Voraussetzungen für das Vorliegen einer Körperschaft öffentlichen Rechts
European Case Law Identifier: ECLI:AT:BFG:2023:RV.7106426.2019
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Senatsvorsitzende Mag. Andrea Ebner, die Richterin Mag. Aloisia Bergauer sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Sophia Grassl und Mag. Markus Fischer, BA in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Baldinger & Partner Unternehmens- und Steuerberatung GmbH, Ferrogasse 35, 1180 Wien, über die Beschwerde vom 11. Oktober 2019 (eingelangt am 15. Oktober 2019 ) gegen die Bescheide des Finanzamtes Wien 1/23, alle samt vom 12. September 2019, betreffend die Kapitalertragsteuer 1. Jänner 2013 - 31. Dezember 2018, Steuernummer ***BF1StNr1***, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 30. März 2023, zu Recht erkannt:
I. Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit des Finanzamtes Wien 1/23 aufgehoben.
II. Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art 133 Abs 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
Bei dem beschwerdeführenden Verein fand ua betreffend die Kapitalertragsteuer für den Zeitraum 2013 bis 2015 eine Außenprüfung sowie eine im Anschluss an den Prüfungszeitraum durchgeführte Nachschau statt.
In der Folge setzte das Finanzamt Wien 1/23 mit Bescheiden vom 12. September 2019 und Verweis auf die Feststellungen des Außenprüfungsberichtes die Kapitalertragsteuer für den Zeitraum 2013 mit EUR 238.558,16, für den Zeitraum 2014 mit EUR 225.230,02, für den Zeitraum 2015 mit EUR 221.862,83, für den Zeitraum 2016 mit EUR 135.525,93, für den Zeitraum 2017 mit EUR 172.458,06 und für den Zeitraum 2018 mit EUR 492.122,18 fest.
Gegen diese Bescheide richtete sich die Beschwerde vom 11. Oktober 2019, eingelangt am 15. Oktober 2019, in der eine falsche Tatsachenwürdigung und infolge dessen die Festsetzung von Kapitalertragsteuer aufgrund des Ausscheidens von betrieblichen Vermögensgegenständen (Bankkonten und Wertpapierkonten) sowie den damit zusammenhängenden Kapitalerträgen aus der betrieblichen Unternehmenssphäre moniert wird. Die Beschwerde enthielt einen Antrag auf Direktvorlage an das Bundesfinanzgericht.
Die Vorlage der Beschwerde erfolgte am 16. Dezember 2019 an das Bundesfinanzgericht. Im Vorlagebericht vom selben Tag beantragte das Finanzamt Wien 1/23 die Abweisung der Beschwerde.
Mit Beschluss vom 3. März 2022 ersuchte das Bundesfinanzgericht die Abgabenbehörde um Nachreichung des Steueraktes samt Arbeitsbogen der abgabenbehördlichen Überprüfungsmaßnahmen sowie der im Vorlagebericht angekündigten Stellungnahme zur Beschwerde.
Die Abgabenbehörde übermittelte am 23. März 2022 die angeforderten Aktenteile sowie eine Stellungnahme zur Beschwerde mit Datum 21. März 2022.
Mit Ladung zur mündlichen Verhandlung vom 8. April 2022 wurden dem beschwerdeführenden Verein das Aktenverzeichnis sowie die Stellungnahme der belangten Behörde vom 21. März 2022 zur Wahrung des Parteiengehörs übermittelt.
Mit Beschluss vom 2. August 2022 forderte das Bundesfinanzgericht die Verfahrensparteien zur schriftlichen Stellungnahme hinsichtlich der örtlichen und sachlichen Zuständigkeit des Finanzamtes Wien 1/23 auf.
In der Stellungnahme vom 16. August 2022 verwies die belangte Behörde auf Erlässe des Bundesministeriums für Finanzen aus den Jahren 1982 und 1984, aus denen sich die Qualifikation des beschwerdeführenden Vereins als Körperschaft öffentlichen Rechts und damit die Zuständigkeit des Finanzamtes Wien 1/23 ergeben würden.
Mit E-Mail vom 16. August 2022 ersuchte die steuerliche Vertretung des beschwerdeführenden Verein um Vertagung der mündlichen Verhandlung am 24. August 2022.
Die Abberaumung der mündlichen Verhandlung erfolgte am 16. August 2022 von Amts wegen. Dabei wurde dem beschwerdeführenden Verein die Stellungnahme der belangten Behörde vom 16. August 2022 zur Wahrung des Parteiengehörs übermittelt.
Mit E-Mail vom 30. September 2022 ersuchte die steuerliche Vertretung des beschwerdeführenden Vereins in deren Namen sowie auch im Namen der Finanzverwaltung derzeit von der Anberaumung eines neuen Verhandlungstermins abzusehen, weil zwischen den Parteien Besprechungen stattfinden würden.
Mit E-Mail vom 12. Dezember 2022 teilte die steuerliche Vertretung des beschwerdeführenden Vereins dem Bundesfinanzgericht mit, dass zwischen den Verfahrensparteien ein weiterer Besprechungstermin am 12. Jänner 2023 stattfinden würde und ersuchte, im Namen beider Verfahrensparteien bis dahin keinen Verhandlungstermin anzuberaumen.
Am 17. Jänner 2023 erfolgte die Ladung zur mündlichen Verhandlung am 30. März 2023.
Am 30. März 2023 fand vor dem Bundesfinanzgericht eine mündliche Senatsverhandlung statt.
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
1. Sachverhalt
Die beschwerdeführende Partei ist ein im Vereinsregister eingetragener Verein mit Sitz in ***X*** und Mitglied des ***Verein A***. Das im Vereinsregister eingetragene Entstehungsdatum ist der ***Datum***. Die Gründung des Vereins erfolgte unstrittig auf privatrechtlicher Grundlage.
Grundlage für die Organisation eines Landesverbandes und damit auch der Satzung des beschwerdeführenden Vereins ist eine vom ***Verein A*** vorgegebene Rahmensatzung.
§ 2 Satzung des beschwerdeführenden Vereins (Ausgabe 2006) regelt die Rechtsform sowie Wesen und Organisationsbereich des Vereins und lautet wie folgt:
"1. Der Landesverband ist ein selbstständiger Verein mit eigener Rechtspersönlichkeit und Mitglied des ***Verein A*** (***A***). Die Satzung des ***A*** ist integrierender Bestandteil dieser Satzung und für den Landesverband verbindlich. Etwaige der Satzung des ***A*** entgegenstehende Bestimmungen sind ungültig.
2. Der Organisationsbereich des Landesverbandes erstreckt sich auf das Bundesland ***1***. Der Landesverband führt in Zusammenarbeit mit dem ***A*** die in den Genfer Abkommen und in den sonstigen Beschlüssen der internationalen Rotkreuz-Konferenzen den nationalen Gesellschaften vom ***A*** übertragenen Aufgaben durch. Der Landesverband vertritt die Idee des ***A*** in der Öffentlichkeit und arbeitet mit allen Vereinigungen und Organisationen zusammen, die diesen Ideen ähnliche Ziele verfolgen."
§ 3 der Satzung des beschwerdeführenden Vereins mit der Überschrift Aufgaben des ***Verein A***, Landesverband ***1***, lautet wie folgt:
"1. Dem Landesverband obliegen die sich aus dem § 3 der Satzung des ***A*** ergebenden Aufgaben, soweit sie nicht ausschließlich dem ***A*** vorbehalten sind. Die Wahrnehmung dieser Aufgaben erfolgt gemeinnützig und ist nicht auf Gewinn ausgerichtet.
2. Dies sind insbesondere folgende Aufgaben:
2.1. die Vertretung gegenüber den Behörden und gesetzgebenden Körperschaften des Bundeslandes bei der Vorbereitung von Gesetzen einschließlich Novellierungen, die Belange des Landesverbandes betreffen;
2.2. die Zusammenarbeit mit den Behörden der öffentlichen Verwaltung in Katastrophenfällen sowie in Angelegenheiten des Gesundheitswesens und der Sozialdienste; die Vertretung der Interessen des ***A*** gegenüber den Landes-und Gemeindebehörden;
2.3. die freiwillige Hilfeleistung auf allen Gebieten der Wohlfahrts- und Gesundheitspflege im Bundesland, in besonderen Fällen im Einvernehmen mit dem ***Verein A*** auch im gesamten Bundesgebiet und im Ausland;
2.4. die Organisation des Hilfs- und Rettungswesens und die Durchführung des Rettungs- und Krankentransportdienstes, einschließlich der Notarztdienste, sowie die Schaffung und der Betrieb der zu diesen Zwecken dienenden Einrichtungen;
2.5. die Organisation und Durchführung der Gesundheits- und Sozialen Dienste, wie insbesondere der Hauskrankenpflege, Heimhilfe, Altenbetreuung und Hospizdienste;
2.6. die Mitwirkung bei der Organisation und Durchführung des freiwilligen Blutspendedienstes des ***A***;
2.7. die Organisation und Durchführung der Katastrophenhilfe in Krieg und Frieden, Entwicklungshilfe bei Notständen und Katastrophen aller Art, sowie die Mitwirkung an Maßnahmen zum zivilen Bevölkerungsschutz;
2.8. die Organisation und Durchführung der Betreuung der Opfer von Katastrophen und bewaffneten Konflikten, wie insbesondere des Suchdienstes (Vermisstensuche, Familienzusammenführung, Nachrichtenübermittlung);
2.9. die Organisation und Durchführung der Aus-, Fort- und Weiterbildung von geeignetem Personal und der Bevölkerung für diese Hilfeleistungen und in Erster Hilfe;
2.10. die Gewinnung der Ärzteschaft zur Mitwirkung im ***A***;
2.11. die Förderung der Jugendarbeit in allen Bereichen des ***A***; insbesondere die Errichtung und Betreuung von Jugendgruppen entsprechend der jeweils vom Arbeitsausschuss beschlossenen Richtlinien;
2.12. die Betreuung und Förderung des ***JugendA*** gemäß der vom ***A*** beschlossenen Geschäftsordnung für das ***JugendA***;
2.13. die Organisation und Durchführung der Verbreitung des humanitären Völkerrechts und der Genfer Rotkreuz-Abkommen;
2.14. die Information der Bevölkerung über die Anliegen und die Tätigkeit des Österreichischen ***A***.
Der beschwerdeführende Verein nimmt Aufgaben - Katastrophenvorsorge- und -hilfe - im öffentlichen Interesse war. Er wurde jedoch nicht mit hoheitlichen Befugnissen ausgestattet (Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 30. März 2023).
§ 6 der Satzung des beschwerdeführenden Vereins regelt die (freiwilligen) Arten der Mitgliedschaft, unterteilt in ausübende Mitglieder, unterstützende Mitglieder und Ehrenmitglieder.
§ 28 der Satzung des beschwerdeführenden Vereins regelt die Auflösung des Landesverbandes wie folgt:
"1. Der Antrag auf Auflösung des Landesverbandes muss von der einfachen Mehrheit der anwesenden stimmberechtigten Mitglieder der Generalversammlung in dieser gestellt werden. Über den Antrag ist in einer außerordentlichen Generalversammlung, die längstens binnen zwölf Wochen nach Antragstellung einzuberufen ist, zu entscheiden. Für die Abstimmung gilt § 10 Abs. 4 Ziff. 4.4.4 (Zweidrittel-Mehrheit).
2. Im Falle der Auflösung des Landesverbandes fällt das nach Abdeckung der Verbindlichkeiten bestehende Restvermögen dem ***A*** zu. Das ***Verein A*** hat die Verpflichtung zu übernehmen, das durch besondere Widmung gebundene Kapital auch weiterhin widmungsgemäß zu verwenden und das übrige Reinvermögen des Verbandes durch mindestens ein Jahr hindurch gesondert zu verwalten. Sollte innerhalb dieser Frist anstelle des aufgelösten Verbandes die Gründung eines neuen Landesverbandes erfolgen, so wird diesem das Reinvermögen zur satzungsgemäßen Verwendung ausgefolgt. Andernfalls geht das Vermögen nach Ablauf dieser Frist in das freie Eigentum des ***A*** über, welches die Mittel insbesondere für satzungsgemäße Zwecke in ***1*** zu verwenden hat.
3. Falls das ***A*** nicht mehr existiert, so ist im Auflösungsbeschluss zu verfügen, dass das Vermögen ausschließlich einer gemeinnützigen Verwendung nach den Gemeinnützigkeitsbestimmungen der Österreichischen Bundesabgabenordnung, zugeführt wird, die der Idee des ***A*** im Sinne der Bestimmungen der Genfer Abkommen, sowie der Beschlüsse der internationalen Konferenzen und der Beschlüsse des ***A*** entspricht."
Die Auflösung des ***Verein A*** kann nach § 21 der Satzung des ***Verein A*** durch schriftlichen Antrag von mindestens vier Landesverbänden erfolgen.
Regelungen zum Zwangsbestand sind weder der Satzung des beschwerdeführenden Vereins noch jener des ***A*** zu entnehmen und bestehen nach Aussagen in der mündlichen Verhandlung nicht. Vielmehr wird die Unabhängigkeit zu den staatlichen Behörden entsprechend § 1 Abs 3 der Satzung des ***Verein A*** gewahrt, um "jederzeit im Einklang mit den Grundsätzen der Internationalen Rotkreuz- und Rothalbmondbewegung zu handeln" (Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 30. März 2023).
Der Erlass des Bundesministeriums für Finanzen vom 9. März 1982, GZ 13 5202/2-IV/13/82 lautet auszugsweise wie folgt:
"Auf Grund der letzten Besprechung am 8.2.1982 wurde die rechtliche Situation des Österr. ***A*** näher untersucht. Dabei hat sich herausgestellt, daß das Österr. ***A*** durch das Rotkreuzschutzgesetz (BG v. 27. Juni 1962 über den Schutz des Zeichens und des Namens des Roten Kreuzes, BGBl. Nr. 196) eine durch Gesetz verankerte besondere Funktion ausübt. Da nach Lehre und Rechtsprechung als juristische Personen des öffentlichen Rechtes auch jene jur. Personen anzusehen sind, die auf Grund von öffentlich rechtlichen Vorschriften eingerichtet sind und öffentliche Aufgaben zu besorgen haben, sind auf Grund dieser durch Gesetz hervorgehobenen besonderen Stellung und Funktion des Österr. ***A*** im öffentlichen Leben das österr. ***A***, seine Landesverbände sowie die Bezirksstellen abgabenrechtlich als Körperschaft öffentlichen Rechts anzusehen. […]"
Mit Bescheiden vom 12. September 2019 setzte das Finanzamt Wien 1/23 die Kapitalertragsteuer für den Zeitraum 1. Jänner 2013 bis 31. Dezember 2018 fest.
Der vom beschwerdeführenden Verein ins Treffen geführte "Betrieb gewerblicher Art" - Rettungs- und Krankentransportdienst - verfügt über keine eigene Steuernummer (Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 30. März 2023; Außenprüfungsbericht vom 2. September 2019).
Die abgabenrechtliche Gebarung des beschwerdeführenden Vereins wurde einem privatrechtlichen Verein entsprechend durchgeführt. Eine eigenständige Bilanzierung für den Betrieb gewerblicher Art erfolgte nicht (Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 30. März 2023).
Ein an den beschwerdeführenden Verein gerichteter Delegierungsbescheid betreffend die Zuständigkeit des Finanzamtes Wien 1/23 liegt nicht vor (Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 30. März 2023).
3. Beweiswürdigung
Die Sachverhaltsfeststellungen gründen sich auf den Inhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes sowie dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung vom 30. März 2023, das der Niederschrift über diese zu entnehmen ist.
Soweit für das Bundesfinanzgericht ersichtlich erfolgte die Gründung auf privatrechtlicher Grundlage (Satzung). Dies deckt sich auch mit den Ausführungen in der Beschwerde vom 11. Oktober 2019, wonach der beschwerdeführenden Verein "privatrechtlich als Verein konstituiert" sei.
Nach dem Gesamtbild der Verhältnisse durfte das Bundesfinanzgericht daher in freier Beweiswürdigung von den obigen Sachverhaltsfeststellungen ausgehen.
4. Rechtliche Beurteilung
3.1. Zu Spruchpunkt I.
Nach den Beschwerdeausführungen seien "das ***Verein A*** und seine Landesverbände, privatrechtlich als Vereine konstituiert, […] vom Bundesministerium für Finanzen aufgrund des Umstandes, dass das ***Verein A*** durch das Rotkreuzgesetz (letzter Stand aus 2008) eine im Gesetz verankerte besondere Funktion ausübt, und somit öffentliche Aufgaben zu besorgen hat, abgabenrechtlich als Körperschaft des öffentlichen Rechtes qualifiziert. […]"
Weder das Körperschaftsteuergesetz noch das Umsatzsteuergesetz definieren den Begriff der Körperschaft öffentlichen Rechts. Für das Bundesfinanzgericht ist somit vordergründig zu klären, ob der beschwerdeführenden Verein abgabenrechtlich als Körperschaft öffentlichen Rechts oder als privatrechtlicher Verein zu qualifizieren ist.
Soweit in der Beschwerde ins Treffen geführt wird, dass es "auf Basis des Rotkreuzgesetzes […] sogenannte ***A*** Erlässe (historisch ***A*** Einzelerledigungen erlassen durch das BMF in den Jahren 1980ff) [gebe,] die die Grundlage für die obengenannte Einordnung bilden und nach wie vor in Geltung sind; siehe KStR 2013 Rz 59. Die Geltung dieser gesetzlichen Grundlagen wurde von den Prüfern nicht in Frage gestellt. […]" ist dem entgegenzuhalten, dass Erlässe oder Richtlinien des Bundesministers für Finanzen Auslegungsbehelfe für die Finanzverwaltung, nicht aber eine für das Bundesfinanzgericht maßgebende Rechtsquelle darstellen (vgl etwa VwGH 31. Jänner 2018, Ra 2017/15/0038 und VwGH 31. Dezember 2020, Ra 2019/13/0100). Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung ausgesprochen hat, begründen Erlässe der Finanzverwaltung auch keine subjektiven Rechte und Pflichten der Steuerpflichtigen (vgl VwGH 28. Jänner 2003, 2002/14/0139; VwGH 18. September 2013, 2010/13/0138 und VwGH 1. September 2015, Ra 2015/15/003).
Nach hA in der Lehre ist der Begriff der Körperschaft öffentlichen Rechts ein steuerlicher Sammelbegriff, der alle juristischen Personen des öffentlichen Rechts umfasst (vgl Achatz/Bieber in Achatz/Kirchmayr (Hrsg), KStG (2011), § 1 Rz 219 sowie Marschner in Lachmayer/Strimitzer/Vock (Hrsg), KStG30, § 1 Rz 100).
Zu den juristischen Personen des öffentlichen Rechts gehören alle vom Gesetzgeber ausdrücklich als solche anerkannten juristischen Personen (vgl VwGH 22. Jänner 1974, 0399/73). Lehre und Rechtsprechung gehen übereinstimmend davon aus, dass die gesetzliche Bezeichnung keine notwendige Bedingung für das Vorliegen einer juristischen Person des öffentlichen Rechts ist (vgl Achatz/Bieber in Achatz/Kirchmayr (Hrsg), KStG (2011), § 1 Rz 220, mwN).
Das Bundesgesetz vom 27. Juni 1962 über den Schutz des Zeichens und des Namens des Roten Kreuzes (Rotkreuzschutzgesetz) wurde mit 1. Februar 2008 durch das Bundesgesetz über die Anerkennung des Österreichischen Roten Kreuzes und den Schutz des Zeichens des Roten Kreuzes (Rotkreuzgesetz - RKG) ersetzt.
§ 1 Abs 2 RKG normiert, wie schon seine Vorgängerbestimmung § 1 Rotkreuzschutzgesetz, dass das Österreichische Rote Kreuz die anerkannte nationale Gesellschaft des Roten Kreuzes auf dem Gebiet der Republik Österreich ist. Die Errichtung anderer nationaler Gesellschaften der Rotkreuz- und Rothalbmondbewegung in Österreich ist unzulässig. Das Österreichische Rote Kreuz kann seine Zweigvereine, deren Zweigvereine sowie Gesellschaften, an denen es oder diese Zweigvereine beteiligt sind, ermächtigen, den Namen des Roten Kreuzes zu verwenden. Nach Abs 2 leg cit ist das Österreichische Rote Kreuz als Bestandteil der Internationalen Rotkreuz- und Rothalbmondbewegung an deren Grundsätze gebunden; dies gilt auch für die von ihm gemäß Abs 1 leg cit ermächtigten Einrichtungen.
Das Rotkreuzgesetz gliedert sich im Aufbau wie folgt: § 1 Das Österreichische Rote Kreuz; § 2 Aufgaben; § 3 Verbreitung des Gedankenguts des Roten Kreuzes, Jugendrotkreuz; § 4 Verschwiegenheit; § 5 Kennzeichen; § 6 Besondere Bestimmungen für bewaffnete Konflikte; § 7 Zuständigkeit; § 8 Missbräuchliche Verwendung der Zeichen; § 9 Verwaltungsstrafen; § 10 Verfahren [Anm.: Gebührenbefreiung]; § 10a Nationale Kommission zur Umsetzung des Humanitären Völkerrechts; § 10b Sicherstellung der nachhaltigen Funktionsfähigkeit der nationalen Rotkreuz-Gesellschaft [Anm.: Sicherstellung der nachhaltigen Funktionsfähigkeit des Österreichischen Roten Kreuzes]; § 10c Zuwendungsvertrag; § 11 Inkrafttreten; § 12 Vollziehung.
Nach den Gesetzesmaterialien zum RKG sollten "verschiedene Bestimmungen über das Österreichische Rote Kreuz, die v.a. aus historischen Gründen keine entsprechende formelle Rechtsgrundlage haben, kodifiziert [werden], wie z.B. die Ermächtigung zur Führung des Bundeswappens mit dem Roten Kreuz am Brustschild (die durch kaiserlichen Erlass erteilt und seitdem lediglich behördlich bestätigt worden war)" (ErlRV 233 BlgNR XXIII. GP , 3).
Dem RKG sind ebenso wenig wie den Vorgängerbestimmungen dazu Regelungen zur Begründung oder dem Bestand des beschwerdeführenden Vereins zu entnehmen. Vielmehr wird - worauf auch in den Gesetzesmaterialien hingewiesen wird - der Schutz des Namens und des Zeichens des Roten Kreuzes festgelegt (ErlRV 233 BlgNR XXIII. GP , 2).
Die Landesverbände des ***Verein A*** sowie das ***Verein A*** selbst sind - wie in freier Beweiswürdigung festgestellt - privatrechtliche Vereine, die nicht aufgrund eines Gesetzes errichtet wurden oder durch ein solches Gesetz als Körperschaft des öffentlichen Rechts anerkannt wurden (vgl auch OGH 18. Dezember 2007, 10 Ob S153/07h; OGH 20. März 2003, 6 Ob 173/02p).
Die Lehre und Rechtsprechung erkennen jedoch darüber hinaus juristische Personen des öffentlichen Rechts, die zwar vom Gesetzgeber nicht ausdrücklich als solche anerkannt sind, deren öffentlich-rechtlicher Charakter aber aus dem Zusammenhang der gesetzlichen Regelung klar erkennbar ist, an. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist einer juristischen Person der öffentlich-rechtliche Charakter dann zuzuerkennen, wenn sie mit hoheitlichen Befugnissen ausgestattet ist, Aufgaben der öffentlichen Verwaltung erfüllt und Zwangsbestand hat (VwGH 14. September 1970, 137/70; VwGH 22. Jänner 1974, 399/73; VwGH 27. Juni 2006, 2005/06/0392; vgl auch Vock, Der EVTZ: eine unbekannte Körperschaft, ÖStZ 2009/970, 488; Achatz/Bieber in Achatz/Kirchmayr (Hrsg), KStG (2011), § 1 Rz 221).
Dabei fasst der Verwaltungsgerichtshof nach hL den Begriff Körperschaft öffentlichen Rechts im Abgabenrecht eng. Die Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe für sich allein begründet nicht den Status einer juristischen Person des öffentlichen Rechts (vlg Achatz/Mang/Lindinger, Besteuerung der Körperschaften öffentlichen Rechts3 (2014) Rz 25; siehe auch Ruppe/Achatz, UStG5, § 2 Rz 164 ff, Achatz/Bieber in Achatz/Kirchmayr, KStG (2011), § 1 Rz 219 ff).
Der beschwerdeführende Verein entspricht diesen Voraussetzungen für die Anerkennung als Körperschaft öffentlichen Rechts nicht. Die für die Rechtsverhältnisse des beschwerdeführenden Vereins maßgebenden Rechtsvorschriften enthalten keine derartige Anerkennung als Körperschaft öffentlichen Rechts. Auch kann dem RKG, das vordergründig den Schutz des Namens und der Zeichen des Roten Kreuzes festlegt, für sich noch kein klarer öffentlich-rechtlicher Charakter hinsichtlich des beschwerdeführenden Vereins entnommen werden. Der beschwerdeführende Verein verfügt weder aufgrund seiner privatrechtlichen Rechtsgrundlage (Satzung) noch aufgrund des RKG über das von der Judikatur entwickelte Erfordernis des Zwangsbestands. Vielmehr war ein solcher Zwangsbestand ausdrücklich nach Angaben des beschwerdeführenden Vereins mit Verweis auf die Satzung nicht gewollt. Des Weiteren wurde der privatrechtliche Verein nicht mit hoheitlichen Befugnissen ausgestattet. Wobei auch dies für sich alleine, etwa im Wege der Ausstattung einer privatrechtlich gegründeten Gesellschaft mit hoheitlichen Befugnissen durch Beleihung, eine Körperschaft öffentlichen Rechts noch nicht begründen könnte. Auch wenn nach der Literatur zT auf funktionale Merkmale abgestellt wird (Erfüllung öffentlicher Aufgaben), so kann im Beschwerdefall bei Beurteilung nach dem Gesamtbild der Verhältnisse in der bloßen Erfüllung öffentlicher Aufgaben, wenngleich damit die Leistung eines wesentlichen gesellschaftlichen Beitragens nicht verkannt wird, und dem Umstand, dass Namensrechte gesetzlich geregelt werden, noch nicht den Status einer Körperschaft öffentlichen Rechts des beschwerdeführenden Vereins vermitteln (Ruppe/Achatz, UStG5, § 2 Rz 165, Achatz/Bieber in Achatz/Kirchmayr, KStG (2011), § 1 Rz 220). Jedenfalls nicht dazu geeignet den Status einer Körperschaft öffentlichen Rechts zu begründen sind - wie bereits ausgeführt - die in der Beschwerde ins Treffen geführten Erlässe oder Richtlinien des Bundesministers für Finanzen (siehe auch Ruppe/Achatz, UStG5, § 2 Rz 167, Achatz/Bieber in Achatz/Kirchmayr, KStG (2011), § 1 Rz 225). Im Übrigen erscheint dem Bundesfinanzgericht - wie in freier Beweiswürdigung festgestellt - der Status als Körperschaft öffentlichen Rechts selbst vom beschwerdeführenden Verein nicht konsequent beansprucht (etwa iZm der Gebahrung, keine beantragte Steuernummer für den "Betrieb gewerblicher Art"; vgl die Judikate des OGH 18. Dezember 2007, 10 Ob S153/07h; OGH 20. März 2003, 6 Ob 173/02p, in denen der beschwerdeführende Verein als bloß privatrechtlicher Verein und nicht als juristische Person des öffentlichen Rechts angesehen wurde).
Darüber hinaus sei bemerkt, dass der Gesetzgeber in § 5 Z 13 KStG 1988 etwa eine Steuerbefreiung für kollektivvertragliche Berufsvereinigungen vorgesehen hat, um diese den Körperschaften öffentlichen Rechts steuerlich anzunähern. Nach den Gesetzesmaterialien zielt diese Bestimmung insbesondere auf den nach dem VereinsG errichteten Österreichischen Gewerkschaftsbund ab, dem nach der Verwaltungspraxis - in Hinblick auf seine öffentliche Stellung - eine den Körperschaften öffentlichen Rechts vergleichbare Stellung eingeräumt wurde (ErlRV 1237 BlgNR XVIII. GP , 65 f; siehe auch zB Achatz/Bieber in Achatz/Kirchmayr (Hrsg), KStG (2011), § 1 Rz 225, mwN). Mit Einführung dieser Bestimmung ist jedenfalls klargestellt, dass die öffentliche Stellung eines privatrechtlich gegründeten Vereins für sich nicht geeignet sein kann den Statuts einer Körperschaft öffentlichen Rechts zu vermitteln.
Das Bundesfinanzgericht geht daher in der Gesamtschau davon aus, dass es sich beim beschwerdeführenden Verein um einen privatrechtlichen Verein und nicht um eine Körperschaft öffentlichen Rechts nach dem Abgabenrecht handelt.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes haben Behörden und Verwaltungsgerichte ihre sachliche und örtliche Zuständigkeit von Amts wegen wahrzunehmen. Dies bedeutet grundsätzlich, dass Änderungen der Zuständigkeitsvorschriften während des Verwaltungsverfahrens bis zur Erlassung des Bescheides oder Erkenntnisses bzw Beschlusses, stets zu beachten sind. Sowohl für die Behörden als auch für die Verwaltungsgerichte gilt, dass maßgebend für die Zuständigkeit zur Erlassung des jeweiligen Bescheides oder Erkenntnisses bzw Beschlusses die im Zeitpunkt der Erlassung geltende Rechtslage ist. Im Fall einer Änderung der Sach- und Rechtslage im Laufe des Verfahrens, das heißt vor Erlassung des Bescheides oder Erkenntnisses bzw Beschlusses, welche eine Änderung der Zuständigkeit bewirkt, ist das Verfahren von der nach der neuen Situation zuständigen Behörde bzw dem nunmehr zuständigen Verwaltungsgericht weiter zu führen (vgl die insoweit auch auf die BAO übertragbare Judikatur zum allgemeinen Verwaltungsverfahrensrecht VwGH 26. Juni 2014, Ra 2014/03/0004; VwGH 5. März 2021, Ra 2018/04/0173 sowie VwGH 23. Juni 2021, Ra 2019/13/0111).
Folglich kommt es für die Beurteilung der Zuständigkeit des Finanzamtes Wien 1/23 auf die maßgebliche Rechtslage im Zeitpunkt der wirksamen Bescheiderlassung (Zustellung der Bescheide am 17. September 2019) an.
Nach § 50 BAO, idF BGBl I 2010/9, nunmehr § 53 BAO haben Abgabenbehörden ihre sachliche und örtliche Zuständigkeit von Amts wegen wahrzunehmen.
Im Zeitpunkt der Erlassung der streitgegenständlichen Bescheide sah § 52 BAO, idF BGBl I 2013/14 vor, dass, soweit nicht anderes bestimmt wird, für die Zuständigkeit der Abgabenbehörden des Bundes die Vorschriften des Abgabenverwaltungsorganisationsgesetzes 2010 - AVOG 2010 maßgeblich sind.
§ 3 AVOG, idF BGBl I 2013/14 sah die Möglichkeit für die zuständige Abgabenbehörde vor, aus Gründen der Zweckmäßigkeit, insbesondere zur Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens, für die Erhebung einer Abgabe eine andere Abgabenbehörde mit Bescheid (Delegierungsbescheid) zu bestimmen, sofern nicht überwiegende Interessen der Partei (§ 78 BAO) entgegenstehen. Eine solche bescheidmäßige Zuständigkeitsdelegation sieht nunmehr § 57 BAO vor.
Ein solche Delegierung ist im gegenständlichen Verfahren nach dem festgestellten Sachverhalt nicht bescheidmäßig erfolgt.
Der erste Abschnitt des AVOG regelte die sachliche Zuständigkeit.
§ 13 AVOG, idF BGBl I 2013/14 regelte die sachliche Zuständigkeit der Finanzämter mit allgemeinem Aufgabenkreis wie folgt:
"§ 13. (1) Den Finanzämtern mit allgemeinem Aufgabenkreis obliegen für ihren Amtsbereich
1. die Erhebung der Abgaben (§ 49 Abs. 2 BAO), soweit diese nicht durch Abgabenvorschriften anderen Behörden übertragen ist,
2. die Prüfung der Vollständigkeit und Zulässigkeit, die Weiterleitung von Anträgen auf Vorsteuererstattung für im Inland ansässige Unternehmer in Anwendung von Art. 18 der Richtlinie 2008/9/EG zur Regelung der Erstattung der Mehrwertsteuer gemäß der Richtlinie 2006/112/EG an nicht im Mitgliedstaat der Erstattung, sondern in einem anderen Mitgliedstaat ansässige Steuerpflichtige, ABl. Nr. L 44 vom 20.02.2008 S. 23, und die Zustellung von Erledigungen der Abgabenbehörden der anderen Mitgliedstaaten in Bezug auf derartige Anträge sowie
3. die Vollziehung der den Abgabenbehörden mit dem Ausländerbeschäftigungsgesetz, dem Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz und dem Glücksspielgesetz zugewiesenen Aufgaben.
(2) Den Finanzämtern mit allgemeinem Aufgabenkreis obliegt für das gesamte Bundesgebiet die Entgegennahme von Anbringen in den von Finanzämtern zu vollziehenden Abgabenangelegenheiten zur Weiterleitung an das im Anbringen bezeichnete Finanzamt. Ausgenommen davon sind Angelegenheiten der Abgabenvollstreckung. Die Weiterleitung ist nur in jenen Fällen fristwahrend, in denen das für das Anbringen zuständige Finanzamt bezeichnet ist."
Nach § 14 AVOG, idF BGBl I 2013/14 nahmen die Finanzämter mit erweitertem Aufgabenkreis neben dem allgemeinen Aufgabenkreis nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen zusätzliche Aufgaben wahr.
§ 15 AVOG, idF BGBl I 2013/14 lautete das Finanzamt Wien 1/23 betreffend auszugsweise wie folgt:
"§ 15. (1) Dem Finanzamt Wien 1/23 für den Bereich der Länder Wien, Niederösterreich und Burgenland sowie den Finanzämtern Linz, Salzburg-Stadt, Graz-Stadt, Klagenfurt, Innsbruck und Feldkirch im Bereich des Landes, in dem sie ihren Sitz haben, obliegt:
1. für Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen im Sinne des Körperschaftsteuergesetzes 1988, KStG 1988, ausgenommen Vereine im Sinne des Vereinsgesetzes 2002 sowie kleine und mittelgroße Gesellschaften mit beschränkter Haftung im Sinne des Unternehmensgesetzbuches, UGB,
a) die Erhebung der Körperschaftsteuer,
b) die Erhebung der Umsatzsteuer und
c) die Erhebung der Stiftungseingangssteuer;
2. die Erhebung der von unter Z 1 genannten Steuersubjekten zu entrichtenden
a) Kapitalertragsteuer (§§ 93 ff EStG 1988) und
b) Abgabe von Zuwendungen;
3. die Wahrnehmung der Angelegenheiten des von unter Z 1 genannten Steuersubjekten vorzunehmenden Steuerabzuges bei beschränkt Steuerpflichtigen (§ 99 ff EStG 1988);
4. als Finanzamt der Betriebsstätte (§ 81 EStG 1988) die Wahrnehmung der Angelegenheiten des von unter Z 1 genannten Steuersubjekten vorzunehmenden Steuerabzuges vom Arbeitslohn;
5. die Erhebung der Kraftfahrzeugsteuer nach dem Kraftfahrzeugsteuergesetz 1992, KfzStG 1992, der in Z 1 genannten Steuersubjekte;
6. die Zerlegung und Zuteilung der Bemessungsgrundlage der Kommunalsteuer der in Z 1 genannten Steuersubjekte.
(2) Ändern sich die Größenmerkmale von Gesellschaften mit beschränkter Haftung gemäß § 221 Abs. 1 bis 3 UGB, so ist hinsichtlich der sachlichen Zuständigkeit der Finanzämter für diese Gesellschaften § 221 Abs. 4 UGB, der das Wirksamwerden der Änderung dieser Größenmerkmale regelt, sinngemäß anzuwenden.
(3) Dem Finanzamt Wien 1/23 obliegt für den Amtsbereich der Finanzämter mit allgemeinem Aufgabenkreis mit Sitz in Wien die Erhebung der Einkommensteuer, Körperschaftsteuer, Umsatzsteuer, der Dienstgeberbeiträge (§§ 41 ff Familienlastenausgleichsgesetz 1967) sowie die Wahrnehmung der Angelegenheiten der Abzugsteuern beschränkt Steuerpflichtiger
(4) […].
Nach § 21 AVOG war für Körperschaften jenes Finanzamt (mit allgemeinem Aufgabenkreis) örtlich zuständig, in dessen Bereich sich der Ort der Geschäftsleitung befand.
Aus den gesetzlichen Bestimmungen ergibt sich, dass im Zeitpunkt des Wirksamwerdens der streitgegenständlichen Bescheide (17. September 2019) das Finanzamt mit allgemeinem Aufgabenkreis für die Erlassung der streitgegenständlichen Bescheide gegenüber dem beschwerdeführenden Verein zuständig gewesen wäre (vgl § 15 Abs 1 Z 1 AVOG "Körperschaften […] im Sinne des Körperschaftsteuergesetzes 1988, KStG 1988, ausgenommen Vereine im Sinne des Vereinsgesetzes 2002").
Selbst bei Annahme, dass es sich bei dem beschwerdeführenden Verein um einen nach § 5 Z 6 von der unbeschränkten Körperschaftsteuer befreiten gemeinnützigen Verein handeln würde, wäre Zuständigkeit des Finanzamt Wien 1/23 auch nach § 15 Abs 3 AVOG nicht begründet worden, weil der satzungsmäßige Sitz des beschwerdeführenden Vereines nicht in Wien, sondern in ***X*** war (und ist).
Damit wäre nach § 13 AVOG sachlich und nach § 21 AVOG, idF BGBl 2013/14, iVm § 4 AVOG 2010- DV örtlich das Finanzamt ***Y*** zuständig gewesen wäre. Das Finanzamt Wien 1/23 hatte jedoch im Zeitpunkt der wirksamen Bescheiderlassung weder eine örtliche noch eine sachliche Zuständigkeit.
Nach § 49 Z 1 lit b BAO teilt sich die sachliche Zuständigkeit der Finanzämter nach der Finanzorganisationsreform in die Zuständigkeit des Finanzamtes Österreich (§ 60 BAO) und des Finanzamtes für Großbetriebe (§ 61 BAO).
Demnach wäre für den beschwerdeführenden Verein nunmehr grundsätzlich das Finanzamt Österreich sachlich zuständig, es sei denn, die Umsatzerlösgrenzen des § 61 Abs 1 BAO würden überschritten werden, dann wäre nach Abs 3 leg cit auch für die Kapitalertragsteuer das Finanzamt für Großbetriebe sachlich zuständig.
Die in § 323b BAO normierten Übergangsbestimmungen im Zusammenhang mit der Finanz-Organisationsreform 2020 lauten wie folgt:
"§ 323b. (1) Das Finanzamt Österreich und das Finanzamt für Großbetriebe treten für ihren jeweiligen Zuständigkeitsbereich am 1. Jänner 2021 an die Stelle des jeweils am 31. Dezember 2020 zuständig gewesenen Finanzamtes. Das Zollamt Österreich tritt am 1. Jänner 2021 an die Stelle der am 31. Dezember 2020 zuständig gewesenen Zollämter.
(2) Die am 31. Dezember 2020 bei einem Finanzamt oder Zollamt anhängigen Verfahren werden von der jeweils am 1. Jänner 2021 zuständigen Abgabenbehörde in dem zu diesem Zeitpunkt befindlichen Verfahrensstand fortgeführt.
(3) Eine vor dem 1. Jänner 2021 von der zuständigen Abgabenbehörde des Bundes genehmigte Erledigung, die erst nach dem 31. Dezember 2020 wirksam wird, gilt als Erledigung der im Zeitpunkt des Wirksamwerdens für die jeweilige Angelegenheit zuständigen Abgabenbehörde.
(4) Für Angelegenheiten, für die vor dem 1. Jänner 2021 der Bundesminister für Finanzen zuständig gewesen ist und nach dem 31. Dezember 2020 eine andere Einrichtung der Bundesfinanzverwaltung zuständig ist, gilt zusätzlich zu Abs. 3 Folgendes:
1. Die ab dem 1. Jänner 2021 zuständige Einrichtung der Bundesfinanzverwaltung tritt an die Stelle des Bundesministers für Finanzen.
2. Die am 31. Dezember 2020 beim Bundesminister für Finanzen anhängigen Verfahren werden von der jeweils am 1. Jänner 2021 zuständigen Einrichtung der Bundesfinanzverwaltung in dem zu diesem Zeitpunkt befindlichen Verfahrensstand fortgeführt.
3. Abweichend von Z 2 bleibt der Bundesminister für Finanzen zuständig für alle Angelegenheiten im Zusammenhang mit Beschwerdeverfahren, die von ihm erlassene Bescheide gemäß § 103 EStG 1988 betreffen, wenn er die Bescheidbeschwerde bereits vor dem 1. Jänner 2021 dem Verwaltungsgericht vorgelegt hat.
(5) Bis 31. Dezember 2021 können Anbringen, für deren Behandlung entweder das Finanzamt Österreich, das Finanzamt für Großbetriebe oder das Amt für Betrugsbekämpfung zuständig ist, innerhalb offener Frist auch unter Verwendung der falschen dieser drei Bezeichnungen wirksam eingebracht werden.
(6) Bis 31. Dezember 2021 können Anbringen, für deren Behandlung entweder das Finanzamt Österreich, das Finanzamt für Großbetriebe oder das Amt für Betrugsbekämpfung zuständig ist, auch unter Verwendung der Bezeichnung der Finanzämter gemäß § 4 der Verordnung des Bundesministers für Finanzen zur Durchführung des Abgabenverwaltungsorganisationsgesetzes 2010 (AVOG 2010 - DV), BGBl. II Nr. 165/2010, in der Fassung der Verordnung BGBl. II Nr. 375/2016, sowie unter Verwendung der zum 31. Dezember 2020 kundgemachten Anschriften der Finanzämter wirksam eingebracht werden.
(7) Bis 31. Dezember 2021 können Anbringen, für deren Behandlung das Zollamt Österreich zuständig ist, auch unter Verwendung der Bezeichnung der Zollämter gemäß § 11 AVOG 2010 - DV in der Fassung der Verordnung BGBl. II Nr. 375/2016, sowie unter Verwendung der zum 31. Dezember 2020 kundgemachten Anschriften der Zollämter wirksam eingebracht werden.
(8) Alle gemäß § 71 in der Fassung vor dem BGBl. I Nr. 9/2010 oder gemäß § 3 AVOG 2010 erlassenen Delegierungsbescheide sind mit Ablauf des 30. Dezember 2020 aufgehoben.
(9) Verliert eine Abgabenbehörde des Bundes nach dem 1. Jänner 2021 durch Änderungen von Abgabenvorschriften ihre Zuständigkeit in einer bestimmten Angelegenheit, so können diese Angelegenheit betreffende Anbringen dennoch innerhalb eines Jahres ab Inkrafttreten dieser Änderungen weiter bei dieser Abgabenbehörde eingebracht werden. Die Weiterleitung an die zuständige Abgabenbehörde hat diesfalls nicht auf Gefahr des Einschreiters zu erfolgen, sofern der Einschreiter nicht bereits vor der Einbringung seines Anbringens über die Änderung der Zuständigkeit seitens einer Abgabenbehörde in Kenntnis gesetzt worden ist.
(10) Wird in einer Rechtsvorschrift des Bundes, eines Landes oder einer Gemeinde die Bezeichnung "Finanzamt Österreich", "Finanzamt für Großbetriebe", "Zollamt Österreich" oder "Amt für Betrugsbekämpfung" verwendet, ist darunter bis zum Ablauf des 31. Dezember 2020 jene Einrichtung zu verstehen, die aufgrund
- des Abgabenverwaltungsorganisationsgesetz 2010, BGBl. I Nr. 9/2010 in der Fassung vor dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. 104/2019 oder
- der Verordnung des Bundesministers für Finanzen zur Durchführung des Abgabenverwaltungsorganisationsgesetzes 2010, BGBl. II Nr. 165/2010, in der Fassung vor dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. 104/2019 oder
- eines anderen durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 104/2019 geänderten Bundesgesetzes in dessen Fassung vor dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. 104/2019
zuständig gewesen ist.
(11) Bis zum 31. Dezember 2020 können Anbringen, für deren Behandlung ein Finanzamt zuständig ist, auch unter Verwendung der Bezeichnung "Finanzamt Österreich" oder "Finanzamt für Großbetriebe" wirksam eingebracht werden.
(12) Bis zum 31. Dezember 2020 können Anbringen, für deren Behandlung ein Zollamt zuständig ist, auch unter Verwendung der Bezeichnung "Zollamt Österreich" wirksam eingebracht werden."
Zwar traten nach § 323b Abs 1 BAO das Finanzamt Österreich und das Finanzamt für Großbetriebe für ihren jeweiligen Zuständigkeitsbereich am 1. Jänner 2021 an die Stelle des jeweils am 31. Dezember 2020 zuständig gewesenen Finanzamtes. Dies kann allerdings nicht so weit gehen, den die am 17. September 2019 von einer sachlich (und örtlich) unzuständigen Behörde erlassenen Bescheide hinsichtlich der Rechtswidrigkeit zu heilen. Dies insbesondere als der Gesetzgeber in Abs 3 leg cit ausdrücklich normiert hat, dass lediglich eine vor dem 1. Jänner 2021 von der "zuständigen Abgabenbehörde des Bundes" genehmigte Erledigung, die erst nach dem 31. Dezember 2020 wirksam wird, als Erledigung der im Zeitpunkt des Wirksamwerdens für die jeweilige Angelegenheit zuständigen Abgabenbehörde gilt. Im Beschwerdefall lag jedoch einerseits eine wirksame Erledigung bereits am 17. September 2019, somit vor dem 31. Dezember 2020, vor und anderseits wurde diese Erledigung von einer sachlich und örtlich unzuständigen Abgabenbehörde, nämlich dem Finanzamt Wien 1/23 anstatt dem Finanzamt ***Y***, erlassen.
Da im Beschwerdefall eine sowohl örtlich als auch sachlich unzuständige Behörde entschieden hat, waren die angefochtenen Bescheide aufzuheben und es war spruchgemäß zu entscheiden.
3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Der beschwerdeführende Verein ist unstrittig nicht aufgrund öffentlich-rechtlicher Vorschriften eingerichtet (Verein nach dem VereinsG) und unterliegt nach seiner privatrechtlichen Rechtsgrundlage auch keinem Zwangsbestand. Fraglich ist jedoch, ob ein Gesetz wie das RKG, das primär Regelungen zum Schutz des Namensrechtes des beschwerdeführenden Vereins enthält, in Zusammenschau mit der Besorgung von öffentlichen Aufgaben durch den beschwerdeführenden Verein sowie dessen internationaler Bedeutung, geeignet sein kann, dennoch abgabenrechtlich den Status als Körperschaft öffentlichen Rechts zu vermitteln. Dem Bundesfinanzgericht erscheint -der herrschenden Lehre folgend - die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage des Vorliegens einer Körperschaft öffentlichen Rechts nicht abschließend geklärt. Schon im Hinblick darauf, dass neben dem beschwerdeführenden Verein auch die weiteren Landesverbände sowie das ***Verein A*** selbst von der Lösung dieser nicht abschließend geklärten Rechtsfrage betroffen sind, kommt dem Beschwerdefall in Zusammenschau mit der Tragweite möglicher Auswirkungen eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zu.
Die Revision an den Verwaltungsgerichtshof war demnach wegen Vorliegen einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen.
Wien, am 18. April 2023
Zusatzinformationen | |
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Materie: | Steuer |
betroffene Normen: | § 15 Abs. 1 Z 1 AVOG, Abgabenverwaltungsorganisationsgesetz, BGBl. Nr. 18/1975 |
Verweise: | VwGH 23.06.2021, Ra 2019/13/0111 |