Zollschuld, Festsetzungsverjährung, Bindungswirkung eines Strafurteiles, Transaktionswert als Zollwert, Gesamtschuld mehrerer Zollschuldner, Auswahlermessen
Beachte:
VwGH-Beschwerde zur Zl. 2004/16/0146 eingebracht. Mit Erk. v. 16.12.2004 als unbegründet abgewiesen.
Entscheidungstext
Rechtsbehelfsbelehrung
Gegen diese Entscheidung ist gemäß § 85c Abs. 8 Zollrechts-Durchführungsgesetz (ZollR-DG) iVm § 291 der Bundesabgabenordnung (BAO) ein ordentliches Rechtsmittel nicht zulässig. Es steht Ihnen jedoch das Recht zu, innerhalb von sechs Wochen nach Zustellung dieser Entscheidung eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof oder den Verfassungsgerichtshof zu erheben. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof muss - abgesehen von den gesetzlich bestimmten Ausnahmen - von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Die Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof muss - abgesehen von den gesetzlich bestimmten Ausnahmen - von einem Rechtsanwalt oder einem Wirtschaftsprüfer unterschrieben sein.
Gemäß § 85c Abs. 7 ZollR-DG steht der Berufungsbehörde der ersten Stufe das Recht zu, gegen diese Entscheidung innerhalb von sechs Wochen nach Zustellung (Kenntnisnahme) Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof zu erheben.
Entscheidungsgründe
Das Hauptzollamt Wien stellte mit Bescheid vom 17. Oktober 2000, GZ. 100/49024/97/142, fest, dass für die Beschwerdeführerin (Bf.) als Anmelder hinsichtlich der in der, diesem Bescheid angeschlossenen Aufstellung angeführten Warenanmeldung WE-Nr. 600/000/801800/17/6 genannten Kupferkathoden, die am 3. Juli 1996 beim Hauptzollamt Salzburg in den zollrechtlich freien Verkehr übergeführt worden sind, die Eingangsabgabenschuld (Einfuhrumsatzsteuer) gemäß Art. 201 Abs. 1 Buchstabe a und Abs. 3 der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 (Zollkodex, ZK) iVm § 2 Abs. 1 Zollrechts-Durchführungsgesetz, BGBl. 1994/659 idgF (ZollR-DG) in der Höhe von ATS 103.613,00 (d.s. € 7.539,85) entstanden sei. In den Anmeldungen wurde als Versender der Waren die ungarische Firma M., und als Empfänger die R. ausgewiesen. Die Eingangsabgabenschuld sei für die gegenständlichen Waren anlässlich der Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr nur in Höhe von ATS 19.550,00 (d.s. € 1.420,75) buchmäßig erfasst und festgesetzt worden. Gleichzeitig wurde der Differenzbetrag an Einfuhrumsatzsteuer in Höhe von ATS 84.063,00 (€ 6.109,10) gemäß Art. 220 Abs. 1 ZK nachträglich buchmäßig erfasst und nacherhoben. Begründend verwies das Hauptzollamt Wien in seinem Nacherhebungsbescheid auf die Ergebnisse durchgeführter Ermittlungen, die es als Finanzstrafbehörde erster Instanz getroffen hatte. Mit der bezughabenden Anmeldung, in welcher die Bf. als Anmelderin aufgetreten sei, seien Kupferkathoden und Kupferabschnitte durch die Vorlage von Rechnungen mit nicht zutreffenden Rechnungspreisen (in einer beigelegten Aufstellung wurden diese in der Spalte 5 als "erklärter Wert" und die ermittelten zutreffenden Werte in der Spalte 6 als "ermittelter, tatsächlicher Wert" ausgewiesen) in den freien Verkehr übergeführt worden. Die Bf. sei in der Reihenfolge des Art. 201 Abs. 3 Unterabsatz 1 ZK als primärer Zollschuldner und aus Zweckmäßigkeitsgründen zur Sicherung der Einbringlichkeit der aushaftenden Abgaben herangezogen worden. Gemäß Art. 213 ZK bestehe hinsichtlich des Nachforderungsbetrages mit W.M. ein Gesamtschuldverhältnis. Die Bemessungsgrundlagen seien auf Grund der Ermittlungen des Hauptzollamtes Wien als Finanzstrafbehörde festgestellt worden.
W.M. waren die nachzufordernden Eingangsabgaben vom Hauptzollamt Wien bereits mit Bescheid vom 9. Juli 1997, GZ. 100/49024/01/97-Rie, zur Zahlung vorgeschrieben worden, Einbringungsmaßnahmen verblieben bei ihm jedoch erfolglos.
Das Landesgericht für Strafsachen Wien hatte in seinem in Rechtskraft erwachsenen Urteil vom 8. Oktober 1999, GZ. xy, W.M. als schuldig erkannt, er hat - unter anderem - als Geschäftsführer der Fa. S. in der Zeit vom 10.6.1996 bis 28.2.1997 im Bereich des Zollamtes Wien in 48 Fällen (darunter auch in den - in der dem Urteil angeschlossenen Aufstellung in der ersten Spalte "Faktum" 3 genannten - verfahrensgegenständlichen Fällen) durch die Herstellung und Verwendung unrichtiger Rechnungen, welche einen niedrigeren Wert auswiesen, als der tatsächliche Kaufpreis der zu verzollenden Ware ausmachte, unter Verletzung einer abgabenrechtlichen Anzeige-, Offenlegungs- und Wahrheitspflicht, die zu niedrige Festsetzung einer Eingangsabgabenschuld im Ausmaß von S 13,396.319,00 für insgesamt 345.342 kg importierter Kupferkathoden bewirkt. .....
Das Urteil des Strafgerichtes stützte sich - auszugsweise wiedergegeben - auf folgenden Sachverhalt:
"Schon bald nach der Gründung der ..... entschloss sich der Angeklagte, mittels Import von Kupferkathoden Abgaben im größeren Ausmaß den Steuerbehörden zu verschweigen und nicht abzuführen. Er wählte dazu folgende Vorgangsweise:
Bei Kupfer handelt es sich um einen Rohstoff, der an der Londoner Metallbörse zu einem Preis von 2.000,-- US $ pro Tonne gehandelt wird. Dieser Umstand war dem Angeklagten bekannt, da er von der Firma ....., von der er die Kupferkathoden bezog, die diesbezüglichen Kursinformationen per Fax erhielt.
Die ....., die ihre Steuernummer unmittelbar nach der Gründung erhielt, kaufte also Kupferkathoden von der Firma ..... - es handelt sich hierbei um eine Handelsfirma mit Hauptsitz ..... und der Wiener Niederlassung in .....- welche ihrerseits die Kupferkathoden von der Firma ..... bzw. von der ..... Sitz in ..... erwarb. Bei ersteren Geschäften stammten die Kupferkathoden aus Russland und wurden über die Niederlande, Rotterdam, importiert. Die von der Firma ..... erworbenen stammten aus Polen.
Die erworbene Ware traf per LKW in Österreich ein und wurde beim Zollamt in einem Zollfreilager gelagert.
Der vom Angeklagten bezahlte Preis bewegte sich zwischen S 19,-- und S 25,-- pro Kilogramm Kupferkathoden. Nach Eintreffen der Bestätigung über die Lieferbarkeit der Ware durch die Firma ..... bediente sich der Angeklagte einer von ihm selbst zum Zwecke der Steuerhinterziehung gewählten Konstruktion: Bereits zum Zeitpunkt der Preisfixierung durch die Firma ..... wurden die Kupferkathoden von der ..... namentlich durch den Angeklagten, an die ungarische Firma ..... mit Sitz in Budapest fakturiert.
Mit diesem Unternehmen, dessen Geschäftsführer ..... war, hatte der Angeklagte bis Ende 1995 tatsächlich Geschäftskontakt, der sich jedoch nur auf den Ankauf von Aluminium bezog. Danach hatte dieses Unternehmen keinen Kontakt mehr mit dem Angeklagten bzw. der S. Die diesbezüglichen Exporte fanden daher nicht statt und fälschte der Angeklagte die bezughabenden Fakturen.
Für den Wiederverkauf der nunmehr ungarischen Ware nach Österreich erweckte der Angeklagte die Firma M. mit Sitz ebenfalls in Budapest scheinbar zu neuem Leben. Zu diesem Unternehmen ist auszuführen, dass es sich dabei um ein staatliches handelte, welches 1991 aufgelöst wurde. Der Geschäftsführer der ehemaligen M. ..... gründete in der Folge die Firma ..... mit Sitz ebenfalls in Budapest. Dem Zeugen ..... war der Angeklagte lediglich als Privatperson, nicht jedoch als Geschäftspartner bekannt. W.M. fälschte daher auch die diesbezüglichen Rechnungen mit dem Briefkopf der M., der im Übrigen von dieser tatsächlich bis 1991 verwendet wurde, wobei jedoch der restliche Teil der Rechnung anders gestaltet wurde. Die R., auf die in der Folge noch eingegangen wird, war der M. ebenfalls unbekannt.
Die R. mit Sitz in Wien, wurde mit Gesellschaftsvertrag vom 30.1.1989 gegründet und am 10.4.1989 im Firmenbuch des Handelsgerichtes Wien eingetragen. Geschäftsführer war ab der Gründung ..... . Die Firma wurde am 30.5.1995 gemäß § 2 Amtslöschungsgesetz gelöscht. Die der R. zugewiesene Steuernummer hatte daher ab diesem Zeitpunkt keine Gültigkeit mehr.
Mit dem Geschäftsführer der R. ..... hatte der Angeklagte zumindest ab Anfang 1994 Geschäftskontakt. Am 10.1.1994 stellte ..... namens der R. dem Angeklagten eine allgemeine Handlungsvollmacht aus. Seit 18.5.1993 ist ..... unbekannten Aufenthaltes. Anzumerken ist noch, dass die R. einen zweiten Gesellschafter und Prokuristen, ..... hatte, welcher jedoch bereits verstorben ist.
Die ungarische M. fakturierte also die von der ..... bezogenen Kupferkathoden zunächst an die R., die diesbezüglichen Fakturen stellte der Angeklagte wiederum selbst aus. Zum Zwecke der Hinterziehung von Eingangsabgaben erklärte er allerdings vorsätzlich einen falschen Kaufpreis von S 4,--.
Auch sämtliche Schriftstücke, Rechnungen und Zahlungsbestätigungen der R. wurden vom Angeklagten persönlich auf der sichergestellten Schreibmaschine ausgefertigt.
.....
Nach dem (Re)Import der Ware durch die R...... erfolgte der neuerliche - diesfalls rein buchhalterische Ankauf der Ware durch die S. um wiederum S 19,-- bis S 25,-- pro Kilogramm und der anschließende Verkauf an die .....
Durch die scheinbare Verlagerung der Kaufgeschäfte nach Ungarn mit Hilfe von erfundenen bzw. nicht mehr existierenden Firmen wollte der Angeklagte einerseits die Herkunft und den tatsächlichen Preis der Ware durch die neu erstellten zu niedrigen Rechnungen verheimlichen und sich dadurch Eingangsabgaben an Einfuhrumsatzsteuer zu sparen, andererseits auch Umsatzsteuer, welche er anschließend selbst auf den Rechnungen der R. seiner eigenen Firma S. in Rechnung stellte, im Zuge des Vorsteuerabzuges lukrieren.....
Durch die fiktiven Geschäftsvorgänge, die insgesamt 48 Fälle in der Zeit zwischen dem 10.6.1996 bis zum 28.2.1997 betreffen, die in der dem Urteil angeschlossenen Tabelle aufgeschlüsselt sind, wurden beim Import von insgesamt 345.342 kg Kupferkathoden Eingangsabgaben im Ausmaß von insgesamt S 13,396.319,-- und ..... vom Angeklagten vorsätzlich hinterzogen.
Bei Ausstellung der unrichtigen Fakturen handelte der Angeklagte mit dem Vorsatz, diese im verwaltungsbehördlichen Verfahren zu gebrauchen."
Gegen den bezeichneten Nachforderungsbescheid wurde mit Schriftsatz vom 9. November 2000 Berufung erhoben.
In Ausführung der Berufungsbegründung bestritt die Berufungswerberin zunächst, dass in der dem angefochtenen Bescheid zu Grunde liegenden Zollanmeldung unzutreffende Rechnungspreise genannt worden waren. Das Hauptzollamt Wien habe dies nicht näher begründet und keine Beweismittel angeführt, die zu dieser Behauptung führten. Es obliege dem Hauptzollamt Wien, in einem ordentlichen Verfahren unter Gewährung des rechtlichen Gehörs an die Berufungswerberin nachzuweisen, dass diese unrichtige Angabe des Rechnungspreises tatsächlich vorgelegen ist. Die Berufungswerberin stelle die in der Aufstellung angeführten Daten in Streit.
Weder die Berufungswerberin noch ihre Mitarbeiter hätten vorsätzlich oder fahrlässig gehandelt. Sie hätten die ihr bekannt gegebenen Rechnungspreise der Zollanmeldung zu Grunde gelegt. Die Berufungswerberin gehe davon aus, dass diese Rechnungspreise richtig sind.
Unter Hinweis auf § 72 a ZollR-DG hielt die Berufungswerberin entgegen, die nachträgliche buchmäßige Erfassung hätte auch unterbleiben müssen, weil die Firma W.M. als Empfänger der Waren zum Vorsteuerabzug berechtigt sei.
Zudem erhob die Berufungswerberin die Einrede der Verjährung. Dem angefochtenen Bescheid liege eine Zollanmeldung vom 3. Juli 1996 zu Grunde. Die Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr sei am selben Tag erfolgt. Die dreijährige Verjährungsfrist gem. § 74 Abs. 2 ZollR-DG sei zum Zeitpunkt der nachträglichen buchmäßigen Erfassung des Nachforderungsbetrages bereits abgelaufen gewesen.
Schließlich wandte sich die Berufung gegen das von der Behörde geübte Auswahlermessen bei der Inanspruchnahme der Berufungswerberin als Gesamtschuldner. Die Behörde hätte nach Ansicht der Berufungswerberin nach pflichtgemäßem Ermessen den Warenempfänger W.M. als Abgabenschuldner auszuwählen gehabt. Dieser habe die Waren bezogen, benutzt und weiter verwertet. Jedenfalls wäre nach dem Berufungsvorbringen das Hauptzollamt Wien verhalten gewesen, jene Gründe anzugeben, die ausschlaggebend dafür waren, der Bf. die Abgaben vorzuschreiben.
Das Hauptzollamt Wien wies die Berufung in der Berufungsvorentscheidung vom 26. Juni 2001, GZ. 100/49024/97-159, als unbegründet ab.
Unter Hinweis auf Art. 201 Abs. 1 Buchstabe a, Abs. 2 und 3 ZK erläuterte die Berufungsbehörde zunächst, dass Zollschuldner bei der Zollschuldentstehung der Überführung einfuhrabgabenpflichtiger Waren in den zollrechtlich freien Verkehr im Zeitpunkt der Annahme der Zollanmeldung der Anmelder, sowie im Falle der indirekten Vertretung auch die Person ist, für deren Rechnung die Zollanmeldung abgegeben wird.
Auf Grund Ermittlungen des Hauptzollamtes Wien als Finanzstrafbehörde erster Instanz, insbesondere auf Grund des (vorbezeichneten) rechtskräftigen Urteiles des Landesgerichtes für Strafsachen sei festgestellt worden, dass bei der Anmeldung WE-Nr. 600/000/801800/17/6 vom 3. Juli 1996 durch die Vorlage einer Rechnung mit nicht zutreffendem Rechnungspreis ein zu niedriger Wert der zur Abfertigung gestellten Kupferkathoden erklärt wurde. Die Kupferkathoden seien unter Heranziehung der von W.M. hergestellten Rechnung, welche einen niedrigeren als den dem tatsächlichen Kaufpreis entsprechenden Wert ausgewiesen habe, über Antrag der Berufungswerberin in den zoll- und steuerrechtlich freien Verkehr übergeführt worden. Da keine Gründe vorlägen den im zitierten Strafurteil festgestellten Sachverhalt anzuzweifeln, sei als erwiesen anzusehen, dass bei der gegenständlichen Zollabfertigung eine Rechnung mit unrichtiger Angabe des Rechnungspreises vorgelegen ist.
Unter Hinweis auf Art. 201 Abs. 1 Buchstabe a, Abs. 2 und 3 sowie Art. 213 ZK erläuterte die Berufungsbehörde, dass Zollschuldner bei der Zollschuldentstehung der Überführung einfuhrabgabenpflichtiger Waren in den zollrechtlich freien Verkehr im Zeitpunkt der Annahme der Zollanmeldung der Anmelder, sowie im Falle der indirekten Vertretung auch die Person ist, für deren Rechnung die Zollanmeldung abgegeben wird. Für die Entstehung der Einfuhrzollschuld nach Art. 201 Abs. 1 Buchstabe a ZK sei das objektive Tatbestandsmerkmal der Überführung der Waren in den zollrechtlich freien Verkehr maßgebend. Die Zollschuld entstehe kraft Gesetzes in der nach den materiellrechtlichen Vorschriften richtigen Höhe, auch dann, wenn es - wie im vorliegenden Fall - zu Folge unrichtiger oder unvollständiger Angaben in der Zollanmeldung tatsächlich zu einer geringeren Abgabenvorschreibung gekommen ist. Wer durch die Vorlage unrichtiger oder unvollständiger Angaben für die teilweise Nichterhebung der Einfuhrabgaben verantwortlich ist, habe auf die Entstehung der Einfuhrzollschuld nach Art. 201 ZK und die Heranziehung des Anmelders als Zollschuldner gem. Art. 201 Abs. 3 ZK keinen Einfluss.
Dem Berufungseinwand, die nachträgliche buchmäßige Erfassung hätte zufolge § 72a ZollR-DG unterbleiben müssen, trat die Berufungsbehörde mit dem Hinweis entgegen, dass im gegenständlichen Abfertigungsfall als Warenempfänger die Firma R. aufscheine. Allein dieses Unternehmen wäre für die entstandene Einfuhrumsatzsteuerschuld vorsteuerabzugsberechtigt gewesen. Diese Firma sei jedoch mit 30. Mai 1995 bereits vor dem Zeitpunkt der gegenständlichen Abfertigungen gelöscht worden und die Steuernummer habe keine Gültigkeit mehr gehabt. W.M. habe für den Import der Kupferkathoden eine nicht existierende Firma benützt. Die nachträgliche buchmäßige Erfassung der entstandenen Einfuhrumsatzsteuerschuld habe daher mangels Vorliegens eines vorsteuerabzugsberechtigten Unternehmens erfolgen müssen.
Zur Einrede der Verjährung verwies die Berufungsbehörde in ihrer Berufungsvorentscheidung auf die maßgeblichen Bestimmungen des § 207 BAO und § 74 Abs. 2 ZollR-DG. Die Verjährungsfrist betrage grundsätzlich drei Jahre, jedoch - wie hier - bei hinterzogenen Eingangs- und Ausgangsabgaben zehn Jahre, hingegen bei Einfuhr- und Ausfuhrabgaben, das wären Zölle und Abgaben mit zollgleicher Wirkung, nur dann, wenn die Zollbehörden den gesetzlich geschuldeten Abgabenbetrag infolge eines ausschließlich vor einem Gericht oder einem Spruchsenat zu verfolgenden Finanzvergehens nicht oder nicht genau ermitteln konnten. Die Abgabenvorschreibung sei somit innerhalb der Verjährungsfrist erfolgt.
Die auf Art. 213 ZK gegründete gesamtschuldnerische Inanspruchnahme der Berufungswerberin, die als Ermessensentscheidung nach Abwägung von Billigkeitsgründen und Zweckmäßigkeitserwägungen zu treffen gewesen sei, erläuterte die Berufungsbehörde damit, dass zwar das Naheverhältnis des Anmelders zur Einfuhrzollschuld geringer als das des Warenempfängers, das Interesse der Abgabenbehörde an der Einbringung der Abgaben jedoch vorrangiger zu betrachten gewesen sei. Nach erfolglosen Einbringungsmaßnahmen bei einem der Gesamtschuldner - die Berufungsbehörde meint im gegebenen Zusammenhang W.M. - sei es durchaus zweckmäßig gewesen, allen Gesamtschuldnern - so auch der Berufungswerberin - die Abgabenschuld zur Zahlung vorzuschreiben.
Gegen die abweisende Berufungsvorentscheidung richtet sich die Beschwerde vom 3. August 2001 und macht als Beschwerdegründe unrichtige rechtliche Beurteilung und Verfahrensfehler geltend.
Zunächst kritisiert die Bf., ihr sei im Verfahren nur mangelhaft Akteneinsicht und gewährt und dadurch das fundamentale Recht auf rechtliches Gehör verwehrt worden. Von der Akteneinsicht ausgenommen worden seien die Ermittlungen der Zollfahndung, insbesondere deren Schlussbericht, zudem unverständlicher Weise von dem in der angefochtenen Berufungsvorentscheidung angeführten Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien ganze Seiten, obschon das Strafverfahren bereits rechtskräftig abgeschlossen war und ein Interesse an der Geheimhaltung von Ermittlungsergebnissen nicht mehr vorgelegen sei. Die Bf. stelle gleichzeitig den Antrag, dass ihr die verwehrte Akteneinsicht im dargestellten Umfang gewährt werde.
Den Ausführungen in der Berufungsvorentscheidung zur Einrede der Verjährung hält die Bf. entgegen, die Abgabenvorschreibung sei nach Ablauf der dreijährigen Verjährungsfrist erfolgt.
Die Verlängerung der Verjährungsfrist bei hinterzogenen Eingangsabgaben auf zehn Jahre sei bei Einfuhrabgaben, wie bei der, der Bf. vorgeschriebenen Einfuhrumsatzsteuer, nur vorgesehen, wenn die Zollbehörden den gesetzlich geschuldeten Abgabenbetrag auf Grund eines ausschließlich vor einem Gericht zu verfolgenden Finanzvergehens nicht oder nicht genau ermitteln konnten. In der Berufungsvorentscheidung sei nicht begründet worden, dass und warum den Abgabenbehörden die Ermittlung des Abgabenbetrages nicht früher möglich war. Die Abgabenbehörden hätten den geschuldeten Abgabenbetrag spätestens mit dem Vorliegen des Schlussberichtes der Zollfahndung am 16. Mai 1997 ermitteln können. Die zehnjährige Verjährungsfrist gelte daher nicht. Zum Zeitpunkt der Erlassung des Nachforderungsbescheides sei die dreijährige Verjährungsfrist bereits abgelaufen gewesen. Die Bf. selbst habe an der gerichtlich festgestellten Abgabenhinterziehung nicht mitgewirkt und sei diesbezüglich völlig unbeteiligt und unwissend gewesen. Die verlängerte zehnjährige Verjährungsfrist könne nach Ansicht der Bf. nur gegenüber den gerichtlich Strafverfolgten gelten. Die Anwendung der Verjährungsfrist gleichermaßen auf Unschuldige und Schuldige sei sachlich nicht gerechtfertigt und somit verfassungswidrig. Die Bf. verweist im gegebenen Zusammenhang darauf, dass in der Bundesrepublik Deutschland bei im Wesentlichen gleicher Rechtslage die verlängerte zehnjährige Verjährungsfrist nur für den unmittelbaren Täter, nicht hingegen für den (unschuldigen) Gesamtschuldner angewendet werde.
Die Bf. verweist auch auf die Weisung des Bundesministeriums für Finanzen vom 16. Jänner 2001, GZ. ZK-1890/3-III/2/01, wonach zu beachten sei, wer zur Zollschuld das größte Naheverhältnis hat. Das Naheverhältnis des Spediteurs zur Zollschuld sei grundsätzlich geringer als das des Empfängers. Bei gesetzeskonformer Ermessensübung wären die Abgaben allein W.M. auf Grund seiner Stellung als unmittelbarer Täter und als tatsächlicher Empfänger vorzuschreiben gewesen.
Die Bf. bestreitet - unter Hinweis auf die verweigerte vollständige Akteneinsicht - zudem, dass die von der Behörde behauptete Unterfakturierung stattgefunden hat. Den bloßen Verweis auf ein Strafurteil hält die Bf. als nicht ausreichend.
Schließlich erachtet die Bf. auch die Ausführungen der angefochtenen Berufungsvorentscheidung zur Vorschreibung der Einfuhrumsatzsteuer (mangels Vorliegens eines vorsteuerabzugsberechtigten Unternehmens) als unzutreffend. Die Löschung eines Unternehmens im Firmenbuch habe nur deklaratorischen Charakter. Ein Unternehmen könne - wenn es Vermögen besitzt - auch nach Löschung weiter bestehen. Im vorliegenden Fall habe der in der Zollanmeldung genannte Empfänger, die R. jedenfalls in den gelieferten Kupferkathoden bzw. bei einem allfälligen Weiterverkauf in der entsprechenden Kaufpreisforderung ein Vermögen besessen. Ungeachtet der Löschung im Firmenbuch habe das Unternehmen bestanden und sei zum Vorsteuerabzug berechtigt gewesen. Ob im konkreten Fall auf Grund von Sonderbestimmungen, etwa fehlender Steuernummer, keine Vorsteuerabzugsberechtigung vorliegt, was für den Zollanmelder nicht überprüfbar sei, sei für die Anwendung des § 72a ZollR-DG unbeachtlich. Die Vorschreibung der Einfuhrumsatzsteuer hätte daher - nach dem Dafürhalten der Bf. - unterbleiben müssen.
Die Bf. beantragt, ihrer Beschwerde statt zu geben und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung. Im Zuge der mündlichen Verhandlung am 2. Oktober 2003 brachte der Vertreter der Bf. ergänzend vor, die R. habe zum Zeitpunkt der verfahrensgegenständliche Anmeldung noch über eine aufrechte Steuernummer verfügt und zwar die in der Zollanmeldung angegebene Steuernummer. Die Löschung dieser Steuernummer sei erst am 4. Juli
1997, also rd. 1 Jahr nach der verfahrensgegenständlichen Anmeldung, erfolgt. Zum Beweis hiefür legte der Vertreter der Bf. in Kopie ein an ihn gerichtetes Schreiben der Bf. vom 3. Oktober 2002 vor, in welchem ihm mitgeteilt wird, dass ihren Nachforschungen zufolge die Finanzamtssteuernummer der R. erst am 4. Juli 1997 gelöscht worden sei. Die Steuerbehörde sei daher bis zu diesem Zeitpunkt vom Weiterbestand der R. als Steuersubjekt ausgegangen. Ergänzend zur Beschwerde sei unter Verweis auf Ritz § 79 BAO RZ 11 und VwGH 20.11.1996, 95/15/0179, darauf hinzuweisen, dass durch die Löschung einer GmbH diese nicht als Steuersubjekt zu Grunde gehe und als Rechtsperson - auch trotz Löschung - solange weiter bestehe, solange noch ein Abwicklungsvermögen vorhanden ist. Dies sei - wie hier - nach dem Erkenntnis des VwGH vom 20.9.1995, 95/13/0068, auch dann der Fall ist, wenn noch Abgabenverbindlichkeiten festzusetzen sind. Die R. habe unabhängig von ihrer Löschung im Firmenbuch zum Zeitpunkt der verfahrensgegenständlichen Anmeldung sowohl als Rechtsperson als auch als Steuersubjekt existiert, sei also vorsteuerabzugsberechtigt gewesen. Darüber hinaus verwies der Vertreter der Bf. darauf, dass W.M. zufolge des in Rede stehenden Strafurteiles eine aufrechte Handlungsvollmacht für die R. besessen habe und daher die von W.M. im Namen der R. abgeschlossenen Kaufverträge und die belegten Rechnungen wirksam gewesen wären. Auf Grund dieser Kaufverträge dürfte - nach Ansicht des Vertreters der Bf. - daher die R. im Zeitpunkt der Zollanmeldung über ausreichendes Vermögen verfügt haben.
Ergänzend zur Verjährungseinrede brachte der Vertreter der Bf. vor, dass der Schlussbericht der Zollfahndung vom 16. Mai 1997 und der Strafantrag der Anklageschrift vom November 1989 stammten. Daraus und aus dem Umstand, dass bereits mit Bescheid vom 9. Juli 1997 die Abgaben W.M. vorgeschrieben wurden, zeige sich, dass den Abgabenbehörden schon im Jahr 1997 möglich gewesen sei die genaue Abgabenhöhe zu ermitteln. Die Differenzierung hinsichtlich Eingangs- und Einfuhrabgaben sei sachlich nicht gerechtfertigt und verfassungswidrig. Die Nichtdifferenzierung bei der verlängerten Verjährungsfrist hinsichtlich der Personen, die schuldhaft an der Abgabenhinterziehung mitgewirkt haben und jenen, die unschuldig sind, sei gleichheitswidrig.
Über die Beschwerde wurde erwogen:
Nach § 1 Abs. 1 ZollR-DG ist das Zollrecht der Europäischen Gemeinschaften im Anwendungsgebiet nach Maßgabe dieses Bundesgesetzes durchzuführen. Zufolge § 2 Abs. 1 ZollR-DG gelten das im § 1 ZollR-DG genannte gemeinschaftliche Zollrecht, das ZollR-DG und die in Durchführung dieses Bundesgesetzes ergangenen Verordnungen sowie die allgemeinen abgabenrechtlichen Vorschriften und das in Österreich anwendbare Völkerrecht, soweit sie sich auf Einfuhr- und Ausfuhrabgaben beziehen (Zollrecht im Sinn des Artikels 1 des Zollkodex) weiters in allen nicht vom Zollkodex erfassten gemeinschaftsrechtlich und innerstaatlich geregelten Angelegenheiten des Warenverkehrs über die Grenzen des Anwendungsgebietes, einschließlich der Erhebung von Abgaben (sonstige Eingangs- oder Ausgangsabgaben) und anderen Geldleistungen, soweit im Zollrechts-Durchführungsgesetz oder in den betreffenden Rechtsvorschriften die Vollziehung der Zollverwaltung übertragen und nicht ausdrücklich anderes bestimmt ist.
Nach Art. 4 Z. 10 ZK sind Einfuhrabgaben Zölle und Abgaben mit (zoll)gleicher Wirkung bei der Einfuhr von Waren sowie bei der Einfuhr erhobene Abgaben, die im Rahmen der gemeinsamen Agrarpolitik oder auf Grund der für bestimmte landwirtschaftliche Verarbeitungserzeugnisse geltenden Sonderregelungen vorgesehen sind. Nach Art. 4 Z. 11 ZK sind Ausfuhrabgaben Zölle und Abgaben mit (zoll)gleicher Wirkung bei der Ausfuhr von Waren sowie bei der Ausfuhr erhobene Abgaben, die im Rahmen der gemeinsamen Agrarpolitik oder auf Grund der für bestimmte landwirtschaftliche Verarbeitungserzeugnisse geltenden Sonderregelungen vorgesehen sind.
Gemäß Art. 221 Abs. 3 ZK in der zum Zeitpunkt der Erlassung des Nachforderungsbescheides am 17. Oktober 2000 in Kraft gewesenen Fassung darf die Mitteilung an den Zollschuldner nach Ablauf einer Frist von drei Jahren nach dem Zeitpunkt des Entstehens der Zollschuld nicht mehr erfolgen. Konnten die Zollbehörden jedoch auf Grund einer strafbaren Handlung den gesetzlich geschuldeten Abgabenbetrag nicht genau ermitteln, so kann die Mitteilung noch nach Ablauf der genannten Dreijahresfrist erfolgen, sofern dies nach geltendem Recht vorgesehen ist. Nach § 74 Abs. 2 ZollR-DG in der zum Zeitpunkt der Erlassung des Nachforderungsbescheides am 17. Oktober 2000 in Kraft gewesenen Fassung beträgt die Verjährungsfrist bei Eingangs- und Ausgangsabgaben drei Jahre ab dem Zeitpunkt des Entstehens der Abgabenschuld. Bei hinterzogenen Eingangs- und Ausgangsabgaben beträgt diese Frist zehn Jahre, bei Einfuhr- und Ausfuhrabgaben jedoch nur dann, wenn die Zollbehörden den gesetzlich geschuldeten Abgabenbetrag infolge eines ausschließlich vor einem Gericht oder einem Spruchsenat zu verfolgenden Finanzvergehens nicht oder nicht genau ermitteln konnten.
Gemäß Art. 221 Abs. 3 ZK in der geltenden Fassung darf die Mitteilung an den Zollschuldner nach Ablauf einer Frist von drei Jahren nach dem Zeitpunkt des Entstehens der Zollschuld nicht mehr erfolgen. Diese Frist wird ab dem Zeitpunkt ausgesetzt, in dem ein Rechtsbehelf gemäß Art. 243 ZK eingelegt wird, und zwar für die Dauer des Rechtsbehelfs. Ist die Zollschuld aufgrund einer Handlung entstanden, die zu dem Zeitpunkt, als sie begangen wurde, strafbar war, so kann die Mitteilung unter den Voraussetzungen, die im geltenden Recht festgelegt sind, noch nach Ablauf der Dreijahresfrist nach Absatz 3 erfolgen (Art 221, Abs. 4 ZK). Nach § 74 Abs. 2 ZollR-DG in der geltenden Fassung beträgt die Verjährungsfrist bei hinterzogenen Eingangs- oder Ausgangsabgaben zehn Jahre, wenn im Zusammenhang mit diesen Abgabenansprüchen ein ausschließlich vor einem Gericht oder einem Spruchsenat zu verfolgendes Finanzvergehen begangen wurde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 30. April 2003, Zl. 2002/16/0076, unter Hinweis auf sein Erkenntnis vom 22. September 1989, Zl. 87/17/0271, folgendes dargetan:
Bei abgabenrechtlichen Verjährungsbestimmungen handelt es sich um Bestimmungen des Verfahrensrechtes, bei denen es nicht auf die Verhältnisse im Zeitpunkt der Entstehung des Abgabenanspruches, sondern auf die im Zeitpunkt von dessen Durchsetzung (Abgabenfestsetzung) gegebenen Verhältnisse ankommt. Bei Änderungen verfahrensgesetzlicher Rechtsvorschriften ist im Allgemeinen das neue Recht ab dem Zeitpunkt seines Inkrafttretens anzuwenden, und zwar auch auf solche Rechtsvorgänge, die sich vor Inkrafttreten des neuen Verfahrensrechtes ereignet haben (vgl Stoll, BAO-Kommentar, 62). ..... Die Gesetzmäßigkeit eines ..... Bescheides ist grundsätzlich nach der im Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides geltenden Rechtslage zu beurteilen. Die Rechtsmittelbehörde hat also im Allgemeinen - insbesondere abgesehen von dem bei der Anwendung materiellen Abgabenrechts zu beachtenden Grundsatz der Zeitbezogenheit der Abgaben - das im Zeitpunkt der Erlassung des Rechtsmittelbescheides geltende Recht anzuwenden (vgl Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, 105 und die dort wiedergegebene Rechtsprechung des VwGH). Hingegen kommt es auf den Zeitpunkt der Vorschreibung der Abgaben durch die Abgabenbehörde erster Instanz nicht an.
Es ist im Zollkodex eine gemeinschaftsrechtliche Regelung der Festsetzungsverjährung erfolgt, welche die §§ 207 ff BAO unanwendbar macht.
Art. 221 Abs. 3 zweiter Satz ZK (alte Fassung) ermächtigte die Mitgliedstaaten, autonom eine längere Verjährungsfrist vorzusehen, wenn die Zollbehörden auf Grund einer (gerichtlich) strafbaren Handlung den gesetzlich geschuldeten Abgabenbetrag nicht genau ermitteln konnten. Dem entsprechend war gemäß § 74 Abs. 2 zweiter Satz ZollR-DG (alte Fassung) festgelegt worden, dass bei hinterzogenen Einfuhr- und Ausfuhrabgaben (siehe die vorzitierte Definition in Art. 4 Z. 10 und 11 ZK; es sind dies u.a. Zölle und zollgleiche Abgaben) die Verjährungsfrist nur dann zehn Jahre beträgt, wenn die Zollbehörden den gesetzlich geschuldeten Abgabenbetrag infolge eines ausschließlich vor einem Gericht oder einem Spruchsenat zu verfolgenden Finanzvergehens nicht oder nicht genau ermitteln konnten. Für die sonstigen Eingangs- und Ausgangsabgaben - hiezu zählt auch die im vorliegenden Rechtsbehelfsverfahren ausschließlich in Streit gestellte Einfuhrumsatzsteuer - galt die zehnjährige Frist aber ohne diese Einschränkung, womit in der nationalen österreichischen Rechtsordnung eine Ausnahme vom Grundsatz des § 2 Abs. 1 ZollR-DG, wonach die zollrechtlichen Vorschriften auch auf die Erhebung der sonstigen Eingangs- und Ausgangsabgaben anzuwenden sind, gegeben ist. Art. 221 Abs. 4 ZK (neue Fassung) ermächtigt die Mitgliedstaaten, autonom eine längere Verjährungsfrist - als die Dreijahresfrist - vorzusehen, wenn die Zollschuld aufgrund einer Handlung entstanden ist, die zu dem Zeitpunkt, als sie begangen wurde, strafbar war. Dem entsprechend ist gemäß § 74 Abs. 2 ZollR-DG (neue Fassung) festgelegt, dass die Verjährungsfrist bei hinterzogenen Eingangs- oder Ausgangsabgaben (diese umfassen Einfuhr- und Ausfuhrabgaben wie Zölle sowie sonstige Eingangs- und Ausgangsabgaben wie die Einfuhrumsatzsteuer; eine Unterscheidung wird nicht mehr getroffen) zehn Jahre beträgt, wenn im Zusammenhang mit diesen Abgabenansprüchen ein ausschließlich vor einem Gericht oder einem Spruchsenat zu verfolgendes Finanzvergehen begangen wurde.
Der dargestellten Rechtslage - sowohl nach den zum Zeitpunkt der Erlassung des Nachforderungsbescheides als auch nach den nunmehr geltenden Verjährungsbestimmungen - auf den Streitfall angewendet folgt, dass die am 3. Juli 1996 mit der Annahme der Zollanmeldung entstandene Einfuhrumsatzsteuerschuld durch die Erlassung des Nachforderungsbescheides am 17. Oktober 2000 jedenfalls rechtzeitig vor Ablauf der hinsichtlich der hinterzogenen Einfuhrumsatzsteuer als Eingangsabgabe maßgeblichen zehnjährigen Festsetzungsverjährung buchmäßig erfasst wurde. Dass die Einfuhrumsatzsteuer hinterzogen war, wurde im in Rechtskraft erwachsenen Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien festgestellt. W.M. war darin - wie bereits dargestellt - als schuldig erkannt worden, er hat - unter anderem - als Geschäftsführer der Fa. S. in der Zeit vom 10.6.1996 bis 28.2.1997 im Bereich des Zollamtes Wien in 48 Fällen (darunter auch in dem - in der dem Urteil angeschlossenen Aufstellung in der ersten Spalte "Faktum" 3 genannten - verfahrensgegenständlichen Fall) durch die Herstellung und Verwendung unrichtiger Rechnungen, welche einen niedrigeren Wert auswiesen, als der tatsächliche Kaufpreis der zu verzollenden Ware ausmachte, unter Verletzung einer abgabenrechtlichen Anzeige-, Offenlegungs- und Wahrheitspflicht, die zu niedrige Festsetzung einer Eingangsabgabenschuld im Ausmaß von S 13,396.319,00 für insgesamt 345.342 kg importierter Kupferkathoden bewirkt und u.a. hierdurch das Finanzvergehen der gewerbsmäßigen Hinterziehung von Eingangsabgaben nach §§ 35 Abs. 2, 38 Abs. 1 lit. a FinStrG begangen. Dem Strafurteil waren zur Berechnung der Hinterziehungsbeträge dieselben Warenwerte zu Grunde gelegt worden, wie im streitgegenständlichen Nachforderungsbescheid.
Nach ständiger Judikatur des VwGH entfaltet ein rechtskräftiges Strafurteil bindende Wirkung hinsichtlich der tatsächlichen Feststellungen, auf denen sein Spruch beruht, wozu jene Tatumstände gehören, aus denen sich die jeweilige strafbare Handlung nach ihren gesetzlichen Tatbestandsmerkmalen zusammensetzt. Ein vom bindenden Strafurteil abweichendes Abgabenverfahren würde zu Lasten der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes einer Durchbrechung der materiellen Rechtskraft und einer unzulässigen Kontrolle der Organe der Rechtsprechung durch die Verwaltung gleichkommen; die Bindungswirkung erstreckt sich auf die vom Gericht festgestellten und durch den Spruch gedeckten Tatsachen, wobei die Bindung selbst dann besteht, wenn die maßgebliche Entscheidung rechtswidrig ist (VwGH 30.3.2000, 99/16/0141 und die dort zitierte Judikatur VwGH 26.5.1993, 90/13/0155; 9.12.1992, 90/13/0281; 22.11.1984, 84/16/0179, 0180, VwSlg 5935 F/1984; 27.10.1983, 83/16/0104, VwSlg 5823 F/1983; 7.5.1990, 88/15/0044; 11.3.1963, 380/62).
Die Bf. vermochte mit der Verjährungseinrede nicht durchzudringen.
Gem. § 5 Umsatzsteuergesetz 1994 wird der Umsatz bei der Einfuhr nach dem Zollwert des eingeführten Gegenstandes bemessen. Gemäß Art. 29 Abs. 1 ZK ist der Zollwert eingeführter Waren der Transaktionswert, das heißt der für die Waren bei einem Verkauf zur Ausfuhr in das Zollgebiet der Gemeinschaft tatsächlich gezahlte oder zu zahlende Preis, gegebenenfalls nach Berichtigung gemäß den Artikeln 32 (Hinzurechnungskosten) und 33 (Abzugskosten) und unter den in Art. 29 Abs. 1 Buchstaben a bis d ZK genannten Voraussetzungen, dass
a) keine Einschränkungen bezüglich der Verwendung und des Gebrauches der Waren durch den Käufer bestehen, ausgenommen solche, die
- durch das Gesetz oder von den Behörden in der Gemeinschaft auferlegt oder gefordert werden;
- das Gebiet abgrenzen, innerhalb dessen die Waren weiterverkauft werden können;
- sich auf den Wert der Waren nicht wesentlich auswirken,
b) hinsichtlich des Kaufgeschäfts oder des Preises weder Bedingungen vorliegen noch Leistungen zu erbringen sind, deren Wert im Hinblick auf die zu bewertenden Waren nicht bestimmt werden kann;
c) kein Teil des Erlöses aus späteren Weiterverkäufen, sonstigen Überlassungen oder Verwendungen der Waren durch den Käufer unmittelbar oder mittelbar dem Verkäufer zugute kommt, wenn nicht angemessene Berichtigung gemäß Artikel 32 erfolgen kann;
d) der Käufer und der Verkäufer nicht miteinander verbunden sind oder, wenn sie miteinander verbunden sind, der Transaktionswert gemäß Absatz 2 für Zollzwecke anerkannt werden kann.
Gemäß Art. 147 Abs. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 2454/94 idgF (Zollkodex-Durchführungsverordnung, ZK-DVO) wird für die Anwendung des Artikels 29 des Zollkodex (Transaktionswert als Zollwert) die Tatsache, dass Waren, die Gegenstand eines Verkaufs sind, zur Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr in der Gemeinschaft angemeldet werden, als ausreichendes Indiz dafür angesehen, dass sie zum Zweck der Ausfuhr in das Zollgebiet der Gemeinschaft verkauft werden. Dies gilt bei aufeinander folgenden Verkäufen vor der Bewertung im Hinblick auf den letzten Verkauf, der zur Verbringung der Waren in das Zollgebiet der Gemeinschaft geführt hat, oder sofern es sich um einen Verkauf im Zollgebiet der Gemeinschaft vor der Überführung der Waren in den zollrechtlich freien Verkehr handelt.
Nach der Aktenlage und zufolge des auch im Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien dargestellten Sachverhaltes handelt es sich bei dem in der Spalte 6 (ermittelter, tatsächlicher Wert) der Aufstellung zum Nachforderungsbescheid des Hauptzollamtes Wien um den vor der Überführung der Waren in den zollrechtlich freien Verkehr vom Käufer an den österreichischen Lieferanten tatsächlich bezahlten Transaktionswert im Sinne des Artikels 29 ZK. Es finden sich keine Anhaltspunkte und auch die Bf. hat diesbezüglich keine Hinweise erbracht, die Berichtigungen des Kaufpreises nach Art. 32 oder 33 ZK hätten erforderlich machen müssen oder auf das Nichtvorliegen der in Art. 29 Abs. 1 Buchstaben a bis d ZK aufgezählten Voraussetzungen schließen lassen hätten. Soweit die Bf. den angefochtenen Bescheid mit dem Argument bekämpft, die von der Behörde angenommene Unterfakturierung habe nicht stattgefunden, übersieht sie gleichfalls die Bindungswirkung des genannten Urteils des Landesgerichtes für Strafsachen Wien. Die Berufungsbehörde hatte auf Grund dieser Bindungswirkung von dem im Urteil in der als Bestandteil angeschlossenen Aufstellung in Spalte 5 als "tatsächlichen Wert" festgehaltenen Wert auszugehen.
Eine Einfuhrzollschuld entsteht gemäß Art 201 Abs. 1 Buchstabe a ZK, wenn eine einfuhrabgabenpflichtige Ware in den zollrechtlich freien Verkehr übergeführt wird. Die Zollschuld entsteht in dem Zeitpunkt, in dem die betreffende Zollanmeldung angenommen wird (Abs. 2). Zollschuldner ist der Anmelder. Im Falle der indirekten Vertretung ist auch die Person Zollschuldner, für deren Rechnung die Zollanmeldung abgegeben wird. Liegen einer Zollanmeldung für ein Verfahren im Sinne des Absatzes 1 Angaben zu Grunde, die dazu führen, dass die gesetzlich geschuldeten Abgaben ganz oder teilweise nicht erhoben werden, so können nach den geltenden innerstaatlichen Vorschriften auch die Personen als Zollschuldner angesehen werden, die die für die Abgabe der Zollanmeldung erforderlichen Angaben geliefert haben, obwohl sie wussten oder vernünftigerweise hätten wissen müssen, dass sie unrichtig waren (Abs. 3). Die Zollschuld, das ist die Verpflichtung einer Person, die für eine bestimmte Ware im geltenden Gemeinschaftsrecht vorgesehenen Einfuhrabgaben (Einfuhrzollschuld) oder Ausfuhrabgaben (Ausfuhrzollschuld) zu entrichten (Art. 4 Z. 9 ZK), gemäß Art. 201 ZK entsteht jeweils kraft Gesetzes in der nach den materiellrechtlichen Vorschriften richtigen Höhe, also auch dann, wenn es - wie im vorliegenden Fall - infolge unrichtiger oder unvollständiger Angaben in der Zollanmeldung tatsächlich zu keiner oder einer zu geringen Abgabenvorschreibung gekommen ist. In einem solchen Fall haben die Zollbehörden bei Aufdeckung des Sachverhalts eine Nacherhebung des gesetzlich geschuldeten, aber nicht erhobenen Abgabenbetrages vorzunehmen. Die betreffende Ware gilt jedoch noch als ordnungsgemäß in den zollrechtlich freien Verkehr übergeführt.
Nach den zitierten gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen wurde in den angesprochenen, dem Nachforderungsbescheid zu Grunde liegenden Verzollungsfall Zollschuldner zum einen die Bf., die in der Zollanmeldung als Anmelder, nämlich als die Person, die im eigenen Namen eine Zollanmeldung abgibt, oder die Person, in deren Namen eine Zollanmeldung abgegeben wird (Art. 4 Z. 18 ZK) ausgewiesen wurde. Zum anderen wurde nach den im bezeichneten Strafurteil festgestellten dem Spruch zu Grunde gelegten Sachverhalt auch W.M. als derjenige, der die für die Abgabe der Zollanmeldung erforderlichen Angaben geliefert hat, obwohl er wusste, dass sie unrichtig waren. Gibt es für eine Zollschuld mehrere Zollschuldner, so sind diese gem. Art. 213 ZK gesamtschuldnerisch zur Erfüllung dieser Zollschuld verpflichtet. Im bürgerlichen Recht liegt die Inanspruchnahme von Gesamtschuldnern im Belieben des Gläubigeres. Hingegen liegt sie im Abgabenrecht im Ermessen des Abgabengläubigers.
Entscheidungen, die die Abgabenbehörden nach ihrem Ermessen zu treffen haben (Ermessensentscheidungen), müssen sich in den Grenzen halten, die das Gesetz dem Ermessen zieht. Innerhalb dieser Grenzen sind Ermessensentscheidungen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen. Das Zollrecht setzt hinsichtlich der Inanspruchnahme der Gesamtschuldner keine Grenzen. Die Abgabenbehörde hatte daher Billigkeitsgründe Zweckmäßigkeitserwägungen gegenüber zu stellen. Dem Gesetzesbegriff "Billigkeit" ist dabei die Bedeutung "berechtigte Interessen der Partei", dem Gesetzesbegriff "Zweckmäßigkeit" die Bedeutung "öffentliches Anliegen an der Einbringung der Abgaben" beizumessen (VwGH 11.12.1992, 92/17/0178). Eine Abgabenbehörde darf sich jedoch nicht ohne sachgerechten Grund an die Person halten, die nach dem vertraglichen Innenverhältnis allenfalls die Abgabenlast nicht tragen sollte; eine andernfalls eintretende Gefährdung der Einbringlichkeit wird dies jedoch nahe legen. Der Bf. ist beizupflichten, dass bei Ausübung des Ermessens geprüft werden muss, wer der Zollschuld am nächsten steht und dabei der Grad der Verfehlung zu beachten ist. Bei Uneinbringlichkeit der Abgabenforderung bei dem einen Gesamtschuldner, so wie im Streitfall bei W.M. - auch bei ihm wurde die Nachforderung mit Bescheid geltend gemacht, die Einbringungsmaßnahmen des Hauptzollamtes Wien blieben bei ihm jedoch erfolglos -, dem die Verfehlung zuzumessen war, bleibt für die Inanspruchnahme des verbleibenden, wenn auch schuldlosen Gesamtschuldners kein Spielraum für die Ermessensübung (VwGH 21.3.2002, 2001/16/0555). Wenn sich die Abgabenbehörde nach erfolgloser Inanspruchnahme des einen Gesamtschuldners bei der Bf. als einzig verbliebenen Gesamtschuldner schadlos halten wollte, ließ sie sich nicht von unsachlichen Erwägungen leiten, weil in diesem Fall das öffentliche Anliegen an der Einbringung der Abgaben gegenüber dem Interesse der Bf., nicht in Anspruch genommen zu werden, überwiegen musste. Es entspricht dem Wesen der Gesamtschuld, dass jeder Schuldner die ganze Leistung zu bewirken verpflichtet ist. Die Bf. hat aus eigenen Stücken im eigenen Namen und für fremde Rechnung die Rechtsposition des Anmelders eingenommen und sich in jene rechtliche Stellung gesetzt, um im Falle einer Nacherhebung als Zollschuldner in Anspruch genommen zu werden. Der Eintritt der so frei gewählten Zollschuldnereigenschaft erweist sich als Ausfluss des im Speditionsgeschäft immanenten Geschäftsrisikos und die gesamtschuldnerische Inanspruchnahme des Speditionsunternehmens daher auch nicht a priori als unbillig. Die Abgabenbehörde hat daher ihr Auswahlermessen nicht missbräuchlich geübt, wenn sie nach erfolglosen Einbringungsversuchen bei einem der beiden Gesamtschuldnern ihrem gesetzlichen Auftrag folgend die Einbringung der Abgaben beim zweiten Gesamtschuldner angestrebt hat.
Die Bf. rügt als Verfahrensmangel, die Berufungsbehörde habe ihr das Recht auf Parteiengehör nicht im gebotenen Maß gewährt.
Gem. § 115 Abs. 2 BAO ist den Parteien Gelegenheit zur Geltendmachung ihrer Rechte und rechtlichen Interessen zu geben. Das so postulierte Recht auf Gehör besteht darin, der Partei Gelegenheit zur Äußerung zu behördlichen Sachverhaltsannahmen sowie zur Kenntnisnahme der Ergebnisse des Beweisverfahrens und zur Stellungnahme hiezu zu geben.
Wie bereits dargelegt stützte sich der Nachforderungsbescheid des Hauptzollamtes Wien vom 17. Oktober 2000 auf die Sachverhaltsfeststellungen des Urteiles des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 8. Oktober 1999, ohne diesen Umstand und die darin getroffenen Sachverhaltsfeststellungen explizit in der Begründung darzustellen. Die Erstermittlungen für das strafgerichtliche Verfahren hatte offenkundig das Hauptzollamt Wien als Finanzstrafbehörde erster Instanz geführt. Auch die nunmehr angefochtene Berufungsvorentscheidung lässt entsprechend hinreichende Äußerungen zum angenommenen Sachverhalt sowie darauf, auf welche Sachverhaltsgrundlagen (Beweiserhebungen) die Entscheidung beruht, vermissen.
Die Bf. kritisiert zu Recht, dass ihr im Verfahren vor der Abgabenbehörde erster Instanz sowie vor der Berufungsbehörde vor Erlassung der Berufungsvorentscheidung die sachverhaltsbezogenen Umstände nicht in der gebotenen Form zur Kenntnis gebracht wurden, um ihr vor Erlassung des abschließenden Sachbescheides Gelegenheit zu geben, sich zum Ergebnis des Beweisaufnahmeverfahrens zu äußern.
Da sich die Nacherhebung zufolge der aufgezeigten Bindungswirkung sich bezüglich des maßgeblichen Sachverhaltes an dem Strafurteil orientieren musste, bestand die verfahrensrechtliche Verpflichtung der Abgabenbehörde jedenfalls darin, der Bf. vor Erlassung des Nachforderungsbescheides die Sachverhaltsfeststellungen des Strafurteiles in förmlicher Weise, damit ihr dieser Verfahrensschritt deutlich bewusst geworden wäre, allenfalls schriftlich etwa in Form eines Vorhaltes oder durch Übersendung von Ablichtungen von Aktenteilen oder durch Gewährung von Akteneinsicht gem. § 90 BAO (VwGH 20.2.1992, 90/16/0156) zur Kenntnis zu bringen, um ihr auch Gelegenheit zur Äußerung einzuräumen.
Hinreichend Parteiengehör in förmlicher Weise hat die Berufungsbehörde der Bf. schließlich erst nach Erlassung der angefochtenen Berufungsvorentscheidung in Form der durch ihren Rechtsvertreter am 30. Juli 2001 in Anspruch genommenen Akteneinsicht gewährt. Hierbei wurden diesem Einsicht in die die Bf. betreffenden Abgaben- und Berufungsakten sowie in Kopien der bezughabenden Urteile des Landesgerichtes für Strafsachen Wien und des Oberlandesgerichtes Wien, in welchen jene Passagen teils durch Unsichtbarmachung mittels Überschreibens mit schwarzer Farbe und teils durch Ausschnitt entfernt wurden, die persönliche Daten Dritter (Namen anderer natürlicher und juristischere Personen) erkennen lassen hätten, gestattet. Gem. § 90 Abs. 2 BAO sind von der Akteneinsicht Schriftstücke, deren Einsichtnahme eine Schädigung berechtigter Interessen dritter Personen herbeiführen würde, ausgenommen. Die Berufungsbehörde hatte die angesprochenen Passagen der Urteile von der Akteneinsichtnahme auszunehmen, weil ihre Organwalter die ihnen aus § 48a BAO oblegene abgabenrechtliche Geheimhaltungspflicht zu wahren hatten. Die Einsichtnahme in das bezughabende Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen erfolgte dennoch in dem vorangeführt dargestellten Ausmaß so weit reichend, dass die - auch für die Erlassung des Nachforderungsbescheides dargestellten maßgebenden - Sachverhaltsfeststellungen erkennbar waren. Somit wurde die von der Abgabenbehörde offenkundig verursachte Verletzung des Parteiengehörs im Rechtsbehelfsverfahren saniert (VwGH 31.7.1996, 92/13/0163; 19.3.1998, 96/15/0005).
Im Übrigen stellt die Verletzung des Parteiengehörs keinen absoluten Verfahrensmangel dar (VwGH 21.12.1990, 86/17/0106). Zu einer Aufhebung durch ein Höchstgericht führt ein solcher Verfahrensmangel nur dann, wenn er "wesentlich" ist, wenn somit bei seiner Vermeidung ein anders lautender Bescheid hätte erlassen werden können oder eine Bescheiderteilung hätte unterbleiben können, wozu im Streitfall keine Anhaltspunkte erkennbar wären.
Zum Beschwerdeeinwand, die streitverfangene buchmäßige Erfassung der Einfuhrumsatzsteuer hätte unterbleiben müssen, weil der Warenempfänger, die R. zum Vorsteuerabzug berechtigt gewesen sei, ist festzustellen:
Gem. § 72a ZollR-DG hat die nachträgliche buchmäßige Erfassung von Einfuhrumsatzsteuer gemäß Art. 220 ZK in Verbindung mit Art. 201 ZK, die Festsetzung von Einfuhrumsatzsteuer in Bescheiden gemäß § 201 BAO sowie die Abänderung der Festsetzung von Einfuhrumsatzsteuer im Rechtsbehelfsweg zu unterbleiben, soweit der Empfänger für diese Abgabe nach den umsatzsteuerrechtlichen Vorschriften zum vollen Vorsteuerabzug berechtigt ist, es sei denn, dass der Steuerschuldner ausdrücklich anderes verlangt. Die Einfuhrumsatzsteuer ist aber jedenfalls zu erheben, wenn ein unrichtiger Steuersatz zur Anwendung gelangt ist oder eine Ware, die nicht von der Einfuhrumsatzsteuer befreit ist, unversteuert in den freien Verkehr übergeführt worden ist.
Ein Unternehmer kann gem. § 12 Abs. 1 Z. UStG die entrichtete Einfuhrumsatzsteuer für Gegenstände, die für sein Unternehmen eingeführt worden sind, als Vorsteuer abziehen.
Gem. § 2 Abs. 1 UStG ist Unternehmer, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbstständig ausübt. Das Unternehmen umfasst die gesamte gewerbliche oder berufliche Tätigkeit des Unternehmers. Gewerblich oder beruflich ist jede nachhaltige Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen, auch wenn die Absicht, Gewinn zu erzielen, fehlt oder Personenvereinigungen nur gegenüber ihren Mitgliedern tätig wird.
Wie der Begründung des Urteiles des Landesgerichtes für Strafsachen Wien zu entnehmen ist, konstruierte W.M. fingierte Geschäftsvorgänge um die Einfuhren der verfahrensgegenständlichen Waren. Unabhängig von dem Umstand, dass die in den Zollanmeldungen als Empfänger genannte Firma R. zum Zeitpunkt der Annahmen der Zollanmeldungen formal nicht mehr existierte - sie war am 30. Mai 1995 im Firmenbuch gelöscht worden und Hinweise auf das Vorhandensein von Vermögen fanden sich nicht - waren die Einfuhren auch nicht für sie bestimmt, d.h. die Waren wurden nicht für die R. eingeführt.
Der Darstellung der Bf., wonach eine Löschung einer Firma im Firmenbuch lediglich deklaratorischen Charakter hat und ein Unternehmen auch nach Löschung im Firmenbuch grundsätzlich noch bestehen kann, ist nichts entgegen zu halten.
Der im Streitfall zu Grunde liegende Sachverhalt, wie er auch dem Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen zu Grunde gelegen ist, lässt jedoch zum einen keine Anhaltspunkte dafür erkennen, dass die R. zum Zeitpunkt der Überführung der Waren in den zollrechtlich freien Verkehr noch als Unternehmer im Sinne des § 2 Abs. 1 UStG agiert hat und noch rechtlich existent war. Es finden sich auch keine Hinweise für das Vorhandensein eines Aktivvermögens und eines Abwicklungsbedarfes nach der Löschung nach § 2 Amtslöschungsgesetz im Firmenbuch; die fingierten Geschäftsvorgänge, der verfahrensgegenständliche Verzollungsvorgang und die Zollschuldentstehung erfolgten über ein Jahr später. Die verfahrensgegenständlichen Waren wären nicht der R. sondern der S. zuzurechnen. Aber auch wenn deren Unternehmereigenschaft angenommen werden könnte, war dies für die Streitfrage, ob von der buchmäßigen Erfassung der Einfuhrumsatzsteuer Abstand zu nehmen gewesen wäre, nicht von rechtlicher Relevanz, weil die Waren nicht für die R. - ob als Unternehmen rechtlich existent oder nicht - eingeführt worden waren. Schon deshalb hat eine Vorsteuerabzugsberechtigung für sie nicht bestanden. Die bezughabenden Geschäftsvorgänge waren von W.M. fingiert worden. Das Weiterbestehen einer Finanzamtsteuernummer nach erfolgter Löschung einer juristischen Person im Firmenbuch hat rechtlich weder eine konstitutive noch deklaratorische Wirkung. Die Bf. konnte mit ihrem diesbezüglichen Hinweis und Antrag auf Überprüfung desselben im Zuge der mündlichen Verhandlung daher nichts gewinnen.
Die Berufungsbehörde musste davon ausgehen, dass die R. rechtlich nicht mehr existierte und daher als Zollschuldner ausfiel.
Die Abgabenbehörde konnte daher unter Bezugnahme auf § 72a ZollR-DG nicht von der nachträglichen buchmäßigen Erfassung der Einfuhrumsatzsteuer bei der Bf. Abstand nehmen.
Aus den dargestellten Erwägungen war wie im Spruch zu entscheiden.
Klagenfurt, 13. Oktober 2003
Zusatzinformationen | |
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Materie: | Zoll |
betroffene Normen: | Art. 221 ZK, VO 2913/92 , ABl. Nr. L 302 vom 19.10.1992 S. 1 |
Schlagworte: | Zollschuld, Festsetzungsverjährung, Bindungswirkung, Transaktionswert, Gesamtschuld, Auswahlermessen |