OGH 6Ob2/90

OGH6Ob2/9022.2.1990

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Samsegger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schobel, Dr. Schlosser, Dr. Redl und Dr. Kellner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Anna G***, Hausfrau, Dorf 4, 6071 Aldrans, vertreten durch Dr. Josef Posch, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagte Partei Josef N***, Landwirt, Lorettoweg 1, 6065 Thaur, vertreten durch Dr. Rudolf Wieser, Dr. Friedrich Hohenauer und Dr. Martin Zanon, Rechtsanwälte in Innsbruck, wegen S 3,768.434,- s.A. (Revisionsinteresse S 2,108.434,- s.A.) infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 23. Oktober 1989, GZ 4 R 235/89-47, womit infolge der Berufungen beider Parteien das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 13. März 1989, GZ 7 Cg 90/86-41, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 21.660,57 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 3.610,10 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Vater der Streitteile, Josef N*** sen., verstarb am 5. März 1983. Mangels Nachlaßvermögens unterblieb eine Verlassenschaftsabhandlung (§ 72 Abs 1 AußStrG). Er war früher Eigentümer des geschlossenen Hofes "Schott" in Thaur, den er bis zum Sommer 1969 selbst bewirtschaftet hatte.

Mit Vertrag vom 12. August 1969 übergab er seinen Liegenschaftsbesitz in der Katastralgemeinde Thaur (Einlagezahlen 22 I, 105 II, 108 II, 109 II, 321 II, 467 II, 841 II, 897 II, 979 II, 1298 II, 1317 II und 1428 II) mit Ausnahme von fünf Grundstücken dem Beklagten, ließ sich von diesem ein im Vertrag näher umschriebenes lebenslanges und unentgeltliches Ausgedinge einräumen und verpflichtete den Beklagten zur Zahlung von "Erbentrichtungsforderungen" an seine vier Schwestern in der Gesamthöhe von S 180.000,- (darunter die Klägerin mit einem Betrag von S 100.000,-).

Zum Nachlaß nach der im Dezember 1959 verstorbenen Mutter der Streitteile waren deren Ehegatte Josef N*** sen. zu einem Viertel und die fünf Kinder zu je drei Zwanzigstel als gesetzliche Erben berufen. Aufgrund eines Erbübereinkommens, mit welchem der Vater der Streitteile auf die Zuweisung von Grundstücken verzichtete, wurde der Liegenschaftsbesitz der Erblasserin unter ihre Kinder aufgeteilt, deren Vater jedoch der lebenslange Fruchtgenuß an sämtlichen Liegenschaften eingeräumt. Der Klägerin wurden dabei die Grundstücke 2452 und 2453 je KG Thaur im Ausmaß von 4838 m2 und dem Beklagten die Grundstücke 1407, 1627 und 1628 im Gesamtausmaß von 4305 m2 überlassen.

Mit Notariatsakt vom 12. Dezember 1979 schenkte Josef N*** sen. dem Beklagten seine Liegenschaft EZ 110 II KG Heilig-Kreuz. Der Beklagte ließ sie dem geschlossenen Hof "Schott" (EZ 22 I KG Thaur) zuschreiben. Mit notarieller Löschungsquittung vom 2. November 1979 bestätigten die Schwestern des Beklagten, die übergabsvertraglichen Erbentrichtungsforderungen vom Beklagten erhalten zu haben, doch behielt sich die Klägerin darin Pflichtteilsergänzungsforderungen ausdrücklich vor.

Die Klägerin begehrte - nach Klagseinschränkungen - zuletzt die Verurteilung des Beklagten zur Zahlung von S 3,768.434,- s.A. und brachte hiezu vor, sie sei durch die Schenkungen ihres Vaters an den Beklagten in ihren Pflichtteilsansprüchen nach ihnen verkürzt worden. Die Liegenschaft in Heilig-Kreuz habe der Beklagte als Bauland um 10,5 Mio S verkauft. Auch dem Übergabsvertrag vom 12. August 1969 komme ganz überwiegend Schenkungscharakter zu, sodaß auch die damit übergebenen Vermögenswerte bei der Pflichtteilsberechnung so weit in Anschlag zu bringen seien, als darin eine Schenkung zu erkennen sei. Der geschlossene Hof sei mit 15 Mio S, die zum Hof gehörigen walzenden Grundstücke seien mit 13 Mio S zu bewerten. Berücksichtige man ferner, daß zwei dem geschlossenen Hof zugeschriebene Grundstücke als Bauland einen zusätzlichen Wert von 15 Mio S repräsentierten, seien dem Beklagten im Schenkungswege Vermögenswerte von zumindest etwa 50 Mio S zugekommen.

Der Beklagte bestritt die für die Annahme einer gemischten Schenkung erforderliche Absicht der Vertragsteile und wendete ferner ein, daß die Liegenschaften zwecks Pflichtteilsberechnung vorzüglich zum Ertragswert und vor allem so zu schätzen seien, daß der Übernehmer wohl bestehen könne. Die nunmehr überdurchschnittliche Ertragslage des Hofes sei ausschließlich der Tätigkeit des Beklagten und dessen Ehegattin zuzuschreiben. Berücksichtige man, daß der Beklagte nicht nur Gegenleistungen zu erbringen gehabt, sondern auch Schulden übernommen und den zuletzt kranken Vater weit über das vereinbarte Ausgedinge hinaus Leistungen erbracht habe, könne von einer Schenkung keine Rede sein, sodaß die Klägerin in ihrem Pflichtteilsanspruch nicht verkürzt sei.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren mit S 2,150.000,- s.A. statt und wies das Mehrbegehren von S 1,618.434,- s.A. ab. Es stellte - soweit dies für die Erledigung der Revision der Klägerin bedeutsam ist - fest:

Bei der Übergabe des Hofes an den Beklagten umfaßte der Gutsbestand etwa 13,5 ha Grundflächen. Da damals noch kein Flächenwidmungsplan erlassen war, war keines der zum Hof gehörigen Grundstücke reines Bauland. Die zum Hof gehörigen Grundflächen bildeten und bilden eine wirtschaftliche und funktionelle Einheit. Bei der Hofübergabe wurde in erster Linie Rinderzucht betrieben. Der Beklagte hat die Bewirtschaftung jedoch allmählich auf reinen Feldgemüsebau umgestellt.

Der Ertragswert des Hofes bei Übergabe an den Beklagten ist - abzüglich der Ausgedingsleistungen - mit S 1,031.500,-, sein Verkehrswert unter Einbeziehung der zum geschlossenen Hof gehörigen und der walzenden Grundstücke sowie der Baulichkeiten und des Inventars nach Abzug der Belastungen als Zerstückelungswert mit S 7,795.217,- und nach Abschlag von 20 % als "bereinigter Verkehrswert der Gesamtliegenschaft" mit S 6,236.174,- anzunehmen. Würde man den geschlossenen Hof nach dem Ertragswert und die walzenden Grundstücke nach dem Verkehrswert schätzen, ergäbe sich bei Hofübergabe ein bereinigter Gesamtwert von S 3,476.553,-. Bei Ableben des Vaters der Streitteile war dem geschlossenen Hof unter Einschluß der walzenden Grundstücke ein Ertragswert von S 1,856.700,- und ein bereinigter Gesamtverkehrswert von S 26,762.707,- beizumessen.

Von der Gemeinde Thaur ist auch für die im landwirtschaftlichen Mischgebiet liegenden Grundstücke jederzeit die Baubewilligung zu erreichen. Es konnte nicht festgestellt werden, daß sich der Vater der Streitteile bei der Hofübergabe mit vom Vertragstext abweichenden Absichten getragen hätte.

Der Übernahmswert ("Wohlbestehenswert") der übergebenen Liegenschaften betrug bei der Hofübergabe (1969) S 2,029.288,-, bei Ableben des Übergebers S 10,420.766,- und bei Schluß der Verhandlung S 12,356.383,-. Dem Grundstück 3855 KG Heilig-Kreuz (13.159 m2) waren bei der Übergabe (1979) ein Ertragswert von S 177.646,- und ein Verkehrswert von S 9,450.000,-, bei Ableben des Vaters der Streitteile ein Ertragswert von S 213.175,- bzw. ein Verkehrswert von S 15,790.800,- und bei Schluß der Verhandlung ein solcher von S 17,317.244,- beizumessen. Der Beklagte verkaufte dieses Grundstück am 9. Februar 1983 der Tiroler Ärztekammer um den im Vertrag ausgewiesenen Preis von 10,5 Mio S. Diesen Betrag investierte der Beklagte in seinen landwirtschaftlichen Betrieb.

Anläßlich ihrer Verehelichung (1966) erhielt die Klägerin von ihrem Vater ein Sparbuch mit einem Einlagestand von S 80.000,- teils als Ausstattung, teils als Abgeltung für jahrelange unentgeltliche Mitarbeit auf dem Hof. Anfang November 1968 erlitt der Vater der Streitteile einen Schlaganfall, von dem er sich nicht mehr richtig erholte. In den letzten Jahren vor seinem Tode mußte der Beklagte erhebliche Kosten für Pflege und medizinische Betreuung seines Vaters aufwenden.

Rechtlich meinte das Erstgericht, der Wert eines dem Tiroler Höfegesetz unterliegenden Hofes sei zwecks Pflichtteilsberechnung nach billigem Ermessen derart zu bestimmen, daß der Übernehmer wohl bestehen könne. Dieser Grundsatz sei auch bei Beurteilung der Frage, ob eine Schenkung anzunehmen sei, zu berücksichtigen. Unter Bedachtnahme auf das Wohlbestehenkönnen und auf den Verkehrswert sei der Übernahmswert der Liegenschaften bei Übergabe mit etwa 2 Mio S zu bestimmen. Die mit S 196.000,- zu bewertenden Ausgedingsleistungen seien dabei bereits in Anschlag gebracht. Da die Erbentrichtungsforderungen der Schwestern des Beklagten erst bei Ableben des Übergebers fälliggestellt worden seien, habe sie der Beklagte bis dahin bereits erwirtschaften können. Bei Bedachtnahme auf diese Umstände sei eine gemischte Schenkung im Verhältnis 4 : 1 anzunehmen. Die in Anschlag zu bringenden Schenkungen seien mit dem Wert beim Empfang einzuschätzen, dabei aber auch selbst unbekannte wertändernde Umstände zu berücksichtigen. Im Ergebnis seien deshalb auch unbewegliche Sachen auf den Zeitpunkt des Erbanfalls zu schätzen; weitere Aufwertungen seien dagegen nicht vorzunehmen. Der Übernahmswert des Hofes sei beim Ableben des Übergebers mit 10 Mio S anzunehmen. Vier Fünftel hievon seien der Berechnung des Schenkungspflichtteiles zugrundezulegen. Die Liegenschaft in Heilig-Kreuz sei als Schenkung zur Gänze mit dem tatsächlichen gemeinen Wert von 15,8 Mio S in die Pflichtteilsberechnung einzubeziehen. Unter Bedachtnahme auf den Wert der dem Beklagten gleichfalls übergebenen Krippe von S 300.000,- errechne sich eine Bemessungsgrundlage von 24,1 Mio S und damit ein Pflichtteil in Höhe eines Zehntels hievon im Betrag von S 2,410.000,-, von welchem allerdings die auf S 182.078,- aufzuwertenden Erbentrichtungszahlungen abzuziehen seien. Der rechnerische Pflichtteilsanspruch betrage mithin S 2,227.922,-. Ziehe man davon einen Teil der der Klägerin vom Übergeber überlassenen Spareinlage ab, so gebühre ihr noch ein Pflichtteil von S 2,150.000,-. Das Berufungsgericht gab dem Klagebegehren mit

S 1,660.000,- s.A. bei Exekution in die Liegenschaften Einlagezahlen EZ 90.022, 105 und 109 alle KG Thaur statt und wies das Mehrbegehren von S 2,108.434,- ab. Es stellte nach teilweiser Beweiswiederholung bzw. Ergänzung der erstinstanzlichen Verhandlung fest, daß der Liegenschaft EZ 110 II KG Heilig-Kreuz beim Ableben des Vaters der Streitteile ein Verkehrswert von 10,5 Mio S beizumessen war. Die Mutter der Streitteile starb am 14. Dezember 1959 ohne Hinterlassung einer letztwilligen Verfügung. Zum Nachlaß gaben der erbl. Witwer zu einem Viertel und die fünf Kinder je zu drei Zwanzigstel die bedingte Erbserklärung aufgrund des Gesetzes ab. Der reine Nachlaß betrug S 205.578,19. Der Vater der Streitteile verzichtete zwar nicht auf seinen Erbteil, beanspruchte aber im Erbübereinkommen keine Grundstücke. Hieraus erlangte die Klägerin keinen Vorteil. Die ihr zugewiesenen Grundstücke hatten einen Wert von S 27.000,-, wogegen sich der Wert der dem Beklagten zugekommenen Grundstücke auf

S 65.786,- belief. Während der Wert der der Klägerin überlassenen Grundstücke ihren gesetzlichen Erbteil nicht überstieg, erreichte der Wert der Grundstücke des Beklagten etwa das Doppelte seines Erbteils.

In Erledigung der Berufung der Klägerin führte das Gericht zweiter Instanz aus, es sei unbestritten geblieben, daß die dem Beklagten gleichzeitig mit dem Hof übergebenen walzenden Grundstücke mit diesem eine wirtschaftliche und funktionelle Einheit gebildet hätten. Die Wahl der Bewertungsmethode sei rechtliche Beurteilung. Die höferechtlichen Vorschriften gälten nur für geschlossene Höfe und seien mit auf walzende Grundstücke nicht unmittelbar anzuwenden. Der Grundsatz, der Übernahmswert sei so zu bestimmen, daß der Übernehmer wohl bestehen könne, sei bäuerliches Gewohnheitsrecht, auf das auch außerhalb des Anerbenrechtes stets Bedacht zu nehmen sei. Das Erstgericht habe deshalb auch bei den walzenden Grundstücken zu Recht auf diesen Grundsatz Bedacht genommen. Selbst wenn dieser Grundsatz bei solchen Grundstücken nicht uneingeschränkt anzuwenden sei, sei für die Klägerin nichts gewonnen, weil das Erstgericht bei der Liegenschaft in Heilig-Kreuz ohnedies allein vom Verkehrswert ausgegangen sei, obgleich entgegen § 24 Abs 1 TirHG nicht der ganze Hof, sondern nur ein einzelnes Grundstück veräußert worden sei. Daß einzelne der zum geschlossenen Hof gehörigen Grundstücke Bauland seien, hätten der Sachverständige und ihm folgend das Erstgericht bei der Bestimmung des Übernahmswertes bereits berücksichtigt. Allerdings sei der Übernahmswert auf 10,5 Mio S aufzurunden. Damit erhöhe sich der Pflichtteilsanspruch der Klägerin um S 40.000,-, sodaß ihre Berufung insofern berechtigt erscheine. Zu Recht habe das Erstgericht einen Teil des der Klägerin von ihrem Vater überlassenen Sparbuches in den Pflichtteil eingerechnet, weil feststehe, daß es zum Teil auch der Ausstattung der Klägerin gedient habe. Die vom Erstgericht nach § 273 ZPO vorgenommene Aufteilung der Spareinlage auf Ausstattung und Arbeitsabgeltung begegne keinen Bedenken.

Zur Berufung des Beklagten führte das Gericht zweiter Instanz aus, eine gemischte Schenkung, gegen deren Annahme sich jener wende, liege vor, wenn die Vertragsteile einen aus entgeltlichen und unentgeltlichen Elementen gemischten Vertrag hätten schließen wollen. Auch die gemischte Schenkung bedürfe einer sich darauf beziehenden Absicht, das objektive Mißverhältnis der ausgetauschten Werte genüge für die Annahme der Schenkungsabsicht allein nicht. Diese Absicht lasse sich nach herrschender Auffassung aus den Umständen des Einzelfalles - darunter allerdings auch ein krasses Mißverhältnis der beiderseitigen Leistungen - erschließen. Das gelte vor allem für Verträge zwischen nahen Angehörigen, bei denen die Verschleierung der Schenkungsabsicht möglich sei. Mit Rücksicht auf das krasse Mißverhältnis zwischen den vereinbarten gegenseitigen Leistungen habe das Erstgericht zu Recht auf den Schenkungswillen des Übergebers geschlossen. Selbst wenn man in Anschlag bringe, daß der für die Beurteilung der Wertverhältnisse bei bäuerlichen Übergabsverträgen festgestellte Übernahmswert, der den Übernehmer wohl bestehen lasse, bloß wenig mehr als 2 Mio S erreiche, übersteige dieser Wert die vom Beklagten zu erbingenden Gegenleistungen derart, daß das vom Erstgericht angenommene Verhältnis von 4 : 1 zugunsten einer Schenkung unbedenklich sei. Zu Recht beschwere sich der Beklagte jedoch, daß er nicht zur Zahlung bei Exekution in die übergebenen Liegenschaften verurteilt worden sei. Das sei schon aus § 951 Abs 1 ABGB zu erschließen. Die Einschränkung der Verurteilung in dieser Richtung gegenüber dem uneingeschränkten Klagebegehren sei ein bloßes minus. An der Haftung des Beklagten für die aus der Schenkung der mittlerweile bereits veräußerten Liegenschaft in Heilig-Kreuz abgeleiteten Pflichtteilsforderung ändere der Verkauf nichts. Wohl hafte der Beklagte gemäß § 952 ABGB nur mehr insofern, als er die Sache unredlicherweise aus seinem Besitz gelassen habe, doch stehe fest, daß er den Kaufpreis in seinen Betrieb investiert habe und daher insoweit bereichert sei, als er dabei eigenes Geld erspart habe. Die Klägerin habe sich die Pflichtteilsforderung ausdrücklich vorbehalten, sodaß der Beklagte mit solchen Ansprüchen nach dem Tode des Vaters umso mehr habe rechnen müssen, als ihm von diesem kurz nach Ausstellung der Löschungsquittung eine weitere wertvolle Liegenschaft geschenkt worden sei. Damit habe die Klägerin den ihr gemäß § 328 ABGB oblegenen Beweis erbracht, daß der Beklagte diese Liegenschaft unredlicherweise aus seinem Besitz gelassen habe. Er hätte erwägen müssen, daß die Pflichtteilsansprüche der Klägerin durch die Auszahlung der Erbentrichtungsforderung noch nicht zur Gänze befriedigt worden seien und die Klägerin nach dem Tode ihres Vaters die Pflichtteilsergänzung begehren werde. Leichte Fahrlässigkeit genüge bereits für die Annahme der Unredlichkeit. Auch wenn der Vater der Streitteile über sein gesamtes Vermögen bereits vor seinem Tode durch Übergabsvertrag mit Schenkungscharakter und eine weitere Schenkung verfügt habe, sei die Pflichtteilsergänzung nach der Rechtsprechung nicht ausgeschlossen. Zu Recht habe das Erstgericht die Liegenschaften zwecks Pflichtteilsberechnung auf den Erbfall bewertet. Für die Anrechnung einer Schenkung des Vaters anläßlich der Verlassenschaftsabhandlung nach der Mutter der Streitteile bestehe auch nach den ergänzenden Feststellungen kein Anlaß.

Der Pflichtteilsergänzungsanspruch der Klägerin errechne sich somit wie folgt: Der geschenkte Teil des Hofes (vier Fünftel) sei mit 8,4 Mio S, die Liegenschaft in Heilig-Kreuz mit 10,5 Mio S und die Krippe mit S 300.000,- zu bewerten. Der Pflichtteil der Klägerin betrage ein Zehntel und sei deshalb mit S 1,920.000,- zu berechnen. Hiezu seien die aufzuwertenden Erbentrichtungsforderungen als Vorempfang mit S 182.078,- sowie der auf die Ausstattung entfallende aufgewertete Teil der überlassenen Spareinlage von S 77.922,-

abzuzielen, sodaß sich das Klagebegehren bloß mit S 1,660.000,- s.A. als berechtigt erweise.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Klägerin, die nach wie vor die Stattgebung der gesamten (eingeschränkten) Klagebegehrens anstrebt, ist nicht berechtigt.

Sie begehrt einerseits eine weitergehende Bedachtnahme auf den Verkehrswert bei der Bewertung der dem Beklagten gemeinsam mit dem geschlossenen Hof übergebenen walzenden Grundstücke und andererseits die Berücksichtigung des Umstandes, daß zum geschlossenen Hof als Bauland gewidmete Grundstücke gehörten, bei der Bewertung des Hofes. Sie meint, durch den Verkauf bloß eines dieser Grundstücke könne der Beklagte einen Erlös erzielen, mit dem er den eingeklagten Pflichtteilsanspruch abdecken könne, ohne hiedurch die Wirtschaftlichkeit seines Betriebes zu beeinträchtigen. Diesen Ausführungen kann indessen nicht beigepflichtet werden. Die Klägerin wirft ausschließlich Bewertungsprobleme im Zusammenhang mit der von ihr begehrten Pflichtteilsergänzung auf. Sie wendet sich vor allem gegen die von den Vorinstanzen zur Ermittlung des Wertes der dem Beklagten gleichzeitig mit dem Hof übergebenen walzenden Grundstücke angewendeten Methode. Nun gehört gewiß auch die Frage, nach welchen Grundsätzen landwirtschaftliche Betriebe oder Liegenschaften zu diesem Zwecke zu schätzen sind, zur rechtlichen Beurteilung der Sache. Da die Wahl der Bewertungsmethode in erster Linie vom Zweck der Wertermittlung abhängt und das Pflichtteilsrecht dem Noterben einen Mindestanteil am Nachlaßwert sichern soll, kommt es bei der Pflichtteilsberechnung darauf an, welchen Wert der Gegenstand ganz allgemein für seinen Eigentümer hat. Bei der Schätzung von Liegenschaften bzw. von Betrieben ist deshalb vom gemeinen Preis (§ 306 ABGB) auszugehen. Beruht der Wert einer solchen Sache nach der Verkehrsauffassung vor allem auf ihrem Ertrag bzw. auf ihrem sonstigen Nutzen, ist der Pflichtteilsberechnung der Ertragswert zugrundezulegen (SZ 49/118 mwN; ferner RZ 1983/7; SZ 53/167; 1 Ob 722/85). Diesen Grundsätzen zufolge ist der Bewertung bäuerlicher Betriebe bzw. landwirtschaftlich genutzter Grundstücke vorzüglich der Ertragswert zugrundezulegen. Klaffen der Ertrags- und der Verkehrswert jedoch - wie etwa auch im vorliegenden Fall - besonders weit auseinander, darf der Verkehrswert bei der Wertermittlung nicht unbeachtet bleiben, vor allem, wenn der Grundverkehr im maßgeblichen Zeitpunkt und in der fraglichen Region sehr lebhaft ist (SZ 49/118 ua).

Nach ständiger Rechtsprechung ist bei der Schätzung bäuerlicher Betriebe und Liegenschaften zwecks Berechnung des Pflichtteils weichender Geschwister des Hofübernehmers auch noch etwas anderes zu berücksichtigen: Die ungeteilte Erhaltung und Vererbung des Hofes ist gerade auch in Tirol ein schon seit dem Mittelalter kraft Gewohnheit geübtes bäuerliches Sonderrecht. Der Hof soll nicht zerstückelt werden, sondern ungeschmälert auf einen geeigneten und würdigen Nachfolger übergehen. Diesen gewohnheitsrechtlichen Forderungen tragen das Tiroler und das Kärntner Höferecht, aber auch das Anerbengesetz durch das Gebot Rechnung, den Wert des Hofes im Erbfall nach billigem Ermessen so zu bestimmen, daß der Übernehmer wohl bestehen könne. Es ist aber darüber hinaus auch außerhalb des Anwendungsbereiches des Höfe- bzw. Anerbenrechtes allgemeines bäuerliches Gewohnheitsrecht, daß die Schätzung des Hofes anläßlich der Übernahme nach diesen Grundsätzen zu bestimmen ist (SZ 49/118; ferner auch SZ 50/166; JBl 1978, 153; SZ 45/89 ua; zuletzt wieder etwa 6 Ob 2/86). Der Pflichtteilsberechnung ist demnach der Wohlbestehenswert der übergebenen Liegenschaften in dem Umfang zugrundezulegen, in welchem der Übergabsvertrag als Schenkung zu beurteilen ist (so auch Welser in Rummel, ABGB, § 785 Rz 11 mwN). Die Auffassung der Vorinstanzen, der Anspruch auf Pflichtteilsergänzung bestehe auch dann, wenn der Erblasser sein Vermögen schon zu Lebzeiten schenkungsweise übergab und das Abhandlungsverfahren armutshalber abgetan wurde, und deren Bewertung der Liegenschaften auf den Erbfall entsprechen Lehre und Rechtsprechung (Schubert in Rummel, ABGB, § 951 Rz 2 bzw. Welser, aaO, § 794 Rz 5, 6 jeweils mwN), wurden im übrigen aber auch nicht bekämpft.

Die klagende Partei nimmt die Bewertung des geschlossenen Hofes durch die Vorinstanzen hin und wendet sich nur gegen die Wertermittlung in bezug auf die - mitübergebenen - walzenden Grundstücke, auf welche die Vorschriften der §§ 19 und 25 Abs 3 TirHG - jedenfalls unmittelbar - nicht angewendet werden können. Sie beruft sich dabei auf die Entscheidung des Obersten

Gerichtshofes vom 14. Oktober 1976, 6 Ob 12/76 (= SZ 49/118 =

EvBl 1977/97 = NZ 1979, 143), in welcher der erkennende Senat nach

grundsätzlichen Ausführungen über die Bewertungsgrundsätze bzw. den Anwendungsbereich des Wohlbestehenswertes zu dem Schluß gelangte, in den der ausdrücklichen anerblichen Regelung ähnlichen Fällen sei zwar auf den Wohlbestehenswert angemessen Rücksicht zu nehmen, uneingeschränkt könne dieser Grundsatz aber nicht zur Anwendung kommen, weil sonst zur Berechnung nach dem Höferecht kein Unterschied bestünde und auch nicht übersehen werden dürfe, daß der Erblasser in nicht nach Anerbenrecht zu beurteilenden Fällen dem Gedanken, daß der Übernehmer nicht allzu sehr belastet werden soll, ohnedies schon durch Verweisung der übrigen gesetzlichen Erben auf den Pflichtteil Rechnung trage. Dort war der für die Pflichtteilsberechnung maßgebliche Hof zu Lebzeiten des Erblassers nicht in die Höferolle eingetragen worden. Der jetzt zur Beurteilung stehende Fall ist insofern anders gelagert, als die mitübergebenden walzenden Grundstücke mit dem geschlossenen Hof eine wirtschaftliche und funktionelle Einheit bilden, aber auch schon bei Übergabe und beim Erbfall gebildet haben. Diese schon auf den Erblasser zurückgehende Widmung der walzenden Grundstücke als Teil seines landwirtschaftlichen Betriebes läßt es geboten erscheinen, die höferechtlichen Bewertungsgrundsätze auch auf die betriebswirtschaftlich aufs engste an den Hof gebundenen walzenden Grundstücke anzuwenden, zumal der Hof ganz augenscheinlich nur deshalb eine derart rentable Bewirtschaftung zuläßt, wie sie von den Vorinstanzen festgestellt wurde. Das Gericht zweiter Instanz hob in diesem Zusammenhang zutreffend hervor, daß sich der von den Vorinstanzen in Anlehnung an das Gutachten des vom Erstgericht vernommenen Sachverständigen ermittelte Wert ohnehin keineswegs allein am Ertragswert orientiert, sondern sowohl beim Hof als auch bei den mitübergebenen walzenden Grundstücken auch der - weit höhere - Verkehrswert mitberücksichtigt wurde, indem die Vorinstanzen dem Ertragswert zur Ermittlung des Übernahmswertes etwa ein Drittel des Unterschiedes zwischen den beiden Werten hinzuschlugen und damit gerade auch der in der Entscheidung SZ 49/118 zum Ausdruck gelangten Forderung nach einem angemessenen Mischwert, der allerdings höferechtlichen Grundsätzen folgend mehr dem Ertragswert angenähert ist, Rechnung trugen. Bei der innigen Verflechtung von Hof und walzenden Grundstücken begegnet die Ermittlung des Wertes der letzteren durch die Vorinstanzen keinen Bedenken.

Soweit Grundstücke, die zum Gutsbestand des geschlossenen Hofes gehören, als Bauland gewidmet sind, kann die damit verbundene Wertsteigerung nur im Verkehrswert zum Ausdruck kommen. Schon das Berufungsgericht hat darauf hingewiesen, daß diese Umstände bei der Bestimmung des Übernahmswertes, der der Pflichtteilsberechnung gemäß § 25 Abs 3 TirHG zugrundezulegen ist, zu berücksichtigen sind und darauf in der Tat auch Bedacht genommen wurde, weil der Verkehrswert - wie schon mehrfach erwähnt - im Übernahmswert angemessenen Niederschlag gefunden hat.

Der Revision war deshalb ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

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