sache aber jedenfalls für unbegründet.

3.1. Nach Dafürhalten der Bundesregierung vermag auch die jüngere Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes, der zufolge ein zu weiter Anfechtungsumfang einen Antrag nicht in jedem Fall unzulässig macht, nichts daran zu ändern, dass sich ein Antragsteller – wie im vorliegenden Fall – nicht damit begnügen dürfe, ganze Paragraphen oder Teile eines Gesetzes bzw. ein Gesetz als Ganzes unabhängig von den geltend gemachten Bedenken sowie der Präjudizialität anzufechten und im Übrigen ohne nähere Begründung zu behaupten, dass im Fall der Aufhebung nur der verfassungsrechtlich bedenklichen Teile ein unverständlicher Torso übrig bliebe.

Hinsichtlich §19 EU-JZG würde überdies mit der Aufhebung der Abs2 und 3 das vom Antragsteller angestrebte Ergebnis, nämlich die Prüfung der beiderseitigen Strafbarkeit, nicht erreicht, weil damit die Prüfungsbefugnis der vom Ausstellungsstaat getroffenen Zuordnung einer Straftat zu einem Listendelikt durch das österreichische Gericht und auch die Möglichkeit, zusätzliche Angaben zu verlangen, entfielen. Auch die begehrte Aufhebung des §4 Abs1 EU-JZG, der ja gerade regle, dass die beiderseitige Strafbarkeit bei einer Auslieferung zur Strafverfolgung grundsätzlich zu prüfen sei, wäre nicht zielführend. §19 Abs4 EU-JZG wiederum sei – ebenso wie §4 Abs2 und 5 leg.cit. – offenkundig nicht präjudiziell, da diese Bestimmungen die im Anlassfall nicht gegebenen Fälle eines Europäischen Haftbefehls zur Vollstreckung bzw. einer akzessorischen Auslieferung zum Gegenstand hätten.

3.2. In der Sache hält die Bundesregierung dem Antragsvorbringen, soweit es "im Ergebnis" gegen das vom RB-EuHB vorgegebene System der Auslieferung auf Grund eines Europäischen Haftbefehls (insb. im Hinblick auf den Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung; vgl. Art2 Abs1 und 2 sowie Art15 Abs1 und 2 RB-EuHB) gerichtet ist, zunächst entgegen, dass der nationale Gesetzgeber bei Erlassung der angefochtenen Regelungen – und dabei insbesondere der Regelung über den Entfall der Prüfung der beiderseitigen Strafbarkeit in Bezug auf die in Anhang I, Teil A, EU-JZG angeführten Straftaten – von terminologischen Anpassungen abgesehen keinen Umsetzungsspielraum gehabt habe. Nach VfSlg 18.642/2008 wäre in einem solchen Fall die Aufhebung einer Bestimmung unzulässig, "wenn das [Unions]recht dem innerstaatlichen Gesetzgeber keinen Spielraum für die innerstaatliche Gestaltung einräumt, sodass der Gesetzgeber keine Möglichkeit hätte, eine Ersatzregelung zu schaffen, die sowohl dem [Unions]recht als auch dem innerstaatlichen Recht entspricht". Dies treffe nach Auffassung der Bundesregierung jedenfalls auf §4 Abs1 bis 3 und Anhang I, Teil A, EU-JZG, aber auch auf §19 Abs1, 2 und 4 leg.cit. zu.

3.2.1. Den Bedenken des Antragstellers gegen §4 und Anhang I des EU-JZG hält die Bundesregierung (zusätzlich) Folgendes entgegen:

"Gemäß §4 Abs1 und Abs2 EU-JZG ist in einem Auslieferungsverfahren auf Grundlage eines [Europäischen Haftbefehls] grundsätzlich die beiderseitige Strafbarkeit zu prüfen. Allein in Bezug auf die in Anhang I, Teil A, EU-JZG aufgeführten Straftaten ist gemäß §4 Abs3 EU-JZG dann, wenn die betreffende Straftat nach dem Recht des Ausstellungsstaates des EHG mit einer Freiheitsstrafe deren Obergrenze mindestens drei Jahren beträgt, von einer Prüfung der beiderseitigen Strafbarkeit abzusehen. Die Liste in Anhang I, Teil A entspricht jener nach Art2 Abs2 RB-EHB. In §4 Abs3 EU-JZG wird aber nicht auf den RB‑EHB verwiesen, sondern wurden die einzelnen Delikte in das nationale Gesetz umgesetzt. Inwiefern daher ein 'unzulässiger Verweis auf eine andere Rechtsetzungsautorität' vorliegen sollte, ist nicht nachvollziehbar.

Die Liste des Anhangs I, Teil A EU-JZG enthält schwerwiegende, nach dem Recht sämtlicher Mitgliedstaaten der Europäischen Union vorgesehene Delikte mit einer gewissen Mindeststrafdrohung. Dies ist im Hinblick darauf, dass im Verhältnis der Mitgliedstaaten, die alle Vertragsstaaten der EMRK sind und deren Strafprozessrecht in wesentlichen Bereichen (etwa hinsichtlich der Rechte auf Rechtsbeistand, auf Übersetzung, auf Verfahrenshilfe) im Rahmen der EU harmonisiert wurde, gerechtfertigt. In diesem Zusammenhang weist die Bundesregierung auch auf das [...] Urteil des EuGH zu C-303/05 hin. Der EuGH hat ausgesprochen, dass die Abschaffung des Grundsatzes der beiderseitigen Strafbarkeit gemäß Art2 Abs2 RB-EHB in Bezug auf die in dieser Bestimmung aufgeführten Delikte weder gegen Art6 Abs2 EU noch gegen den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit im Zusammenhang mit Straftaten und Strafen oder gegen den Grundsatz der Gleichheit und Nichtdiskriminierung verstößt (s. EuGH Advocaten voor de Wereld, Rz. 60).

Im Übrigen führt die Qualifizierung einer Straftat als Listendelikt nicht per se zur Auslieferung. Zwar erfolgt diese Prüfung grundsätzlich allein auf Grundlage des [Europäischen Haftbefehls] (s. §19 Abs1 EU-JZG), wobei grundsätzlich von der Korrektheit der Einstufung als Listendelikt durch die ausstellende Behörde auszugehen ist. Unter den Voraussetzungen des §19 Abs3 EU-JZG kann das Gericht jedoch ergänzende Informationen zur Einordnung der Straftat als Listendelikt einholen. Gelangt es danach zur Auffassung, dass die strafbare Handlung, die dem Auszuliefernden vorgeworfen wird, kein Listendelikt darstellt (oder nach dem Recht des Ausstellungsstaates nicht mit einer ausreichend hohen Strafe bzw. Sicherungsmaßnahme bedroht ist), wäre die Vollstreckung des [Europäischen Haftbefehls] unzulässig. Zudem ist die Vollstreckung eines [Europäischen Haftbefehls] nach den Vorgaben des §19 Abs4 EU-JZG (im Hinblick auf Art6 EUV und den Zweck der Verfolgung bzw. Bestrafung) unzulässig.

Vor diesem Hintergrund vermag die Bundesregierung nicht zu erkennen, dass §4 EU-JZG bzw. §4 Abs3 EU-JZG über den Entfall der beiderseitigen Strafbarkeit sowie Anhang I, Teil A, EU-JZG gegen den Gleichheitsgrundsatz oder das Bestimmtheitsgebot verstoßen würde."

3.2.2. Soweit die Bedenken gegen §19 EU-JZG gerichtet sind, führt die Bundesregierung aus:

"Das in Art18 Abs1 B‑VG verankerte Rechtsstaatsprinzip gebietet, dass Gesetze einen Inhalt haben müssen, durch den das Verhalten der Vollziehung vorherbestimmt ist. Es ist jedoch verfassungsgesetzlich zulässig, wenn der einfache Gesetzgeber bei der Beschreibung und Formulierung dieser Kriterien unbestimmte Gesetzesbegriffe verwendet, dadurch zwangsläufig Unschärfen in Kauf nimmt und von einer exakten Determinierung des Vollziehungshandelns Abstand nimmt, falls dies im Hinblick auf den Regelungsgegenstand erforderlich ist (vgl. VfSlg 13.785/1994; VfGH 9.12.2015, G165/2015, 2.4.2.), und wenn der unbestimmte Gesetzesbegriff eine Sinnermittlung im Wege der Auslegung im Einzelfall gestattet, etwa mittels der Erläuterungen (vgl. VfSlg 14.573/1996, Pkt. II.1.).

Was 'begründete Bedenken' gemäß §19 Abs3 EU-JZG sind, ergibt sich bereits aus der Bedeutung des Wortes 'begründete' als 'seinen Grund in etwa[s] habend'. Daraus ergibt sich, dass die erhobenen Bedenken jedenfalls durch Angabe von Gründen substantiiert sein müssen, um eine Prüfpflicht des Gerichts auslösen zu können. Da das Ausmaß der Begründetheit von der Konstellation des jeweiligen Einzelfalls abhängig ist, verfügt das Gericht insofern über einen gewissen Beurteilungsspielraum. Die Wortfolge verstößt somit nicht gegen das Bestimmtheitsgebot des Art18 B‑VG.

Der Inhalt des [Europäischen Haftbefehls] ergibt sich aus §30 EU-JZG. In §30 EU-JZG wird auf das Formblatt nach Anhang II verwiesen und normiert, dass der [Europäischen Haftbefehl] die dort angeführten Angaben zu enthalten hat. Entgegen der Auffassung des Antragstellers hat der [Europäischen Haftbefehl] daher Angaben zum zugrunde liegenden Sachverhalt und dessen rechtlicher Würdigung zu enthalten. Der behauptete Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz und das Bestimmtheitsgebot geht daher von vornherein ins Leere."

3.2.3. Zu den Bedenken gegen §33 ARHG hält die Bundesregierung zunächst fest, dass das Ziel des Antragstellers – Verhinderung der Anwendung des §33 Abs2 ARHG im Anlassverfahren – bereits durch die Aufhebung des entsprechenden Verweises in §19 Abs1 EU-JZG erreicht werden könnte. Damit würde die Regelung des §33 ARHG (nur) für Auslieferungen, die nicht auf Grundlage eines Europäischen Haftbefehls erfolgen, in Geltung bleiben.

Was den Vorwurf der Unbestimmtheit der Wortfolge "erhebliche Bedenken" betrifft, verkenne der Antragsteller offenbar, dass §33 Abs2 ARHG von "insoweit" erheblichen Bedenken spricht:

"Die Bedenken müssen daher in Bezug auf den Verdacht der der betroffenen Person zur Last gelegten strafbaren Handlung nach den Auslieferungsunterlagen vorliegen. Das Wort 'erhebliche' räumt den Gerichten zwar einen gewissen Beurteilungsspielraum bei der Entscheidung über die Nachprüfung des Tatverdachts ein. Im Hinblick auf die Bedeutung des Wortes 'erhebliche' muss es sich aber jedenfalls um 'beträchtliche', 'ins Gewicht fallende' Bedenken handeln. Die Bedenken müssen daher mit einem gewissen Mindestgrad an Wahrscheinlichkeit berechtigte Zweifel am betreffenden Verdacht auslösen können (wie zB Unterlagen, aus denen hervorgeht, dass der Betroffene sich zur fraglichen Zeit nicht am angeführten Tatort aufgehalten hat). Vor diesem Hintergrund reicht weder eine bloße Abschwächung des Tatverdachts noch führt die bloße Bestreitung der Tat durch den aufgrund eines [Europäischen Haftbefehls] Auszuliefernden zu einer Prüfung des Tatverdachts. Auch das bloße Vorbringen der betroffenen Person, es sei nicht bewiesen, dass die angelasteten Taten tatsächlich von ihr begangen wurden, ist nicht geeignet, derartige erhebliche Bedenken zu begründen."

Mit dem Vorbringen der Ungleichbehandlung von Betroffenen, denen in Österreich eine Straftat vorgeworfen wird, und Betroffenen, hinsichtlich derer ein Auslieferungsersuchen gestellt wird, verkenne der Antragsteller, dass im Auslieferungsverfahren lediglich darüber entschieden wird, ob eine Person dem ausländischen Staat zum Zweck der Durchführung eines Strafverfahrens bzw. des Strafvollzugs übergeben wird. Eine Entscheidung darüber, ob die betreffende Person die Tat, wegen der sie ausgeliefert werden soll, begangen hat, erfolge damit nicht. Die Strafverfolgung werde vom Ausstellungsstaat geführt. Die Ausgestaltung des innerstaatlichen Strafverfahrens könne somit von vornherein nicht mit jener des Auslieferungsverfahrens verglichen werden. Eine Verletzung des Gleichheitsgebots sei daher insoweit ebenfalls nicht gegeben.

Schließlich weist die Bundesregierung darauf hin, dass ein Verstoß gegen das Recht auf ein faires Verfahren gemäß Art6 EMRK schon deshalb nicht vorliegen könne, weil das Auslieferungsverfahren selbst nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte nicht in den Anwendungsbereich des Art6 EMRK falle (zB EGMR 6.2.2003, Fall Mamatkulov ua., Appl. 46.827/99; 20.2.2007, Fall Al-Moayad, Appl. 35.865/03).

IV. Erwägungen

1. Zulässigkeit

1.1. Gemäß Art140 Abs1 Z1 litd B‑VG idF BGBl I 114/2013 erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Verfassungswidrigkeit eines Gesetzes auf Antrag einer Person, die als Partei einer von einem ordentlichen Gericht in erster Instanz entschiedenen Rechtssache wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, aus Anlass eines gegen diese Entscheidung erhobenen Rechtsmittels. Gemäß Art140 Abs1a B‑VG idF BGBl I 114/2013 kann die Stellung eines solchen (Partei-)Antrages auf Normenkontrolle durch Bundesgesetz für unzulässig erklärt werden, wenn dies zur Sicherung des Zwecks des Verfahrens vor dem ordentlichen Gericht erforderlich ist.

Derartiges sah §62a Abs1 Z10 VfGG idF BGBl I 92/2014 für "Verfahren der justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen", darunter auch ausdrücklich die – für den Antrag das Ausgangsverfahren bildende – Übergabe nach dem EU-JZG, vor.

Allerdings hat der Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 14. Juni 2016, G645/2015, §62a Abs1 Z10 VfGG idF BGBl I 92/2014 wegen Verstoßes gegen Art140 Abs1a B‑VG aufgehoben und – gestützt auf Art140 Abs7 B‑VG – ausgesprochen, dass diese Bestimmung nicht mehr anzuwenden ist.

Das Vorliegen der Prozessvoraussetzungen ist daher anhand der bereinigten Rechtslage, also insbesondere ohne den Ausnahmetatbestand des §62a Abs1 Z10 VfGG, zu beurteilen.

Die Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes zur Entscheidung über den aus einem Verfahren der justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen heraus gestellten Parteiantrag ist somit gegeben.

Der Antragsteller ist als gesuchte und – bei Vorliegen der Voraussetzungen – zu übergebende Person Partei des vom Landesgericht für Strafsachen Wien in erster Instanz entschiedenen Übergabeverfahrens; gegen dessen Entscheidung wurde – parallel zum vorliegenden Antrag – ein zulässiges (s. OLG Wien 12.2.2016, Z22 Bs 42/16m-1) Rechtsmittel ergriffen.

1.2.1. Die Grenzen der Aufhebung müssen auch in einem auf Antrag eingeleiteten Verfahren so gezogen werden, dass einerseits der verbleibende Gesetzesteil nicht einen völlig veränderten Inhalt erhält und andererseits die mit der aufzuhebenden Gesetzesstelle in untrennbarem Zusammenhang stehenden Bestimmungen auch erfasst werden (vgl. VfSlg 13.965/1994, 16.542/2002, 16.911/2003). Die diesbezügliche Rechtsprechung beruht auf dem Grundgedanken, dass im Normenprüfungsverfahren nicht mehr aus dem Rechtsbestand ausgeschieden wird, als zur Bereinigung der Rechtslage unbedingt notwendig ist (vgl. VfSlg 17.220/2004 und 19.933/2014).

Dieser Grundposition folgend hat der Gerichtshof die Rechtsauffassung entwickelt, dass im Gesetzesprüfungsverfahren der Anfechtungsumfang der in Prüfung gezogenen Norm bei sonstiger Unzulässigkeit des Prüfungsantrages nicht zu eng gewählt werden darf (vgl. zB VfSlg 8155/1977, 12.235/1989, 13.915/1994, 14.131/1995, 14.498/1996, 14.890/1997, 16.212/2002). Der Antragsteller hat all jene Normen anzufechten, welche für die Beurteilung der allfälligen Verfassungswidrigkeit der Rechtslage eine untrennbare Einheit bilden. Es ist dann Sache des Verfassungsgerichtshofes, darüber zu befinden, auf welche Weise eine solche Verfassungswidrigkeit – sollte der Verfassungsgerichtshof die Auffassung des Antragstellers teilen – beseitigt werden kann (VfSlg 16.756/2002, 19.496/2011 und 19.933/2014).

Eine zu weite Fassung des Antrags macht diesen nicht in jedem Fall unzulässig. Soweit alle vom Antrag erfassten Bestimmungen präjudiziell sind oder der Antrag mit solchen untrennbar zusammenhängende Bestimmungen erfasst, führt dies – ist der Antrag in der Sache begründet – im Fall der Aufhebung nur eines Teils der angefochtenen Bestimmungen im Übrigen zu seiner teilweisen Abweisung (vgl. VfSlg 19.746/2013 und 19.905/2014). Umfasst der Antrag auch Bestimmungen, die im gerichtlichen Verfahren nicht präjudiziell sind, führt dies – wenn die angefochtenen Bestimmungen insoweit trennbar sind – im Hinblick auf diese Bestimmungen zur partiellen Zurückweisung des Antrages (s. VfSlg 18.486/2008, 18.298/2007, 19.933/2014; soweit diese Voraussetzungen vorliegen, führen zu weit gefasste Anträge also nicht mehr – vgl. noch VfSlg 14.342/1995, 15.664/1999, 15.928/2000, 16.304/2001, 16.532/2002, 18.235/2007 – zur Zurückweisung des gesamten Antrages).

1.2.2. Die Bundesregierung weist zu Recht darauf hin, dass in §4 EU-JZG zwei Arten des Europäischen Haftbefehls, nämlich die Übergabe zur Strafverfolgung einerseits (Abs1) und jene zur Strafvollstreckung andererseits (Abs2), geregelt sind und dass das dem Parteiantrag zugrunde liegende Verfahren ausschließlich eine Übergabe zur Strafverfolgung wegen einer einzigen strafbaren Handlung zum Gegenstand hat. Es ist daher ausgeschlossen, dass das Gericht §4 Abs2 und 5 leg.cit. – letzterer trifft eine Regelung zur akzessorischen Auslieferung (Übergabe) – angewendet hat. Auch besteht der zur Gänze angefochtene Anhang I aus zwei Teilen, von denen lediglich Teil A für den Beschluss des Landesgerichtes für Strafsachen Wien präjudiziell ist. All diese Bestimmungen stehen – entgegen der Behauptung des Antragstellers – auch nicht mit den übrigen zur Aufhebung begehrten Gesetzesstellen in einem untrennbaren Zusammenhang.

Der Antrag ist daher, soweit er die Aufhebung der Abs2 und 5 des §4 und des Teiles B des Anhangs I EU-JZG begehrt, als unzulässig zurückzuweisen.

Demgegenüber waren §4 Abs1, 3 und 4, §19 EU-JZG und Anhang I, Teil A, dieses Gesetzes sowie §33 ARHG vom Landesgericht für Strafsachen Wien anzuwenden bzw. stehen miteinander in einem untrennbaren Zusammenhang. Insoweit erweist sich der Antrag mithin als zulässig.

2. In der Sache

1. Der Verfassungsgerichtshof hat sich in einem auf Antrag eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes gemäß Art140 B‑VG auf die Erörterung der aufgeworfenen Fragen zu beschränken (vgl. VfSlg 12.691/1991, 13.471/1993, 14.895/1997, 16.824/2003). Er hat sohin ausschließlich zu beurteilen, ob die angefochtene Bestimmung aus den in der Begründung des Antrages dargelegten Gründen verfassungswidrig ist (VfSlg 15.193/1998, 16.374/2001, 16.538/2002, 16.929/2003, 19.653/2012).

2. Der Verfassungsgerichtshof vermag den Bedenken aus folgenden Erwägungen nicht zu folgen:

2.1. Zunächst ist festzuhalten, dass die Übergabe auf Grund eines Europäischen Haftbefehls keine eigene Strafverfolgung des Vollstreckungsstaates, sondern lediglich eine Hilfe zur (fremden) Strafverfolgung im Ausstellungsstaat darstellt. Die Bundesregierung ist daher im Recht, wenn sie im Hinblick auf die punktuell auch sub titulo "Recht auf ein faires Verfahren" (Art6 EMRK) vorgetragenen Bedenken darauf hinweist, dass Auslieferungsverfahren – und um ein solches handelt es sich bei der Übergabe zur Strafverfolgung auf Grund eines Europäischen Haftbefehls – nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte nicht in den Anwendungsbereich des Art6 EMRK fallen (zB EGMR 6.2.2003, Fall Mamatkulov ua., Appl. 46.827/99; 20.2.2007, Fall Al-Moayad, Appl. 35.865/03). Es besteht nur dann ein Auslieferungshindernis, wenn in dem um die Auslieferung ersuchenden Staat die gravierende Verweigerung eines gerechten (Straf-)Verfahrens iSd Art6 EMRK droht ("flagrant denial of justice" – so zB EGMR 7.7.1989, Fall Soering, Appl. 14.038/88, Rz 113; 16.10.2001, Fall Einhorn, Appl. 71.555/01, Rz 32, und 20.2.2007, Fall Al-Moayad, Appl. 35.865/03; vgl. auch VfSlg 16.772/2002, 1205 f.). In diesem Sinn sieht §19 Abs4 EU-JZG als zwingenden Grund für die Ablehnung der Übergabe auf Basis eines Europäischen Haftbefehls u.a. einen Verstoß gegen die Grundsätze des Art6 EUV vor. Nach Art6 Abs1 EUV (nunmehr in der Fassung des Vertrages von Lissabon; zur dynamischen Verweisung auf völkerrechtliche Verträge im Bereich des EU-JZG s. dessen §138) erkennt die Europäische Union die Rechte, Freiheiten und Grundsätze an, die in der Charta der Grundrechte der Europäischen Union genannt werden. Art6 Abs3 EUV normiert darüber hinaus, dass jene Grundrechte, wie sie in der EMRK gewährleistet sind und wie sie sich aus den gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten ergeben, als allgemeine Grundsätze Teil des Unionsrechts sind. §19 Abs4 EU-JZG ermöglicht damit die Ablehnung der Vollstreckung eines Europäischen Haftbefehls, wenn durch die Übergabe ein Grundrecht etwa iSd EMRK verletzt würde (Holley, Der Europäische Haftbefehl im Spannungsfeld zwischen Europa-, Straf- und Verfassungsrecht, JAP 2007/2008, 86 [91]; Hinterhofer/Schallmoser, Wiener Kommentar2 EU-JZG, 2015, §19, Rz 22).

2.2. Zu den Bedenken gegen §4 Abs1, 3 und 4 sowie Teil A des Anhangs I EU‑JZG:

Die vom Antragsteller in diesem Zusammenhang erhobenen Vorwürfe der Unbestimmtheit und Unsachlichkeit richten sich im Kern gegen §4 Abs3 und den dort verwiesenen Anhang I, Teil A, des EU-JZG.

Während §4 Abs1 EU-JZG (lediglich) die Mindestvoraussetzungen für einen Europäischen Haftbefehl zur Strafverfolgung festlegt, die von Österreich sowohl als Ausstellungsstaat als auch als Vollstreckungsstaat zu beachten sind und gegen die vom Antragsteller keine spezifischen Bedenken erhoben werden, bestimmt §4 Abs3 leg.cit., dass das im Auslieferungsrecht grundsätzlich zentrale Kriterium der beiderseitigen Strafbarkeit (woran Abs1 dem Grunde nach für alle Fallkonstellationen festhält) dann nicht zu prüfen ist, wenn die dem Europäischen Haftbefehl zugrunde liegende, mit Strafe bedrohte Handlung im Ausstellungsstaat mit einer Freiheitsstrafe bzw. einer freiheitsentziehenden vorbeugenden Maßnahme mit einer Obergrenze von mindestens drei Jahren bedroht ist und wenn diese mit Strafe bedrohte Handlung einer der 32 Kategorien von Straftaten zugeordnet werden kann, die im Teil A des Anhangs I zum EU-JZG taxativ aufgelistet sind (und wortwörtlich der Liste des RB-EuHB entsprechen). Die Zuordnung einer konkreten strafbaren Handlung zu einer Katalogstraftat (einem Listendelikt) wird von der den Europäischen Haftbefehl ausstellenden Justizbehörde vorgenommen, ohne dass es dabei auf die wörtliche Übereinstimmung mit den Begriffen der Rechtsordnung des Vollstreckungsstaates ankäme (§4 Abs4 EU-JZG); relevant ist vielmehr eine Unrechtskonvergenz nach materiellen Gesichtspunkten, wobei das betroffene Rechtsgut und das Handlungsunrecht eine wesentliche Rolle spielen (vgl. Sautner, Die Vollstreckung des Europäischen Haftbefehls nach dem EU-JZG, ÖJZ2005, 328 [332]).

Wenngleich die Formulierung der in Art2 Abs2 RB-EuHB aufgelisteten und in den Anhang I, Teil A, zum EU-JZG übernommenen Katalogstraftaten in der Literatur zahlreicher Kritik, insbesondere auch unter dem Aspekt der mangelnden Bestimmtheit eines Teiles des Kataloges und der fehlenden Sachlichkeit, ausgesetzt war (vgl. nur die bei Hinterhofer/Schallmoser, Wiener Kommentar2 EU-JZG, §4, Rz 15 f., angegebenen Beiträge sowie Murschetz, Der Rahmenbeschluss über den Europäischen Haftbefehl und seine Umsetzung im EU-JZG, ÖJZ2007, 98 [101 f.]), übersieht der Antragsteller, dass §4 Abs1 und 3 sowie Teil A des Anhangs I EU-JZG nicht am Maßstab des verfassungsrechtlichen Gleichheitssatzes oder des Bestimmtheitsgebotes gemessen werden können:

Der Verfassungsgerichtshof hat zwar in mehreren Entscheidungen ausgeführt, dass der Gesetzgeber auch bei der Umsetzung von Unions-(vormals Gemeinschafts-)recht an die verfassungsrechtlichen Vorgaben gebunden ist (Grundsatz der doppelten Bindung, vgl. zB VfSlg 14.863/1997, 17.001/2003); er hat aber auch ausgesprochen, dass auf Grund des Vorranges des Unionsrechtes auch vor nationalem Verfassungsrecht (vgl. VfSlg 16.050/2000) die Aufhebung einer Bestimmung, die Unionsrecht umsetzt, unzulässig ist, wenn das Unionsrecht dem innerstaatlichen Gesetzgeber keinen Spielraum für die inhaltliche Gestaltung einräumt, sodass der Gesetzgeber keine Möglichkeit hat, eine Ersatzregelung zu schaffen, die sowohl dem Unionsrecht als auch dem innerstaatlichen Verfassungsrecht entspricht (VfSlg 18.642/2008).

Dies ist in Ansehung der in Rede stehenden Bestimmungen, die in Umsetzung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung bei der Vollstreckung eines Europäischen Haftbefehls und des Entfalls der (Prüfung der) beiderseitigen Strafbarkeit in Bezug auf näher bezeichnete Straftaten (Art1 und 2 RB-EuHB) ergangen sind, der Fall. §4 Abs1 und 3 und der verwiesene Teil A der Anlage I EU-JZG entsprechen nahezu wörtlich Art2 Abs1 und 2 RB-EuHB.

Der Verfassungsgerichtshof sieht sich angesichts des Urteils des Gerichtshofes der Europäischen Union vom 3. Mai 2007, Rs. C-303/05 , Advocaten voor de Wereld, (insb. Rz 57 ff.) auch nicht veranlasst, aus Anlass des vorliegenden Antrages ein (neuerliches) Vorabentscheidungsersuchen nach Art267 litb AEUV (iVm Art10 Abs1 des dem AEUV beigefügten Protokolls Nr 36 über die Übergangsbestimmungen und der Erklärung der Republik Österreich nach Art35 Abs2 EU, mit der sie die Zuständigkeit des [damals] Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften für Entscheidungen über Rahmenbeschlüsse gemäß Art35 Abs3 litb EU anerkannt hat) anzustrengen, da der Gerichtshof der Europäischen Union in dieser Entscheidung u.a. bereits Bedenken gegen die Bestimmtheit der in Art2 Abs2 RB-EuHB enthaltenen Auflistung von Straftaten und Erscheinungsformen von Kriminalität mit dem Hinweis auf die Definitionshoheit des ersuchenden Staates und die seiner Ansicht nach nicht auf eine Angleichung des Rechts der Mitgliedstaaten gerichtete Zielsetzung des Rahmenbeschlusses für unbegründet gehalten hat.

Wenngleich die Liste in Anhang I, Teil A, zum EU-JZG (wörtlich) jener nach Art2 Abs2 RB-EuHB entspricht, fand hier eine Übernahme der einzelnen Delikte bzw. Deliktsgruppen gerade durch deren Aufnahme in den genannten Anhang zum EU-JZG in das nationale Recht statt. Es handelt sich sohin nicht um einen – allenfalls unzulässigen (vgl. VfSlg 16.999/2003, 17.735/2005, 18.178/2007) – Verweis auf Normen einer anderen Rechtsetzungsautorität, sondern um nationales Recht. Auch das Bedenken, es läge ein verfassungsrechtlich unzulässiger Verweis auf Normen einer anderen Rechtsetzungsautorität vor, geht daher ins Leere.

2.3. Zu den Bedenken gegen §19 EU-JZG:

Das in Art18 Abs1 B‑VG

verankerte Rechtsstaatsprinzip gebietet, dass Gesetze einen Inhalt haben müssen, durch den das Verhalten der Vollziehung vorherbestimmt ist. Dass der einfache Gesetzgeber bei der Beschreibung und Formulierung dieser Kriterien unbestimmte Gesetzesbegriffe verwendet, dadurch zwangsläufig Unschärfen in Kauf nimmt und von einer exakten Determinierung des Behördenhandelns Abstand nimmt, kann im Hinblick auf den Regelungsgegenstand erforderlich sein, steht aber grundsätzlich in Einklang mit Art18 Abs1 B‑VG (vgl. VfSlg 13.785/1994 mwN, VfGH 9.12.2015, G165/2015).

Soweit der Antragsteller die §19 EU-JZG zur Last gelegte Verfassungswidrigkeit mit der Unklarheit der Deliktsmerkmale der in Anhang I, Teil A leg.cit. angeführten Straftaten zu erklären sucht, genügt es, auf Pkt. 2.2. zu verweisen.

Was "begründete" Bedenken gemäß §19 Abs3 EU-JZG sind, ergibt sich – worauf die Bundesregierung zutreffend hinweist – bereits aus der Bedeutung dieses Wortes: Die erhobenen Bedenken müssen durch Angabe von Gründen substantiiert sein, um eine Prüfungspflicht des Gerichtes auszulösen. Dass dem Gericht bezüglich des Ausmaßes der Begründetheit im Einzelfall ein gewisser Spielraum zukommt, macht die Regelung nicht unbestimmt.

Soweit der Antragsteller einen Widerspruch des §19 EU-JZG mit dem Gleichheitsgrundsatz und dem Bestimmtheitsgebot behauptet, weil unklar sei, ob im Europäischen Haftbefehl Sachverhaltsangaben zu allen Tatbestandsmerkmalen des nationalen Delikts einschließlich der subjektiven Tatseite enthalten sein müssen, ist er auf §30 EU-JZG hinzuweisen, wonach "[d]er Europäische Haftbefehl [...] unter Verwendung des Formblatts laut Anhang II dieses Bundesgesetzes auszufertigen [ist] und [...] die dort angeführten Angaben zu enthalten [hat]". In diesem (unionsweit standardisierten – s. Anhang zum RB-EuHB) Formblatt wird unter lite die "Beschreibung der Umstände, unter denen die Straftat(en) begangen wurde(n), einschließlich Tatzeit (Datum und Uhrzeit), Tatort und Art der Beteiligung der gesuchten Person an der(n) Straftat(en)" sowie die "Art und rechtliche Würdigung der Straftat(en)" und die "anwendbaren gesetzlichen Bestimmungen" verlangt. Die geltend gemachte Verfassungswidrigkeit liegt daher auch insofern nicht vor.

2.4. Zu den Bedenken gegen §33 ARHG:

Auch der unbestimmte Gesetzesbegriff der "erheblichen Bedenken" iSd §33 Abs2 ARHG ist einer Auslegung zugänglich und damit – unter dem Gesichtspunkt des aus dem Art18 B‑VG abzuleitenden, an den Gesetzgeber gerichteten Determinierungsgebotes – hinreichend bestimmt. Dass sich die Bedenken auf den Verdacht der der gesuchten und zu übergebenden Person zur Last gelegten strafbaren Handlung beziehen, ergibt sich aus dem der Wendung "erhebliche Bedenken" vorangestellten Wort "insoweit". Auch für die Auslegung des Begriffes "erhebliche" ist der allgemeine Sprachgebrauch maßgebend. "Erhebliche Bedenken" liegen vor, wenn sich konkrete Anhaltspunkte ergeben, welche die Nachvollziehbarkeit des die Grundlage der Übergabe bildenden Haftbefehls beträchtlich mindern.

Mit dem Vorbringen der Ungleichbehandlung von Betroffenen, hinsichtlich derer ein Übergabe- oder Auslieferungsersuchen gestellt wird, einerseits und von Betroffenen, denen in Österreich eine Straftat vorgeworfen wird, andererseits verkennt der Antragsteller – worauf die Bundesregierung zutreffend hinweist –, dass das Übergabe- bzw. Auslieferungsverfahren kein antizipiertes Strafverfahren ist (Murschetz, Auslieferung und Europäischer Haftbefehl, 2007, 292 f.). Die Übergabe zur Strafverfolgung soll dem im Allgemeinen tatnäheren ersuchenden Staat durch die Überstellung des Verdächtigen die eigentliche Schuldprüfung erst ermöglichen. Dieser Konzeption folgend wird daher im Übergabe- bzw. Auslieferungsverfahren nach Maßgabe des §19 Abs4 EU-JZG lediglich darüber befunden, ob eine Person dem ersuchenden Staat zum Zweck der Durchführung eines Strafverfahrens übergeben wird. Eine Entscheidung darüber, ob die betreffende Person die Tat, derentwegen sie ausgeliefert werden soll, begangen hat, erfolgt damit nicht. Diese Entscheidung obliegt vielmehr allein den Gerichten des um Übergabe bzw. Auslieferung ersuchenden Staates. Die Ausgestaltung des innerstaatlichen Strafverfahrens kann somit von vornherein nicht mit jener des Auslieferungsverfahrens verglichen werden.

Ausgehend vom auch im Fall eines Europäischen Haftbefehls geltenden formellen Prüfungsprinzip, nach dem ein Vertrauen in die Begründetheit des Tatverdachts vorausgesetzt wird (Murschetz, Auslieferung, 375), erklärt §19 Abs1 EU‑JZG eine Verdachtsprüfung ausdrücklich im Rahmen des §33 Abs2 ARHG für zulässig. Demnach hat eine solche Prüfung nur in jenen Fällen stattzufinden, in denen das Gericht erhebliche Zweifel an der Begründetheit des Tatverdachts hegt, die sich insbesondere aus bereits vorliegenden Beweisen oder aus solchen ergeben, die ohne Verzug nachprüfbar oder durchführbar sind (vgl. Göth-Flemmich, Wiener Kommentar2 ARHG, 2013, §33 Rz 3 ff.). §33 Abs2 leg.cit. eröffnet dem Betroffenen lediglich die Möglichkeit, durch entsprechend substantiiertes Vorbringen eine nähere Prüfungspflicht des Gerichtes auszulösen; eine Beweislastregel, wie sie der Antragsteller behauptet, wird durch diese Vorschrift indes nicht aufgestellt, sodass das diesbezügliche (Sachlichkeits-)Bedenken gleichfalls ins Leere geht.

V. Ergebnis

1. Die vom Antragsteller ob der Verfassungsmäßigkeit des §4 Abs1, 3 und 4, des §19 EU-JZG und des Anhangs I, Teil A, zu diesem Gesetz sowie des §33 ARHG erhobenen Bedenken treffen nicht zu. Der Antrag ist daher insoweit abzuweisen.

Im Übrigen, also hinsichtlich §4 Abs2 und 5 und des Teiles B des Anhangs I EU‑JZG, ist der Antrag als unzulässig zurückzuweisen.

2. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Dem Antragsteller sind die begehrten Kosten nicht zuzusprechen, weil es im Falle eines Antrages nach Art140 Abs1 Z1 litd B‑VG Sache des zuständigen ordentlichen Gerichtes ist, über allfällige Kostenersatzansprüche nach den für sein Verfahren geltenden Vorschriften zu erkennen (vgl. VfGH 29.2.2016, G314/2015).

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