VfGH G165/2015

VfGHG165/20159.12.2015

Abweisung eines Parteiantrags auf Aufhebung von Bestimmungen des AnerbenG betreffend die Pflichtteilsbeschränkung bei bäuerlicher Erbteilung; keine Verletzung des Eigentumsrechts durch Festlegung des für die Pflichtteilsberechnung maßgeblichen Übernahmspreises nach dem Kriterium des „Wohlbestehen-Könnens“ des Anerben; Existenzsicherung des Erbhofes im öffentlichen Interesse gelegen; keine Unsachlichkeit oder Unbestimmtheit der Regelung

Normen

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art18 Abs1
B-VG Art140 Abs1 Z1 litd
AnerbenG §11, §17
StGG Art5
EMRK 1. ZP Art1
B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art18 Abs1
B-VG Art140 Abs1 Z1 litd
AnerbenG §11, §17
StGG Art5
EMRK 1. ZP Art1

 

Spruch:

Der Antrag wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe

I. Antrag

Mit dem vorliegenden, auf Art140 Abs1 Z1 litd B‑VG gestützten Antrag wird begehrt, die §§11 und 17 des Bundesgesetzes vom 21. Mai 1958 über besondere Vorschriften für die bäuerliche Erbteilung (Anerbengesetz – AnerbenG), BGBl 106/1958, idF BGBl 659/1989, in eventu §11 AnerbenG, BGBl 106/1958, idF BGBl 659/1989, in eventu "die Worte bzw. Wortfolgen 'so' und ', daß der Anerbe wohl bestehen kann' des §11 AnerbenG BGBl Nr 106/1958 i.d.F. BGBl Nr 659/1989" in eventu das AnerbenG, BGBl 106/1958, idF BGBl I 2/2008, als verfassungswidrig aufzuheben.

II. Rechtslage

Die maßgeblichen Bestimmungen des Bundesgesetzes vom 21. Mai 1958 über besondere Vorschriften für die bäuerliche Erbteilung (Anerbengesetz – AnerbenG), BGBl 106/1958, idF BGBl I 2/2008, lauten wie folgt (die angefochtenen Gesetzesbestimmungen sind hervorgehoben):

"§1. (1) Erbhöfe sind mit einer Hofstelle versehene land- und forstwirtschaftliche Betriebe, die im Eigentum einer natürlichen Person, von Ehegatten oder eines Elternteils und eines Kindes (§42 ABGB) stehen und mindestens einen zur angemessenen Erhaltung von zwei erwachsenen Personen ausreichenden, jedoch das Zwanzigfache dieses Ausmaßes nicht übersteigenden Durchschnittsertrag haben.

(2) Zu land- und forstwirtschaftlichen Betrieben im Sinne des Abs1 zählen auch solche, die ausschließlich oder vorwiegend dem Wein-, Obst- oder Gemüsebau dienen. Ausschließlich forstwirtschaftlich genutzte Besitzungen sind keine land- und forstwirtschaftlichen Betriebe im Sinne des Abs1.

(3) Ob die Erhaltung von zwei erwachsenen Personen im Sinn des Abs1 angemessen ist, ist nach den örtlichen Verhältnissen zu beurteilen.

§2. (1) Der Erbhof besteht aus den dem Eigentümer des Erbhofs gehörenden Grundstücken, die den Zwecken der Landwirtschaft (§1) dienen und eine wirtschaftliche Einheit bilden, samt den auf diesen Grundstücken befindlichen Wohn- und Wirtschaftsgebäuden.

(2) Bewegliche körperliche Sachen gehören insoweit zum Erbhof, als sie dem Eigentümer des Erbhofs gehören und zur Führung eines ordentlichen Wirtschaftsbetriebs erforderlich sind.

(3) Zum Erbhof gehören ferner die damit verbundenen Nutzungsrechte sowie Anteilsrechte an agrargemeinschaftlichen Grundstücken, die Rechte des Eigentümers des Erbhofs aus der Mitgliedschaft zu land- und forstwirtschaftlichen Betrieb Genossenschaften und die auf dem Erbhof betriebenen Unternehmen des Eigentümers, sofern diese nicht die Hauptsache bilden und vom land- und forstwirtschaftlichen Betrieb nicht getrennt werden können oder ihre Trennung unwirtschaftlich wäre.

[…]

§8. (1) Bei der gewillkürten Erbfolge auf Grund eines Testaments des Alleineigentümers eines Erbhofs ist dieses Bundesgesetz mit Ausnahme der Bestimmungen über die gesetzliche Erbfolge anzuwenden, wenn der Erblasser

1. eine einzige natürliche Person, Ehegatten allein oder einen Elternteil und ein Kind allein als Erben einsetzt und über den Erbhof oder dessen wesentliche Teile nicht durch Vermächtnis zugunsten einer anderen Person verfügt;

2. bestimmt, daß von den eingesetzten mehreren Miterben eine einzige natürliche Person, Ehegatten allein oder ein Elternteil und ein Kind allein den Erbhof oder dessen wesentliche Teile übernehmen sollen, oder

3. bestimmt, daß von den eingesetzten mehreren Miterben eine einzige Person, Ehegatten allein oder ein Elternteil und ein Kind allein den Erbhof oder dessen wesentliche Teile aufzugreifen berechtigt sind, und diese Personen von dem Recht auch tatsächlich Gebrauch machen.

(2)-(3) […]

(4) Der Miterbe oder die Miterben, die nach den Abs1 bis 3 den Erbhof übernehmen, sind Anerbe im Sinne dieses Bundesgesetzes.

(5) […]

(6) Die Bestimmungen der Abs1 bis 4 gelten nicht, wenn der Erblasser in der letztwilligen Verfügung ausdrücklich oder stillschweigend (§863 ABGB.) erklärt hat, daß auf die Erbteilung dieses Bundesgesetz nicht angewendet werden soll. Eine stillschweigende Erklärung in diesem Sinn ist insbesondere dann anzunehmen, wenn der Erblasser über die in den §§11 bis 13 und 17 geregelten Gegenstände besondere Anordnungen getroffen hat und sich diese mit den Bestimmungen der §§11 bis 13 und 17 nicht vereinbaren lassen; lassen sie sich wegen ihrer untergeordneten Bedeutung noch vereinbaren, dann gehen sie bei Anwendung dieses Bundesgesetzes vor.

[…]

§10. (1) Hat nach den Bestimmungen des Abschnitts II der Anerbe unter mehreren Miterben den Erbhof zu übernehmen, so hat das Verlassenschaftsgericht nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor der Einantwortung von Amts wegen eine Erbteilung vorzunehmen. Hiebei ist vorerst der Erbhof dem Anerben zuzuweisen. Dieser wird mit dem Übernahmspreis (§11) Schuldner der Verlassenschaft. In die Erbteilung selbst ist der Übernahmspreis des Erbhofs als Forderung der Verlassenschaft einzubeziehen; der Erbhof als solcher scheidet aus.

(2) Stehen den übrigen Miterben gegen den Anerben aus der Erbteilung im Zusammenhang mit der Zuweisung des Erbhofs Ansprüche zu (Abfindungsansprüche), so sind diese in der Regel als Geldforderungen zu behandeln. Das Verlassenschaftsgericht kann jedoch auf Antrag aller Miterben eine anderweitige Befriedigung genehmigen, durch Zuweisung einzelner Grundstücke oder von Zubehör des Erbhofs aber nur, soweit hiedurch die Erbhofeigenschaft nicht beeinträchtigt wird; auch ist einer letztwilligen Verfügung des Erblassers in dieser Hinsicht unter dem gleichen Vorbehalt Rechnung zu tragen.

(3) Diejenigen übrigen Miterben, die auf dem Erbhof mitgearbeitet haben, haben Anspruch auf angemessene Abgeltung ihrer in den letzten drei Jahren vor dem Tod des Erblassers geleisteten Dienste; dabei ist insbesondere auf Art, Umfang und Dauer der Mitarbeit und auf die örtlichen Verhältnisse Bedacht zu nehmen. Können sich die Miterben nicht einigen, so hat das Verlassenschaftsgericht die Mitarbeit bei der Bestimmung der Abfindungsansprüche nach billigem Ermessen zu berücksichtigen.

(4) Das Verlassenschaftsgericht hat in der Einantwortungsurkunde die grundbücherliche Eintragung des Eigentumsrechts des Anerben am Erbhof und allfälliger Eigentumsrechte der übrigen Miterben an einzelnen Grundstücken des Erbhofs (Abs2) anzuordnen.

§11. (1) Der Übernahmspreis ist, sofern er nicht von den Miterben im Vergleichsweg bestimmt wird, durch das Verlassenschaftsgericht unter Berücksichtigung aller auf dem Erbhof haftenden Lasten nach billigem Ermessen auf Grund des Gutachtens zweier bäuerlicher Sachverständiger so zu bestimmen, daß der Anerbe wohl bestehen kann. Hiebei ist auf die Interessen der übrigen Miterben gebührend Bedacht zu nehmen. An die Bewertung in einem eidesstättigen Vermögensbekenntnis ist das Verlassenschaftsgericht nicht gebunden.

(2) Auf dem Erbhof betriebene Unternehmen des Erblassers, die nach §2 Abs3 zum Erbhof gehören und wirtschaftlich nicht unbedeutend sind, sind selbständig zu schätzen und nach dem Verkehrswert zu berücksichtigen.

§12. (1) Mangels Einigung des Anerben mit den übrigen Miterben über die Frist der Auszahlung sowie über die Verzinsung der in Geldforderungen bestehenden Abfindungsansprüche der übrigen Miterben (§10 Abs2) kann das Verlassenschaftsgericht, vorbehaltlich der Bestimmung des §13 Abs3, auf Antrag des Anerben die Auszahlung dieser Abfindungsansprüche auf einmal oder in Teilbeträgen bis zu einer Frist von höchstens fünf Jahren vom Todestag des Erblassers hinausschieben und gleichzeitig eine angemessene Verzinsung festlegen, wenn die sofortige Auszahlung die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Erbhofs erheblich beeinträchtigen würde; hiebei ist auf eine Auszahlung nach dem inneren Werte Bedacht zu nehmen. Auf Verlangen des Anerben muß das Verlassenschaftsgericht die Auszahlungsfrist ohne Rücksicht auf die Leistungsfähigkeit des Erbhofs mit wenigstens drei Jahren bestimmen. Veräußert der Anerbe den Erbhof oder dessen wesentliche Teile vor Ablauf der Frist durch Rechtsgeschäft unter Lebenden an eine andere Person als seinen Ehegatten oder seine Abkömmlinge, so sind die übrigen Miterben berechtigt, ihre Forderungen sofort geltend zu machen.

(2) Wird eine Auszahlungsfrist von den Miterben vereinbart oder vom Verlassenschaftsgericht bestimmt (Abs1), so hat dieses in der Einantwortungsurkunde anzuordnen, daß mit dem Eigentumsrecht für den Anerben gleichzeitig das Pfandrecht zur Sicherstellung der Abfindungsansprüche der übrigen Miterben, und zwar im Range hinter allfälligen Versorgungsrechten (§15) grundbücherlich eingetragen werden muß. Diese Anordnung entfällt nur, wenn sich der anspruchsberechtigte Miterbe gegen die Sicherstellung seines Abfindungsanspruchs ausspricht. Die Möglichkeit einer früheren Fälligstellung der Ansprüche im Sinne des Abs1 letzter Satz ist in die Verbücherungsanordnung der Einantwortungsurkunde aufzunehmen.

§13. (1) Den minderjährigen Abkömmlingen des Erblassers, die auf dem Erbhof leben und ihren Unterhalt weder aus eigenem Vermögen, ohne Berücksichtigung des bereits ausgezahlten Abfindungsanspruchs, bestreiten können noch von anderer Seite zu erhalten haben, steht, wenn sie Miterben des Anerben sind, das Recht zu, bis zu ihrer Selbsterhaltungsfähigkeit, längstens bis zur Erreichung der Eigenberechtigung in angemessener Weise auf dem Erbhof weitererhalten und weitererzogen zu werden. Solange sie dieses Recht in Anspruch nehmen, können sie die Auszahlung der Abfindungsansprüche nicht begehren. Sie sind bei sonstigem Verlust des Versorgungsanspruchs zu einer ihren Kräften angemessenen üblichen Mithilfe auf dem Erbhof verpflichtet.

(2) Die Bestimmungen des Abs1 sind insoweit, als dies mit der Leistungsfähigkeit des Erbhofs vereinbar ist, auch auf volljährige Abkömmlinge des Erblassers anzuwenden, die sich wegen schwerer körperlicher oder geistiger Gebrechen nicht selbst erhalten können. Bei der Beurteilung, ob sie ihren Unterhalt selbst bestreiten können, sind jedoch auch die bereits ausgezahlten Abfindungsansprüche zu berücksichtigen.

(3) Befinden sich minderjährige Abkömmlinge (Abs1) in auswärtiger Berufsausbildung oder werden sie nach dem Tode des Erblassers mit Genehmigung des Vormundschaftsgerichts einer solchen zugeführt und reichen ihr Vermögen und ihre Einkünfte zur Bestreitung der damit verbundenen Kosten nicht aus, so kann der Anerbe durch das Vormundschaftsgericht verhalten werden, von dem Abfindungsanspruch, der ihnen zusteht und gestundet wurde, das Fehlende in monatlichen Teilbeträgen zu leisten. Reicht auch der gestundete Abfindungsanspruch nicht aus, so kann das Vormundschaftsgericht den Anerben zur Bestreitung der erforderlichen Kosten insoweit verpflichten, als dies mit der Leistungsfähigkeit des Erbhofs vereinbar ist.

[…]

§17. Der Berechnung der Pflichtteilsansprüche ist der Übernahmspreis zugrundzulegen. Die §§10 bis 15 gelten für Noterben sinngemäß.

[…]

§21. Dieses Bundesgesetz gilt nicht in den Ländern Kärnten und Tirol."

III. Antragsvorbringen und Vorverfahren

1. Die Antragstellerin bringt vor, sie sei als Partei einer von einem ordentlichen Gericht in erster Instanz entschiedenen Rechtssache wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in ihren Rechten verletzt. Sie beantrage gemäß Art140 Abs1 Z1 litd B‑VG die Aufhebung der §§11 und 17 AnerbenG.

1.1. Mit Beschluss des Bezirksgerichtes Grieskirchen vom 19. März 2015, Z9 A 23/14z-86, sei ihrem Vater als Anerben der Erbhof "Gut A.", der vormals im Eigentum ihrer verstorbenen Mutter gestanden sei, zugewiesen worden. Aus Anlass des Rekurses gegen diesen Beschluss stellte die Antragstellerin den vorliegenden Antrag nach Art140 Abs1 Z1 litd B‑VG.

1.2. Zum zugrunde liegenden Sachverhalt führt die Antragstellerin im Wesentlichen Folgendes aus:

1.2.1. Sie sei Noterbin nach ihrer am 9. August 2011 verstorbenen Mutter. Diese habe ihren Gatten, den Vater der Erblasserin, als Alleinerben eingesetzt. Ihre vier Kinder erhielten nur den Pflichtteil. Die Erblasserin sei Alleineigentümerin des "Gutes A." gewesen. Mit Beschluss des Bezirksgerichtes Grieskirchen vom 11. Oktober 2012, Z 1 A 240/11y-2, in Zusammenhalt mit der Entscheidung des Landesgerichtes Wels vom 6. März 2013, Z 22 R 359/12v, sei dieses rechtskräftig als Erbhof iSd §1 Abs1 AnerbenG festgestellt worden.

1.2.2. Der Erbhof verfüge über Flächen im Ausmaß von 376 ha. Davon seien 302 ha Wald, 74 ha seien "der Landwirtschaft zugeordnet", wovon 71 ha "tatsächlich genutzt" würden, und zwar 39 ha als Grünland in Form von ein- oder mehrmähdigen Wiesen und rund 32 ha als Äcker. Rund 27 ha der Wiesen würden selbst bewirtschaftet, etwa 12 ha der Wiesenfläche seien verpachtet. Von den Ackerflächen seien circa 30 ha verpachtet, etwas mehr als 2 ha stünden in Eigenbewirtschaftung.

Zum "Gut A." zählten neben zahlreichen land- und forstwirtschaftlich genutzten Flächen samt Wegen, Teichen, Jagd- und Fischereirechten auch Gebäude und Baulichkeiten samt Umlandflächen, so etwa der Gebäudekomplex des Meierhofes, des Pfleghauses, der Orangerie, des Jagdhauses und der Wirtschaftsgebäude. Zum Erbhof gehöre auch ein als Veranstaltungszentrum und als Wohnanlage genütztes Schloss. Das Veranstaltungszentrum werde an Dritte vermietet.

1.2.3. Bei Anwendung der "allgemeinen erbrechtlichen Regeln der Pflichtteilsbemessung" wären alle verlassenschaftsverfangenen Liegenschaften wesentlich höher zu bewerten als nach den Regeln des AnerbenG. In dessen §11 sei nur die Bezahlung eines wesentlich geringeren Übernahmspreises vorgesehen. Eine von der Antragstellerin in Auftrag gegebene "Markteinschätzung" beziffere den Wert des Erbhofes mit € 16 bis 19 Millionen. Mit Beschluss des Bezirksgerichtes Grieskirchen vom 19. März 2015, Z 9 A 23/14z-86, sei der Übernahmspreis für den Erbhof in Anwendung des §11 AnerbenG mit € 550.837,– festgesetzt und damit weit unter dem tatsächlichen Wert bestimmt worden.

1.3. Zur Zulässigkeit ihres Antrages bringt die Antragstellerin vor, sie sei als Partei einer von einem ordentlichen Gericht in erster Instanz entschiedenen Rechtssache (Beschluss des Bezirksgerichtes Grieskirchen vom 19. März 2015, Z 9 A 23/14z-86) wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in ihren Rechten verletzt. Sie stelle den Antrag aus Anlass eines gegen diese Entscheidung erhobenen Rechtsmittels. Gleichzeitig mit dem Antrag sei der Rekurs an das Bezirksgericht Grieskirchen eingebracht worden. §62a Abs1 VfGG benenne jene Verfahren, in denen die Stellung eines Antrages nach Art140 Abs1 Z1 litd B‑VG nicht zulässig ist. Verlassenschaftsverfahren seien nicht genannt.

Die angefochtenen Bestimmungen seien vom Gericht in der anhängigen Rechtssache unmittelbar anzuwenden. Einerseits sei der Erbhof auf Grund der letztwilligen Verfügung der Erblasserin dem Anerben zugewiesen, andererseits sei der Übernahmspreis bestimmt worden. Vom Gericht seien daher §11 AnerbenG, der die Bestimmung des Übernahmspreises regle, und §17 AnerbenG, der mit §11 AnerbenG in einem untrennbaren Zusammenhang stehe, anzuwenden. Hebe der Verfassungsgerichtshof diese Bestimmungen auf, so sei die anhängige Rechtssache vom Rekursgericht auf Grundlage der allgemeinen erbrechtlichen Bestimmungen des ABGB zu beurteilen. Der Pflichtteil wäre dann ohne Einschränkungen dahingehend, "dass der Erbe weniger als einen Pflichtteil gemäß §765 ABGB zu leisten" habe, zu berechnen. Insbesondere wäre in der Folge auch der Pflichtteilsanspruch der Antragstellerin ohne Beschränkung auf den Übernahmspreis festzulegen.

1.4. In der Sache bringt die Antragstellerin vor, das AnerbenG, jedenfalls aber §11 AnerbenG, sei verfassungswidrig. Es verstoße gegen das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Unversehrtheit des Eigentums und auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz. Zudem sei das in §11 AnerbenG zum Ausdruck kommende Kriterium des "Wohlbestehen-Könnens" zu unbestimmt. §11 AnerbenG verstoße daher gegen das Legalitätsprinzip.

1.4.1. Das AnerbenG greife in das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Unversehrtheit des Eigentums nach Art5 StGG bzw. Art1 1. ZPEMRK ein. Es stelle eine Beschränkung des verfassungsrechtlichen Eigentumsrechts dar. Es sei zweifelhaft, ob diese Beschränkung im öffentlichen Interesse liege. Als öffentliches Interesse an einem "eigentumsbeschränkenden bäuerlichen Sondererbrecht" werde im Schrifttum etwa die Erhaltung einer "mittelständigen agrarischen Struktur" genannt. Entscheidend sei, dass das öffentliche Interesse an einer Regelung schwerer wiegen müsse als das Interesse des Betroffenen an der Vermeidung des Eigentumseingriffs. Durch die Regelungen des Anerbenrechts – insbesondere durch die Festlegung des Übernahmspreises in §11 AnerbenG – werde so stark in das Eigentum der weichenden Erben bzw. der Pflichtteilsberechtigten eingegriffen, dass diese – wie auch die Antragstellerin im gegenständlichen Fall – von ihrem Erbteil praktisch nichts mehr hätten. Ihnen seien derart große Opfer auferlegt, dass dies im Hinblick "auf die nicht sehr stark zu wertenden öffentlichen Interessen niemals verhältnismäßig" sein könne. Die Erhaltung der bisherigen landwirtschaftlichen Strukturen, und nicht etwa "volkswirtschaftlich bedeutende" Ziele wie die autarke Lebensmittelversorgung oder die "ausreichende preiswerte Ernährung auch der Stadtbevölkerung" lägen als öffentliches Interesse den Regelungen des Anerbenrechts zugrunde. Diese Interessen könnten einen derart schweren Eigentumseingriff nicht rechtfertigen. Die verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte der weichenden Erben dürften nicht eingeschränkt werden, um landwirtschaftliche Strukturen zu erhalten, die durch Raumordnungsgesetze und Grundverkehrsgesetze bereits geschützt seien, so zB durch §2 Abs1 Z5 OÖ Raumordnungsgesetz 1994, LGBl 114/1993, idF LGBl 115/2005, oder durch die Bestimmung des §1 Abs1 Z2 OÖ Grundverkehrsgesetz 1994, LGBl 88/1994, idF LGBl 59/2006.

1.4.2. Unabhängig davon habe der Gesetzgeber durch das AnerbenG das "ihm zugeschriebene Ziel" nicht erreicht. Wie die Agrarstrukturerhebung 2010 der Statistik Austria zeige, habe die Zahl der landwirtschaftlichen Betriebe seit 1999 weiter abgenommen. Die Größe der Betriebe habe dagegen zugenommen und 54 % der Betriebe würden im Nebenerwerb geführt werden. Die mangelnde Eignung des AnerbenG zur Erreichung des Ziels zeige sich schon daran, dass seine Anwendung nach §8 Abs6 AnerbenG im Belieben des Erblassers stehe. Wenn die Erhaltung der mittelständigen agrarischen Strukturen ein derart wichtiges öffentliches Interesse sei, müsste auch die Testierfreiheit des Erblassers insoweit eingeschränkt sein und im Erbfall stets auf eine Weiterführung des Hofes Bedacht genommen werden. Das AnerbenG bewirke aber vielmehr, dass die Testierfreiheit des Erblassers im Bereich landwirtschaftlicher Betriebe gegenüber dem System der Familienerbfolge in unsachlicher Weise erweitert werde. Das AnerbenG schütze nicht agrarische Strukturen, sondern gebe dem Erblasser ein Instrument in die Hand, "den Noterben den Pflichtteil zusätzlich zur allgemeinen Bestimmung des §773a ABGB zu verkürzen." Die in die Eigentumsfreiheit eingreifenden Regelungen des AnerbenG seien daher nicht geeignet, die Erhaltung der mittelständigen agrarischen Strukturen (im Sinne eines öffentlichen Interesses) zu gewährleisten.

1.4.3. Im Fall der Antragstellerin zeige sich, dass das AnerbenG zu unsachlichen Ergebnissen führe: Beim "Gut A." handle es sich um ein adeliges, vormals in die Landtafel einverleibtes Gut, das im Eigentum einer ehemaligen Mitarbeiterin einer Internationalen Organisation (der Mutter der Antragstellerin) gestanden sei und nun als Erbhof nach bäuerlichem Sondererbrecht "auf den bäuerlichen Anerben", einen im Ruhestand befindlichen Botschafter der Republik Österreich (den Vater der Antragstellerin), übergehen solle. Zum Erbhof zählten zudem ein als Veranstaltungszentrum und Wohnanlage genütztes Schloss, dessen Wert – so wie jener aller anderen vom Erbhof umfassten Gebäude und Liegenschaften – bei einer Bewertung nach den "allgemeinen erbrechtlichen Regelungen" wesentlich höher anzusetzen sei. Der nach §11 AnerbenG bestimmte Übernahmspreis entspreche dem tatsächlichen Wert der Verlassenschaft bei Weitem nicht.

1.4.4. Das Anerbenrecht erscheine in seiner Gesamtheit als Anachronismus. Einzelne deutsche Bundesländer seien von der Sonderbehandlung der bäuerlichen Erben abgegangen bzw. es werde ein solches Abgehen für das ganze Bundesgebiet überlegt. Ein gesetzlicher Anachronismus sei noch nicht per se verfassungswidrig, aber etwa dann, wenn er in unverhältnismäßiger Weise in eine verfassungsrechtlich geschützte Rechtsposition eines Einzelnen eingreife. Dies geschehe "durch die auf Grund der Rahmenbedingungen der Landwirtschaft im 21. Jahrhundert unhaltbare Regelung des AnerbenG." Das AnerbenG sei in seiner Gesamtheit mit Verfassungswidrigkeit belastet.

1.4.5. Des Weiteren widerspreche das AnerbenG dem aus dem Gleichheitssatz entspringenden "Gebot einer differenzierenden Regelung wesentlich unterschiedlicher Sachverhalte." Betriebe, die auch nur in geringem Ausmaß landwirtschaftlich tätig seien, fielen – wie das "Gut A.", das auch ein Schloss umfasse – in den Anwendungsbereich des AnerbenG. Selbst wenn man die Notwendigkeit eines bäuerlichen Sondererbrechts nicht generell verneine, sei zuzugestehen, dass ein solches nur für überwiegend landwirtschaftliche Betriebe gelten und sich nur auf diese die privilegierte Berechnung des Übernahmspreises erstrecken solle.

1.4.6. Der Gleichheitsgrundsatz beinhalte auch ein allgemeines Sachlichkeitsgebot, welchem das AnerbenG in seiner Gesamtheit, zumindest aber im Umfang der Regelung des Übernahmspreises, widerspreche. Eine sachliche Rechtfertigung dafür, Miterben und Pflichtteilsberechtigte durch einen stark geminderten Übernahmspreis in ihrem Erbrecht zu beschneiden, ist nicht ersichtlich. Dass es durch eine Verbindung eines viel zu weit reichenden Anwendungsbereiches des AnerbenG in seinem §1 mit einer Vorschrift wie jener des §11 AnerbenG, die eine Schmälerung des Pflichtteils bewirke, zu einer massiven Schlechterstellung der Erben von land- und forstwirtschaftlichen Gütern komme, sei verfassungswidrig. Ein Schutz bäuerlicher Strukturen, sofern er wirklich als Rechtfertigung eines Sondererbrechts ansetzbar sei, sei schon durch die Möglichkeit einer letztwilligen Verfügung mit der Einsetzung eines einzigen Erben, der den Hof weiter bewirtschafte, und der Verkürzung der übrigen Erben auf den Pflichtteil nach den allgemeinen erbrechtlichen Regeln des ABGB gegeben. Diesen Pflichtteil durch eine weitere besondere Vorschrift über die Bemessung des Übernahmspreises noch weiter zu beschränken, sei unsachlich und im Hinblick auf Art7 B‑VG verfassungswidrig.

Eine Gleichheitswidrigkeit des AnerbenG zeige sich auch darin, dass seine Anwendung vom Erblasser abbedungen werden könne. Das AnerbenG schütze nicht die agrarischen Strukturen, sondern gebe dem Erblasser ein Instrument in die Hand, "den Noterben den Pflichtteil zusätzlich zur allgemeinen Bestimmung des §773a ABGB zu verkürzen." Auch aus diesem Grund widerspreche das AnerbenG dem Gleichheitsgrundsatz des Art7 B‑VG.

1.4.7. Eine Besonderheit des AnerbenG sei es, dass sich sein Anwendungsbereich gemäß §21 AnerbenG nicht auf die Länder Tirol und Kärnten erstrecke. Für diese beiden Bundesländer bestünden eigenständige anerbenrechtliche Vorschriften im Tiroler Höfegesetz, GVBlTirVbg. 47/1900, und im Kärntner Erbhöfegesetz 1990, BGBl 658/1989. Bei diesen Gesetzen handle es sich um Bundesgesetze. §21 AnerbenG stehe nach der geltenden Rechtslage nicht in Verfassungsrang. Durch die fehlende bundesverfassungsgesetzliche Deckung unterschiedlicher Bundesgesetze – des Tiroler Höfegesetzes, des Kärntner Erbhöfegesetzes und des Anerbengesetzes – für gleiche Sachverhalte sei das AnerbenG in seiner Gesamtheit als gleichheitswidriges Gesetz anzusehen. Der Verfassungsgerichtshof könne diese Verfassungswidrigkeit vorerst nur bezüglich des AnerbenG aufgreifen und dieses aufheben.

1.4.8. Bei der Festlegung der Ermittlung des Übernahmspreises handle es sich um eine sehr eingriffsintensive Regelung, da etwa Pflichtteile dadurch massiv beschnitten würden. An sie sei vor dem Hintergrund des Legalitätsprinzips ein besonders "scharfer" Maßstab in Bezug auf die hinreichende Determinierung anzulegen. Der Übernahmspreis sei vom Verlassenschaftsgericht nach billigem Ermessen festzusetzen. Kriterium sei dabei, dass der Anerbe "wohl bestehen kann". Diese Wortfolge sei in einem solchen Maße unbestimmt, dass ihre Auslegung für den Normunterworfenen nicht vorhersehbar sei. Der Vollziehung werde dadurch ein derart großer Entscheidungsspielraum eröffnet, der mit dem Legalitätsprinzip nicht in Einklang zu bringen sei.

Wenn der Gesetzgeber schon aus durchaus hinterfragbaren öffentlichen Interessen in das verfassungsgesetzlich geschützte Recht auf Eigentum eingreifen wolle, dann müsse er im Hinblick auf das Legalitätsprinzip auch eindeutig und unmissverständlich die Art und das Ausmaß des Eingriffs festlegen. Der Terminus "Wohlbestehen" erfülle das Kriterium einer hinreichenden Determinierung im Zusammenhang mit der gesamten Bestimmung nicht; §11 AnerbenG sei daher auch aus diesem Grund mit Verfassungswidrigkeit belastet.

2. Die Bundesregierung erstattete eine Äußerung, in der sie den im Antrag erhobenen Bedenken wie folgt entgegentritt:

2.1. Zu den Prozessvoraussetzungen führt die Bundesregierung aus, dass im Anlassverfahren eine Berechnung oder Festlegung der Pflichtteilsansprüche nicht stattgefunden habe. §17 AnerbenG sei im Anlassverfahren nicht angewendet worden und auch nicht denkmöglich anzuwenden gewesen. Auch bestehe kein untrennbarer Zusammenhang zwischen den angefochtenen Bestimmungen. Allein der Umstand, dass in §17 AnerbenG für die Berechnung der Pflichtteilsansprüche auf den Übernahmspreis abgestellt werde, führe nicht dazu, dass ein untrennbarer Zusammenhang zwischen den angefochtenen Bestimmungen bestehe. Eine Beurteilung der behaupteten Verfassungswidrigkeit von §11 AnerbenG sei "ohne Berücksichtigung des §17 AnerbenG" möglich. Darüber hinaus bringe die Antragstellerin gegen §17 AnerbenG keine Bedenken im Einzelnen vor.

Soweit mit dem Antrag die Aufhebung des AnerbenG zur Gänze begehrt werde, sei er ebenfalls mangels Darlegung der Bedenken im Einzelnen unzulässig.

2.2. Zu den verfassungsrechtlichen Bedenken bringt die Bundesregierung im Einzelnen wörtlich Folgendes vor:

"3. Zu den Bedenken im Hinblick auf Art5 StGG und Art1 (1.) ZP EMRK:

3.1. Die Antragstellerin geht davon aus, dass auch Pflichtteilsansprüche in den Schutzbereich der Eigentumsfreiheit fallen und bringt vor, dass das Eigentum der weichenden Erben bzw. Pflichtteilsberechtigten durch die Regelungen des Anerbengesetzes und insbesondere durch §11 Anerbengesetz betreffend die Festlegung des Übernahmspreises unverhältnismäßig eingeschränkt werden würde. Die verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte der weichenden Erben dürften nicht eingeschränkt werden, um landwirtschaftliche Strukturen zu erhalten, die durch Raumordnungsgesetze und Grundverkehrsgesetze bereits geschützt würden. Zudem würde das mit den anerbenrechtlichen Regelungen verfolgte Ziel – die Erhaltung der mittelständigen agrarischen Strukturen – durch die Regelungen nicht erreicht. Das Anerbengesetz sei daher auch nicht geeignet zur Erreichung dieses Ziels. Es führe vielmehr zu unsachlichen Ergebnissen und sei in seiner Gesamtheit ein Anachronismus.

3.2. Die Bundesregierung verweist zunächst auf die Ausführungen zur Unzulässigkeit des Antrages auf Aufhebung des Anerbengesetzes zur Gänze […]. Die folgenden Ausführungen beschränken sich daher auf die Frage der Verfassungsmäßigkeit des §11 Anerbengesetz:

3.3. Art5 StGG bestimmt, dass das Eigentum unverletzlich ist und eine Enteignung gegen den Willen des Eigentümers nur in den Fällen und in der Art eintreten kann, welche das Gesetz bestimmt. Den Schutz des Art5 StGG genießt jedes vermögenswerte Privatrecht (zB VfSlg 8201/1977, 9887/1983, 10.322/1985 und 16.636/2002). Nach ständiger Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte ist Art1 (1.) ZPEMRK auf 'bestehendes Vermögen' (existing possessions) oder 'berechtigte Erwartungen' (legitimate expectations) anwendbar. Ein Anspruch darauf, Vermögen zu erwerben, lässt sich aus Art1 1. ZPEMRK zwar nicht ableiten (vgl. für viele EGMR vom 13. Juni 1979, Marckx gegen Belgien, Series A No. 31, §50). Art1 (1). ZPEMRK umfasst jedoch auch das Recht auf einen Anteil am Nachlass, das demjenigen zusteht, der – nach rechtsgültiger Annahme einer Erbschaft – Mitglied einer Erbengemeinschaft geworden ist (EGMR vom 28. Oktober 1987, Inze gegen Österreich, Appl.Nr 8695/79, Z38). Geschützt ist insoweit die berechtigte Erwartung des Erben (Grabenwarter/Pabel, EMRK5, §25 Rz 6).

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes sind Eigentumsbeschränkungen nach Art5 StGG und Art1 (1.) ZPEMRK zulässig, sofern dadurch nicht der Wesensgehalt des Grundrechtes der Unversehrtheit des Eigentums berührt wird, sie im öffentlichen Interesse liegen (zB VfSlg 9911/1983, 14.535/1996, 15.577/1999 und 17.071/2003) und nicht unverhältnismäßig sind (zB VfSlg 13.587/1993, 14.500/1996, 14.679/1996, 15.367/1998, 15.753/2000, 18.838/2009).

3.4. Die angefochtene Bestimmung des §11 Anerbengesetz regelt die Bestimmung des Übernahmspreises für einen Erbhof. Dieser Übernahmspreis ist gemäß §17 Anerbengesetz der Übernahme der Pflichtteilsansprüche zugrundezulegen. §11 Anerbengesetz betrifft somit die Grundlage der Pflichtteilsberechnung. Die Bestimmung hat daher Auswirkungen auf die Höhe des Pflichtteils, nicht jedoch auf den Pflichtteilsanspruch selbst. Vor diesem Hintergrund erscheint es nach Auffassung der Bundesregierung zweifelhaft, ob die angefochtene Bestimmung überhaupt in den Schutzbereich der Eigentumsfreiheit nach Art5 StGG und nach Art1 (1.) ZPEMRK eingreift.

3.5. Ungeachtet dessen dient §11 Anerbengesetz nach Auffassung der Bundesregierung einem im öffentlichen Interesse gelegenen Ziel und ist verhältnismäßig:

3.5.1. Bei der Entscheidung, welche Ziele der Gesetzgeber mit seinen Regelungen verfolgt, ist ihm innerhalb der verfassungsrechtlichen Schranken ein weiter rechtspolitischer Gestaltungsspielraum eingeräumt (VfSlg 11.483/1987, 12.481/1990). Dem Verfassungsgerichtshof kommt daher grundsätzlich nicht die Beurteilung zu, ob die Verfolgung eines bestimmten Zieles aus wirtschafts- oder sozialpolitischen oder – was im vorliegenden Fall von Relevanz ist – aus agrarpolitischen Gründen zweckmäßig ist. Er kann dem Gesetzgeber nur entgegentreten, wenn dieser Ziele verfolgt, die keinesfalls als im öffentlichen Interesse liegend anzusehen sind (VfSlg 9911/1983, 11.483/1987, 11.652/1988, 12.082/1989).

3.5.2. Die Sonderregelungen für die Erbfolge bei land- und forstwirtschaftlichen Betrieben nach dem Anerbengesetz dienen generell […] dem Ziel der Erhaltung von leistungsfähigen mittleren land- und forstwirtschaftlichen Betrieben und damit der Sicherstellung einer leistungsfähigen mittelständigen landwirtschaftlichen Struktur. Dieses Ziel liegt im öffentlichen Interesse (vgl. auch VfSlg 12.082/1989 betreffend das Ziel der Erhaltung eines wirtschaftlich gesunden und leistungsfähigen Bauernstandes in einem funktionsfähigen ländlichen Raum, sowie VfSlg 19.783/2013 betreffend das Ziel der Schaffung eines wirtschaftlich gesunden land- und forstwirtschaftlichen Grundbesitzes).

3.5.3. Nach §11 Abs1 Anerbengesetz ist der Übernahmspreis für einen Erbhof (sofern er nicht von den Miterben im Vergleichsweg bestimmt wird) vom Verlassenschaftsgericht unter Berücksichtigung sämtlicher auf dem Erbhof haftender Lasten nach billigem Ermessen auf der Grundlage des Gutachtens zweier bäuerlicher Sachverständiger so zu bestimmen, dass der Anerbe 'wohl bestehen' kann, wobei auf die Interessen der übrigen Miterben gebührend Bedacht zu nehmen ist. Von dieser Bewertungsregel ausgenommen sind auf dem Erbhof betriebene Unternehmen des Erblassers, die zum Erbhof gehören und wirtschaftlich nicht unbedeutend sind (wie zB Fremdenverkehrsbetriebe). Diese sind gemäß §11 Abs2 Anerbengesetz selbständig zu schätzen und nach dem Verkehrswert zu berücksichtigen.

3.5.4. Gemäß §11 Anerbengesetz kommt es bei der Festlegung des Übernahmspreises somit grundsätzlich, d.h. abgesehen von auf dem Erbhof betriebenen Unternehmen, nicht auf den Verkehrswert des Erbhofes, sondern im Wesentlichen auf dessen Ertragswert an, der – je nach den Umständen des Einzelfalls – durch einen Zuschlag erhöht oder einen Abschlag vermindert werden kann (Kathrein, Anerbenrecht, Stand: 1.1.1991, §11 Anm. 3). Die Regelung stellt damit sicher, dass der Anerbe nicht übermäßig finanziell belastet und der Erbhof somit ungeteilt erhalten bleiben kann (vgl. auch RIS-Justiz RS0110354). Da Ertrags- und Verkehrswert land- und forstwirtschaftlicher Betriebe – insbesondere im Hinblick darauf, dass in der Landwirtschaft Grund und Boden nicht nur den Standort des Unternehmens bestimmen, sondern auch einen maßgebenden Produktionsfaktor darstellen – nämlich regelmäßig stark voneinander abweichen, ist davon auszugehen, dass eine Bemessung der Abfindung auf Grundlage des Verkehrswertes eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs, den Anerben regelmäßig dazu zwingen würde, den Erbhof zu verkaufen, um den Ansprüchen der Miterben und Pflichtteilsberechtigten entsprechen zu können (RIS-Justiz RS0110354; OGH 6 Ob 289/07d JEV 2009/13 mwN). §11 Abs1 Anerbengesetz dient demgemäß dem unter Punkt 3.5.2. genannten Ziel der Erhaltung von leistungsfähigen mittelständigen land- und forstwirtschaftlichen Betrieben.

3.5.5. Die Bewertungsregel nach §11 Abs1 Anerbengesetz wird einerseits durch die ausdrückliche Verpflichtung, dass bei der Festlegung des Übernahmspreises auf die Interessen der Miterben und Pflichtteilsberechtigten Bedacht genommen werden muss, und andererseits durch die Regelung nach §11 Abs2 Anerbengesetz, wonach wirtschaftlich nicht unbedeutende Unternehmen jedenfalls nach ihrem Verkehrswert zu berücksichtigen sind, zugunsten der Ansprüche der Miterben und Pflichtteilsberechtigten relativiert.

Darüber hinaus erfolgt die Bestimmung des Übernahmspreises durch das Verlassenschaftsgericht gemäß §11 Abs1 Anerbengesetz ausdrücklich nur dann, wenn der Übernahmspreis nicht ohnedies einvernehmlich von den Miterben und Pflichtteilsberechtigten bestimmt wird. Das Verlassenschaftsgericht ist an eine solche Einigung gebunden (vgl. Kathrein, Anerbenrecht, Stand: 1.1.1991, §11 Anm. 2 mwN).

Nach Auffassung der Bundesregierung erweist sich §11 Abs1 Anerbengesetz bereits vor diesem Hintergrund als verhältnismäßig.

3.5.6. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass das Anerbengesetz nicht jedenfalls bei Vorliegen eines Erbhofes im Sinne des Gesetzes und unabhängig vom entsprechenden Willen der Erben bzw. des Erblassers gilt. So kommt das Anerbengesetz etwa bei der gesetzlichen Erbfolge nicht zur Anwendung, wenn sich alle Miterben darüber einig sind, dass nicht nach diesen speziellen Erbteilungsvorschriften abgehandelt werden soll (vgl. Kathrein, Anerbenrecht, Stand: 1.1.1991, §3 Anm. 1 mwN). Bei der gewillkürten Erbfolge kann der Erblasser selbst gemäß §8 Abs6 Anerbengesetz verfügen, dass das Anerbengesetz auf die Erbteilung in Bezug auf seinen Erbhof nicht angewendet werden soll.

Zu den Ausführungen der Antragstellerin, dass diese Befugnis des Erblassers nach §8 Abs6 Anerbengesetz dessen Testierfreiheit in unsachlicher Weise erweitern würde […], ist zunächst festzuhalten, dass eine Aufhebung dieser Bestimmung nicht beantragt wurde, weshalb auf dieses Bedenken nicht näher eingegangen werden muss. Im Übrigen erscheint nicht nachvollziehbar, inwiefern diese Bestimmung dem Erblasser – wie die Antragstellerin vorbringt – 'ein Instrument in die Hand (geben sollte), den Noterben den Pflichtteil zusätzlich zur allgemeinen Bestimmung des §773a ABGB zu verkürzen', ermächtigt sie den Erblasser doch gerade dazu, die Regelungen des ABGB (anstatt der Regelungen des Anerbengesetzes) für anwendbar zu erklären.

3.5.7. Schließlich lässt sich auch der in §§1 und 2 Anerbengesetz normierte Anwendungsbereich des Gesetzes (und damit auch des §11 Anerbengesetz) für die Verhältnismäßigkeit der angefochtenen Regelung ins Treffen führen. Durch die in diesen Bestimmungen normierten Vorgaben ist nämlich sichergestellt, dass die angefochtene Bestimmung – ihrem Ziel entsprechend – nur auf mittelständische landwirtschaftliche Betriebe (und nicht auf landwirtschaftliche Kleinstbetriebe oder Großbetriebe) zur Anwendung gelangt.

3.6. Dem Vorbringen der Antragstellerin, dass das Anerbenrecht im Hinblick auf den Rückgang der Anzahl landwirtschaftlicher Betriebe, die Zunahme nebenerwerbswirtschaftlich geführte Betriebe sowie den Trend zu größeren Betrieben zur Erreichung der vom Gesetzgeber definierten Ziele nicht geeignet sei, wird schließlich Folgendes entgegen gehalten:

Entgegen der Auffassung der Antragstellerin lassen sich die Vergrößerung der durchschnittlichen Hofgrößen und die Zunahme von Nebenerwerbsbetrieben nicht als Argument dafür heranziehen, dass die Ziele des Anerbenrechts bislang nicht erreicht worden wären. Diese Entwicklungen sind vielmehr auf technologische Fortschritte in der Land- und Forstwirtschaft, die Zunahme der Bedeutung anderer Wirtschaftszweige und die damit verbundenen sozialen Umwälzungen im ländlichen Raum zurückzuführen. Im internationalen Vergleich ist die österreichische Land- und Forstwirtschaft trotz dieser Entwicklungen nach wie vor klein- und mittelständig strukturiert, wobei sich freilich die Vorstellung davon, welche Betriebe von mittlerer Größe sind, geändert hat.

Der Gesetzgeber hat den geänderten wirtschaftlichen und sozialen Verhältnissen in der Land- und Forstwirtschaft im Jahr 1989 durch Änderungen bei den Betriebsgrößen, den Bewirtschaftungsformen und vor allem bei den Ertragsgrenzen im Anerbengesetz Rechnung getragen (vgl. ErlRV 518 BlgNR XVII. GP , 5 ff.). Seither steht auch nicht allein die Erhaltung eines 'bäuerlichen Mittelstandes' im Vordergrund, sondern die Erhaltung von land- und forstwirtschaftlichen Betrieben und der bestehenden land- und forstwirtschaftlichen Struktur schlechthin. Dementsprechend wird auch die Existenzsicherung sowohl der bäuerlichen Familie als auch der bäuerlichen Höfe selbst bereits als eine ausreichend tragfähige Begründung für das besondere Regime des Anerbenrechts bezeichnet (Eccher in Schwimann, ABGB4 III Höferecht, Rz 4).

4. Zu den Bedenken im Hinblick auf den Gleichheitssatz gemäß Art7 B‑VG:

4.1. Die Antragstellerin bringt vor, dass ein bäuerliches Erbrecht mit besonderen Vorschriften wie dem §11 Anerbengesetz gegen den Gleichheitssatz verstoßen würde, da ähnlich strukturierte Gewerbebetriebe im Erbrecht nicht im selben Ausmaß privilegiert würden. Selbst unter der Annahme der Notwendigkeit eines bäuerlichen Sondererbrechts wäre dies nur für überwiegend landwirtschaftliche Betriebe gerechtfertigt. Zudem würde die Regelung des Übernahmspreises nach §11 Anerbengesetz dem Sachlichkeitsgebot widersprechen, da es – in Verbindung mit dem zu weiten Anwendungsbereich des Anerbengesetzes – zu einer massiven Schlechterstellung der Erben nach land- und forstwirtschaftlichen Gütern komme. Ein Schutz der bäuerlichen Strukturen sei bereits durch die Möglichkeit einer letztwilligen Verfügung, mit der ein einziger Erbe eingesetzt werden und die übrigen Erben auf den Pflichtteil verkürzt werden könnten, gegeben. Schließlich folge aus dem Wegfall des Verfassungsrangs des §21 Anerbengesetzes, dass es dem Anerbengesetz sowie auch dem Tiroler Höfegesetz und dem Kärntner Erbhöfegesetz an der bundesverfassungsgesetzlichen Deckung fehle.

[…]

4.3. Zum Vorbringen der Unsachlichkeit der Bewertungsregel nach §11 Anerbengesetz wird zunächst die Ausführungen zur Rechtfertigung dieser Regelung im Hinblick auf das Grundrecht auf Unversehrtheit des Eigentums (s. oben Punkt […] 3.) verwiesen. Die Regelung erweist sich aus den darin genannten Gründen als sachlich.

4.4. Aus diesen Ausführungen ergibt sich auch, dass §11 Anerbengesetz zu keiner unsachlichen Differenzierung von land- und forstwirtschaftlichen im Gegensatz zu ähnlich strukturierten gewerblichen Betrieben führt. Wie bereits dargelegt wurde, weichen der Ertrags- und der Verkehrswert land- und forstwirtschaftlicher Betriebe – im Hinblick auf die besondere Bedeutung von Grund und Boden in der Landwirtschaft – nämlich regelmäßig stark voneinander ab. Land- und forstwirtschaftliche Betriebe unterscheiden sich daher bereits insofern von gewerblichen Betrieben. Darüber hinaus besteht an der Erhaltung bestehender land- und forstwirtschaftlicher Betriebe ein erhöhtes Interesse, weil – anders als in der gewerblichen Wirtschaft – die Errichtung und der Aufbau neuer derartiger Betriebe wesentlich schwieriger sind. Nach Auffassung der Bundesregierung rechtfertigen diese Unterschiede auch unterschiedliche Regelungen in Bezug auf die Erbfolge, zumal diese unterschiedlichen Regelungen gerade den angesprochenen Besonderheiten von land- und forstwirtschaftlichen Betrieben (im Vergleich zu gewerblichen Betrieben) Rechnung tragen.

4.5. Das Vorbringen betreffend die Unsachlichkeit des Anwendungsbereichs des Anerbengesetzes geht zunächst bereits deshalb ins Leere, weil sich der Anwendungsbereich aus §§1 und 2 Anerbengesetz ergibt, deren Aufhebung aber nicht beantragt wird. Im Übrigen wird diesbezüglich auf die Ausführungen unter Punkt […] 3.5.7. hingewiesen.

4.6. Ein Eingehen auf den behaupteten Verstoß des gesamten Anerbengesetzes gegen Art7 B‑VG wegen des Bestehens von drei Bundesgesetzen erübrigt sich nach Auffassung der Bundesregierung bereits im Hinblick auf die Unzulässigkeit des entsprechenden Antrages […]. Ein Antrag auf Aufhebung des §21 Anerbengesetz, wonach das Anerbengesetz nicht in den Ländern Kärnten und Tirol gilt, ist ebenfalls nicht gestellt worden.

5. Zu den Bedenken im Hinblick auf das Rechtsstaatsprinzip:

5.1. Die Antragstellerin bringt vor, dass die Wortfolge 'wohl bestehen kann' in einem Maße unbestimmt sei, dass ihre Auslegung für den Normunterworfenen nicht vorhersehbar wäre. Der Vollziehung werde damit ein Entscheidungsspielraum eröffnet, der mit dem Legalitätsprinzip nicht in Einklang gebracht werden könne.

[…]

5.3. Aus der Wortfolge 'wohl bestehen kann' ergibt sich nach Auffassung der Bundesregierung mit hinreichender Deutlichkeit, dass der Übernahmspreis nicht in einer Höhe festgesetzt werden darf, die dem Anerben den weiteren Betrieb des Erbhofes verunmöglicht und damit den Weiterbestand des Erbhofes gefährdet. Der Anerbe darf daher – wie bereits mehrfach dargelegt wurde – nicht gezwungen sein, Betriebsteile zu verkaufen, um den Übernahmspreis entrichten zu können. Für diese Beurteilung können im Einzelnen dabei etwa die Größe des Erbhofes, seine Lage, die Bodenbeschaffenheit, die Größe der Familie des Anerben, der Schuldenstand des Erbhofes ausschlaggebend sein. Einen entscheidenden Orientierungspunkt bietet jedenfalls der Ertragswert des Erbhofes (vgl. Kathrein, Anerbenrecht, Stand: 1.1.1991, §11 Anm. 3). Nach Auffassung der Bundesregierung entspricht §11 Abs1 Anerbengesetz daher – insbesondere im Hinblick darauf, dass es bei der Festlegung des Übernahmspreises auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls ankommt – den Vorgaben des Art18 B‑VG. Eine genauere Festlegung von Kriterien für die Festsetzung des Übernahmspreises würde der Notwendigkeit, alle Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen, entgegen stehen.

5.4. Zudem enthält die angefochtene Bestimmung weitere Anhaltspunkte für die vorzunehmende Einzelfallbeurteilung. So ist nach §11 Abs1 Anerbengesetz auf die Interessen der weichenden Miterben (und der Pflichtteilsberechtigten) Bedacht zu nehmen. Daneben wird die Festsetzung des Übernahmspreises auch durch die Ausnahme nach §11 Abs2 Anerbengesetz für Unternehmen, die zum Erbhof gehören, näher bestimmt.

5.5. Abgesehen davon geht diese Vorgabe auf altes Gewohnheitsrecht zurück, das bereits in das Grundzerstückelungspatent Maria Theresias von 1770 und in das Erbfolgepatent Franz II. von 1795 aufgenommen worden ist (Zuckerkandl, Das neue österreichische Anerbenrecht [1889] 21). Mittlerweile stellen das 'Wohlbestehenkönnen' und der besondere Übernahmswert einen Grundpfeiler des Anerbenrechts dar (ErläutRV 76 BlgNR VIII. GP 21).

6. Zusammenfassend wird daher festgehalten, dass §11 Anerbengesetz, BGBl Nr 106/1958, in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl I Nr 659/1989 nach Ansicht der Bundesregierung nicht verfassungswidrig ist."

2.3. Die Bundesregierung beantragt, den Antrag hinsichtlich §17 AnerbenG als unzulässig zurückzuweisen und auszusprechen, dass §11 AnerbenG nicht als verfassungswidrig aufgehoben wird.

3. Der Vater der Antragstellerin, der als Gegner im Rekursverfahren Beteiligter des verfassungsgerichtlichen Verfahrens ist, hat durch seinen Rechtsvertreter eine Äußerung zum Antrag abgegeben.

Er bringt darin vor, dass nur §11 AnerbenG präjudiziell sei. Diese Bestimmung greife nicht in das verfassungsrechtlich geschützte Eigentumsrecht der Antragstellerin ein. Der Vater der Antragstellerin beantragt, die Behandlung des Antrags nach Art140 Abs1b B‑VG abzulehnen bzw. ihn abzuweisen.

4. Zwei der drei Brüder der Antragstellerin, die wie letztere Pflichtteilsberechtigte und Parteien des Verfahrens vor dem Bezirksgericht Grieskirchen und dem Rekursgericht sind, erstatteten eine gemeinsame Äußerung, in der sie sich dem Vorbringen ihrer Schwester anschließen.

Der dritte Bruder der Antragstellerin äußerte sich schließlich dahingehend, dass er sich mit näherer Begründung "voll und ganz den Ausführungen [seines] Vaters [anschließe]".

IV. Erwägungen

1. Zur Zulässigkeit des Antrages

1.1. Gemäß Art140 Abs1 Z1 litd B‑VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Verfassungswidrigkeit von Gesetzen auf Antrag einer Person, die als Partei einer von einem ordentlichen Gericht in erster Instanz entschiedenen Rechtssache wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, aus Anlass eines gegen diese Entscheidung erhobenen Rechtsmittels.

1.2. Mit dem Rekurs, aus dessen Anlass der Antrag nach Art140 Abs1 Z1 litd B‑VG erhoben wurde, wendete sich die Antragstellerin gegen einen Beschluss des Bezirksgerichtes Grieskirchen, mit dem der Erbhof dem Anerben zugewiesen und der Übernahmspreis festgelegt wurde. Die Festsetzung des Übernahmspreises und die Zuweisung des Erbhofes hat zwingend im Verlassenschaftsverfahren zu erfolgen (vgl. zB OGH 22.2.2001, 6 Ob 10/01s). Die Zuweisung des Erbhofes ist ein besonderer Rechtstitel für die Eigentumseinverleibung. Mit der Einantwortung erfolgt die tatsächliche Eigentumsübertragung (Probst, Anerben- und Höferecht, in: Gruber/Kalss/Müller/Schauer [Hrsg.], Erbrecht und Vermögensnachfolge, 2010, §6 Rz 81 mwN). Dem Beschluss über die Zuweisung des Erbhofes und die Festsetzung des Übernahmspreises kommt materielle Rechtskraft zu (OGH 13.10.1982, 6 Ob 9/82).

Dieser Beschluss stellt daher eine in erster Instanz entschiedene Rechtssache iSd Art140 Abs1 Z1 litd B‑VG dar (vgl. auch VfGH 2.7.2015, G33/2015, zur Antragstellung aus Anlass der Erhebung einer Berufung gegen ein Zwischenurteil nach §393 Abs1 ZPO).

1.3. In von Amts wegen eingeleiteten Normenprüfungsverfahren hat der Verfassungsgerichtshof den Umfang der zu prüfenden und allenfalls aufzuhebenden Bestimmungen derart abzugrenzen, dass einerseits nicht mehr aus dem Rechtsbestand ausgeschieden wird, als Voraussetzung für den Anlassfall ist, dass aber andererseits der verbleibende Teil keine Veränderung seiner Bedeutung erfährt; da beide Ziele gleichzeitig niemals vollständig erreicht werden können, ist in jedem Einzelfall abzuwägen, ob und inwieweit diesem oder jenem Ziel der Vorrang vor dem anderen gebührt (VfSlg 7376/1974, 9374/1982, 11.506/1987, 15.599/1999, 16.195/2001).

Die Grenzen der Aufhebung müssen auch in einem auf Antrag eingeleiteten Verfahren so gezogen werden, dass einerseits der verbleibende Gesetzesteil nicht einen völlig veränderten Inhalt bekommt und dass andererseits die mit der aufzuhebenden Gesetzesstelle in untrennbarem Zusammenhang stehenden Bestimmungen auch erfasst werden (VfSlg 13.965/1994 mwN, 16.542/2002, 16.911/2003).

1.3.1. Die Bundesregierung zieht in ihrer Äußerung die Präjudizialität des §17 AnerbenG in Zweifel. Da eine Berechnung oder Festlegung der Pflichtteilsansprüche im Verfahren vor dem Bezirksgericht Grieskirchen nicht erfolgt sei, sei die Bestimmung nicht zur Anwendung gekommen und wäre auch denkmöglich nicht anzuwenden gewesen. Es bestehe kein untrennbarer Zusammenhang zwischen den angefochtenen Bestimmungen. Eine Beurteilung der behaupteten Verfassungswidrigkeit des §11 AnerbenG sei "ohne Berücksichtigung des §17 AnerbenG" möglich.

1.3.2. §17 erster Satz AnerbenG bestimmt, dass sich die Bemessung der Pflichtteilsansprüche nach dem Übernahmspreis richtet. Die Pflichtteilsberechnung ist insoweit an den nach §11 AnerbenG festgelegten Übernahmspreis gebunden. Die Pflichtteilsberechtigten ("Noterben") können im Verlassenschaftsverfahren keine neuerliche Festlegung des Übernahmspreises verlangen, sofern der Übernahmspreis nicht letztwillig verfügt wurde. Erst mit Festsetzung eines Übernahmspreises kann es zur Zuteilung des Pflichtteils kommen (Probst, aaO, Rz 115 f.). Nach der Systematik des AnerbenG ist die Bestimmung eines Übernahmspreises nach §11 AnerbenG notwendige Voraussetzung für die Festlegung der Pflichtteilsansprüche.

1.3.3. Mit dem Rekurs, aus dessen Anlass der Antrag nach Art140 Abs1 Z1 litd B‑VG gestellt wurde, wendete sich die Antragstellerin gegen den Beschluss, mit dem ihrem Vater als Anerben der Erbhof zugewiesen wurde. Der Anerbe wird durch die Zuweisung mit dem Übernahmspreis zum Schuldner der Verlassenschaft. Mit der Zuweisung wird aber auch eine für alle anderen Beteiligten des Verlassenschaftsverfahrens wesentliche Veränderung des Aktivbestandes der Verlassenschaft wirksam, indem an die Stelle des Erbhofes ihre Forderung gegen den Anerben tritt. Diese Veränderung der Masse durch die Zuweisung ist auch für die Pflichtteilsberechnung maßgebend, weil sie als der wirklichen Zuteilung im Sinne des §786 ABGB vorangehend zu denken ist (vgl. zB OGH 13.10.1982, 6 Ob 9/82).

1.3.4. Die von der Antragstellerin behauptete Verfassungswidrigkeit des §11 AnerbenG ergibt sich erst durch die Anordnung in §17 erster Satz AnerbenG, nämlich dadurch, dass der Übernahmspreis die Grundlage für die Berechnung der Pflichtteilsansprüche zu bilden hat. Die angefochtenen Bestimmungen stehen daher in einem untrennbaren Zusammenhang, weshalb sich der Antrag insoweit – entgegen der Auffassung der Bundesregierung – nicht als unzulässig erweist.

1.4. Die Grenzen der Aufhebung einer auf ihre Verfassungsmäßigkeit zu prüfenden Gesetzesbestimmung sind nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (VfSlg 13.965/1994 mwN, 16.542/2002, 16.911/2003) notwendig so zu ziehen, dass einerseits der verbleibende Gesetzesteil nicht einen völlig veränderten Inhalt erhält und dass andererseits die mit der aufzuhebenden Gesetzesstelle untrennbar zusammenhängenden Bestimmungen auch erfasst werden. Aus dieser Grundposition folgt zunächst, dass im Gesetzesprüfungsverfahren der Anfechtungsumfang der in Prüfung gezogenen Bestimmung bei sonstiger Unzulässigkeit des Antrages nicht zu eng gewählt werden darf (vgl. VfSlg 16.212/2001, 18.142/2007, 19.496/2011).

Demgegenüber macht eine zu weite Fassung den Antrag nicht in jedem Fall unzulässig. Soweit der Antrag nur Bestimmungen erfasst, die im Anlassverfahren präjudiziell sind oder mit solchen untrennbar zusammenhängen, führt dies, ist der Antrag in der Sache begründet, im Fall der Aufhebung nur eines Teils der angefochtenen Bestimmungen zur partiellen Abweisung des Antrages (VfSlg 19.746/2013, VfGH 5.3.2014, G79/2013, V68/2013 ua.; 8.10.2014, G83/2014 ua.); umfasst der Antrag auch Bestimmungen, die im Anlassverfahren offenkundig nicht präjudiziell sind, hat dies – wenn die angefochtenen Bestimmungen insoweit offensichtlich trennbar sind – im Hinblick auf diese Bestimmungen die partielle Zurückweisung des Antrags zur Konsequenz (s. VfSlg 16.246/2001, 16.816/2003, 16.819/2003, 17.572/2005, 18.766/2009); soweit diese Voraussetzungen vorliegen, haben zu weit gefasste Anträge also nicht die Zurückweisung des gesamten Antrages zur Folge (VfSlg 19.746/2013; VfGH 5.3.2014, G79/2013, V68/2013 ua.; 8.10.2014, G83/2014 ua.; 8.10.2015, G154/2015 ua.).

Der Verfassungsgerichtshof kann es dahingestellt sein lassen, ob sich das Bezirksgericht Grieskirchen bei Festlegung des Übernahmspreises allenfalls auch auf die Bestimmung des §11 Abs2 AnerbenG gestützt hat, weil dieser Absatz – dem zufolge auf dem Erbhof betriebene Unternehmen des Erblassers, die nach §2 Abs3 AnerbenG zum Erbhof gehören und wirtschaftlich nicht unbedeutend sind, selbständig zu schätzen und nach dem Verkehrswert im Übernahmspreis zu berücksichtigen sind – mit der unbestrittenermaßen angewendeten Bestimmung des §11 Abs1 AnerbenG jedenfalls in Zusammenhang steht und von dieser Bestimmung nicht offensichtlich trennbar ist.

Dasselbe gilt für das Verhältnis zwischen §17 erster Satz AnerbenG und §17 zweiter Satz AnerbenG. Im zweiten Satz wird angeordnet, dass die §§10 bis 15 AnerbenG für die Noterben sinngemäß gelten. Daraus folgt beispielsweise (vgl. zum Ganzen Kathrein, Anerbenrecht, 1990, §17 AnerbenG, Anm. 1), dass die Ansprüche der Pflichtteilsberechtigten auch durch Grundabtretungen befriedigt werden können; die Mitarbeit der Pflichtteilsberechtigten am Erbhof in den letzten drei Jahren vor dem Tod des Erblassers ist bei Bestimmung der Pflichtteilsansprüche abzugelten (§10 Abs2 und 3 AnerbenG); auch die Bestimmungen über die Auszahlung und Sicherstellung der Abfindungsansprüche (§12 AnerbenG) gelten sinngemäß für die Pflichtteilsberechtigen; ebenso jene betreffend die Versorgungsansprüche nach §13 AnerbenG. Daher stehen auch §17 erster und §17 zweiter Satz AnerbenG miteinander in Zusammenhang und sind nicht offensichtlich trennbar.

1.5. Da auch sonst keine Prozesshindernisse hervorgekommen sind, erweist sich der Antrag als zulässig.

2. In der Sache

Der Antrag ist indes nicht begründet.

2.1. Der Verfassungsgerichtshof hat sich in einem auf Antrag eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes gemäß Art140 B‑VG auf die Erörterung der aufgeworfenen Fragen zu beschränken (vgl. VfSlg 12.691/1991, 13.471/1993, 14.895/1997, 16.824/2003). Er hat sohin ausschließlich zu beurteilen, ob die angefochtene Bestimmung aus den in der Begründung des Antrages dargelegten Gründen verfassungswidrig ist (VfSlg 15.193/1998, 16.374/2001, 16.538/2002, 16.929/2003).

2.2. Zu den Bedenken im Hinblick auf das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Unversehrtheit des Eigentums

:

2.2.1. Die Antragstellerin bringt vor, die angefochtenen Bestimmungen griffen – insbesondere durch die Festlegung des Übernahmspreises nach §11 AnerbenG – so stark in das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Unversehrtheit des Eigentums der "weichenden Erben bzw. der Pflichtteilsberechtigten" ein, dass diese von ihrem Erbteil praktisch nichts mehr hätten. Dieser Eingriff sei unverhältnismäßig.

2.2.2. Den Schutz des Art5 StGG genießt jedes vermögenswerte Privatrecht (vgl. zB VfSlg 8201/1977, 9887/1983, 10.322/1985 und 16.636/2002). Nach der Judikatur des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (vgl. anstelle vieler: EGMR 11.1.2007 [GK], Fall Anheuser-Busch Inc., Appl. 73.049/01, NL 2007, 11 [Z62 ff. mwN]) erfasst Art1 1. ZPEMRK "bestehendes Vermögen" ("existing possessions") und "berechtigte Erwartungen" ("legitimate expectations").

In seinem Urteil im Fall Inze (EGMR 29.10.1987, Fall Inze, Appl. 8695/79, ÖJZ 1988, 177 [Z38 ff.]) hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte im Zusammenhang mit dem vormaligen Kärntner Erbhöfegesetz 1903 (LGBl 33/1903; vgl. nunmehr Kärntner Erbhöfegesetz 1990, BGBl 685/1989) festgehalten, dass die Rechtsstellung eines Erben dann in den Schutzbereich des Art1 1. ZPEMRK fällt, wenn dem Erben – allenfalls als Teil einer Erbengemeinschaft – entsprechend den erbrechtlichen Bestimmungen (§§545, 547, 550 ABGB) ein Recht auf einen Anteil am Nachlass – einschließlich des Erbhofes – zukommt, der Erbe aber aus dem alleinigen Grund seiner unehelichen Geburt jeglicher Möglichkeit, den Erbhof zu übernehmen, beraubt ist.

2.2.2.1. Der von der Antragstellerin der Sache nach geltend gemachte Pflichtteilsanspruch entsteht mit dem Tod des Erblassers. Seine Entstehung ist nicht davon abhängig, dass er geltend gemacht wird (OGH 19.1.1984, 6 Ob 726/83; 18.10.2005, 1 Ob 191/05b). Der Pflichtteilsanspruch geht grundsätzlich auf den Erben des Berechtigten über, wenn letzterer den Tod des ersten Erblassers noch erlebt hat (zB OGH 22.12.1960, 3 Ob 160/60). Das Recht auf den Pflichtteil stellt eine Geldforderung dar (zB OGH 24.4.2003, 3 Ob 98/02m). Die Forderung auf den Pflichtteilsanspruch ist abtretbar (zB OGH 22.12.1960, 3 Ob 160/60). Des Weiteren ist der Pflichtteilsanspruch aufrechenbar, pfändbar und verpfändbar (Scheuba, Pflichtteilsrecht, in: Gruber/Kalss/Müller/Schauer [Hrsg.], Erbrecht und Vermögensnachfolge, 2010, §9 Rz 9 mwN).

2.2.2.2. Der Pflichtteilsanspruch als ein mit dem Tod des Erblassers jedenfalls dem Grunde nach feststehendes Recht an einem Mindestanteil am Nachlass ist daher vom Schutzbereich des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts auf Unversehrtheit des Eigentums umfasst (vgl. Hochhauser, Menschenrechtskonvention und Erbrecht, ÖJZ 2015, 1069 [1075]).

2.2.3. Die angefochtenen Bestimmungen wirken sich auf die betragsmäßige Höhe des Pflichtteils aus und greifen in den Schutzbereich des Art1 1. ZPEMRK und des Art5 StGG ein:

2.2.3.1. Nach §17 erster Satz AnerbenG ist der Berechnung der Pflichtteilsansprüche der Übernahmspreis gemäß §11 AnerbenG zugrunde zu legen. Wird der Übernahmspreis durch die Miterben nicht einvernehmlich festgelegt, so ist dieser durch das Verlassenschaftsgericht unter Berücksichtigung aller auf dem Erbhof haftenden Lasten nach billigem Ermessen auf Grund des Gutachtens zweier bäuerlicher Sachverständiger so zu bestimmen, dass der Anerbe wohl bestehen kann (§11 Abs1 AnerbenG).

Für die Ermittlung des Übernahmspreises nach §11 AnerbenG ist der Ertragswert der entscheidende Orientierungspunkt (zB OGH 5.4.1972, 1 Ob 55/72). Grundsätzlich soll der Anerbe den Übernahmspreis aus den Erträgnissen des Erbhofs bezahlen können (OGH 13.7.2000, 6 Ob 181/00m; 24.4.2003, 6 Ob 53/03t). Da aber wesentlicher Bestimmungsgrund des Übernahmswertes das "Wohlbestehen-Können" des Anerbens ist, kann der Übernahmspreis auch so bestimmt werden, dass er geringer als der Ertragswert ist (OGH 20.2.1986, 6 Ob 2/86). Der Marktwert (Verkehrswert) des Erbhofes liegt daher regelmäßig deutlich über dem Übernahmspreis (Probst, aaO, Rz 89; Scheuba, aaO, Rz 23; vgl. auch zB OGH 10.3.1994, 6 Ob 11/93 mwN).

Zum Kriterium des "Wohlbestehen-Könnens" heißt es in den Erläuternden Bemerkungen zur RV des AnerbenG (76 BlgNR 8. GP , 21):

"Der Übernahmswert, der wegen der daraus abgeleiteten Verpflichtungen des Anerben als Übernahmspreis bezeichnet wird, bildet gegenüber dem Schätzwert im gewöhnlichen Abhandlungsverfahren einen eigenen Begriff. Er hat weder mit dem Einheitswert noch mit dem Ertragswert noch mit dem Verkehrswert etwas gemein, vielmehr wird er außer von sachlichen auch von rein persönlichen Elementen gebildet. Er muß nämlich so beschaffen sein, daß der Anerbe wohl bestehen kann. Es wurde bereits in der Einleitung hervorgehoben, daß die Belastung des Hofübernehmers mit den Abfindungsleistungen gegenüber den weichenden Miterben unter gewöhnlichen Verhältnissen so drückend ist, daß hiedurch der Anerbe Gefahr läuft abzuwirtschaften, oder daß doch die Lebensfähigkeit des Erbhofs darunter leiden könnte. Dies muß, soll das Anerbenrecht das ihm gesteckte Ziel erreichen können, vermieden werden. Das Erfordernis, daß der Anerbe wohl bestehen kann, bedeutet daher, daß er seinen Abfindungsverpflichtungen ohne diese Gefahren nachkommen kann. Freilich darf auch hiebei nicht jedes Maß außer acht gelassen werden. Deshalb ordnet der Entwurf an, daß bei Festsetzung des Übernahmspreises auch die Interessen der weichenden Erben gebührend zu berücksichtigen sind."

2.2.3.2. Das Pflichtteilsrecht soll dem Pflichtteilsberechtigten einen Mindestanteil am Wert des Nachlasses sichern. Für die Pflichtteilsberechnung kommt es somit darauf an, welchen Wert der Nachlass hat (vgl. zB OGH 14.10.1976, 6 Ob 12/76; 22.2.1990, 6 Ob 2/90).

In §11 AnerbenG wird in diesem Zusammenhang eine Bewertungsregel normiert, der zufolge einerseits das "Wohlbestehen-Können" des Anerben, andererseits die Interessen der übrigen Miterben zu veranschlagen sind. Nach §17 erster Satz AnerbenG ist der Übernahmspreis (§11 AnerbenG) der Pflichtteilsberechnung zugrunde zu legen.

2.2.3.3. Durch die angefochtenen Bestimmungen wird das Recht der Pflichtteilsberechtigten am Anteil des Nachlasses der Höhe nach insoweit beschränkt, als durch gesetzliche Regelungen jener Teil der Verlassenschaft, der den anerbenrechtlichen Bestimmungen unterliegt (das ist der Erbhof, vgl. §2 AnerbenG), im Ergebnis regelmäßig niedriger zu bewerten ist, als dies der Fall wäre, wenn anerben- oder entsprechende gewohnheitsrechtliche Regelungen (der in den Anerbengesetzen verankerte Grundsatz, bei der Erbteilung den Übernahmspreis so zu bestimmen, dass der Übernehmer wohl bestehen kann, beruht auf bäuerlichem Gewohnheitsrecht, vgl. zB OGH 25.6.1998, 6 Ob 359/97f) nicht zur Anwendung kämen und der Wert der Verlassenschaft ohne Rücksicht auf das "Wohlbestehen-Können" des Übernehmers zu bestimmen wäre.

2.2.4. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (vgl. dazu VfSlg 6780/1972 und die dort angeführte Vorjudikatur; VfSlg 12.227/1989, 15.367/1998, 15.771/2000) gilt der erste Satz des Art5 StGG auch für Eigentumsbeschränkungen. Der Gesetzgeber kann angesichts des in Art1 1. ZPEMRK enthaltenen Gesetzesvorbehalts Eigentumsbeschränkungen verfügen, sofern er dadurch nicht den Wesensgehalt des Grundrechtes der Unversehrtheit des Eigentums berührt oder in anderer Weise gegen einen auch ihn bindenden Verfassungsgrundsatz verstößt (vgl. VfSlg 9189/1981, 10.981/1986 und 15.577/1999), soweit die Eigentumsbeschränkung im öffentlichen Interesse liegt (vgl. zB VfSlg 9911/1983, 14.535/1996, 15.577/1999 und 17.071/2003) und nicht unverhältnismäßig ist (vgl. etwa VfSlg 13.587/1993, 14.500/1996, 14.679/1996, 15.367/1998 und 15.753/2000).

2.2.5. Dem einfachen Gesetzgeber ist bei der Entscheidung, welche (etwa auch agrarpolitischen) Ziele er mit seiner Regelung verfolgt, innerhalb der Schranken der Verfassung ein weiter rechtspolitischer Gestaltungsspielraum eingeräumt. Der Verfassungsgerichtshof hat nicht zu beurteilen, ob die Verfolgung eines bestimmten Zieles etwa aus agrarpolitischen Gründen zweckmäßig ist (VfSlg 12.082/1989). Er kann dem Gesetzgeber nur entgegentreten, wenn dieser Ziele verfolgt, die keinesfalls als im öffentlichen Interesse liegend anzusehen sind (vgl. zB VfSlg 9911/1983, 11.276/1987, 11.503/1987, 11.910/1988, 12.009/1989, 12.082/1989, 12.094/1989 uvm.).

Das Ziel der Erhaltung von leistungsfähigen mittleren land- und forstwirtschaftlichen Betrieben und die Sicherstellung einer leistungsfähigen mittelständigen landwirtschaftlichen Struktur (s. dazu schon VfSlg 2452/1952; vgl. auch zB OGH 17.10.1985, 6 Ob 30/85) liegt im öffentlichen Interesse (vgl. nur VfSlg 12.082/1989, 16.699/2002, 17.320/2004, 18.554/2008, 19.225/2010, 19.738/2013 uvm.).

Die angefochtenen Bestimmungen sind nicht von vorneherein ungeeignet, das genannte Ziel zu erreichen.

2.2.6. Die durch die angefochtenen Bestimmungen bewirkte Eigentumsbeschränkung ist auch verhältnismäßig.

2.2.6.1. Die Anwendung anerbenrechtlicher Bestimmungen und insbesondere der §§11 und 17 AnerbenG bedeutet für den Pflichtteilsberechtigten regelmäßig, dass jener Geldbetrag, den er als Pflichtteil erhält, niedriger ausfällt, als in jenen Fällen, in denen der Wert einer Verlassenschaft alleine nach den allgemeinen Bestimmungen des ABGB (vgl. §§305, 306, 784 ff.) und insbesondere ohne Berücksichtigung des "Wohlbestehen-Könnens" des Hofübernehmers zu ermitteln ist (s. dazu schon oben 2.2.3.3).

2.2.6.2. Die Antragstellerin vermeint, die angefochtenen Bestimmungen führten vor dem Hintergrund des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts auf Unversehrtheit des Eigentums zu "sachlich nicht gerechtfertigten Ergebnissen". Der auf Grundlage des §11 AnerbenG festgesetzte Übernahmspreis entspreche bei Weitem dem "tatsächlichen Wert" der Verlassenschaft nicht.

2.2.6.3. Mit dem Ziel des geschlossenen Übergangs von landwirtschaftlichen Betrieben im Erbgang, das er zulässigerweise als im öffentlichen Interesse gelegen ansehen kann, und dem Begriff des "Wohlbestehen-Könnens" knüpfte der Gesetzgeber des AnerbenG an historische Gegebenheiten bei der Übergabe von landwirtschaftlichen Betrieben an (EB zur RV des AnerbenG, 76 BlgNR 8. GP , 9). Dabei kann der Gesetzgeber vertretbarerweise von einem Interesse des Erblassers an der Erhaltung des Betriebs in der Hand eines Anerben ausgehen.

2.2.6.4. Das im öffentlichen Interesse gelegene Ziel, das mit dem AnerbenG ausgestaltet wird, wiegt schwerer als das Interesse der Pflichtteilsberechtigten, den Übernahmspreis nach einem wie immer gearteten "tatsächlichen Wert" zu bemessen. Die für die Pflichtteilsberechtigten bewirkte Eigentumsbeschränkung geht zudem nicht über ein Maß hinaus, das der Verwirklichung der mit dem AnerbenG verfolgten Ziele dient.

2.2.6.5. Es liegt im rechtspolitischen Spielraum des Gesetzgebers,

die im überwiegenden öffentlichen Interesse gelegenen Ziele des AnerbenG auch durch Bestimmungen zu verfolgen, denen zufolge der Übernahmspreis nicht alleine nach dem Verkehrswert des Erbhofes zu bestimmen ist. Wie schon aus dem oben (2.2.3.1) wörtlich wiedergegebenen Auszug aus den Erläuternden Bemerkungen zur RV des AnerbenG hervorgeht, wäre die Belastung des Hofübernehmers in dem Fall, in dem er die weichenden Erben und Pflichtteilsberechtigten "unter gewöhnlichen Verhältnissen", das heißt ohne Berücksichtigung seines "Wohlbestehen-Könnens" abfinden müsste, für den Anerben und den Betrieb regelmäßig existenzgefährdend. Die finanziellen Lasten, die dadurch dem Anerben überbürdet würden, könnte er aus den Erträgen des Betriebs vielfach nicht tragen. Dies hätte zur Folge, dass er gezwungen wäre, zumindest Teile des Erbhofes zu veräußern oder diesen zu zerschlagen (so auch BVerfGE 91, 346 [362]).

2.2.6.6. Die Bestimmungen des AnerbenG zielen darauf ab, dass der Erbhof vom Anerben auch tatsächlich fortgeführt wird. In diesem Sinne wird schon der Begriff des Erbhofes, der auch den Anwendungsbereich des AnerbenG bestimmt, in §1 Abs1 AnerbenG so abgegrenzt, dass nur land- und forstwirtschaftliche Betriebe umfasst sind, die "mindestens einen zur angemessenen Erhaltung von zwei erwachsenen Personen ausreichenden, jedoch das Zwanzigfache dieses Ausmaßes nicht übersteigenden Durchschnittsertrag haben". Damit wird sichergestellt, dass nur entsprechend potentiell ertragreiche bäuerliche Betriebe in einer den Zielen des Gesetzgebers entsprechenden Art in den Anwendungsbereich des AnerbenG fallen:

Durch §2 AnerbenG wird der "Umfang" des Erbhofes bestimmt. Nicht zum Erbhof gehörendes Vermögen, insbesondere auch die auf dem Erbhof betriebenen Unternehmen, die nicht den Kriterien des §2 Abs3 AnerbenG entsprechen, ist bei der Berechnung der Pflichtteilsansprüche nach den allgemeinen Regeln des ABGB zu veranschlagen (so ausdrücklich der Bericht des Justizausschusses zu §17 AnerbenG, 445 BlgNR 8. GP , 2).

Daneben enthält das AnerbenG weitere Regelungen, die zur Erreichung der Ziele und zur Verhältnismäßigkeit der Bestimmungen beitragen. Der II. Abschnitt des AnerbenG (§§3-9) enthält Bestimmungen betreffend den Anerben. Für den Fall der gesetzlichen Erbfolge enthält §5 AnerbenG Ausschlussgründe, die auf die Fähigkeit des nach §3 AnerbenG berufenen Anerben abstellen, den Erbhof auch tatsächlich zu bewirtschaften.

Führt der Anerbe den Erbhof nicht fort oder veräußert er auch nur Teile des Erbhofes, so kommt es zur Nachtragserbteilung (§18 AnerbenG). Durch die Bestimmung des §18 AnerbenG ist gewährleistet, dass dann, wenn der Anerbe binnen zehn Jahren nach dem Tod des Erblassers das Eigentum am ganzen Erbhof oder an dessen Teilen durch ein oder mehrere Rechtsgeschäfte unter Lebenden auf einen anderen überträgt, er jenen Betrag herauszugeben hat, um den der bei einem Verkauf des Erbhofs oder seiner Teile erzielbare Erlös den inneren Wert des seinerzeitigen Übernahmspreises übersteigt (vgl. zB OGH 10.3.1994, 6 Ob 11/93 mwN). Dies gilt sinngemäß auch für die Veräußerung im Fall der Zwangsversteigerung (§18 Abs2 AnerbenG). Eine Nachtragserbteilung nach §18 AnerbenG können u.a. auch Pflichtteilsberechtigte beantragen (§18 Abs4 AnerbenG).

2.2.6.7. Schließlich tragen auch die den weichenden Erben und Pflichtteilsberechtigten zukommenden Abgeltungs- und Versorgungsansprüche (vgl. §10 Abs3 AnerbenG betreffend Mitarbeit am Erbhof und §13 AnerbenG betreffend bestimmte Ansprüche minderjähriger oder nicht selbsterhaltungsfähiger Abkömmlinge des Erblassers) sowie die Sicherstellung der Abfindungsansprüche (§12 AnerbenG) zur Verhältnismäßigkeit der angefochtenen Bestimmungen in ihrem systematischen Zusammenhang bei.

2.2.7. Die angefochtenen Bestimmungen verstoßen aus diesen Gründen nicht gegen das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Unversehrtheit des Eigentums.

2.3. Zu den Bedenken im Hinblick auf das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz:

2.3.1. Die Antragstellerin bringt vor, die angefochtenen Bestimmungen verletzten das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz. Ein eigenes bäuerliches Erbrecht mit besonderen Vorschriften, wie dem §11 AnerbenG, verstoße gegen den Gleichheitsgrundsatz, wenn man davon ausgehe, dass ähnlich strukturierte Gewerbebetriebe "im Hinblick auf den Unternehmensschutz" nicht im selben Maß privilegiert seien. Zudem sei "eine sachliche Rechtfertigung dafür, Miterben und Pflichtteilsberechtigte nach einer Verlassenschaft wie der verfahrensgegenständlichen durch das Vorsehen eines stark geminderten Übernahmspreises in ihrem Erbrecht zu beschneiden" nicht ersichtlich.

2.3.2. Der Gleichheitsgrundsatz bindet auch den Gesetzgeber (s. etwa VfSlg 13.327/1993, 16.407/2001). Er setzt ihm insofern inhaltliche Schranken, als er verbietet, sachlich nicht begründbare Regelungen zu treffen (vgl. zB VfSlg 14.039/1995, 16.407/2001). Innerhalb dieser Schranken ist es dem Gesetzgeber jedoch von Verfassungs wegen durch den Gleichheitsgrundsatz nicht verwehrt, seine politischen Zielvorstellungen auf die ihm geeignet erscheinende Art zu verfolgen (s. etwa VfSlg 16.176/2001, 16.504/2002). Diese Schranken sind im vorliegenden Fall nicht überschritten. Ob eine Regelung zweckmäßig ist und das Ergebnis in allen Fällen als befriedigend empfunden wird, kann nicht mit dem Maß des Gleichheitssatzes gemessen werden (zB VfSlg 14.301/1995, 15.980/2000 und 16.814/2003).

2.3.3. Mit ihrem diesbezüglichen Vorbringen ist die Antragstellerin nicht im Recht. Aus den oben zur Eigentumsgarantie (2.2) dargelegten Gründen sind die angefochtenen Bestimmungen auch mit Blick auf den Gleichheitsgrundsatz unbedenklich.

Vor dem Hintergrund des Gleichheitsgrundsatzes und angesichts des verfolgten gesetzgeberischen Ziels ist es insbesondere nicht zu beanstanden, wenn der Gesetzgeber Regelungen trifft, die der Erhaltung und der Einheit von Betrieben dienen, zumal im Bereich der Landwirtschaft Ertrags- und Verkehrswert stark auseinanderklaffen können (s. wiederum EB zur RV des AnerbenG, 76 BlgNR 8. GP , 21). Die besonderen Bestimmungen hinsichtlich der Bemessung des Übernahmspreises, der der Pflichtteilsberechnung entsprechend den angefochtenen Vorschriften zugrunde zu legen ist, liegen daher im gesetzgeberischen Gestaltungsspielraum.

2.3.4. Die Antragstellerin führt des Weiteren aus, dass Betriebe, "die auch nur in geringem Ausmaß landwirtschaftlich genutzt sind, […] – wie im gegenständlichen Fall das Gut A., das auch ein Schloss umfasst – in den Anwendungsbereich des AnerbenG" fielen und dies dem aus dem Gleichheitsgrundsatz entspringenden Gebot einer differenzierenden Regelung widerspreche.

Wie ebenfalls bereits oben (2.2.6.6) dargelegt wurde, wird in §2 Abs1 iVm §1 AnerbenG gerade auf Betriebe abgestellt, die "den Zwecken der Landwirtschaft dienen" (§2 Abs1 AnerbenG) und aus land- und forstwirtschaftlicher Nutzung von Grund und Boden einen bestimmten Mindestertrag hervorbringen (§1 Abs1 AnerbenG). Inwieweit ein Schloss (das ausweislich der Angaben im Antrag als Veranstaltungszentrum genutzt wird) zu einem Erbhof gehören kann, ist eine Frage der Anwendung des §2 AnerbenG, ebenso wie jene, ob auf dem Erbhof betriebene Unternehmen des Erblassers, die nach §2 Abs3 AnerbenG zum Erbhof gehören und wirtschaftlich nicht unbedeutend sind, selbständig zu schätzen und nach dem Verkehrswert zu berücksichtigen sind (§11 Abs2 AnerbenG).

Derartige Fragen der Anwendung von Gesetzen, wenn sie auch angefochtene Bestimmungen teilweise berühren mögen, namentlich §11 Abs2 AnerbenG, sind vom Verfassungsgerichtshof bei der Entscheidung über Anträge nach Art140 Abs1 Z1 litd B‑VG nicht zu prüfen (VfGH 2.7.2015, G145/2015).

Nichtsdestoweniger ist festzuhalten, dass die Bestimmung des §11 Abs2 AnerbenG zur Sachlichkeit der angefochtenen Vorschriften beiträgt. Sie stellt sicher, dass die im überwiegenden öffentlichen Interesse gelegene Festlegung des Übernahmspreises (auch) nach dem Kriterium des "Wohlbestehen-Könnens" (§11 Abs1 AnerbenG) nur in jenem Umfang zur Anwendung kommt, in dem es zur Erreichung der Ziele des AnerbenG unbedingt erforderlich ist. Allfällige Defizite in der Vollziehung des §11 Abs2 AnerbenG im Einzelfall führen nicht zu einer Verfassungswidrigkeit der angefochtenen Bestimmungen (vgl. zB VfSlg 19.639/2012).

2.3.5. Des Weiteren bringt die Antragstellerin vor, es stelle eine Gleichheitswidrigkeit dar, dass der Erblasser nach §8 Abs6 AnerbenG die Anwendung des AnerbenG abbedingen könne. Ungeachtet des Umstandes, dass die genannte Bestimmung nicht angefochten wurde, führt die Regelung, der zufolge der Erblasser durch letztwillige Verfügung die Anwendung des AnerbenG abbedingen kann, nicht zur Unsachlichkeit der angefochtenen Bestimmungen.

§8 Abs6 AnerbenG ist vielmehr Ausdruck der dem Erblasser zukommenden Testierfreiheit. Hinterlässt dieser aber keine letztwillige Verfügung oder kommt in der letztwilligen Verfügung zum Ausdruck, dass die Bestimmungen des AnerbenG zur Anwendung kommen sollen, so ist dem Gesetzgeber im Zusammenhang mit erbrechtlichen Regelungen im Rahmen seines rechtspolitischen Gestaltungsspielraums nicht entgegenzutreten, wenn er für bäuerliche Betriebe mit dem Ziel ihrer ungeteilten Erhaltung im überwiegenden öffentlichen Interesse gelegene besondere Regelungen vorsieht und dabei Abweichungen vom allgemeinen Pflichtteilsrecht zulässt (s. 2.2.3).

2.3.6. Schließlich begegnet es unter dem Gesichtspunkt des Gleichheitsgrundsatzes keinen Bedenken, dass das AnerbenG kraft der Anordnung in dessen §21 in den Ländern Kärnten und Tirol nicht gilt, zumal in diesen Ländern Regelungen mit vergleichbarem Inhalt gelten (Kärntner Erbhöfegesetz 1990, BGBl 658/1989 idF BGBl I 87/2015; Tiroler Höfegesetz, GVBlTirVbg. 47/1900 idF BGBl I 87/2015) und Bedenken gegen Unterschiede in den Regelungen nicht vorgetragen wurden.

2.4. Zu den Bedenken im Hinblick auf das Legalitätsprinzip:

2.4.1. Die Antragstellerin bringt vor, §11 AnerbenG sei verfassungswidrig, da die Formulierung, "daß der Anerbe wohl bestehen kann" das "Kriterium einer hinreichenden Bestimmung im Zusammenhang mit der gesamten Bestimmung" nicht erfülle. Auch dieses Bedenken trifft nicht zu.

2.4.2. Das im Art18 Abs1 B‑VG verankerte Rechtsstaatsprinzip gebietet, dass Gesetze einen Inhalt haben müssen, durch den das Verhalten der Vollziehung vorherbestimmt ist. Es ist jedoch verfassungsgesetzlich zulässig, wenn der einfache Gesetzgeber der Vollziehung ein Auswahlermessen einräumt und die Auswahlentscheidung an – die Vollziehung bindende – Kriterien knüpft (vgl. zB VfSlg 5810/1968, 12.399/1990, 12.497/1990, 16.625/2002). Dass der Gesetzgeber bei der Beschreibung und Formulierung dieser Kriterien unbestimmte Gesetzesbegriffe verwendet, dadurch zwangsläufig Unschärfen in Kauf nimmt und von einer exakten Determinierung des Vollziehungshandelns Abstand nimmt, kann im Hinblick auf den Regelungsgegenstand erforderlich sein, steht aber grundsätzlich in Einklang mit Art18 Abs1 B‑VG (vgl. die Judikatur des Verfassungsgerichtshofes zum "differenzierten Legalitätsprinzip", VfSlg 13.785/1994 mwN).

2.4.3. Wie bereits erwähnt (s. oben 2.2.6.3), handelt es sich beim Kriterium des "Wohlbestehen-Könnens" und bei der entsprechenden Formulierung in §11 Abs1 AnerbenG um einen Rechtsbegriff, der im Anerbenrecht seit langem verwendet wird und inhaltlich ohne weiteres fassbar ist. Diese Formulierung wurde beispielsweise schon in §5 des Franziszeischen Erbfolgepatents vom 9. Oktober 1795, JGS 258 ("Im Falle der Schätzung ist der Werth […] zu bestimmen, daß der eintretende Besitzer auf dem Gute wohl bestehen könne."), und in §7 erster Satz des Gesetzes vom 1. April 1889 betreffend die Einführung besonderer Erbtheilungsvorschriften für landwirtschaftliche Besitzungen besonderer Größe, RGBl. 52/1889 ("Der Wert des Hofes wird […] nach billigem Ermessen, daß der Hofübernehmer wohl bestehen kann, bestimmt."), verwendet. Entsprechend umfangreich ist die Judikatur der Zivilgerichte und des Obersten Gerichtshofes zum Kriterium des "Wohlbestehen-Könnens". Leitlinie dieser Judikatur war und ist – in Übereinstimmung mit den Erläuternden Bemerkungen zur RV des AnerbenG (76 BlgNR 8. GP , 21) –, dass das Kriterium des "Wohlbestehens-Könnens" so zu verstehen ist, dass der Anerbe seinen Abfindungsverpflichtungen ohne Gefährdung des wirtschaftlichen Bestands des von ihm fortzuführenden Erbhofes nachkommen kann (vgl. zB OGH 17.10.1985, 6 Ob 30/85; 14.7.1988, 6 Ob 16/88; 10.3.1994, 6 Ob 11/93; 24.3.2003, 6 Ob 53/03t; uvm.).

2.4.4. Angesichts dessen kann keine Rede davon sein, dass §11 AnerbenG in einem solchen Maße unbestimmt wäre, dass seine Auslegung für den Normunterworfenen nicht vorhersehbar wäre, wie dies die Antragstellerin behauptet. Die Bestimmung bietet Gewähr dafür, dass die Bemessung des Übernahmspreises den Umständen des Einzelfalles jeweils gerecht werden kann. Sie verstößt nicht gegen Art18 Abs1 B‑VG.

V. Ergebnis

1. Die Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit der §§11 und 17 AnerbenG treffen nicht zu. Der Antrag ist abzuweisen.

2. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

3. Den beteiligten Parteien sind die für die abgegebene Äußerung begehrten Kosten nicht zuzusprechen, weil es im Falle eines Antrages nach Art140 Abs1 Z1 litd B‑VG Sache des zuständigen ordentlichen Gerichtes ist, über allfällige Kostenersatzansprüche nach den für sein Verfahren geltenden Vorschriften zu erkennen.

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