Restrukturierungsordnung (ReO)

GesetzgebungWirtschaftsrechtKriwanek/TumaAugust 2021

Einführung eines Verfahrens zur präventiven Restrukturierung von Unternehmen in finanzielle Schwierigkeiten in Umsetzung der Restrukturierungs- und Insolvenz-RL (EU) 2017/1132

Inkrafttreten

17.7.2021

Stand des Gesetzgebungsverfahrens

Gesetz

Letzte Änderung

27.7.2021

Betroffene Normen

EO, GEG, GGG, IO, RATG, ReO

Betroffene Rechtsgebiete

Insolvenzrecht

Quelle

BGBl I 2021/147

Bundesgesetz, mit dem zur Umsetzung der Richtlinie über Restrukturierung und Insolvenz ein Bundesgesetz über die Restrukturierung von Unternehmen geschaffen wird sowie die Insolvenzordnung, das Gerichtsgebührengesetz, das Gerichtliche Einbringungsgesetz, das Rechtsanwaltstarifgesetz und die Exekutionsordnung geändert werden (Restrukturierungs- und Insolvenz-Richtlinie-Umsetzungsgesetz – RIRUG) (BGBl I 2021/147, 347/BNR , AB 981 , RV 950 BlgNR 27. GP , 96/ME )

Das Vorhaben dient der Umsetzung der RL (EU) 2019/1023   [über präventive Restrukturierungsrahmen, über Entschuldung und über Tätigkeitsverbote sowie über Maßnahmen zur Steigerung der Effizienz von Restrukturierungs-, Insolvenz- und Entschuldungsverfahren und zur Änderung der Richtlinie (EU) 2017/1132] (Restrukturierungs- und Insolvenz-Richtlinie – RIRL).  Die RL hat zum Ziel, Unternehmen mit finanziellen Schwierigkeiten zu retten und deren Bestandfähigkeit wiederherzustellen. Dadurch sollen Arbeitsplätze gesichert, notleidende Kredite europaweit abgebaut und die Wirtschaft gefördert werden. 

Neue Restrukturierungsordnung (ReO):

In einem  neuen Gesetz, der Restrukturierungsordnung – ReO, wird für die präventive Restrukturierung von Unternehmen in finanzielle Schwierigkeiten eine Art Vorinsolvenzverfahren eingeführt (Restrukturierungsverfahren), das die Restrukturierung dieser Unternehmen durch Abschluss eines Restrukturierungsplans (insbesondere Stundung und Kürzung von Forderungen) auch bei Nichtzustimmung einzelner Gläubiger ermöglicht. Ergänzend wird die Kreditaufnahme zur Restrukturierung durch eine Anpassung der Anfechtungsbestimmungen in der IO erleichtert.
Unter die Maßnahmen der Restrukturierung fallen die Änderung der Zusammensetzung, der Bedingungen oder der Struktur der Vermögenswerte und Verbindlichkeiten oder jedes anderen Teils der Kapitalstruktur, etwa der Verkauf von Vermögenswerten oder Geschäftsbereichen und die Gesamtveräußerung des Unternehmens sowie alle erforderlichen operativen Maßnahmen oder eine Kombination dieser Elemente (vgl § 1 Abs 2 ReO).

Von der ReO bzw dem Restrukturierungsverfahren sind bestimmte Schuldner und bestimmte Forderungen ausgenommen, etwa Einrichtungen aus dem Banken- und Versicherungsbereich oder natürliche Personen, die keine Unternehmer sind (vgl § 2 ReO),  sowie bei den Forderungen etwa Forderungen derzeitiger oder ehemaliger Arbeitnehmer ( vgl § 3 ReO).

Die Voraussetzungen für die Einleitung eines Restrukturierungsverfahrens werden in § 6 ReO geregelt:

  • Die Einleitung eines Restrukturierungsverfahrens setzt die wahrscheinliche Insolvenz des Schuldners voraus; diese wird insbesondere bei drohender Zahlungsunfähigkeit vermutet, wenn die Eigenmittelquote 8% unterschreitet und die fiktive Schuldentilgungsdauer 15 Jahre übersteigt.
  • Ein Restrukturierungsverfahren ist nicht einzuleiten, wenn
    1. ein Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners anhängig ist oder
    2. ein Restrukturierungsplan oder ein Sanierungsplan vor weniger als sieben Jahren bestätigt wurde.
  • Ist der Schuldner oder ein Mitglied von dessen vertretungsbefugtem Organ innerhalb von drei Jahren vor dem Antrag auf Einleitung des Restrukturierungsverfahrens wegen „Unvertretbarer Darstellung wesentlicher Informationen über bestimmte Verbände“ nach § 163a StGB rechtskräftig verurteilt worden, kann das Restrukturierungsverfahren nur dann eingeleitet werden, wenn er bescheinigt, geeignete Maßnahmen zur Behebung der Probleme ergriffen zu haben, die zur Verurteilung geführt haben.

Dem  Antrag auf Einleitung des Restrukturierungsverfahrens ist ua ein Restrukturierungskonzept  (§ 8 ReO) bzw bereits ein Restrukturierungsplan  (vgl § 27 ReO) anzuschließen.

Für die Durchführung des Verfahrens sieht die RIRL die Eigenverwaltung des Schuldners vor (vgl §16 ReO), unter bestimmten Voraussetzungen hat das Gericht jedoch einen Restrukturierungsbeauftragten zur Unterstützung des Schuldners und der Gläubiger bei der Aushandlung und Ausarbeitung des Restrukturierungsplans zu bestellen (§ 9 ff ReO). Der Restrukturierungsbeauftragte muss einschlägige rechtliche und betriebswirtschaftliche Fachkenntnisse aufweisen und vom Schuldner und von den Gläubigern unabhängig sein. 

Die Zeit zur wirtschaftlichen Erholung soll im Interesse des Schuldners möglichst kurz sein. Abschnitt 5 ReO enthält daher Vorschriften betr eine Vollstreckungssperre von grds längstens 3 Monaten, die das Gericht auf Antrag des Schuldners zur Unterstützung der Verhandlungen über einen Restrukturierungsplan anzuordnen hat. Exekution auf das Vermögen des Schuldners darf dann nicht bewilligt werden und es kann kein richterliches Pfand- oder Befriedigungsrecht erworben werden; während der Vollstreckungssperre ruht auch die Verpflichtung des Schuldners, die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens wegen Überschuldung zu beantragen (siehe dazu näher § 24 ReO). Die Vollstreckungssperre kann nur in Ausnahmefällen um drei Monate verlängert werden(§ 22 ReO). Innerhalb dieses Zeitraums sollte es möglich sein, den Abschluss und die Bestätigung eines Restrukturierungsplans zu erlangen.

Der 4. Abschnitt der ReO regelt  die Genehmigung von Zwischenfinanzierungen und Transaktionen (§ 18 ReO). Für den Fall einer unabwendbaren Insolvenz werden diese Zwischenfinanzierungen und Transaktionen in den neuen § 36a IO bzw § 36b IO besonders berücksichtigt.

Für den Restruktuierungsplan (geregelt im 6. Abschnitt der ReO) sind grds Gläubigerklassen zu bilden (§ 29 ReO; Gläubiger mit besicherten Forderungen und solche mit unbesicherten Forderungen, Anleihegläubiger, schutzbedürftige Gläubiger [va Forderungen unter 10.000€] und Gläubiger nachrangiger Forderungen). Nur bei Kleinstunternehmen, kleinen oder ein mittleren Unternehmen (KMU) müssen keine Gläubigerklassen bildet werden. Welche Gläubiger in den Plan einbezogen werden (etwa nur Finanzgläubiger), liegt grds am Schuldner. Im Restrukturierungsplan sind ua die vorgeschlagenen Zahlungsfristen anzugeben sowie bei Forderungskürzungen,  auf welchen Bruchteil die Kürzung erfolgen soll.

Zur Annahme des Restrukturierungsplans ist erforderlich, dass in jeder Klasse die Mehrheit der anwesenden betroffenen Gläubiger dem Plan zustimmt und die Summe der Forderungen der zustimmenden Gläubiger in jeder Klasse zumindest 75 % der Gesamtsumme der Forderungen der anwesenden betroffenen Gläubiger in dieser Klasse beträgt. Wurden keine Klassen gebildet, so berechnen sich die erforderlichen Mehrheiten anhand der insgesamt anwesenden Gläubiger (§ 33 Abs 1 ReO) . 

Der Restrukturierungsplan bedarf  weiters der Bestätigung durch das Gericht (siehe dazu § 34 ff ReO), die ua zu versagen ist, wenn der Plan offensichtlich die Insolvenz des Schuldners nicht verhindert und die Bestandfähigkeit des Unternehmens nicht gewährleistet. Die Interessen der überstimmten Gläubiger werden durch das Kriterium des Gläubigerinteresses geschützt, das vom Gericht (nur) auf Antrag  geprüft wird (§ 35 ReO). Danach darf kein ablehnender Gläubiger schlechter gestellt werden als im Liquidationsfall oder im Fall des nächstbesten Alternativszenarios bei Nichtbestätigung des Restrukturierungsplans, also dR bei Zustandekommen eines Sanierungsplans. 

Der bestätigte Restrukturierungsplan ist für den Schuldner  und für alle Gläubiger verbindlich, die im Restrukturierungsplan genannt sind (§ 39 ReO). Bei einer Forderungskürzung wird der Schuldner von der Verbindlichkeit befreit, den betroffenen Gläubigern den erlittenen Ausfall nachträglich zu ersetzen oder für die sonst gewährte Begünstigung nachträglich aufzukommen. Die Bestätigung des Restrukturierungsplans ersetzt nicht die Erfüllung gesetzlicher und vertraglicher Voraussetzungen, die zur Durchführung sonstiger Restrukturierungsmaßnahmen erforderlich sind. Gläubiger können durch den Restrukturierungsplan nicht zur Abgabe von Vertragserklärungen verpflichtet werden.

Auch ein  Restrukturierungsplan, der nicht in jeder Gläubigerklasse von den betroffenen Gläubigern angenommen worden ist, ist unter bestimmten Voraussetzungen auf Antrag des Schuldners vom Gericht zu bestätigen (Klassenübergreifender Cram-down; § 36 ReO).

Abschnitt 7 ReO enthält Vorschriften für Besondere Verfahrensarten: das Europäisches Restrukturierungsverfahren (§ 44 ReO) und ein Vereinfachtes Restrukturierungsverfahren (§ 45 ReO), wenn nur Finanzgläubiger betroffen sind.

Weitere Änderungen durch das RIRUG:

Entsprechend den Regelungen der RIRL über die Entschuldung insoventer Unternehmer innerhalb von 3 Jahren wird in der IO in § 194 IO beim Zahlungsplan die Frist von bisher 5 Jahren auf 3 Jahre verkürzt. Beim Abschöpfungsverfahren mit Restschuldbefreiung kann der Schuldner nach § 199 IO weiters nunmehr die Durchführung des Abschöpfungsverfahrens  wie bisher mit Abschöpfungsplan beantragen oder – neu – mit Tilgungsplan. Damit wird das Abschöpfungsverfahren mit Restschuldbefreiung um ein „kurzes Abschöpfungsverfahren“ mit der Dauer von 3 Jahren ergänzt  (wie in der RIRL als Tilgungsplan bezeichnet).  Für das verkürzte Abschöpfungsverfahren (Tilgungsplan) wird dabei in § 201 IO der Redlichkeitsmaßstab durch weitere Einleitungshindernisse erhöht, um einerseits die Interessen der Gläubiger zu berücksichtigen und andererseits dem Anforderungsprofil der RIRL betr redliche Schuldner zu entsprechen (vgl dazu auch die Änderung des § 216 IO betr Gründe für einen Widerruf der Restschuldbefreiung). 

Da die RIRL nicht für natürliche Personen gilt, die keine Unternehmer sind, beschränkt der Gesetzgeber die Möglichkeit eines verkürzten Abschöpfungsverfahrens (Tilgungsplan)  für Verbraucher zeitlich auf 5 Jahre (Einlangen des Antrags auf Durchführung des Abschöpfungsverfahrens mit Tilgungsplan vor dem 17. 7. 2026 bei Gericht; § 283 Abs 9 IO). Trotz dieser Befristung wird damit den wirtschaftlichen Auswirkungen der  COVID-19-Pandemie Rechnung getragen.

Das RIRUG sieht weiters ua kleinere Anpassungen der IO vor, wie etwa eine Klarstellung der Befugnisse des Schuldners bei Eigenverwaltung (§ 187 IO) oder eine (inflationsbedingte) Erhöhung der Vergütung des Treuhänders.

Begleitende Änderungen werden zudem im GGG, dem GEG, dem RATG und der EO vorgenommen.

 

Inkrafttreten: grds 17. 7. 2021

Hinweis
: Siehe dazu auch den ausführlichen Artikel von Mohr in ZIK 2021/93.



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