Normen
ABGB §365;
B-VG Art139 Abs3;
B-VG Art140 Abs3;
B-VG Art89;
EisbEG 1954;
EStG 1988 §4 Abs1;
EStG 1988 §4 Abs3;
GWG 2000;
GWG 2011;
VwRallg;
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2018:RA2017150038.L00
Spruch:
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
1 Der Mitbeteiligte erzielte in den Streitjahren Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit und aus Land- und Forstwirtschaft. In Beilagen zur Einkommensteuererklärung für Einzelunternehmer mit pauschalierten Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft für die Jahre 2006 und 2007 verzeichnete er neben vollpauschalierten Einkünften jeweils auch gewinnerhöhende Beträge aus der Nutzungsüberlassung von Grund und Boden (1.374,71 EUR bzw. 1.912,14 EUR). Die X Aktiengesellschaft hatte dem Mitbeteiligten in den Jahren 2006 und 2007 "Servitutsentschädigungen" betreffend eine Erdgasleitung geleistet (insgesamt 6.368,54 EUR und 10.324,41 EUR). Ein Teil dieser Zahlungen wurde entsprechend einer zwischen der X Aktiengesellschaft und der Landwirtschaftskammer getroffenen Rahmenvereinbarung als "Benützungsentgelt" bezeichnet; dieser Teilbetrag war vom Mitbeteiligten als gewinnerhöhend verzeichnet worden.
2 Mit Bescheiden vom 5. März 2009 setzte das Finanzamt die Einkommensteuer für die Jahre 2006 und 2007 - abweichend von den Erklärungen des Mitbeteiligten - fest. Begründend führte das Finanzamt insbesondere aus, eine in Verträgen getroffene Zuordnung der Entschädigungssumme zu einzelnen Komponenten sei für das Finanzamt nicht bindend. Zur näheren Ermittlung der Entschädigung werde auf ein gesondertes Berechnungsblatt verwiesen. Das Finanzamt berücksichtigte dabei jeweils nur eine Bodenwertminderung von 10 EUR pro Laufmeter Leitung (insgesamt 395 m) sowie einen Betrag von 25 EUR für einen "Marker" als nicht steuerpflichtig; der restliche Betrag der Servitutsentschädigung wurde als steuerpflichtig (und nicht durch die Pauschalierung umfasst) behandelt.
3 Der Mitbeteiligte erhob gegen diese Bescheide Berufung. Der Mitbeteiligte machte insbesondere geltend, bei der Berechnung der Wertminderung sei nicht mitbedacht worden, dass nicht nur der Servitutsstreifen, sondern das Grundstück insgesamt eine Wertminderung erleide. Nach aktuellen Berichten solle ein anderes Unternehmen größere Flächen für betriebliche Nutzungen suchen und dabei Preise von deutlich über 5 EUR pro Quadratmeter für Flächen mit Grünlandwidmung zahlen; der Grundpreis, der vom Finanzamt berücksichtigt worden sei, sei deutlich zu niedrig. Rund 450 m von seinem Grundstück entfernt werde Schotter abgebaut. Da die Grundstücke des Mitbeteiligten geologisch im selben Bereich lägen, sei es wahrscheinlich, dass sich auch dort abbaubarer Schotter befinde. Durch den Bau der nicht verlegbaren Gasleitung werde auf rund einem Drittel der Fläche kein Schotterabbau mehr möglich sein. Über den von der Finanzverwaltung anerkannten Wertverlust (3.950 EUR) hinaus sei daher durch die nicht mehr mögliche Verwendung als Schotterabbaufläche bzw. als mögliche Baufläche eine Wertminderung von zumindest einem Euro pro Quadratmeter anzusetzen (bei einer Gesamtfläche von 28.364 m2 daher - da ein Drittel betroffen sei - von 9.454 EUR). Im Zug der Bauarbeiten sei weiters guter Oberboden bzw. Humus verloren gegangen; auch dies sei zu ersetzen (laut Schreiben der X AG: 6.721,98 EUR). Durch den "Marker" (in diesen seien auch empfindliche Messsonden integriert) ergebe sich ein dauerhaftes Hindernis, womit erhöhter Aufwand und Ertragsminderungen verbunden seien (berechnet auf 25 Jahre: Mehrkosten von 625 EUR). Der Wertverlust und Bodenschaden ergebe sich mit insgesamt 20.797,98 EUR.
4 Das Bundesfinanzgericht holte ein Gutachten des Sachverständigen L ein. Dieser kam - mit Bewertungsstichtag 10. Dezember 2015 - zum Ergebnis, dass durch die Rohrleitung eine Minderung des Verkehrswertes der betroffenen Liegenschaften von insgesamt 39.686,67 EUR eingetreten sei, sodass die gesamte Servitutsentschädigung der Bodenwertminderung zuzurechnen sei. Er ging dabei von Vergleichspreisen aus drei Veräußerungen in den Jahren 2014 und 2015 aus. Unter Berücksichtigung von die jeweiligen Transaktionen beeinflussenden Parametern könne der Quadratmeterpreis eines landwirtschaftlichen Grundstückes mit 5 EUR, eines Schotterabbaugebiets hingegen mit 18 EUR angenommen werden. Die betroffenen Liegenschaften wären grundsätzlich zum Schotterabbau geeignet; eine der Liegenschaften sei zwischenzeitig (im September 2015) auch an einen Betreiber von Schottergruben veräußert worden. Durch die Errichtung der Rohrleitung sei dieser an sich mögliche Schotterabbau aber erheblich eingeschränkt, woraus sich die Reduktion des Verkehrswerts ergebe.
5 Das Finanzamt ermittelte in einer Stellungnahme zum Gutachten eine Bodenwertminderung von insgesamt 4.935,17 EUR.
6 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Bundesfinanzgericht der (nunmehrigen) Beschwerde Folge und änderte die Einkommensteuerbescheide 2006 und 2007 ab. Es stellte im Spruch des angefochtenen Erkenntnisses die Bemessungsgrundlagen sowie die Höhe der Abgaben fest und verwies auf Berechnungsblätter. Es sprach aus, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig ist.
7 Begründend führte das Bundesfinanzgericht - nach Wiedergabe des Verfahrensgangs - im Wesentlichen aus, von der Leitung seien drei Grundstücke des Mitbeteiligten betroffen; die Leitungslänge betrage 395 m; es gebe einen "Marker". Strittig sei die Zuordnung des Entgelts auf die Komponenten Entgelt für die Einräumung des Rechts, Bodenwertminderung sowie Entschädigung für Ernteausfall.
8 Die Aufteilung einer Zahlung in mehrere Komponenten in einem Vertrag sei für die Abgabenbehörde nicht bindend. Entschädigungen für die Wertminderung von Grund und Boden seien nicht steuerpflichtig. Eine solche Entschädigung betreffe grundsätzlich die Minderung der Bodenqualität und/oder des Verkehrswertes der Liegenschaft.
9 Das Bundesfinanzgericht folge den Ausführungen des Sachverständigen L. Dieser habe - anders als die vom Finanzamt beigezogenen Sachverständigen - eine Befundung vor Ort durchgeführt. Ihm sei auch keine Nähe zu einer der Parteien des Verfahrens zu unterstellen.
10 Betreffend die Vergleichspreise sei der Sachverständige L von unmittelbar angrenzenden Grundstücken ausgegangen und habe einen Verkehrswert von 11 EUR bzw. 11,50 EUR pro Quadratmeter ermittelt. Die Amtssachverständigen seien hingegen von Quadratmeterpreisen von lediglich ca. 3,50 EUR ausgegangen. Hiezu sei auch ausgeführt worden, dass eine andere als landwirtschaftliche Verwendung (insbesondere Schotterabbau) separat nachträglich entschädigt würde. Dabei seien die Amtssachverständigen aber von Inhalten eines anderen Vertrags ausgegangen. Die von der Amtspartei herangezogenen Vergleichspreise würden nicht dem zu beurteilenden Grundstück entsprechen.
11 Wenn ein Amtssachverständiger ausführe, die geologischen Voraussetzungen allein würden nicht ausreichen, um die Vermutung eines Schotterabbaues in absehbarer Zeit zu begründen, so sei dem entgegenzuhalten, dass am Nachbargrundstück bereits Schotter abgebaut werde.
12 Käufer wären bereit, für ein Grundstück mit Schottervorkommen mehr zu bezahlen. Für die Vergleichspreisermittlung seien Grundstücke mit Schottervorkommen heranzuziehen; das Bundesfinanzgericht folge dazu den Ausführungen des Sachverständigen L.
13 Das Gutachten des Sachverständigen L sei mit Bewertungsstichtag im Dezember 2015 erstellt worden. Da die grundlegende Eignung zum Schotterabbau aber auch bereits im Jahr, in dem der Servitutsvertrag unterzeichnet worden sei, bekannt gewesen sei und auch die geologische Eignung des Gebiets vorgelegen sei, wäre das Gutachten zum Bodenwert in jenem Jahr zu keinem anderen Ergebnis gelangt.
14 Der Sachverständige L lege seine Überlegungen zur Verkehrswertminderung in seinem Gutachten dar und komme zum Ergebnis, dass die gesamte "Servitutsentschädigung" als Bodenwertminderung zu betrachten sei. Der Sachverständige führe insbesondere aus, dass nicht nur der Servitutsstreifen, sondern größere Gebiete dem Schotterabbau entzogen worden seien; daraus ergebe sich eine Minderung des Bodenwertes.
15 Eine Revision sei nicht zulässig, weil im vorliegenden Fall Sachverhaltselemente bzw. die Beweiswürdigung strittig seien; eine Rechtsfrage liege nicht vor.
16 Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die Revision des Finanzamts. Zur Zulässigkeit wird geltend gemacht, das Bundesfinanzgericht habe die Beweiswürdigung in unvertretbarer Weise vorgenommen. Das Bundesfinanzgericht stütze seine Beweiswürdigung auf ein Gutachten, das die Bodenwertminderung zu einem unrichtigen Bewertungsstichtag (Dezember 2015) ermittle. Die Entschädigungszahlungen seien in den Jahren 2006 und 2007 vereinnahmt worden. Die Beurteilung, in welchem Ausmaß die Zahlungen auf die Abgeltung einer Bodenwertminderung und das Entgelt für eine Nutzungsüberlassung von Grund und Boden entfielen, sei nach den Verhältnissen im damaligen Zeitraum zu beurteilen. Die Annahme, die im Dezember 2015 festgestellte Bodenwertminderung müsse für die Jahre 2006 und 2007 ebenfalls zutreffend sein, sei unschlüssig, zumal dem Gutachten diesbezügliche Aussagen nicht zu entnehmen seien. Das Bundesfinanzgericht stütze seine Beweiswürdigung weiters auf ein Gutachten, dem ungeeignete Vergleichspreise zu Grunde lägen, indem es Grundstücke mit höheren Verwertungsmöglichkeiten als die landwirtschaftliche Nutzung heranziehe. Die Verwertung eines bisher landwirtschaftlich genutzten Grundstücks als Schottergrube habe aber behördliche Bewilligungen zur Voraussetzung. Derartige Bewilligungen seien in den Jahren 2006 und 2007 aber nicht vorhanden gewesen. Das Gutachten sei darüber hinaus methodisch falsch, weil es die Schadenshöhe nicht von der Servitutsfläche ableite, sondern von einer darüber hinaus reichenden Fläche. Schließlich habe das Bundesfinanzgericht auch nicht in schlüssiger Weise dargelegt, welche Erwägungen dafür maßgebend gewesen seien, das eine Gutachten dem anderen vorzuziehen. Bei einander widersprechenden Gutachten eines amtlichen und eines nichtamtlichen Sachverständigen könne nicht schon die amtliche Eigenschaft des einen Sachverständigen den Ausschlag geben; das Gericht habe die Beweiswürdigung an Hand des inneren Wahrheitswertes der Gutachten vorzunehmen. Inwiefern eine Befundung vor Ort für die Ermittlung einer Wertminderung von Grund und Boden zu einem in der Vergangenheit liegenden Zeitpunkt von Bedeutung sei, habe das Gericht nicht dargelegt.
17 Der Mitbeteiligte hat eine Revisionsbeantwortung eingebracht.
18 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
19 Die Revision ist aus den in ihr aufgezeigten Gründen zulässig und begründet.
20 Gemäß § 4 Abs. 1 letzter Satz EStG 1988 (in der Fassung vor BGBl. I Nr. 22/2012) waren in den Streitjahren insbesondere Wertänderungen von Grund und Boden, der zum Anlagevermögen gehört, nicht zu berücksichtigen. Demnach waren diese Wertänderungen im Rahmen der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1 und Abs. 3 EStG 1988 und entsprechenden Pauschalierungen unbeachtlich, weshalb Zahlungen für eine Bodenwertminderung einkommensteuerlich nicht zu erfassen sind (VwGH 17.10.2017, Ra 2016/15/0027, mwN).
21 Strittig ist im Revisionsverfahren die Ermittlung der Höhe der Bodenwertminderung durch die Einräumung des Servitutsrechts samt Verlegung von Rohrleitungen. Die Aufteilung der Entschädigungssumme in einer Vereinbarung ist - wovon auch die Verfahrensparteien ausgehen - nicht bindend (vgl. VwGH 1.6.2006, 2003/15/0093).
22 In den Einkommensteuerrichtlinien finden sich - insbesondere nunmehr im Anhang VI - Darlegungen dazu, wie u. a. der auf die Bodenwertminderung entfallende Anteil aus einer Entschädigungsleistung zu ermitteln sei. Insbesondere wird darin die Meinung vertreten, es sei von der Fläche des Servitutsstreifens auszugehen.
23 Der Verfassungsgerichtshof ist in seinem Erkenntnis vom 28. Juni 2017, V 4/2017, von seiner bisherigen Rechtsprechung zu Art. 89 B-VG und Art. 139 Abs. 3 bzw. Art. 140 Abs. 3 B-VG, wonach nicht gehörig kundgemachte Verordnungen von den Gerichten auch ohne Anfechtung vor dem Verfassungsgerichtshof von vornherein nicht anzuwenden seien, abgegangen. Er vertritt nunmehr die Auffassung, dass auch Gerichte gesetzwidrig kundgemachte Verordnungen anzuwenden haben und diese, wenn sie Bedenken gegen ihre rechtmäßige Kundmachung haben, vor dem Verfassungsgerichtshof anzufechten haben; bis zur Aufhebung durch den Verfassungsgerichtshof sind sie für jedermann verbindlich (vgl. Punkt 2.9 des genannten Erkenntnisses). Eine derartige Bindung besteht aber nur für Akte von staatlichen Organen, die einen normativen Inhalt für einen unbestimmten Adressatenkreis aufweisen (vgl. Punkt 2.10.1 des genannten Erkenntnisses). Bei den Einkommensteuerrichtlinien handelt es sich - wie im Begleitschreiben zu diesen Richtlinien ausdrücklich angeführt wird - lediglich um einen Auslegungsbehelf, der im Interesse einer einheitlichen Vorgangsweise mitgeteilt werde. Über die gesetzlichen Bestimmungen hinausgehende Rechte und Pflichten könnten aus den Richtlinien nicht abgeleitet werden. Damit handelt es sich bei diesen Richtlinien aber um keine Akte, die einen normativen Inhalt aufweisen (vgl. VfGH 30.9.1982, B 441/77, VfSlg. 9518). Eine Bindung von Gerichten an diese Richtlinien besteht daher schon deswegen nicht.
24 Die Errichtung von Erdgasleitungen ist insbesondere im Gaswirtschaftsgesetz (BGBl. I Nr. 121/2000; bzw. nunmehr Gaswirtschaftsgesetz 2011, BGBl. I Nr. 107/2011) geregelt. Dieses Gesetz enthält auch Bestimmungen betreffend Enteignungsverfahren und Entschädigungen hiefür, wozu auf die Bestimmungen des Eisenbahnenteignungsgesetzes, BGBl. Nr. 71/1954 (bzw. nunmehr des Eisenbahn-Enteignungsentschädigungsgesetzes; vgl. Art. XIII BGBl. I Nr. 112/2003; EisbEG) verwiesen wird (vgl. § 73 Gaswirtschaftsgesetz; nunmehr § 154 Gaswirtschaftsgesetz 2011).
25 Gemäß § 4 Abs. 1 EisbEG ist das Eisenbahnunternehmen verpflichtet, den Enteigneten für alle durch die Enteignung verursachten vermögensrechtlichen Nachteile gemäß § 365 ABGB schadlos zu halten. Wird nur ein Teil eines Grundbesitzes enteignet, ist nach § 6 EisbEG bei der Ermittlung der Entschädigung nicht nur auf den Wert des abzutretenden Grundstückes, sondern auch auf die Verminderung des Wertes, die der zurückbleibende Teil des Grundbesitzes erleidet, Rücksicht zu nehmen.
26 Dem Enteigneten soll - nach ständiger Rechtsprechung des OGH - nicht weniger, aber auch nicht mehr als der Unterschied zwischen seiner Vermögenslage vor und nach der Enteignung ausgeglichen werden. Dass auch auf die Wertminderung der dem Enteigneten verbleibenden Teile seines Grundbesitzes Bedacht zu nehmen ist, gilt auch dann, wenn nicht eine Liegenschaft enteignet, sondern im Enteignungswege über einen Teil derselben eine Dienstbarkeit gegründet wurde (vgl. OGH 3 Ob 204/15v, mwN).
27 Für die Bewertung eines Grundstückes sind - nach ebenfalls ständiger Rechtsprechung des OGH - neben der bestehenden Widmung auch realistisch beurteilte künftige Verwendungsmöglichkeiten samt ihrer Auswirkung auf den Marktwert entscheidend, sofern die reale Möglichkeit einer solchen Verwendung bereits im Zeitpunkt der Enteignung gegeben war und nicht bloß für eine unbestimmte Zukunft erhofft worden ist. Entscheidend ist, ob sich das Entwicklungspotenzial der Liegenschaft zum maßgeblichen Zeitpunkt bereits auf den Marktpreis auswirkt. Die Erwartung einer entsprechenden Verwendungsänderung muss auf dem Grundstücksmarkt tatsächlich bereits preisbestimmend sein. Fehlen tatsächlich bezahlte Vergleichspreise, muss feststehen, dass ausschließlich wegen der Erwartung der Einbeziehung der Grundstücke in diese veränderte Verwendungsmöglichkeit (etwa durch Umwidmung) kein oder nur ein geringer Grundstücksverkehr in der näheren Umgebung der enteigneten Grundstücksflächen stattfand (vgl. OGH 22.2.2016, 10 Ob 109/15z; vgl. auch Winner in Rummel/Lukas, ABGB4 § 365 Rz 32). Können Vergleichswerte nicht eruiert werden, kann es auch zulässig sein, auf sonst übliche Methoden (etwa einen prozentuellen Abschlag vom Wert der tatsächlich in Anspruch genommenen Grundstücksflächen) zurückzugreifen (vgl. OGH 18.12.2009, 6 Ob 171/09d).
28 Diese Grundsätze betreffend die Ermittlung der Höhe von Enteignungsentschädigungen sind auch für die Ermittlung der Bodenwertminderung heranzuziehen, zumal auch die Vereinbarungen über die Bestellung einer Dienstbarkeit vor dem Hintergrund getroffen werden, dass andernfalls ein Enteignungsverfahren eingeleitet werden könnte (vgl. auch Kerschner, Enteignungsentschädigung bei Leitungsrechten, SV, Sonderausgabe 2012, 38 ff).
29 Als maßgebender Zeitpunkt für die Beurteilung kann hier freilich nicht die Rechtskraft eines Enteignungsbescheides herangezogen werden; maßgebender Zeitpunkt ist vielmehr jener des Abschlusses der Vereinbarung über die Begründung der Dienstbarkeit.
30 Es ist daher für diesen Zeitpunkt - und nicht für den vom Sachverständigen L gewählten Stichtag im Jahr 2015 - zu prüfen, welcher Verkehrswert den Liegenschaften des Mitbeteiligten zukam zum einen ohne Berücksichtigung der vereinbarten Dienstbarkeit und zum anderen mit Berücksichtigung dieser Dienstbarkeit. Entscheidend ist dabei jeweils die damals bestehende Nutzung, wobei in naher Zukunft wahrscheinliche Nutzungsänderungen, die bereits zum Stichtag preisbestimmend waren, zu berücksichtigen sind.
31 Entgegen der Ansicht des Bundesfinanzgerichtes ist es demnach aber nicht entscheidend, dass eine grundlegende Eignung zum Schotterabbau bereits bei Abschluss des Dienstbarkeitsbestellungsvertrags bekannt gewesen sei; nur wenn insoweit eine Nutzungsänderung bereits in naher Zukunft wahrscheinlich gewesen wäre und dieser Umstand schon zum Stichtag preisbestimmend gewesen wäre, wäre dies bei der Ermittlung der Bodenwertminderung zu berücksichtigen gewesen. Für das Jahr 2014 oder 2015 ermittelte Vergleichspreise, die Grundlage für das Gutachten des Sachverständigen L waren, sind hiefür jedenfalls nicht geeignet.
32 Nicht nachvollziehbar ist im Übrigen auch, wenn der Sachverständige L in seinem Gutachten (Seite 29) einerseits ausführt, bei einer Parzelle sei eine Fläche von 1.753 m2 durch die Erdgasleitung verlorengegangen, bei zwei weiteren Parzellen eine Fläche von 8.257 m2, er aber anderseits (Seite 46 des Gutachtens) bei der Ermittlung der Verkehrswertminderung insoweit von Flächen von 1.177 m2 und 8.726 m2 ausgeht.
33 Das angefochtene Erkenntnis war daher wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
Wien, am 31. Jänner 2018
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