Zivildienst
Beachte:
VwGH-Beschwerde zur Zl. 2007/13/0120 eingebracht. Mit Erk. v. 29.9.2010 als unbegründet abgewiesen.
Entscheidungstext
Der unabhängige Finanzsenat hat über die Berufungen der Bw., gegen die Bescheide des Finanzamtes X. betreffend Rückforderung von Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträgen für S. für den Zeitraum 1. Oktober 1997 bis 30. September 1998 entschieden:
1. Die Berufung gegen den Bescheid vom 26. Jänner 1999 wird als unbegründet abgewiesen. Der angefochtenen Bescheid bleibt unverändert.
2. Der Berufung gegen den Bescheid vom 24. März 1999 wird Folge gegeben. Der angefochtene Bescheid wird aufgehoben.
Entscheidungsgründe
1.1. Die Berufungswerberin (Bw.) bezog die Familienbeihilfe und die Kinderabsetzbeträge für ihren volljährigen Sohn, der im Rahmen der vorgesehenen Studienzeit das Studium der Rechtswissenschaften sowie die Studienrichtung Volkswirtschaft betrieben hat.
1.2. Anlässlich einer Überprüfung des Anspruches auf Familienbeihilfe legte die Bw. im November 1998 neben den Nachweisen über den Studienerfolg des Sohnes auch eine Bescheinigung vor, wonach der Sohn vom 1. Oktober 1997 bis 30. September 1998 seinen Zivildienst geleistet hat.
2.1. Mit Bescheid vom 26. Jänner 1999 forderte das Finanzamt von der Bw. die für den Zeitraum 1. Oktober 1997 bis 30. September 1998 bereits ausbezahlten Beträge an Familienbeihilfe sowie die für diesen Zeitraum bezogenen Kinderabsetzbeträge mit folgender Begründung zurück:
2.2. " Gemäß § 2 (1) f.) besteht für volljährige Kinder, die das 21. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, nur dann Anspruch, wenn sie weder den Präsenzdienst noch den Zivildienst leisten.
Da Ihr Sohn das 19. Lebensjahr bereits vollendet hat, und von 011097 bis 300998 beim Zivildienst war, ist die Familienbeihilfe rückzufordern. "
3.1. Gegen diesen Rückforderungsbescheid vom 26. Jänner 1999 erhob die Bw. mit Schriftsatz vom 1. März1999 Berufung wie folgt (auszugsweise Wiedergabe):
3.2. "... Gegen das og Schreiben, datierend vom 26.1.1999, zugestellt an meinen Sohn am 1.2.1999 (in der Folge: "Bescheid") erhebe ich innerhalb offener Frist Berufung ...
wegen Nichtvorliegens eines Bescheides (absolute Nichtigkeit) und in eventu wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Verletzung von Verfahrensvorschriften. Die Berufung erfaßt das Schreiben als ganzes.
Anträge:
1. Die Berufung ist wegen Nichtvorliegens eines Bescheides als unzulässig zurückzuweisen, weil eine Zustellung nicht erfolgt ist; in eventu:
2. die Berufung ist wegen Nichtvorliegens eines Bescheides als unzulässig zurückzuweisen, weil das og Schreiben nicht des Anforderungen der BAO an Bescheide entspricht; in eventu:
3. a. der Bescheid ist wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben und das Verfahren einzustellen;
3. b. die Einhebung ...
Begründung:
ad 1. Am 1. entnahm mein Sohn ... das og Schreiben meinem Postfach, da er es für ihn bestimmt hielt. Er berichtete mir vom Inhalt des Schreibens, wonach FB und KAB in Höhe von 26 200 Schilling zurückgefordert würden. Eine Zustellung an mich ist nie erfolgt.
ad 2. Germ. § 93 Abs. 2 BAO hat jeder Bescheid den Spruch zu enthalten und in diesem die Person zu nennen, an die er ergeht.
Gegen Personen, die (im Spruch) nicht als Bescheidadressaten genannt sind, vermag der Bescheid keine Wirkung zu entfalten (VwGH 8. 7. 1971, 487/71 A; 28.3. 1985, 84/16/70). Im als Spruch zu wertenden Teil des "Bescheids" ist jedoch nur der Name meines Sohnes genannt. Mein Name erhellt auch nicht aus einer Zustellverfügung (VwGH 12. 1. 1970, 311/69 A) - eine solche existiert nämlich nicht. Deshalb liegt für mich ein anfechtbarer Bescheid nicht vor.
Gem. § 96 BAO erster Satz müssen alle schriftlichen Ausfertigungen der Abgabenbehörden mit der Unterschrift dessen versehen sein, der die Erledigung genehmigt hat. Die Unterschrift ist ein Gebilde aus Buchstaben einer üblichen Schrift, aus der ein Dritter, der den Namen des Unterzeichneten kennt, diesen Namen aus dem Schriftbild (noch) herauslesen kann (VwGH 10. 11. 1989, 89/18/135). Die Unterschrift auf dem Bescheid ist derart unleserlich, dass sie diesen Anforderungen nicht zu entsprechen vermag. Da eine leserliche Beifügung des Namens nicht erfolgt ist, liegt ein anfechtbarer Bescheid nicht vor. Eine Überprüfung ob der "Genehmigende" die auch nur abstrakte Approbationsbefugnis hatte, ist nicht möglich. Auch deshalb liegt ein anfechtbarer Bescheid nicht vor.
ad 3.a. Der Spruch ist inhaltlich rechtswidrig, weil der rechtliche Teil seiner Begründung mangelhaft ist (VwGH 19. 1. 1982, 81/14/144). Dieser beruft sich auf §2 Abs 1 lit f FLAG, wonach für volljährige Kinder, die das 21. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, ein Anspruch auf Familienbeihilfe nur bestehe, wenn sie weder Präsenz- oder Ausbildungsdienst noch Zivildienst leisten. Mein Sohn hatte zu fraglichen Zeitpunkt jedoch das 21. Lebensjahr schon vollendet, weshalb diese Bestimmung nicht den Spruch des Bescheids zu tragen vermag.
Der Spruch ist wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens rechtswidrig, weil die Sachverhaltsfeststellung, daß mein Sohn das 19. Lebensjahr vollendet hat, nicht die Anwendung des §2 Abs 1 lit f FLAG zu begründen vermag. ..."
4.1. Mit einem weiteren Bescheid vom 24. März 1999 forderte das Finanzamt von der Bw. neuerlich die für den Zeitraum 1. Oktober 1997 bis 30. September 1998 bereits ausbezahlten Beträge an Familienbeihilfe sowie die für diesen Zeitraum bezogenen Kinderabsetzbeträge zurück und begründete den Bescheid nunmehr wie folgt:
4.2. "Gemäß § 2 (1) b) Familienlastenausgleichsgesetz 1967 besteht Anspruch auf Familienbeihilfe für volljährige Kinder, die das 26. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet werden. Zeiten des Bundesheeres heben zwar nicht die Haushaltszugehörigkeit auf, daher besteht Anspruch auf Familienbeihilfe bis zur Vollendung des 19. Lebensjahres, darüber hinaus werden sie jedoch nicht als Berufsausbildungszeiten gemäß Familienlastenausgleichsgesetz anerkannt. Da Ihr Sohn von 1.10.1997 bis 30.09.1998 den ordentlichen Zivildienst geleistet hat, war ist die Familienbeihilfe daher für oben genannten Zeitraum rückzufordern."
5.1. Mit nachstehend auszugsweise wiedergegebenem Schriftsatz vom 28. April 1999 erhob die Bw. u.a. Berufung gegen den Bescheid vom 24. März1999 wie folgt:
5.2. "Gegen das Schreiben, datierend vom 24. 3. 1999, zugestellt an mich am 29. 3. 1999 erhebe ich innerhalb offener Frist den Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz gem §276 BAO ....
Sachverhaltsdarstellung:
Mit Schreiben vom 26. 1. 1999 zugestellt am 1.2. 1999 hat das Finanzamt ... FB u KAB für den Zeitraum 10/97 - 9/98 zurückgefordert. Dagegen habe ich aktenkundig fristgerecht Berufung erhoben und die Aussetzung der Einhebung beantragt.
Der neuerliche Bescheid vom 24. 3. 1999 ist als Berufungsvorentscheidung anzusehen. Kommt jedoch die FLD Wien zur Auffassung, daß eine Berufungsvorentscheidung nicht vorliegt, so wird gegen das og Schreiben, datierend vom 24. 3. 1999, zugestellt an mich am 29. 3. 1999 ich innerhalb offener Frist die
Berufung
... erhoben. Die Berufung erfaßt den Bescheid als ganzen. Anträge:
1. Der Bescheid ist wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben und das Verfahren einzustellen; 2. Die Einhebung des Schuldbetrags ist gern §212a BAO ... .
Begründung:
ad 1: Das Schreiben ist inhaltlich rechtswidrig, weil es der Rechtswirkung der Unwiederholbarkeit des Bescheids vom 26. 1. 1999 entgegensteht. Die Rechtswirkung der Unwiederholbarkeit bedeutet, daß ein auch noch nicht rechtskräftiger Bescheid einen neuerlichen - selbst bestätigenden - Bescheid ausschließt und die Behörde an den ursprünglichen Bescheid gebunden ist. Schließlich bestünde die Gefahr gleich zweimal für eine möglicherweise gar nicht bestehende Abgabenschuld herangezogen zu werden, falls der erste Bescheid in formelle Rechtskraft erwächst.
ad 2: Die Aussetzung der Einhebung ..."
6.1. Mit Berufungsvorentscheidung vom 23. Juli 1999 wies das Finanzamt die Berufung der Bw gegen den Rückforderungsbescheid vom 24.März 1999 als unbegründet ab.
7.1. Mit Schriftsatz vom 27. August 1999 stellte die Bw. den Antrag auf Entscheidung über die Berufung (gegen den Rückforderungsbescheid vom 24.März 1999) durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz, dazu führte die Bw. wie folgt aus:
7.2. "Gegen die Berufungsvorentscheidung, datierend vom 23.7.1999, zugestellt an mich am 28.7.1999 erhebe ich innerhalb offener Frist den
Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz gem. §276 BAO an den Berufungssenat der FLD Wien.
In ihrer Begründung führt die Behörde aus, daß für volljährige Kinder, die das 26. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden gem §2 Abs 1 lit b FLAG 1967 besteht, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist. Dabei würden als Zeiten einer Berufsausbildung nur solche Zeiten gelten, in denen aus den objektiv erkennbaren Umständen darauf geschlossen werden kann, daß eine Ausbildung für den Beruf auch tatsächlich erfolgt. Zeiten des Bundesheeres könnten jedoch nicht als Berufsausbildung gern FLAG anerkannt werden, da der Gesetzgeber den Präsenz- bzw Zivildienst als eine Haupttätigkeit ansehe, die eine gleichzeitige Berufsausbildung nicht zuläßt. Da mein Sohn von 1.10.1997 bis 30.9.1998 den ordentlichen Zivildienst geleistet hätte, lag für diesen Zeitraum keine Berufsausbildung gem. §2 Abs 1 lit b FLAG 1967 idgF vor und die Rückforderung bleibe für diesen Zeitraum aufrecht. Deshalb wäre meine Berufung abzuweisen.
Die Ansicht der Behörde ist abzulehnen.
Ich kann "objektive Umstände" nachweisen, aus denen hervorgeht, daß eine Ausbildung tatsächlich erfolgte: Mein Sohn absolvierte im fraglichen Zeitraum folgende universitären Prüfungen:
Diplomteilprüfung Strafrecht schriftlich im Ausmaß von 14 Wochenstunden laut Studienplan an der Universität Wien am 2.10.1997, Proseminar aus Buchhaltung und Bilanzierung im Ausmaß von zwei Wochenstunden laut Studienplan an der Wirtschaftsuniversität Wien am 26.1.1998, Seminar aus Makroökonomik im Ausmaß von zwei Wochenstunden laut Studienplan an der Wirtschaftsuniversität Wien am 28.1.1998, Diplomteilprüfung Finanzwissenschaften schriftlich im Ausmaß von acht Wochenstunden laut Studienplan an der Wirtschaftsuniversität Wien um den 20.4.1998, Diplomteilprüfung Finanzwissenschaften mündlich an der Wirtschaftsuniversität Wien am 20.5.1998, Seminar aus Allgemeiner Wirtschaftspolitik im Ausmaß von zwei Wochenstunden laut Studienplan an der Wirtschaftsuniversität Wien am 20.6.1998.
Daß "Zeiten des Bundesheeres" nicht als Berufsausbildung anerkannt werden können, betrifft nicht meinen Sohn, da er kein Bundesheer absolvierte.
Daß der Gesetzgeber Zeiten des "Präsenz- bzw. Zivildienstes" als eine Haupttätigkeit ansehe, ergibt sich nicht aus §2 Abs 1 lit b FLAG - dort ist davon keine Rede.
Überdies war mein Sohn im Zuge des Zivildienstes fünf Monate arbeitsunfähig und ist vom Zivildienst ferngeblieben, wenngleich er seine Berufsausbildung fortsetzen konnte und dies auch getan hat.
Des weiteren legt die Behörde die Bestimmung des §2 Abs 1 lit b FLAG 1967 - ohne dazu durch den Wortlaut des Gesetzes dazu gezwungen zu sein - in verfassungswidriger Weise aus, wenn sie meint, Präsenz- und Zivildienst vermögen in gleicher Weise den Anspruch auf Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträge beseitigen, obwohl doch Präsenz- und Zivildienst ungleich lange dauern (acht bzw. zwölf Monate).
Im übrigen übt die Behörde Willkür, wenn sie meint, Personen gleich behandeln zu wollen, die neben ihrem Präsenz- bzw. Zivildienst eine Berufsausbildung machen, mit solchen, die dies nicht tun. Eine verfassungskonforme Auslegung des FLAG gebietet, Personen FB und KAB zuzusprechen, die eine Berufsausbildung machen - unabhängig davon, ob sie Präsenz- oder Zivildienst leisten.
Im übrigen verweise ich auf meine Berufungsschrift vom 28.4.1999. Der Bescheid ist daher aufzuheben und das Verfahren einzustellen. Ich stelle ferner gem §212a BAO den Antrag ..."
Über die Berufung wurde erwogen:
8.1. Im gegenständlichen Berufungsfall steht außer Streit, dass der volljährige Sohn der Bw. vom 1. Oktober 1997 bis 30. September 1998 seinen Zivildienst geleistet hat und daneben im Rahmen seines Studiums im fraglichen Zeitraum folgende universitäre Prüfungen absolvierte:
Prüfung | Wochenstunden | lt Studienplan der Universität * | abgelegt am |
Diplomteilprüfung Strafrecht schriftlich | 14 | Univ. Wien | 02.10.1997 |
Proseminar aus Buchhaltung und Bilanzierung | 2 | WU | 26.01.1998 |
Seminar aus Makroökonomie | 2 | WU | 28.01.1998 |
Diplomteilprüfung Finanzwissenschaften schriftlich | 8 | WU | 20.04.1998 |
Diplomteilprüfung Finanzwissenschaften mündlich | k.A. | WU | 28.05.1998 |
Seminar aus allgemeiner Wirtschaftspolitik | 2 | WU | 20.06.1998 |
Nach den von der Bw. vorgelegten Nachweisen über die abgelegten Prüfungen betrieb der Sohn der Bw. ein Doppelstudium (Rechtswissenschaft und Volkswirtschaft) und befand sich in der Studienrichtung Rechtswissenschaften ab März 1995 im zweiten Studienabschnitt, in der Studienrichtung Volkswirtschaft hat der Studierende die erste Diplomprüfung im Dezember 1996 abgelegt. Nach den für den Rückforderungszeitraum anzuwendenden Studienvorschriften war der Sohn der Bw. im Zeitraum Oktober 1997 bis September 1998 in beiden Studienrichtungen noch im Rahmen der vorgesehenen Studiendauer.
8.2. Folgende Erledigungen (Bescheide) des Finanzamtes sind jeweils mit Berufung angefochten:
- Der Bescheid vom 26. Jänner 1999 betreffend die Rückforderung von Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträgen für den Zeitraum 1. Oktober 1997 bis 30. September 1998 sowie
- der Bescheid vom 24. März 1999 betreffend die Rückforderung von Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträgen für den Zeitraum 1. Oktober 1997 bis 30. September 1998.
9. Berufung vom 1.3.1999 gegen den Bescheid vom 26. Jänner 1999
9.1. Zum Antrag 1 der Berufung gegen den Bescheid vom 26. Jänner 1999:
9.1.1. Die Bw. beantragt die Berufung wegen Nichtvorliegen eines Bescheides als unzulässig zurückzuweisen, weil eine Zustellung des Bescheides vom 26. Jänner 1999 nicht erfolgt sei. Dazu ist auszuführen:
9.1.2. Die Zustellung der von Gerichten und Verwaltungsbehörden in Vollziehung der Gesetze zu übermittelnden Schriftstücke ist im Zustellgesetz (ZustellG - §1 Abs.1) geregelt. Im Berufungsfall ist das Zustellgesetz idF BGBl. I Nr. 158/1998 anzuwenden. Soweit die für das Verfahren geltenden Vorschriften nicht eine andere Form der Zustellung vorsehen, sind gemäß § 2 ZustellG die Schriftstücke durch Organe der Post, durch Organe der Behörden oder, wenn dies im Interesse der Zweckmäßigkeit, Einfachheit und Raschheit gelegen ist, durch Organe der Gemeinden zuzustellen.
Unterlaufen bei der Zustellung Mängel, so gilt sie gemäß § 7 ZustellG als in dem Zeitpunkt bewirkt, in dem das Schriftstück dem von der Behörde angegebenen Empfänger tatsächlich zugekommen ist.
Für Zustellungen ohne Zustellnachweis gilt gemäß § 26 Abs.1 ZustellG das zuzustellende Schriftstück als zugestellt, wenn es in den für die Abgabestelle bestimmten Briefkasten (Briefeinwurf, Hausbrieffach) eingelegt oder an der Abgabestelle zurückgelassen wurde.
9.1.3. Die Zustellung des erstinstanzlichen Rückforderungsbescheides vom 26. Jänner 1999 wurde ohne Zustellnachweis vorgenommen; es erfolgte unstrittig die Einlegung des Schriftstückes im Hausbrieffach der Bw.
9.1.4. Es wird von der Bw. nicht vorgebracht, sie habe wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangt. Der Bescheid gilt somit gemäß § 26 Abs.1 ZustellG als zugestellt, auch wenn nicht die Bw. selbst, sondern der Sohn den Bescheid aus dem Brieffach der Bw. entnommen hat. Die erfolgte Zustellung des Bescheides an die Bw. wird durch den vorgebrachten Einwand, dass der Sohn das aus dem Postfach der Bw. entnommene Schriftstück für ihn bestimmt hielt, nicht berührt. Der Umstand, dass die Bw gegen den Bescheid rechtzeitig Berufung eingebracht hat, beweist auch, dass ihr der Bescheid tatsächlich zugekommen ist.
9.1.5. Dem Antrag der Bw, die Berufung wegen Nichtvorliegen eines Bescheides als unzulässig zurückzuweisen, weil eine Zustellung des Bescheides nicht erfolgt sei, kann daher nicht entsprochen werden.
9.2. Zum Antrag 2 der Berufung vom 1.3.1999 gegen den Bescheid vom 26. Jänner 1999
9.2.1. Dem ersten Eventualantrag der Bw, die Berufung wegen Nichtvorliegens eines Bescheides als unzulässig zurückzuweisen, weil das Schriftstück nicht den Anforderungen der BAO an Bescheide entspreche, kann aus folgenden Gründen nicht entsprochen werden:
Ob es sich bei einem Verwaltungsakt um einen Bescheid handelt, ist u.a. danach zu beurteilen, ob alle gesetzlichen Vorschriften über Inhalt und Form der Bescheide und über die Bescheiderlassung erfüllt sind.
9.2.2. Gemäß § 93 Abs. 2 Bundesabgabenordnung (BAO) hat jeder Bescheid den Spruch zu enthalten und in diesem die Person zu nennen, an die er ergeht. Die Personenumschreibung ist daher notwendiger Bestandteil eines Bescheidspruches, zu welchem auch das Adressfeld zählt (vgl. etwa VwGH 30.01.2003, 2002/15/0191). Selbst eine fehlerhafte Bezeichnung des Bescheidadressaten führt nicht zur absoluten Nichtigkeit des Bescheides solange erkennbar ist, wem gegenüber die Behörde den Bescheid erlassen will (u.a VwGH 2005/07/0091).
Im gegenständlichen Fall bringt die Bw. vor, "im als Spruch zu wertenden Teil" des Bescheides sei nur der Name des Sohnes genannt. Dass der Name und die Wohnanschrift der Bw. auf dem Schriftstück überhaupt fehlen würden, wurde nicht behauptet.
Laut der im Akt erliegenden Durchschrift des Bescheides enthält der Bescheid im Adressfeld zweifellos den Namen und die Wohnanschrift der Bw. Da die Zustellung mit Fensterkuvert erfolgte, und das Schriftstück durch Organe der Post in das Haubrieffach der Bw. eingelegt werden konnte, ist davon auszugehen, dass auch der an die Bw. zugestellte Bescheid im Adressfeld den Namen und die Wohnanschrift der Bw. tatsächlich enthält. Da das Adressfeld laut erwähnter Rechtsprechung Teil des Bescheidspruches ist, erfolgte im Bescheid auch die gesetzmäßige Bezeichnung des Adressaten.
9.2.3. Dem Vorbringen der Bw., die Unterschrift dessen, der die Erledigung genehmigt habe, sei unleserlich, ist entgegenzuhalten:
Gemäß § 96 BAO müssen alle schriftlichen Ausfertigungen der Abgabenbehörden die Bezeichnung der Behörde enthalten sowie mit Datum und mit der Unterschrift dessen versehen sein, der die Erledigung genehmigt hat. In der BAO wird - anders als nach AVG - nicht gefordert, dass die Unterschrift des einen Bescheid Genehmigenden lesbar sein muss (VwGH 10.5.1994, 92/14/0022). Wie die Bw. selbst ausführt, genügt eine "Unterschrift", d.h. ein Gebilde aus Buchstaben einer üblichen Schrift, aus der ein Dritter, der den Namen des Unterzeichnenden kennt, diesen Namen aus dem Schriftbild noch herauslesen kann (VwGH 16.2.1994, 93/13/0025).
Auf der im Akt erliegenden Durchschrift des Bescheides vom 26. Jänner 1999 ist, wenn man den Namen des Unterzeichnenden kennt, als Approbant der Name xy" aus dem Schriftbild herauslesbar. Dass die Unterschrift des den Bescheid Genehmigenden allgemein lesbar sein muss, wird wie bereits ausgeführt - laut BAO nicht gefordert.
Nach den vorstehenden Ausführungen entspricht das Schriftstück vom 26. Jänner 1999 hinsichtlich Bescheidadressat und Unterschrift den Anforderungen der BAO an Bescheide. Es wurde demnach ein individueller Verwaltungsakt gesetzt. Der erstinstanzliche Bescheid vom 26. Jänner 1999 wurde wirksam erlassen und gehört, auch wenn er wegen der gegen ihn erhobenen Berufung nicht formell in Rechtskraft erwachsen ist, dem Rechtsbestand an. Auch die Bw. selbst bringt im Schriftsatz von 28. April 1999 (in der Begründung zu Punkt.1) vor, dass "das Schreiben" (der nachfolgend ergangene Bescheid vom 24. März 1999) der Unwiederholbarkeit des Bescheids vom 26. Jänner 1999 entgegenstehe. Dem Antragsbegehren der Bw. (Antrag 2 der Berufung) kann daher nicht nachgekommen werden.
9.3. Zum Antrag 3a der Berufung gegen den Bescheid vom 26. Jänner 1999:
9.3.1. Mit dem zweiten Eventualantrag begehrt die Bw. den Rückforderungsbescheid wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben und das Verfahren einzustellen.
Die Bw. bringt vor, der Spruch sei inhaltlich rechtswidrig, weil der rechtliche Teil seiner Begründung mangelhaft sei. Dazu wird vorerst die im gegenständlichen Fall maßgebliche Rechtslage des § 2 FLAG 1967 dargestellt:
"Familienlastenausgleichsgesetz 1967 idF BGBl. I Nr. 23/1999
Abschnitt I Familienbeihilfe
§ 2. (1) Anspruch auf Familienbeihilfe haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben,
a) für minderjährige Kinder,
b) für volljährige Kinder, die das 26. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist. Bei volljährigen Kindern, die eine in § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992, BGBl. Nr. 305, genannte Einrichtung besuchen, ist eine Berufsausbildung nur dann anzunehmen, wenn sie die vorgesehene Studienzeit pro Studienabschnitt um nicht mehr als ein Semester oder die vorgesehene Ausbildungszeit um nicht mehr als ein Ausbildungsjahr überschreiten. ... Die Aufnahme als ordentlicher Hörer gilt als Anspruchsvoraussetzung für das erste Studienjahr. Anspruch ab dem zweiten Studienjahr besteht nur dann, wenn für ein vorhergehendes Studienjahr die Ablegung einer Teilprüfung der ersten Diplomprüfung oder des ersten Rigorosums oder von Prüfungen aus Pflicht- und Wahlfächern des betriebenen Studiums im Gesamtumfang von acht Semesterwochenstunden nachgewiesen wird. ...
c) ...
d) für volljährige Kinder, die das 26. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, für die Dauer von drei Monaten nach Abschluß der Berufsausbildung, sofern sie weder den Präsenz- oder Ausbildungsdienst noch den Zivildienst leisten,
e) für volljährige Kinder, die das 26. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, für die Zeit zwischen der Beendigung des Präsenz- oder Ausbildungs- oder Zivildienstes und dem Beginn oder der Fortsetzung der Berufsausbildung, wenn die Berufsausbildung zum frühestmöglichen Zeitpunkt nach dem Ende des Präsenz- oder Zivildienstes begonnen oder fortgesetzt wird,
f) für volljährige Kinder, die das 21. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, wenn sie aa) weder den Präsenz- oder Ausbildungsdienst noch den Zivildienst leisten und bb) bei der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice als Arbeitsuchende vorgemerkt sind und weder einen Anspruch auf eine Leistung nach dem Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977, BGBl. Nr. 609, haben noch eine Beihilfe zur Deckung des Lebensunterhaltes durch das Arbeitsmarktservice erhalten; das Vorliegen dieser Voraussetzungen ist durch eine Bestätigung des Arbeitsmarktservice nachzuweisen,
g) für volljährige Kinder, die in dem Monat, in dem sie das 26. Lebensjahr vollenden, den Präsenz- oder Ausbildungsdienst oder Zivildienst leisten oder davor geleistet haben, bis längstens zur Vollendung des 27. Lebensjahres, sofern sie nach Ableistung des Präsenz- oder Ausbildungsdienstes oder Zivildienstes für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist; für Kinder, die eine in § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992 genannte Einrichtung besuchen, jedoch nur im Rahmen der in § 2 Abs. 1 lit. b vorgesehenen Studiendauer,
..."
Den Ausführungen der Bw. zur mangelhaften Bescheidbegründung ist insofern zuzustimmen, als im Begründungsteil des Bescheides die Bestimmung des § 2 Abs.1 lit.f FLAG 1967 angeführt wurde, die den Familienbeihilfenanspruch für noch nicht 21-jährige "arbeitsuchende" Kinder regelt und damit für den im Berufungsfall vorliegenden Sachverhalt unzutreffend ist.
Laut Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist jedoch ein Bescheid im Allgemeinen nicht schon dann rechtswidrig, wenn er die Rechtsnormen, auf die er sich stützt, nicht oder teilweise unrichtig angibt. Die Anführung einer unzutreffenden Rechtslage stellt einen Begründungsmangel dar, der nur im Falle der Wesentlichkeit zur Aufhebung des Bescheides führt. (VwGH 21.02.2005, 2001/17/0078). Ein Begründungsmangel ist wesentlich, wenn er zur Folge hat, dass die Partei über die von der Behörde getroffenen Erwägungen nicht ausreichend unterrichtet wurde und dadurch an der Verfolgung ihres Rechtsanspruches behindert wurde (u.a. VwGH 30.10.1956, 1641/55).
Durch die im zweiten Satz der Bescheidbegründung getroffene Feststellung, die Familienbeihilfe sei rückzufordern, weil der Sohn das 19. Lebensjahr bereits vollendet habe und von 01.10.97 bis 30.09.98 beim Zivildienst war, konnte die Bw. jedoch eindeutig erkennen, welchen Sachverhalt die Abgabenbehörde angenommen hat, und dass § 2 Abs. 1 lit.f FLAG 1967 bei diesem Sachverhalt nicht zur Anwendung gelangen konnte.
Die Bw. konnte laut Berufungsvorbringen eindeutig feststellen, dass eine unzutreffende Rechtsnorm angeführt wurde und somit wurde die Bw. über die von der Behörde getroffenen Erwägungen soweit ausreichend unterrichtet, dass sie damit an der Verfolgung ihrer Rechte nicht gehindert wurde. Der Begründungsmangel ist daher nicht so wesentlich, dass er die Aufhebung des Bescheides rechtfertigen kann.
Auch die von der Bw. behauptete Rechtswidrigkeit wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens ist durch die unstrittig richtige Sachverhaltsfeststellung des Finanzamtes hinsichtlich der Volljährigkeit des Sohnes ("Da ihr Sohn das 19. Lebensjahr bereits vollendet hat, ...") nicht gegeben.
Dem Begehren der Bw., den Bescheid wegen mangelhafter Bescheidbegründung bzw. wegen unrichtiger Sachverhaltsfeststellung aufzuheben und das Verfahren einzustellen, kann somit nach den vorstehenden Ausführungen nicht entsprochen werden. Damit hat die Abgabenbehörde zweiter Instanz über die Berufung in der Sache selbst zu entscheiden und dabei den angefochtenen Bescheid auch auf seine Übereinstimmung mit dem Familienlastenausgleichsgesetz zu überprüfen.
9.3.2. Da der Bw. die zutreffende Rechtslage mit dem in derselben Sache ergangenen Bescheid des Finanzamtes vom 24. März 1999 sowie der Berufungsentscheidung vom 23. Juli 1999 jedenfalls vollständig bekannt wurde, werden zur Wahrung der Interessen der Bw. bei dieser Entscheidung über die Berufung gegen den Bescheid vom 26. Jänner 1999 auch die im Schriftsatz der Bw. vom 27. August 1999 (bezeichnet als Antrag auf Entscheidung über die Berufung vom 24. April 1999 durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz) enthaltenen Vorbringen hinsichtlich des Anspruches auf Familienbeihilfe während der Ableistung des Zivildienstes berücksichtigt.
9.3.3. Unstrittig ist, dass die Ableistung des Präsenz- Ausbildungs- oder Zivildienstes an sich nicht als Ausbildung für einen Beruf iSd § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 anzusehen ist. Auch die Bw. bringt nichts Gegenteiliges vor, argumentiert jedoch, § 2 Abs. 1 lit.b FLAG 1967 enthalte keine diesbezügliche Bestimmung, wonach der Präsenz- bzw. Zivildienst als "Haupttätigkeit" anzusehen sei und damit die Berufsausbildung jedenfalls unterbreche. Der Sohn habe im fraglichen Zeitraum universitäre Prüfungen absolviert und damit könne sie "objektive Umstände" nachweisen, aus denen hervorgehe, dass während der Ableistung des Zivildienstes eine Ausbildung tatsächlich erfolgt sei.
Im Berufungsfall hatte der Sohn der Bw. in den betriebenen Studienrichtungen die in den Studienvorschriften vorgesehenen Studienzeiten im Rückforderungszeitraum noch nicht überschritten. Der Bw. ist daher insoweit zuzustimmen, dass die für Studierende zu erfüllenden Voraussetzungen für das Vorliegen einer Berufsausbildung nach dem Wortlaut des § 2 Abs.1 lit.b FLAG 1967 im strittigen Zeitraum gegeben waren. Eine Klarstellung, dass die Ableistung des Zivildienstes eine Unterbrechung der Ausbildung des Kindes darstellt, ist somit bei alleiniger Betrachtung des lit. b leg.cit. nicht erkennbar.
Der Verwaltungsgerichtshof geht in seiner Rechtsprechung jedoch davon aus, dass der Präsenz- bzw. Zivildienst die Berufsausbildung unterbricht. Unter Hinweis auf die Bestimmungen des Familienlastenausgleichsgesetzes (FLAG) 1967 und auf ein Erkenntnis (VwGH 9.6.1978, 941/77), wonach die Ableistung des Präsenzdienstes keine Berufsausbildung darstellt, hat der Verwaltungsgerichtshof in der Folge mehrfach ausgesprochen, dass die Ableistung des Präsenz- bzw. Zivildienstes für den Gesetzgeber des Familienlastenausgleichsgesetzes (jedenfalls) eine Unterbrechung der Ausbildung des Kindes darstelle, die während dieser Zeit den Anspruch auf Familienbeihilfe beseitige. Dies ergebe sich aus den gesetzlichen Bestimmungen des FLAG 1967 unmittelbar: Normiere die Bestimmung des § 2 Abs. 1 lit.e FLAG 1967 für die Zeit zwischen der Beendigung des Präsenz- oder Zivildienstes und dem Beginn oder der Fortsetzung der Berufsausbildung, wenn die Berufsausbildung zum frühestmöglichen Zeitpunkt nach dem Ende des Präsenz- oder Zivildienstes begonnen oder fortgesetzt werde, den Anspruch auf Familienbeihilfe, dann sei mit dieser gesetzlichen Regelung klargestellt, dass die Ableistung des Präsenz- bzw. Zivildienstes für den Gesetzgeber eine Unterbrechung der Ausbildung des Kindes darstelle (u.a. VwGH 22.10.1997, Zl. 96/13/0060; 22.4.1998, 98/13/067; 21.9.2006, 2004/15/0103).
Da nach dem Aufbau des § 2 Abs. 1 FLAG 1967 die in lit. a bis lit. f festgelegten Bestimmungen grundsätzlich voneinander unabhängig zu erfüllende Tatbestandsvoraussetzungen für den Anspruch auf Familienbeihilfe sind, wäre nach Ansicht der Berufungsbehörde auch folgende Auslegungsmöglichkeit gegeben:
Während in § 2 Abs. 1 lit. d und lit. f FLAG 1967 ausdrücklich normiert ist, dass Anspruch auf Familienbeihilfe nur dann besteht, wenn weder Präsenzdienst noch Zivildienst geleistet wird, findet sich im lit. b leg.cit. eine solche Regelung nicht. Auch ist der gesetzlichen Regelung des § 2 Abs. 1 lit. e FLAG 1967 selbst wörtlich nicht zu entnehmen, dass während der Ableistung des Präsenz- oder Zivildienstes eine Berufsausbildung im Sinne des Familienlastenausgleichsgesetzes nicht stattfinden kann. Die Bestimmung des § 2 Abs. 1 lit. e FLAG über den Anspruch auf Familienbeihilfe für die Zeit zwischen der Beendigung des Präsenz- oder Zivildienstes und dem Beginn oder der Fortsetzung der Berufsausbildung könnte auch deshalb bestehen, weil eine Berufsausbildung fast immer die Zeit des Auszubildenden zu festgelegten Zeiten in Anspruch nimmt, und daher während der Ableistung des Präsenz- oder Zivildienstesdienstes eine Unterbrechung der Ausbildung bzw. ein Verschieben des Ausbildungsbeginnes meist erforderlich ist.
Somit ist es auch bei alleiniger Betrachtung des § 2 Abs. 1 lit. e FLAG 1967 nicht ausgeschlossen, dass während der Ableistung des Präsenz- oder Zivildienstes eine Berufsausbildung iSd § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967 vorliegen kann.
Ergänzend ist auch auszuführen, dass zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Stammfassung des Familienlastenausgleichsgesetzes, BGBl 1967/376, die Volljährigkeit mit Vollendung des 21. Lebensjahres eintrat und damit konnte gemäß § 2 Abs.1 lit.a FLAG 1967 für Kinder, die das 21. Lebensjahr noch nicht vollendet hatten, auch während der Ableistung des Präsenzdienstes* Familienbeihilfe bezogen werden. (*Gesetzliche Bestimmungen über die Möglichkeit den Zivildienst zu leisten gibt es erst seit seiner Einführung im Jahre 1974).
Mit BGBl 108/1973 wurde § 21 ABGB mit Wirkung ab 01.07.1973 dahingehend geändert, dass unter Minderjährigen Personen zu verstehen sind, die das neunzehnte Lebensjahr noch nicht vollendet haben, sodass für den Anspruch auf Familienbeihilfe ab der Vollendung des 19. Lebensjahres eine Berufsausbildung des Kindes vorlegen muss. (Das Erreichen der Volljährigkeit mit dem 18. Lebensjahr wurde mit Wirkung ab 01.07.2001 erst durch BGBl 135/2000 festgelegt und ist somit für den Berufungsfall nicht mehr relevant.)
In diesem Lichte ist auch das in der späteren Rechtsprechung des Verwaltungsgerichthofes mehrfach zitierte Erkenntnis (VwGH 9.6.1978, 941/77) zu sehen, wonach die Ableistung des Präsenzdienstes keine Berufsausbildung darstellt.
Dass der Verwaltungsgerichtshof in seiner späteren Rechtsprechung auch davon ausgeht, dass der Staat für die Zeit der Ableistung des Präsenzdienstes bzw. Zivildienstes für den Unterhalt von Präsenz- bzw. Zivildienstleistenden aufkomme, ist für den Anspruch auf Familienbeihilfe für volljährige Kinder, die sich im Sinne des lit. b leg.cit in Berufsausbildung befinden und die noch bei den Eltern haushaltszugehörig sind, nicht maßgeblich, heben doch Präsenzdienst (bzw. Zivildienst) die Haushaltszugehörigkeit im Sinne des § 2 Abs. 5 lit.a FLAG 1967 nicht auf (letzter Halbsatz ebenfalls VwGH 9.6.1978, 0941/77).
Einzig aus dem mit 1.Oktober 1996 in Kraft getretenen § 2 Abs.1 lit. g FLAG 1967 (idF BGBl 201/1996) ist nach Ansicht der Berufungsbehörde erstmals, wenn auch indirekt* ableitbar, dass die Leistung des Präsenz- oder Ausbildungsdienstes oder Zivildienstes für den Gesetzgeber eine Unterbrechung der Berufsausbildung darstellt, weil mit dieser Bestimmung eine Verlängerung der Bezugsdauer für die Zeit der Ausbildung nach Ableistung des Präsenz- oder Ausbildungsdienstes oder Zivildienstes vorgesehen wird, ohne zu unterscheiden, ob während der Dienstleistung die Ausbildung erfolgreich fortgeführt oder unterbrochen wurde bzw. der Ausbildungsbeginn verschoben wurde.
*(72 der Beilagen zu den Stenografischen Protokollen NR XX GP enthält diesbezüglich nur: "Zeiten des Präsenz- bzw. Zivildienstes werden nach Vollendung des 26. Lebensjahres berücksichtigt, wenn sich das Kind weiterhin in Berufsausbildung befindet.")
Eine andere Auslegung des lit. g würde jedenfalls zu einer Ungleichbehandlung führen, weil dadurch Präsenz- oder Zivildienstleistende bei Fortsetzung der Ausbildung während der Dienstleistung bevorzugt werden würden.
Somit kommt auch die Berufungsbehörde zum Ergebnis, dass die Ableistung des Präsenz- oder Ausbildungs- oder Zivildienstes für den Gesetzgeber eine Unterbrechung der Ausbildung des Kindes darstellt. Die gegenteilige Auslegung der Bw. scheitert am Wortlaut der Bestimmung des § 2 Abs. 1 lit. g FLAG 1967, aus welchem die ausbildungsunterbrechende Wirkung der Leistung des Präsenz- oder Ausbildungsdienstes oder Zivildienstes hervorgeht.
Für die Beurteilung des Anspruches auf Familienbeihilfe kommt nach den vorstehenden Ausführungen dem von der Bw. ins Treffen geführten Umstand, dass der Sohn neben der Ableistung des ordentlichen Zivildienstes zweifellos seine Ausbildung durch Ablegung von Prüfungen erfolgreich weitergeführt hat, damit keine Bedeutung zu.
9.3.4. Zum Vorbringen der Bw., die Behörde übe Willkür, wenn sie meine, Personen, die neben ihrem Präsenz- oder Zivildienst eine Berufsausbildung machen, mit solchen gleichbehandeln zu wollen, die dies nicht tun, wird ergänzend angemerkt, dass laut Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes ein willkürliches Verhalten einer Behörde u.a. dann vorliegt, wenn der Bescheid wegen gehäuften Verkennens der Rechtslage in einem besonderen Maß mit den Rechtsvorschriften in Widerspruch stünde, nicht aber, wenn die Behörde - ungeachtet des Erfolges ihrer Bestrebungen - bemüht war, das Gesetz richtig anzuwenden (VfSlg. 7107/1973 und 7527/1975). Auch eine denkunmögliche Gesetzesanwendung kann Willkür indizieren (VfGH 14573/1996, VwGH 28.01.2004, 2000/12/0226), im Hinblick auf die im Ergebnis im Einklang mit der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes stehende Rechtsauslegung (z.B. VwGH 21.9.2006, 2004/15/0103) ist aber im vorliegenden Fall davon auszugehen, dass die Gesetzesanwendung richtig erfolgte.
9.3.5. Weiters bringt die Bw. im Schriftsatz vom 27. August 1999 noch vor, die Behörde lege die Bestimmung des § 2 Abs. 1 lit.b FLAG 1967 - ohne dazu durch den Wortlaut des Gesetzes gezwungen zu sein - in verfassungswidriger Weise aus, wenn sie meine, Präsenz- und Zivildienst vermögen in gleicher Weise den Anspruch auf Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträge beseitigen, obwohl doch Präsenz- und Zivildienst ungleich lange dauern würden.
Bei verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit der den Bescheid tragenden Rechtsvorschriften könnte die Bw. im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Gleichheitsrecht nur dann verletzt sein, wenn die Behörde bei Erlassung des angefochtenen Bescheides dem Gesetz einen Inhalt unterstellt hätte, der - hätte ihn das Gesetz - dieses mit Gleichheitswidrigkeit belasten würde.
Dazu ist wiederum auf die vorstehenden Ausführungen sowie auf die bereits zitierte Judikatur zu verweisen. Ergänzend wird dazu noch ausgeführt, dass es sich aufgrund der unterschiedlichen Zielsetzungen zwangsläufig ergibt, dass Zivil- und Präsenzdienstleistende nicht in jeder Hinsicht gleichgestellt sind (bzw. sein können). So ist z.B. einer von der Bundesregierung erstatteten Äußerung im Verfassungsgerichtshof-Verfahren G212/01 Folgendes zu entnehmen:
"... ist der Präsenzdiener der Kasernierung unterworfen, während der Zivildiener in der Regel zu Hause nächtigen kann. Mit der Kasernierung ist eine weitgehende Beschränkung der persönlichen Freiheit verbunden, der Ausgang aus der Kaserne unterliegt ebenfalls zeitlichen Beschränkungen.
Überdies richtet sich die Dienstzeit des Zivildieners nach jener der Personen, die bei der Einrichtung, in der er Zivildienst versieht, beschäftigt sind (§23 Abs1). Dies ist dem Präsenzdiener schon aus der Natur des Wehrdienstes heraus nicht möglich.
Es ist auch darauf hinzuweisen, dass der Präsenzdiener ... außerhalb des Heimat- und auch Kasernenortes ... herangezogen werden kann. Demgegenüber hat der Zivildiener so eingesetzt zu werden, dass er innerhalb von einer Stunde mit öffentlichen Verkehrsmitteln seinen Wohnort erreichen kann... .
Auch kann eine Verpflichtung des Gesetzgebers zur Gleichstellung in jeder Hinsicht von Zivildienstleistenden und Wehrdienstleistenden laut Verfassungsgerichtshof aus Art9a B-VG nicht abgeleitet werden. (VfGH 9.3.2000 B 1883/99). So waren die gesetzlichen Bestimmungen über den Zivildienst seit seiner Einführung im Jahre 1974 einem häufigen Wandel unterworfen, insbesondere betrafen gesetzliche Änderungen (z.B. ZDG-Novelle BGBl. Nr. 675/1991) neben dem Zugang zum Zivildienst stets die Dauer des Zivildienstes.
Da der Gesetzgeber im Familienlastenausgleichsgesetz 1967 jedoch keine Unterscheidung zwischen Präsenz- und Zivildienst trifft, und auch aus der Natur der unterschiedlichen Dienste eine zwangsläufige Differenzierung nicht erforderlich ist, rechtfertigt die unterschiedliche Dauer des Zivildienstes im Vergleich zum Präsenzdienst nicht, Zivildienstleistende hinsichtlich des Anspruches auf Familienbeihilfe anders als Präsenzdiener zu behandeln.
9.4. Wer Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat, hat gemäß § 26 Abs. 1 FLAG 1967 die entsprechenden Beträge zurückzuzahlen. Für die Rückforderung nach § 26 Abs. 1 FLAG 1967 (der nach § 33 Abs. 4 Z 3 lit.a letzter Satz EStG 1988 auch betreffend Kinderabsetzbeiträge anzuwenden ist) kommt es nur auf die objektive Unrechtmäßigkeit des Bezuges der Familienbeihilfe an, die Verpflichtung zur Rückerstattung ist von subjektiven Momenten unabhängig, entscheidend ist lediglich, ob der Empfänger die Beträge zu Unrecht erhalten hat.
9.5. Da unter Berücksichtigung aller entscheidungswesentlichen Argumente der Bw. der Anspruch auf Familienbeihilfe für den Rückforderungszeitraum nicht festgestellt werden konnte, war über die Berufung gegen den Bescheid vom 26. Jänner 1999 wie im Spruch zu entscheiden.
10.1. Berufung vom 28. April 1999 gegen den Bescheid vom 24. März 1999:
Mit dem Bescheid vom 24. März 1999 hat das Finanzamt Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträge für den Zeitraum 1. Oktober 1997 bis 30. September 1998 (nochmals) rückgefordert.
Der mit Berufung vom 28. April 1999 angefochtene Bescheid vom 24. März 1999 lässt sich nicht, wie dies von der Bw. im Schriftsatz vom 28. April 1999 u.a. angenommen wird, als Berufungsvorentscheidung deuten, die über die Berufung gegen den Bescheid vom 26. Jänner 1999 ergehen hätte können. Er ist seinem eindeutigen Inhalt und seiner Form nach als Abgabenbescheid erster Instanz zu qualifizieren, mit dem (neuerlich) über denselben Abgabenanspruch abgesprochen wurde und durch den es, wie auch von der Bw. ausgeführt, zu einer doppelten Abgabenfestsetzung kam (vgl. VwGH 22.2.2006, 2004/17/0028).
Wie der Verwaltungsgerichtshof mehrfach ausgesprochen hat, ist auch im Abgabenverfahren davon auszugehen, dass in derselben Sache nur einmal abzusprechen ist (vgl. zum Grundsatz "ne bis in idem" die Erkenntnisse 17.10.1974, Zl. 1818/73, Slg. Nr. 4739/F; 18.09.2002, Zl. 98/17/0281; 10.02.1989, Zl. 87/17/0202).
Daher stand, wie auch von der Bw. im Schriftsatz vom 28. April 1999 vorgebracht, einer neuerlichen Festsetzung des gegenständlichen Rückforderungsbetrages - wie sie durch den Bescheid vom 24. März 1999 erfolgte - die Existenz des Bescheides vom 26. Jänner 1999 entgegen.
Laut Judikatur stellt es eine inhaltliche Rechtswidrigkeit dar, wenn die Berufungsbehörde, anstatt über die Berufung gegen einen Abgabenbescheid zu entscheiden, einen in derselben Sache ergangenen weiteren Abgabenbescheid der Behörde erster Rechtsstufe bestätigt, ohne die Verletzung des Grundsatzes der Unwiederholbarkeit (ne bis in idem) durch die Abgabenbehörde erster Instanz aufzugreifen (VwGH 10.02.1989, 87/17/0202).
10. 2. Da der Bescheid vom 24. März 1999 gegen den Grundsatz der Unwiederholbarkeit verstößt, ist er, wie von der Bw. beantragt, gemäß § 289 Abs. 2 BAO ersatzlos zu beheben.
11. 1. Unabhängig davon hatte der Bescheid vom 24. März 1999 doch die Wirkung, dass der Bw. ergänzende Begründungselemente zum Bescheid vom 26. Jänner 1999 bekannt gemacht wurden. Insofern wurden die im Schriftsatz vom 27. August 1999 vorgebrachten Argumente der Bw. bei der Entscheidung über die Berufung gegen den Bescheid vom 26. Jänner 1999 berücksichtigt.
11. 2. Ergänzend wird noch festgehalten, dass die in den eingebrachten Schriftsätzen enthaltenen Vorbringen betreffend die Aussetzung der Einhebung bzw. die Berufung(en) betreffend Säumniszuschläge keiner Ausführungen bedürfen, da diese nicht Gegenstand des gegenständlichen Berufungsverfahrens sind.
Wien, am 5. September 2007
Zusatzinformationen | |
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Materie: | Steuer, FLAG, Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen: | § 2 Abs. 1 lit. b FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 |
Schlagworte: | Zustellung, Bescheidadressat, Unterschrift, Zivildienst, Berufsausbildung, Unwiederholbarkeit |