BFG RV/7104127/2014

BFGRV/7104127/20148.7.2016

Prozesskosten als außergewöhnliche Belastung

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BFG:2016:RV.7104127.2014

 

Beachte:
Revision eingebracht. Beim VwGH anhängig zur Zahl Ro 2016/13/0026. Mit Erk. v. 26.7.2017 wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufgehoben. Fortgesetztes Verfahren mit Erkenntnis zur Zahl RV/7103979/2017 erledigt.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

 

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Mag. Anna Mechtler-Höger in der Beschwerdesache Name-Bf, Adresse-Bf, vertreten durch Traunsteiner & Mayer Wirtschafts- u SteuerberatungsGmbH, Hauptplatz 14b, 3300 Amstetten, gegen den Bescheid des Finanzamtes Amstetten Melk Scheibbs vom 28.01.2014, betreffend Einkommensteuer 2012 nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

I. Der angefochtene Bescheid wird abgeändert. Die Bemessungsgrundlage und die Höhe der Abgabe sind dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches.

II. Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) zulässig.

 

Entscheidungsgründe

Die belangte Behörde hat die Bescheidbeschwerde des Beschwerdeführers (Bf) gegen den Bescheid betreffend Einkommensteuer für das Jahr 2012 dem Bundesfinanzgericht vorgelegt.

Dem gleichzeitig übermittelten Beschwerdeakt der belangten Behörde ist
Folgendes zu entnehmen:

Der Bf beantragte in seiner Einkommensteuererklärung für das Jahr 2012 für seine Tochter Susanne, deren Grad der Behinderung 100% beträgt, die Berücksichtigung des pauschalen Freibetrages sowie unregelmäßiger Ausgaben für Hilfsmittel und Kosten der Heilbehandlung von insgesamt EUR 6.420,69 als außergewöhnliche Belastung. Seine Tochter bezog von 01-12/2012 ein monatliches Pflegegeld in Höhe von EUR 604,30. Der Einkommensteuerbescheid 2012 erging erklärungsgemäß.

In der Beschwerde gegen den erklärungsgemäß ergangenen Einkommensteuerbescheid 2012 stellte der steuerliche Vertreter des Bf den Antrag, die Kosten für die rechtsfreundliche Vertretung seiner schwer behinderten Tochter in einem Arzthaftungsprozess in Höhe von EUR 16.660,00 als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen.

Begründend wurde ausgeführt, bei der Tochter des Bf sei es infolge eines Behandlungsfehlers zu einer Hirnmassenblutung gekommen. Die Tochter sei seither schwer behindert und bedürfe ständiger Pflege und rehabilitiver Betreuung. Da die Schädigerin die Haftung für den Behandlungsfehler abgelehnt habe, sei der Bf als Vater gezwungen gewesen, im Rahmen eines Arzthaftungsprozesses die Rechtsansprüche seiner Tochter durchzusetzen. Im Rechtsstreit vor dem Landesgericht Graz werde seine Tochter durch den Arzt und Rechtsanwalt Dr. med. Dr. jur. Y vertreten. Das Klagebegehren sei darauf gerichtet, dass die Schädigerin für die entstandenen Kosten und die künftigen, lebenslangen Pflege- und Rehabilitationsmaßnahmen aufzukommen habe.

Die Judikatur in Österreich gehe im Allgemeinen davon aus, dass Prozesskosten nicht zwangsläufig erwachsen. Eine allgemeine Regel lasse sich aber nicht aufstellen, sondern es sei jeder Einzelfall individuell zu prüfen (VwGH 3.3.1992, 88/14/0011; UFS 19.9.2006, RV/0414-G/04).

Der deutsche Bundesfinanzhof habe mit der Entscheidung vom 12.5.2011, VI R 42/10, seine Spruchpraxis dahingehend geändert, als die Absetzbarkeit von Zivilprozesskosten als außergewöhnliche Belastung bejaht werde, wenn der Prozess nicht mutwillig geführt werde, hinreichend Aussicht auf Erfolg gegeben sei und die Kosten notwendig und angemessen seien.

Die Auffassung, der Steuerpflichtige übernehme das Prozesskostenrisiko "freiwillig", verkenne, dass streitige Ansprüche wegen des staatlichen Gewaltmonopols regelmäßig nur gerichtlich durchzusetzen oder abzuwehren seien. Die Parteien würden zur gewaltfreien Lösung von Rechtsstreitigkeiten und Interessenkonflikten auf den Weg vor die Gerichte verwiesen. Zivilprozesskosten würden dem Kläger wie dem Beklagten daher unabhängig vom Gegenstand des Zivilrechtsstreits aus rechtlichen Gründen zwangsläufig erwachsen.

Die dem Bf erwachsenen Kosten seien höher als jene, die der Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommens- und Vermögensverhältnisse erwachsen würden; das Kriterium der Außergewöhnlichkeit sei gegeben.

Der Bf sei sowohl aus rechtlichen als auch aus sittlichen Gründen gezwungen, im Namen seiner minderjährigen, schwerst behinderten Tochter den Arzthaftungsprozess zu betreiben. Dieser Schritt habe auch die Abwehr von fremdverursachten, lebenslangen Pflege- und Behandlungskosten und somit die Abwehr einer künftigen existenzbedrohlichen Notsituation für seine Tochter zum Ziel. Das Kriterium der Zwangsläufigkeit sei daher erfüllt.

Der Bf habe sich nicht mutwillig oder leichtfertig auf den Zivilprozess eingelassen, sondern seine Entscheidung von gutachterlichen Meinungen abhängig gemacht und das Für und Wider gegeneinander abgewogen. Diese Abwägung habe ergeben, dass der Erfolg des Zivilprozesses bei weitem wahrscheinlicher sei als ein Misserfolg. Bei Annahme von monatlichen Pflegekosten in Höhe von nur EUR 3.500,00 errechneten sich unter Annahme einer Lebenserwartung von 77,49 Jahren Gesamtpflegekosten in Höhe von EUR 2,5 Mio. Die nunmehr beantragten Kosten in Höhe von EUR 16.600,00 seien angesichts dieser Beträge jedenfalls angemessen.

Mit Beschwerdevorentscheidung wurden die beantragten Kosten in Höhe von EUR 16.600,00 nicht als außergewöhnliche Belastung anerkannt. Nach Zitat der Bestimmung des § 34 Abs. 6 TS 4 EStG und des § 5 der zu den §§ 34 und 35 ergangenen Verordnung wurde ausgeführt, neben dem (gekürzten) Freibetrag laut § 5 der VO und den zusätzlich laut VO in tatsächlicher Höhe zur berücksichtigenden Aufwendungen (Hilfsmittel, Heilbehandlung, Schulgeld) könnten keine allgemeinen Mehraufwendungen aus der Behinderung geltend gemacht werden. Es sei nicht möglich, einen Teil der Kosten nach der VO und einen anderen Teil unter dem Titel "tatsächlich nachgewiesene Mehraufwendungen" geltend zu machen, weil dann bestimmt werden müsste, welche Kosten mit dem (gekürzten) Freibetrag laut VO abgegolten seien.

Würde die VO jedoch nicht in Anspruch genommen (Anwendung des § 34 Abs. 6 TS 4), wären sämtliche nachgewiesene Mehraufwendungen im Zusammenhang mit der Behinderung der Tochter um das Pflegegeld (604,30 x 12 = 7.251,60) zu kürzen und zu entscheiden, ob die Zivilprozesskosten iZm den Schadenersatzforderungen

a) Mehraufwendungen des Steuerpflichtigen für Personen, für die erhöhte Familienbeihilfe gewährt wird iSd § 34 Abs. 6 TS 4,

b) eine nicht unter § 34 Abs. 6 fallende außergewöhnliche Belastung mit Berücksichtigung eines Selbstbehaltes (§ 34 Abs. 4) oder

c) nicht als außergewöhnliche Belastung abzugsfähige Kosten darstellten.

Nach Ansicht des Finanzamtes handle es sich bei den Kosten des Schadenersatzprozesses nicht um "Mehraufwendungen für Personen, für die erhöhte Familienbeihilfe gewährt wird", da die geforderten Schadenersatzzahlungen gerade diese Mehraufwendungen abdecken sollten. Die strittigen Aufwendungen stünden nur in mittelbarem Zusammenhang mit den Mehraufwendungen und seien allenfalls als normale außergewöhnliche Belastung mit Selbstbehalt zu berücksichtigen. Dies könne aber auf Grund der Höhe des aus dem Einkommen resultierenden Selbstbehaltes dahingestellt bleiben, da der Selbstbehalt die strittigen Aufwendungen übersteige.

Fristgerecht stellte der Bf einen Vorlageantrag gemäß § 264 Abs. 1 BAO.

Das Finanzamt legte die Beschwerde zur Entscheidung vor und beantragte, die Beschwerde im Sinne der Beschwerdevorentscheidung abzuweisen.

Im Verfahren vor dem Bundesfinanzgericht legte der Bf ein (verbessertes) Vergleichsangebot vom 13.11.2009 vor, in dem sich die beklagte Partei (vorbehaltlich der Genehmigung des Vorstandes) aus humanitären und sozialen Gründen

bereit erklärte.

Diesen Vergleich nahm der Bf nicht an, da seinen Berechnungen zu Folge monatlich Kosten in Höhe von EUR 13.707,40 anfielen und das Vergleichsangebot immer noch unter der in den bisherigen Vergleichsgesprächen angesprochenen 50:50 Schadensaufteilung liege.

Darüber hinaus legte der Bf ein von Professor Dr. med. X erstelltes Gutachten vom 14.5.2014 vor, in dem dieser in der Zusammenfassung wie folgt ausführt:

" Es kann als gesichert gelten, dass bei sachgerechter Bewertung der echokardiographischen Bildgebung bereits am 28.10.1999, jedenfalls aber mit Kenntnis der Staph aureus Sepsis am 7.12.1999, basierend auf dem TEE-Befund eines Aortenwurzelabszesses mit Ringvegetationen vom 4.12.1999, die Diagnose einer Prothesenendokarditis hätte gestellt werden müssen, und bei daraus sachgerecht abgeleiteten Therapiemaßnahmen, insbesondere der dringlichen operativen Sanierung der Aortenwurzel, Entfernung der infizierten Klappenprothese mit Elimination der Sepsis- und Embolliequelle, begleitet von einer prolongierten i.v. Antibiotikatherapie, die schweren septischen Komplikationen der Patientin mit Ausriss der Aortenwurzel, septischen Embolien, septischer Entgleisung der Gerinnung und schließlich Hirnmassenblutung, nicht aufgetreten wären."

In der am 21.06.2016 durchgeführten mündlichen Verhandlung legte der steuerliche Vertreter des Bf eine juristische Stellungnahme von Dr. M vor und führte aus, dieser komme zum Schluss, dass die Prozessführung unbedingt notwendig sei, um eine existenzbedrohende Notlage der Tochter abzuwenden. Die Tochter verfüge lediglich über monatliche Einnahmen (Pflegegeld und erhöhte Familienbeihilfe) von EUR 1.100,00. Dem stünden Gesamtkosten für Lebenshaltung, Pflege und Therapie in Höhe des 8- bis 10-fachen dieses Betrages gegenüber. Die Prozessführung sei aber auch notwendig, um etwaige Haftungsansprüche gegen den Vater und Sachwalter zu verhindern.

Der steuerliche Vertreter stellte klar, dass beantragt werde, die Prozesskosten als außergewöhnliche Belastung ohne Selbstbehalt zu berücksichtigen und dass der Behandlungsfehler kausal im Sinne des § 34 Abs. 6 EStG für den Bezug der erhöhten Familienbeihilfe sei. Ausdrücklich verwies er auf die Beschwerdeschrift, in der die rechtlichen Grundlagen ausführlich dargestellt worden seien, und führte aus, dass eine Verordnung ein Gesetz keineswegs einengen dürfe.

Der Vertreter der Amtspartei wies darauf hin, dass nur bei Vorliegen von behinderungsbedingten Aufwendungen eine Berücksichtigung ohne Selbstbehalt möglich sei. Seiner Ansicht nach handle es sich aber bei den Prozesskosten nicht um derartige Aufwendungen, sondern allenfalls um eine "normale" außergewöhnliche Belastung mit Berücksichtigung eines Selbstbehaltes. Dabei wäre zu beurteilen, ob die Prozesskosten zur Abwendung einer existenzbedrohenden Notlage im Sinne der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zwangsläufig erwachsen seien. Im Streitjahr 2012 sei der Selbstbehalt des Bf jedoch höher als die Prozesskosten, weshalb sich selbst bei Bejahung der Zwangsläufigkeit der Spruch des angefochtenen Bescheides nicht ändern würde.

In weiterer Folge stellte der Vertreter der Amtspartei klar, dass ein Steuerpflichtiger die Wahl habe, neben dem Freibetrag die explizit in der Verordnung angeführten Aufwendungen oder die tatsächlichen Kosten gemäß § 34 Abs. 6 EStG unter Abzug der pflegebedingten Geldleistungen geltend zu machen.

Der Bf gab an, dass selbst im Falle des Obsiegens im Rechtsstreit nicht sämtliche Kosten ersetzt würden. So würden die Kosten eines dritten Rechtsanwaltes nicht ersetzt, die Kosten des zweiten Rechtsanwaltes seien mit 10% limitiert.

 

Über die Beschwerde wurde erwogen:

Das Bundesfinanzgericht stellt auf Basis des oben geschilderten Verwaltungsgeschehens und der aktenkundigen Unterlagen folgenden entscheidungswesentlichen Sachverhalt fest:

Der Bf ist Vater einer 1986 geborenen Tochter. Im März 1999 wurde bei der Tochter ein mechanischer Klappenersatz der Aortenklappe und ein prothetischer Ersatz der Aorta ascendens durchgeführt. In weiterer Folge wurde sie aufgrund rezidivierender Fieberschübe stationär aufgenommen. Es bestand der Verdacht einer Infektion an der implantierten Kunstklappe. Bei der Tochter kam es zu einer septischen Entgleisung der Gerinnung und schließlich zu einer Hirnmassenblutung. Die Tochter des Bf weist seither eine 100% Behinderung auf.

Vertreten durch den Bf, der auch die Funktion des Sachwalters innehat, brachte sie Klage gegen die Steiermärkische Krankenanstalten GmbH ein. Im Jahr 2012 hatte der Bf auf Grund dieses Verfahrens Anwaltskosten in Höhe von EUR 16.660,00 zu tragen.

Auf Grund des Einkommens des Bf beträgt die zumutbare Mehrbelastung im Sinne des § 34 Abs. 4 EStG 1988 EUR 16.494,34.

Die Tochter des Bf bezog im Jahr 2012 Pflegegeld in Höhe von EUR 604,30 monatlich und hatte Anspruch auf erhöhte Familienbeihilfe.

Der Bf tätigte im Jahr 2012 Ausgaben für Hilfsmittel im Sinne von § 4 der Verordnung des Bundesministers für Finanzen über außergewöhnliche Belastungen, BGBl 303/1996 idf BGBl II 430/2010, in Höhe von EUR 6.420,69.

Im Jahr 2012 erzielte der Bf aus seinen diversen Beteiligungen einen Verlust in Höhe von EUR 32.144,25.

Diese Feststellungen sind insoweit unstrittig und waren rechtlich wie folgt zu beurteilen:

§ 34 EStG 1988 in der für das Streitjahr geltenden Fassung lautet auszugsweise:

"(1) Bei der Ermittlung des Einkommens (§ 2 Abs. 2) eines unbeschränkt Steuerpflichtigen sind nach Abzug der Sonderausgaben (§ 18) außergewöhnliche Belastungen abzuziehen. Die Belastung muß folgende Voraussetzungen erfüllen:

1. Sie muß außergewöhnlich sein (Abs. 2).

2. Sie muß zwangsläufig erwachsen (Abs. 3).

3. Sie muß die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigen (Abs. 4).

Die Belastung darf weder Betriebsausgaben, Werbungskosten noch Sonderausgaben sein.

(2) Die Belastung ist außergewöhnlich, soweit sie höher ist als jene, die der Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse erwächst.

(3) Die Belastung erwächst dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihr aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann.

(4) Die Belastung beeinträchtigt wesentlich die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, soweit sie einen vom Steuerpflichtigen von seinem Einkommen (§ 2 Abs. 2 in Verbindung mit Abs. 5) vor Abzug der außergewöhnlichen Belastungen zu berechnenden Selbstbehalt übersteigt. Der Selbstbehalt beträgt bei einem Einkommen

von höchstens 7.300 Euro ………………………...............6%.

mehr als 7.300 Euro bis 14.600 Euro .……………………..8%.

mehr als 14.600 Euro bis 36.400 Euro...................10%.

mehr als 36 400 Euro ..………………………...................12%.

Der Selbstbehalt vermindert sich um je einen Prozentpunkt

- wenn dem Steuerpflichtigen der Alleinverdienerabsetzbetrag oder der Alleinerzieherabsetzbetrag zusteht

- wenn dem Steuerpflichtigen kein Alleinverdiener- oder Alleinerzieherabsetzbetrag zusteht, er aber mehr als sechs Monate im Kalenderjahr verheiratet oder eingetragener Partner ist und vom (Ehe-)Partner nicht dauernd getrennt lebt und der (Ehe-)Partner Einkünfte im Sinne des § 33 Abs. 4 Z 1 von höchstens 6 000 Euro jährlich erzielt

- für jedes Kind (§ 106).

(5) Sind im Einkommen sonstige Bezüge im Sinne des § 67 enthalten, dann sind als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit für Zwecke der Berechnung des Selbstbehaltes die zum laufenden Tarif zu versteuernden Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, erhöht um die sonstigen Bezüge gemäß § 67 Abs. 1 und 2, anzusetzen.

(6) Folgende Aufwendungen können ohne Berücksichtigung des Selbstbehaltes abgezogen werden:

- Aufwendungen zur Beseitigung von Katastrophenschäden, insbesondere Hochwasser-, Erdrutsch-, Vermurungs- und Lawinenschäden im Ausmaß der erforderlichen Ersatzbeschaffungskosten.

- Kosten einer auswärtigen Berufsausbildung nach Abs. 8.

- Aufwendungen für die Kinderbetreuung im Sinne des Abs. 9.

- Mehraufwendungen des Steuerpflichtigen für Personen, für die gemäß § 8 Abs. 4 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 erhöhte Familienbeihilfe gewährt wird, soweit sie die Summe der pflegebedingten Geldleistungen (Pflegegeld, Pflegezulage, Blindengeld oder Blindenzulage) übersteigen.

- Aufwendungen im Sinne des § 35, die an Stelle der Pauschbeträge geltend gemacht werden (§ 35 Abs. 5).

- Mehraufwendungen aus dem Titel der Behinderung, wenn die Voraussetzungen des § 35 Abs. 1 vorliegen, soweit sie die Summe pflegebedingter Geldleistungen (Pflegegeld, Pflegezulage, Blindengeld oder Blindenzulage) übersteigen.

Der Bundesminister für Finanzen kann mit Verordnung festlegen, in welchen Fällen und in welcher Höhe Mehraufwendungen aus dem Titel der Behinderung ohne Anrechnung auf einen Freibetrag nach § 35 Abs. 3 und ohne Anrechnung auf eine pflegebedingte Geldleistung zu berücksichtigen sind.

...."

§ 35 EStG 1988 in der für das Streitjahr geltenden Fassung lautet auszugsweise:

"1) Hat der Steuerpflichtige außergewöhnliche Belastungen

- durch eine eigene körperliche oder geistige Behinderung,

- bei Anspruch auf den Alleinverdienerabsetzbetrag durch eine Behinderung des (Ehe-)Partners (§ 106 Abs. 3),

- ohne Anspruch auf den Alleinverdienerabsetzbetrag durch eine Behinderung des (Ehe-)Partners (§ 106 Abs. 3), wenn dieser Einkünfte im Sinne des § 33 Abs. 4 Z 1 von höchstens 6 000 Euro jährlich erzielt,

- durch eine Behinderung eines Kindes (§ 106 Abs. 1 und 2), für das keine erhöhte Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 4 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 gewährt wird,

und erhält weder der Steuerpflichtige noch sein (Ehe-)Partner noch sein Kind eine pflegebedingte Geldleistung (Pflegegeld, Pflegezulage, Blindengeld oder Blindenzulage), so steht ihm jeweils ein Freibetrag (Abs. 3) zu.

...."

Die Verordnung des Bundesministers für Finanzen über außergewöhnliche Belastungen, BGBl 303/1996 idF BGBl II 430/2010 lautet auszugsweise wie folgt:

"§ 1 (1) Hat der Steuerpflichtige Aufwendungen

- durch eine eigene körperliche oder geistige Behinderung,

- bei Anspruch auf den Alleinverdienerabsetzbetrag durch eine Behinderung des (Ehe-)Partners (§ 106 Abs. 3 EStG 1988),

- ohne Anspruch auf den Alleinverdienerabsetzbetrag durch eine Behinderung des (Ehe-)Partners (§ 106 Abs. 3 EStG 1988), wenn dieser Einkünfte im Sinne des § 33 Abs. 4 Z 1 EStG 1988 von höchstens 6 000 Euro jährlich erzielt, oder

- bei Anspruch des Steuerpflichtigen selbst oder seines (Ehe-)Partners auf den Kinderabsetzbetrag oder den Unterhaltsabsetzbetrag, durch eine Behinderung des Kindes (§ 106 Abs. 1 und 2 EStG 1988), für das keine erhöhte Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 4 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 gewährt wird,

so sind die in den §§ 2 bis 4 dieser Verordnung genannten Mehraufwendungen als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen.

(2) Eine Behinderung liegt vor, wenn das Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) mindestens 25% beträgt.

(3) Die Mehraufwendungen gemäß §§ 2 bis 4 dieser Verordnung sind nicht um eine pflegebedingte Geldleistung (Pflegegeld, Pflegezulage oder Blindenzulage) oder um einen Freibetrag nach § 35 Abs. 3 EStG 1988 zu kürzen.

§ 2. ....

§ 3. ....

§ 4. Nicht regelmäßig anfallende Aufwendungen für Hilfsmittel (zB Rollstuhl, Hörgerät, Blindenhilfsmittel) sowie Kosten der Heilbehandlung sind im nachgewiesenen Ausmaß zu berücksichtigen.

§ 5. (1) Mehraufwendungen des Steuerpflichtigen für unterhaltsberechtigte Personen, für die gemäß § 8 Abs. 4 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 erhöhte Familienbeihilfe gewährt wird, sind ohne Nachweis der tatsächlichen Kosten mit monatlich 262 Euro vermindert um die Summe der pflegebedingten Geldleistungen (Pflegegeld, Pflegezulage oder Blindenzulage) zu berücksichtigen.

(2) Bei Unterbringung in einem Vollinternat vermindert sich der nach Abs. 1 zustehende Pauschbetrag pro Tag des Internatsaufenthaltes um je ein Dreißigstel.

(3) Zusätzlich zum (gegebenenfalls verminderten) Pauschbetrag nach Abs. 1 sind auch Aufwendungen gemäß § 4 sowie das Entgelt für die Unterrichtserteilung in einer Sonder- oder Pflegeschule oder für die Tätigkeit in einer Behindertenwerkstätte im nachgewiesenen Ausmaß zu berücksichtigen.

§ 6. Haben mehrere Steuerpflichtige Anspruch auf einen Pauschbetrag nach §§ 2, 3 oder 5, dann ist dieser Pauschbetrag im Verhältnis der Kostentragung aufzuteilen. Weist einer der Steuerpflichtigen seine höheren Mehraufwendungen nach, dann ist beim anderen Steuerpflichtigen der Pauschbetrag um die nachgewiesenen Mehraufwendungen zu kürzen.

...."

Strittig ist im vorliegenden Fall, ob die vom Bf im Streitjahr getragenen Prozesskosten in Höhe von EUR 16.660,00 unter eine der oben angeführten Bestimmungen zu subsumieren sind.

1. Verordnung des Bundesministers für Finanzen über außergewöhnliche Belastungen, BGBl 303/1996 idF BGBl II 430/2010

Danach sind Mehraufwendungen des Steuerpflichtigen für behinderte Kinder, für die nach § 8 Abs. 4 FLAG erhöhte Familienbeihilfe gewährt wird, ohne Nachweis der tatsächlichen Kosten mit monatlich EUR 262,00, vermindert um die Summe der pflegebedingten Geldleistungen zu berücksichtigen. Zusätzlich zum (gegebenenfalls verminderten) Pauschbetrag sind Aufwendungen für Hilfsmittel und Kosten der Heilbehandlung nach § 4 der Verordnung und das Entgelt für die Unterrichtserteilung in einer Sonder- und Pflegeschule oder für Tätigkeiten in einer Behindertenwerkstätte im nachgewiesenen Ausmaß zu berücksichtigen.

Im vorliegenden Fall tritt die Tochter des Bf, vertreten durch den Bf als Vater und Sachwalter, als Klägerin auf. Das Klagebegehren ist auf Ersatz und Übernahme jener Kosten gerichtet, die mit der durch einen behaupteten Behandlungsfehler verursachten Behinderung der Tochter im Zusammenhang stehen. Ziel des Bf ist es, mit dem angestrengten Prozess die notwendige Pflege seiner Tochter bis an ihr Lebensende sicherzustellen.

Zu beurteilen ist, ob die dem Bf im Zusammenhang mit dem Schadenersatzprozess im Jahr 2012 erwachsenen Kosten in Höhe von EUR 16.660,00 unter die Begriffe "Aufwendungen für Hilfsmittel" oder "Kosten der Heilbehandlung" fallen. Schon nach dem allgemeinen Sprachgebrauch ist es unmöglich, die streitgegenständlichen Kosten als solche für Hilfsmittel bzw für eine Heilbehandlung zu qualifizieren. Sie stellen auch kein Entgelt für die Unterrichtserteilung in einer Sonder- und Pflegeschule oder für Tätigkeiten in einer Behindertenwerkstätte dar.

Die Berücksichtigung der vom Bf im Jahr 2012 für die Prozessführung aufgewendeten Kosten als außergewöhnliche Belastung kann daher nicht auf die Verordnung des Bundesministers für Finanzen über außergewöhnliche Belastungen, BGBl 303/1996 idF BGBl II 430/2010 gestützt werden.

2. § 34 Abs. 6 TS 4 EStG 1988 - Prozesskosten als Mehraufwendungen für behinderte Kinder unter Abzug der pflegebedingten Geldleistungen ohne Selbstbehalt?

Diese Bestimmung regelt die Mehraufwendungen des Steuerpflichtigen für Personen, für die gemäß § 8 Abs. 4 FLAG erhöhte Familienbeihilfe gewährt wird.

Fraglich ist, ob die vom Bf getragenen Prozesskosten den Tatbestand der "Mehraufwendungen" erfüllen.

Der Begriff "Mehraufwendungen" im § 34 Abs. 6 EStG stellt klar, dass nur die aus der Behinderung des Kindes erwachsenden Aufwendungen der begünstigten Behandlung als außergewöhnliche Belastung unterliegen (Fuchs in Hofstätter/Reichel, Die Einkommensteuer, § 34 Abs 6 bis 9 EStG 1988, Rz 16). Eine Berücksichtigung behinderungsbedingter Mehraufwendungen erfordert einen unmittelbaren Zusammenhang der Mehraufwendungen mit einem notwendigen Pflege- und Betreuungsbedarf (VwGH 30.03.2016, 2013/13/0063). Ein solcher Zusammenhang der Prozesskosten mit der Pflege, der Betreuung und der Heilbehandlung der Tochter ist aber nicht gegeben.

Den Gesetzesmaterialien zu dieser Bestimmung ist zu entnehmen, dass der Neufassung jener Bestimmungen, die die außergewöhnliche Belastung von Behinderten betreffen, die Überlegung zugrunde liegt, dass für alle Personen, die eine pflegebedingte Geldleistung erhalten, zur Vermeidung einer Überförderung nicht zusätzlich ein allgemeiner Freibetrag aufgrund ihrer Behinderung berücksichtigt werden soll, weil ihre pflegebedingten Aufwendungen ohnehin durch den - steuerfreien - Bezug von Pflegegeld und ähnlichen Geldleistungen abgedeckt werden.

In den Gesetzesmaterialien findet sich zwar keine Definition des Begriffes "Mehraufwendungen". Es kann aber aus ihnen geschlossen werden, dass unter "Mehraufwendungen" nur "pflegebedingte Aufwendungen" zu verstehen sind. Bei pflegebedingten Aufwendungen handelt es sich aber dem allgemeinen Sprachgebrauch nach um solche, die durch die Pflege, die Therapie und die Heilbehandlung der behinderten Person entstehen.

Das Vorliegen von Mehraufwendungen im Sinne des § 34 Abs. 6 TS 4 EStG 1988 war daher zu verneinen.

3. § 34 Allgemein - Prozesskosten als außergewöhnliche Belastung mit Selbstbehalt?

§ 34 räumt einem unbeschränkt Steuerpflichtigen einen Rechtsanspruch auf Abzug außergewöhnlicher Belastungen bei der Ermittlung des Einkommens ein, wenn die Belastung außergewöhnlich ist, dem Steuerpflichtigen zwangsläufig erwächst und seine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigt.

Schon das Fehlen einer einzigen dieser Voraussetzungen schließt die Anerkennung der geltend gemachten Aufwendungen als außergewöhnliche Belastung aus und die Abgabenbehörde ist davon enthoben, zu prüfen, ob auch die anderen Voraussetzungen zutreffen oder nicht (Fuchs in Hofstätter/Reichel, Die Einkommensteuer, § 34 Abs 2 bis 5 EStG 1988, Rz 1).

Die im Folgenden dargestellte rechnerische Überprüfung ergab, dass die strittigen Aufwendungen in Höhe von EUR 16.660,00 den Selbstbehalt in Höhe von EUR 16.494,34 geringfügig übersteigen.

Einkünfte aus selbständiger Arbeit

271.557,80

Einkünfte aus Gewerbebetrieb

-32.144,25

Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit

813,05

Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung

-49.415,49

Gesamtbetrag der Einkünfte

190.811,11

abzüglich Sonderausgaben

-460,00

abzüglich außergewöhnliche Belastung ohne Selbstbehalt

-6.420,69

abzüglich Freibeträge gemäß § 106a EStG

-660,00

Einkommen

183.270,42

davon 9%

16.494,34

Es waren daher die für die Abzugsfähigkeit erforderlichen weiteren Voraussetzungen zu prüfen.

Fuchs/Unger in Hofstätter/Reichel, Die Einkommensteuer, § 34 EStG 1988 Anhang II- ABC, führen aus, dass

Das Bundesfinanzgericht hatte daher zu prüfen, ob die Prozessführung im vorliegenden Fall unmittelbar zur Abwendung einer existenzbedrohenden Notlage der Tochter erforderlich ist. Der Bf vertritt die Ansicht, dass die nunmehr bei der Tochter vorliegende Behinderung durch einen Behandlungsfehler verursacht wurde und die Tochter deshalb nicht in der Lage ist, für ihren Lebensunterhalt selbst aufzukommen. Sie benötigt über die üblichen Lebenshaltungskosten hinaus eine 24-Stunden-Pflege, deren Kosten nicht durch das Pflegegeld und die erhöhte Familienbeihilfe abgedeckt sind.

Auf Grund der Behinderung ist die Tochter unbestritten nicht selbsterhaltungsfähig. Es ist daher davon auszugehen, dass beide Elternteile gemäß § 140 ABGB verpflichtet sind, für den angemessenen Lebensunterhalt und den konkreten Sonderbedarf im Rahmen ihrer Leistungsfähigkeit zu sorgen. In Anbetracht dieser die Eltern treffenden Unterhaltspflicht ist aber auszuschließen, dass die Tochter ohne die Prozessführung in eine existenzbedrohende Notlage geraten wäre; die Prozessführung und die dadurch verursachten Kosten sind daher nicht unmittelbar zur Abwendung einer existenzbedrohenden Notlage notwendig. Sie erwachsen dem Bf daher nicht zwangsläufig.

Der Ansicht des Bf, dass die Prozessführung deshalb zwangsläufig ist, weil er als Sachwalter andernfalls mit einer Haftung konfrontiert worden wäre, ist entgegenzuhalten, dass die Sachwalterschaft von ihm aus freien Stücken übernommen wurde, und daher die Zwangsläufigkeit aus diesem Grund zu verneinen ist.

Hinsichtlich der Höhe des Verlustes aus Gewerbebetrieb aus den diversen Beteiligungen übernimmt das Bundesfinanzgericht grundsätzlich den vom Finanzamt in der Beschwerdevorentscheidung angesetzten Betrag, jedoch mit der Maßgabe, dass die nach Vorlage der Beschwerde ergehenden Tangenten betreffend

A.1

St.Nr. 1****

0 (bisher -0,12)

A.2

St.Nr. 2****

0 (bisher -65,33)

A.3

St.Nr. 3****

0 (bisher -36,38)

berücksichtigt werden und daher statt des Verlustes in Höhe von EUR 32.246,08 (laut Beschwerdevorentscheidung) ein Verlust in Höhe von EUR 32.144,25 in Ansatz gebracht wird.

Der angefochtene Einkommensteuerbescheid 2012 war daher abzuändern.

 

Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im Hinblick darauf, dass zur Frage, ob Prozesskosten im Zusammenhang mit der Behinderung eines nahen Angehörigen zur Abwendung einer existenzbedrohenden Notlage zwangsläufig im Sinne des Gesetzes erwachsen sind, keine höchstgerichtliche Judikatur existiert, war die Revision zuzulassen.

 

 

Wien, am 8. Juli 2016

 

Zusatzinformationen

Materie:

Steuer

betroffene Normen:

§ 264 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 34 Abs. 4 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 4 Außergewöhnliche Belastungen, BGBl. Nr. 303/1996
§ 35 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 33 Abs. 4 Z 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 34 Abs. 6 TS 4 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 35 Abs. 3 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 34 Abs. 6 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
Außergewöhnliche Belastungen, BGBl. Nr. 303/1996

Verweise:

VwGH 03.03.1992, 88/14/0011
VwGH 30.03.2016, 2013/13/0063

Stichworte