VwGH Ro 2023/07/0002

VwGHRo 2023/07/00026.7.2023

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Hinterwirth sowie die Hofräte Dr. Bachler, Mag. Haunold, Mag. Stickler und Dr. Himberger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Bamer, über die Revision der Bürgermeisterin der Stadt Graz gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Steiermark vom 9. November 2022, Zl. LVwG 41.30‑6605/2022‑8, betreffend Entschädigung nach dem Epidemiegesetz 1950 (mitbeteiligte Partei: Dr. M W in S, ehemals vertreten durch Mag. Stephanie Migglautsch, Rechtsanwältin in 8020 Graz, Nikolaiplatz 4/4), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §56
EpG 1950-BerechnungsV 2020
EpG 1950-BerechnungsV 2020 AnlA
EpG 1950-BerechnungsV 2020 §1
EpG 1950-BerechnungsV 2020 §2 Z3
EpG 1950-BerechnungsV 2020 §2 Z4
EpG 1950-BerechnungsV 2020 §2 Z5
EpG 1950-BerechnungsV 2020 §2 Z8
EpG 1950-BerechnungsV 2020 §3
EpG 1950-BerechnungsV 2020 §3 Abs1
EpG 1950-BerechnungsV 2020 §3 Abs3
EpG 1950-BerechnungsV 2020 §4 Abs1
EpG 1950-BerechnungsV 2020 §4 Abs3
EpidemieG 1950
EpidemieG 1950 §32 Abs4 idF 2022/I/089
EpidemieG 1950 §32 idF 1974/702
TSG 1909 §52b idF 1974/141
VwGVG 2014 §17
VwRallg

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2023:RO2023070002.J00

 

Spruch:

Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.

Der Bund hat der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von € 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Mit Bescheid der Bürgermeisterin der Stadt Graz (Revisionswerberin) vom 11. Juli 2022 wurde der am 17. Mai 2021 eingelangte Antrag der mitbeteiligten Partei vom 14. Mai 2021, konkretisiert am 1. April 2022, auf Vergütung des Verdienstentgangs für den Zeitraum von 6. Februar 2021 bis 17. Februar 2021 gemäß § 32 Abs. 1 Z 1 und Abs. 4 Epidemiegesetz 1950 (im Folgenden: EpiG) in Verbindung mit der Verordnung des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz (BMSGPK) über nähere Vorgaben zur Berechnung der Höhe der Vergütung des Verdienstentgangs für selbständig erwerbstätige Personen und Unternehmungen nach dem Epidemiegesetz 1950 (im Folgenden: EpG 1950‑Berechnungs‑Verordnung) abgewiesen.

2 Der dagegen erhobenen Beschwerde der mitbeteiligten Partei wurde mit dem angefochtenen Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Steiermark (LVwG) vom 9. November 2022 Folge gegeben und der Bescheid vom 11. Juli 2022 insofern abgeändert, als eine Vergütung für den Verdienstentgang für den Zeitraum 6. Februar 2021 bis 17. Februar 2021 gemäß § 32 EpiG, BGBl. Nr. 186/1950 in der Fassung BGBl. I Nr. 131/2022, in Verbindung mit der EpG 1950‑Berechnungs‑Verordnung, BGBl. II Nr. 329/2020, in der Höhe von € 13.972,79 gewährt wurde. Eine ordentliche Revision wurde für zulässig erklärt.

3 Begründend führte das LVwG aus, die mitbeteiligte Partei betreibe eine Wahlarztpraxis für Dermatologie, sei die einzige Ärztin, die in dieser Ordination tätig sei und übe ihre Tätigkeit in Form eines Einzelunternehmens aus. Sie sei von 6. Februar 2021 bis 17. Februar 2021 behördlich aufgrund einer COVID‑19‑Erkrankung abgesondert gewesen und habe in diesem Zeitraum keine Einnahmen erzielt. Die Wahlarztpraxis sei während dieses Zeitraumes vollständig geschlossen gewesen. Ohne behördliche Absonderung wäre die Ordination von 6. Februar 2021 bis 17. Februar 2021 während der Ordinationszeiten durchgehend geöffnet gewesen. In der relevanten Vorjahresperiode im Februar 2020 habe sich die mitbeteiligte Partei für zwei Wochen auf Urlaub befunden und habe während dieser Zeit aufgrund einer urlaubsbedingten Betriebsschließung keine Einnahmen erzielt.

4 Aufgrund dieser urlaubsbedingten Schließung habe die mitbeteiligte Partei im Monat Februar 2020 lediglich ein „EBITA“ (hier und im Folgenden richtig: EBITDA) in der Höhe von € 703,00 erzielt. Demgegenüber habe das EBITDA für die Monate Jänner 2021 und Dezember 2020 zusammen € 42.329,00 und für die Monate Jänner 2020 und Dezember 2019 zusammen € 31.312,00 betragen. Der aufgrund dieser Referenzzeiträume berechnete Fortschreibungsquotient im Sinne des § 4 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 2 Z 1 EpG 1950‑Berechnungs‑Verordnung betrage 1,35. Im gesamten Wirtschaftsjahr 2019 habe die mitbeteiligte Partei ein EBITDA in der Höhe von € 134.860,00, im Wirtschaftsjahr 2020 habe sie ein EBITDA in der Höhe von € 147.446,00 erzielt. Am 14. Mai 2021 habe sie die Zuerkennung einer Vergütung des Verdienstentgangs auf Basis der Berechnungsvariante 7 gemäß § 3 Abs. 4 EpG 1950‑Berechnungs‑Verordnung (in der Höhe von € 15.200,98) beantragt, weil die Berechnung des Verdienstentgangs nach der Berechnungsvariante 1 gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 4 Abs. 2 Z 1 leg. cit. anhand der oben angeführten Wirtschaftszahlen und nach Berücksichtigung eines von der mitbeteiligten Partei erhaltenen Krankengeldes (€ 1.509,00) zu keinem positiven Verdienstentgang geführt habe.

5 Nachdem die Revisionswerberin der mitbeteiligten Partei mitgeteilt habe, dass auf Basis der vorgelegten Daten aus betriebswirtschaftlichen Gründen unter Anwendung der Berechnungsvariante 1 des EpiG‑Berechnungstools nach § 3 Abs. 4 EpG 1950‑Berechnungs‑Verordnung kein positives Ergebnis ermittelbar und die Berechnungsvariante 7 gesetzlich nicht begründbar sei, habe die mitbeteiligte Partei am 1. April 2022 eine Berechnung des Verdienstentgangs auf Basis der Berechnungsvariante 6 nach § 3 Abs. 3 leg. cit. übermittelt, in der ein Vergütungsbetrag in Höhe von € 17.537,87 ausgewiesen worden sei.

6 Die mitbeteiligte Partei habe im Jänner 2021 für 31 Kalendertage Einnahmen in der Höhe von € 31.881,00 erwirtschaftet, denen Ausgaben in der Höhe von € 11.856,00 gegenüberstünden. Im Februar 2021 habe sie für 28 Kalendertage Einnahmen in der Höhe von € 13.702,00 und Ausgaben in der Höhe von € 13.271,00 erzielt. Für den Zeitraum der behördlichen Absonderung habe sie ein Krankengeld in der Höhe von € 1.509,00 erhalten. Überdies habe sie für die absonderungsbedingte Betriebsunterbrechung im Februar 2021 eine Versicherungsleistung in der Höhe von € 3.111,08 erhalten, welche von der mitbeteiligten Partei weder im ursprünglichen Antrag vom 14. Mai 2021 noch in der Antragskonkretisierung am 1. April 2022 berücksichtigt worden sei. Bereits im verfahrenseinleitenden Antrag seien Steuerberatungskosten in der Höhe von € 1.000,00 geltend gemacht worden.

7 In der Folge stellte das LVwG eine Berechnung des Verdienstentgangs nach § 3 Abs. 3 EpG 1950‑Berechnungs‑Verordnung (Berechnungsvariante 6) samt Ergebnis dar.

8 Weiters führte es in seiner rechtlichen Begründung aus, dass nach § 32 EpiG eine Vergütung für den Verdienstentgang für jeden von einer behördlichen Absonderung nach § 32 Abs. 1 EpiG umfassten Tag zu leisten sei, wenn durch diese ein Verdienstentgang eingetreten bzw. ein Vermögensnachteil entstanden sei. Die Bemessung des Vergütungsbetrages habe gemäß § 32 Abs. 4 EpiG für selbstständig erwerbstätige Personen und Unternehmen nach dem vergleichbaren fortgeschriebenen wirtschaftlichen Einkommen zu erfolgen. Strittig sei, welche der in der EpG 1950‑Berechnungs‑Verordnung genannten Berechnungsvarianten anzuwenden sei und ob dabei ein positiver Verdienstentgang ermittelt werden könne.

9 § 3 Abs. 1 in Verbindung mit § 4 Z 2 (gemeint wohl: Abs. 2) der gegenständlich noch in der Fassung BGBl. II Nr. 329/2020 anzuwendenden EpG 1950‑Berechnungs‑Verordnung normiere eine „Standardberechnungsvariante“, wonach der Verdienstentgang jenem Betrag entspreche, um welchen das Zieleinkommen das Ist‑Einkommen übersteige. Beim Zieleinkommen handle es sich um das mit dem Fortschreibungsquotienten multiplizierte Einkommen während der Vorjahresperiode. Die Vorjahresperiode (gegenständlich: Februar 2020) entspreche jenem Kalendermonat des vorangegangenen Kalenderjahres, das dem Kalendermonat entspreche, in der die Erwerbsbehinderung ‑ hier Absonderung ‑ zur Gänze oder zum Teil angedauert habe. Beim Fortschreibungsquotienten handle es sich ‑ grundsätzlich ‑ um das Verhältnis des Einkommens im Referenzzeitraum zum Einkommen des Referenzzeitraumes im vorangegangenen Kalenderjahr. Bei einer Erwerbsbehinderung von bis zu 30 Kalendertagen umfasse der Referenzzeitraum die zwei letzten vollen, der Erwerbsbehinderung vorangegangenen Kalendermonate (§ 4 Abs. 2 Z 1 EpG 1950‑Berechnungs‑Verordnung).

10 Von dieser „Standardberechnungsvariante“ normiere die EpG 1950‑Berechnungs‑Verordnung einige Ausnahmen. Gemäß § 3 Abs. 3 in Verbindung mit § 2 Z 8 EpG 1950‑Berechnungs‑Verordnung (Variante 6) entspreche der Verdienstentgang dem Betrag, um den das Ersatzzieleinkommen das Ist‑Einkommen übersteige, wenn der Verdienstentgang nach Abs. 1 leg. cit. mangels Einkommens während der Vorjahresperiode nicht ermittelt werden könne. Dabei handle es sich beim Ersatzzieleinkommen um das Einkommen während jenes Kalendermonats (hier: Jänner 2021), der dem Kalendermonat in dem die Erwerbsbehinderung begonnen habe, unmittelbar vorangegangen sei.

11 Der mitbeteiligten Partei sei als selbstständiger Ärztin durch ihre behördliche Absonderung ein Vermögensnachteil im Sinne des § 32 Abs. 1 Z 1 EpiG entstanden. § 32 EpiG gehe im Wesentlichen auf die Novelle BGBl. Nr. 702/1974 zurück und habe § 52b TierseuchenG als Vorbild gehabt (Hinweis auf VwGH 21.3.2022, Ra 2021/09/0235). In den Materialien zu § 52b TierseuchenG, BGBl. Nr. 141/1974, sei im Zusammenhang mit der Entschädigung von selbstständigen Erwerbstätigen ausgeführt worden, dass die Entschädigung für selbständig Erwerbstätige dem Grundsatz entsprechend‚ „dass der tatsächliche Einkommensverlust ersetzt werden soll, auf das vergleichbare fortgeschriebene wirtschaftliche Einkommen bezogen werden“ solle.

12 Bereits aufgrund der Anspruchsvoraussetzungen des § 32 Abs. 1 EpiG könne § 3 EpG 1950‑Berechnungs‑Verordnung nicht so ausgelegt werden, dass im Gegenstandsfall auf das Vergleichseinkommen der Vorjahresperiode abgestellt werden müsse. Vielmehr sei der Wortlaut des § 3 Abs. 3 EpG 1950‑Berechnungs‑Verordnung gesetzeskonform dahingehend zu verstehen, dass die Berechnung nach Variante 6 auch dann zulässig sei, wenn aufgrund einer urlaubsbedingten oder krankheitsbedingten Betriebsschließung in der Vorjahresperiode ein Einkommen nicht für deren gesamte Dauer erzielt habe werden können. Überdies widerspräche eine Auslegung von § 3 EpG 1950‑Berechnungs‑Verordnung, wonach im Gegenstandsfall zwingend die Berechnungsvariante 1 gemäß § 3 Abs. 1 in Verbindung mit § 4 Abs. 2 Z 1 leg. cit. heranzuziehen wäre und die mitbeteiligte Partei somit trotz eines offensichtlichen absonderungsbedingt entstandenen Vermögensnachteils keinen Anspruch auf Vergütung hätte, bereits der ursprünglichen Intention des Gesetzgebers, dass einem selbstständig Erwerbstätigen ein „tatsächlicher Einkommensverlust“ ersetzt werden solle.

13 Ferner könne in der gegenständlichen Fallkonstellation die Berechnung des Verdienstentgangs anhand des urlaubsbedingt äußerst niedrigen EBITDA in der Vorjahresperiode und den für die Berechnung des Fortschreibungsquotienten heranzuziehenden vergleichsweise hohen EBITDA der Referenzzeiträume (§ 3 Abs. 1 iVm § 4 Abs. 2 EpG 1950‑Berechnungs‑Verordnung) schon denkunmöglich zu einer angemessenen Berechnung des fortgeschriebenen wirtschaftlichen Einkommens führen (§ 4 Abs. 3 leg. cit.).

14 Auch eine Ermittlung des Verdienstentgangs nach § 3 Abs. 1 in Verbindung mit § 4 Abs. 3 EpG 1950‑Berechnungs‑Verordnung (Berechnungsvariante 4) scheide im gegenständlichen Fall aus. Aufgrund des urlaubsbedingt äußerst niedrigen EBITDA (€ 730,‑‑) in der Vorjahresperiode (Februar 2020) müsste ein angemessener Fortschreibungsquotient eine exorbitante Höhe aufweisen, um bei einer zwölftägigen Absonderung und den grundsätzlich hohen Einnahmen der mitbeteiligten Partei in den übrigen Vorjahresmonaten bzw. in den Monaten des Jahres 2021, auf Basis des niedrigen EBITDA der Vorjahresperiode, einen sachgerechten Verdienstentgang zu ermitteln. Im gegenständlichen Fall sei nicht ersichtlich, anhand welcher Parameter ein solcher angemessener Fortschreibungsquotient zu berechnen wäre.

15 Dass im gegenständlichen Fall eine Berechnung des Verdienstentgangs auch anhand der Berechnungsvariante 6 gemäß § 3 Abs. 3 EpG 1950‑Berechnungs‑Verordnung zulässig sei, lasse sich zusätzlich aus dem für das Gericht nicht bindenden Erlass des BMSGPK, GZ: 2020‑0.406.069, COVID‑19, Kostentragung des Bundes gemäß EpG 1950 ‑ 2. Erlass: Vollziehung der Berechnung des Verdienstentganges gemäß EpG 1950, ableiten. Demnach trage § 3 Abs. 3 EpG 1950‑Berechnungs‑Verordnung (Variante 6) dem Umstand Rechnung, dass neugegründete Unternehmen in der Vorjahresperiode mangels Gründung bzw. Ausübung der Tätigkeit noch kein Einkommen bzw. ein solches nicht für die gesamte Dauer der Vorjahresperiode erzielen hätten können. Diese Unternehmenssituation sei durchaus mit jener der mitbeteiligten Partei vergleichbar: Auch sie könne nur dann ein Einkommen generieren, wenn sie ihre Tätigkeit ausübe bzw. Patienten behandle. Da sie dies aufgrund einer urlaubsbedingten Betriebsschließung nicht tun habe können, habe sie nicht für die gesamte Dauer der Vorjahresperiode ein Einkommen erzielen können.

16 Zusammengefasst sei daher aufgrund einer gesetzeskonformen Auslegung des § 3 EpG 1950‑Berechnungs‑Verordnung die Anwendbarkeit der Berechnungsvariante 6 (§ 3 Abs. 3 leg. cit.) bereits dann gegeben, wenn in der Vorjahresperiode nicht für deren gesamte Dauer ein Einkommen erzielt habe werden können und so die Berechnung anhand § 3 Abs. 1 leg. cit. zu keiner angemessenen Berechnung des fortgeschriebenen wirtschaftlichen Einkommens führen würde. Dass die Berechnungsvariante 6 ausschließlich nur auf neugegründete Unternehmen anzuwenden wäre, ergebe sich weder aus dem Wortlaut des § 3 Abs. 3 EpG 1950‑Berechnungs‑Verordnung noch aus der Intention des Verordnungsgebers. Im Übrigen erscheine die Berechnung des Verdienstentgangs anhand § 3 Abs. 3 leg. cit. im Gegenstandsfall auch als sachgerecht, weil die mitbeteiligte Partei aufgrund ihrer Tätigkeit als Dermatologin kaum saisonale Schwankungen erleiden werde und ‑ wenn eine Absonderung nicht stattgefunden hätte ‑ zumindest in zwei aufeinanderfolgenden Monaten von einer einigermaßen gleichbleibenden Einnahmenhöhe ausgegangen werden könne. Demgegenüber komme eine Berechnung nach Variante 7 (§ 3 Abs. 4 leg. cit.) nicht in Frage, weil ein Ersatzzieleinkommen (Jänner 2021) ermittelt werden könne.

17 Zur Höhe des Vergütungsanspruchs legte das LVwG näher begründend dar, weshalb auch bei der Ermittlung des EBITDA gemäß der Anlage A der EpG 1950‑Berechnungs‑Verordnung nach den Grundsätzen des § 4 Abs. 3 EStG 1988, insbesondere nach dem Zufluss‑Abfluss‑Prinzip vorzugehen sei. Auf Basis der Berechnungsvariante 6 gemäß § 3 Abs. 3 EpG 1950‑Berechnungs‑Verordnung habe die Berechnung des Entschädigungsanspruches einen vorläufigen Verdienstentgang von € 17.592,87 ergeben. Abzüglich der Beträge aus Zuwendungen im Sinne von § 5 Z 2 leg. cit. (aus der Betriebsunterbrechungsversicherung sowie das Krankentaggeld) und unter Hinzurechnung der Steuerberatungskosten gemäß § 3 Abs. 2 leg. cit. resultiere daraus ein Entschädigungsanspruch nach § 32 EpiG in der Höhe von € 13.972,79. Ausgaben, welche nach Anlage A der EpG 1950‑Berechnungs‑Verordnung von der Berechnung auszunehmen wären, lägen keine vor.

18 Die ordentliche Revision sei zulässig, weil Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Berechnung der Höhe der Entschädigung für Verdienstentgang von selbstständig Erwerbstätigen und Unternehmen fehle.

19 Dagegen richtet sich die Amtsrevision wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

20 Die mitbeteiligte Partei erstattete eine Revisionsbeantwortung, in der sie die kostenpflichtige Zurück‑ bzw. Abweisung der Revision beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

21 Zusätzlich zu der vom LVwG genannten Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung macht die Amtsrevision zur Begründung ihrer Zulässigkeit geltend, es existiere keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, wie und unter welchen Voraussetzungen die einzelnen, in der EpG 1950‑Berechnungs‑Verordnung vorgesehenen Berechnungsvarianten anzuwenden bzw. wie diese Varianten voneinander abzugrenzen seien.

22 In diesem Sinne erweist sich die Revision fallbezogen im Hinblick auf die Frage der Anwendbarkeit des § 3 Abs. 3 EpG 1950‑Berechnungs‑Verordnung bei einem Einkommen in der Vorjahresperiode gemäß § 2 Z 5 EpG 1950‑Berechnungs‑Verordnung, das jedoch nicht während der gesamten Dauer der Vorjahresperiode erwirtschaftet wurde, bzw. zur Frage der Auslegung der Wortfolge „mangels Einkommens“ in § 3 Abs. 3 leg. cit. als zulässig. Sie ist jedoch nicht begründet.

23 In der Revisionsbegründung wird zusammengefasst vorgebracht, das LVwG habe die Bestimmungen des § 32 Abs. 1 EpiG und des § 3 Abs. 3 EpG 1950‑Berechnungs‑Verordnung dahingehend falsch ausgelegt, dass die Berechnung nach dieser Bestimmung („Variante 6“) selbst dann zulässig sei, wenn aufgrund einer urlaubsbedingten (krankheitsbedingten) Betriebsschließung in der Vorjahresperiode zwar ein Einkommen, aber nicht für deren gesamte Dauer erzielt habe werden können. Die mitbeteiligte Partei betreibe kein neugegründetes Unternehmen und verfüge über ein „Vergleichseinkommen“ (Verweis auf Umsatzerlöse in der Höhe von € 13.317,00 trotz zweiwöchiger urlaubsbedingter Betriebsschließung) aus der Vorjahresperiode Februar 2020, in der sie ähnliche Umsätze wie im Februar 2021 bei zwölftägiger Absonderung (€ 13.702,00) generieren habe können. Im Fall eines negativen Berechnungsergebnisses könne keine Vergütung gewährt werden; es sei unzulässig, in diesem Fall auf eine vermeintlich „bessere“ Berechnungsvariante zu wechseln.

24 § 32 des Epidemiegesetzes 1950 (EpiG), BGBl. Nr. 186/1950, in der hier maßgeblichen Fassung BGBl. I Nr. 89/2022, lautet auszugsweise:

Vergütung für den Verdienstentgang.

§ 32. (1) Natürlichen und juristischen Personen sowie Personengesellschaften des Handelsrechtes ist wegen der durch die Behinderung ihres Erwerbes entstandenen Vermögensnachteile dann eine Vergütung zu leisten, wenn und soweit

1. sie gemäß §§ 7 oder 17 abgesondert worden sind, oder

...

und dadurch ein Verdienstentgang eingetreten ist.

...

(2) Die Vergütung ist für jeden Tag zu leisten, der von der in Abs. 1 genannten behördlichen Verfügung umfasst ist.

...

(4) Für selbständig erwerbstätige Personen und Unternehmungen ist die Entschädigung nach dem vergleichbaren fortgeschriebenen wirtschaftlichen Einkommen zu bemessen.

(5) Auf den gebührenden Vergütungsbetrag sind Beträge anzurechnen, die dem Vergütungsberechtigten wegen einer solchen Erwerbsbehinderung nach sonstigen Vorschriften oder Vereinbarungen sowie aus einer anderweitigen während der Zeit der Erwerbsbehinderung aufgenommenen Erwerbstätigkeit zukommen. Dies gilt nicht im Falle der Fortzahlung des Entgelts bzw. der Bezüge gemäß Abs. 3a.

(6) Der für das Gesundheitswesen zuständige Bundesminister kann, wenn und soweit dies zur Gewährleistung einer einheitlichen Verwaltungsführung erforderlich ist, durch Verordnung nähere Vorgaben zur Berechnung der Höhe der Entschädigung oder Vergütung des Verdienstentgangs erlassen.

...“

25 Die im vorliegenden Fall maßgeblichen Bestimmungen der auf § 32 Abs. 6 EpiG gestützten EpG 1950‑Berechnungs‑Verordnung des BMSGPK in der hier maßgeblichen Stammfassung BGBl. II Nr. 329/2020 (vgl. dazu die Übergangsbestimmung des § 7 Abs. 3 in der Fassung BGBl. II Nr. 151/2022) lauten auszugsweise:

„Auf Grund des § 32 Abs. 6 des Epidemiegesetzes 1950, BGBl. Nr. 186/1950,

zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 62/2020, wird verordnet:

...

Allgemeines

§ 1. Diese Verordnung regelt die Berechnung des Verdienstentgangs auf Grundlage des vergleichbaren fortgeschriebenen wirtschaftlichen Einkommens selbständig erwerbstätiger Personen und Unternehmen nach § 32 Abs. 4 des Epidemiegesetzes 1950, BGBl. Nr. 186/1950, in der jeweils geltenden Fassung.

Begriffsbestimmungen

§ 2. Für die Zwecke dieser Verordnung gelten folgende Begriffsbestimmungen:

1. Einkommen: das nach Anlage A bestimmte wirtschaftliche Einkommen aus dem durch eine Erwerbsbehinderung betroffenen Unternehmen oder ‑ wenn nur ein Teil des Unternehmens von der Erwerbsbehinderung betroffen ist ‑ Unternehmensteil;

2. Erwerbsbehinderung: jede Behinderung des Erwerbs durch eine behördliche Maßnahme gemäß § 32 Abs. 1 des Epidemiegesetzes 1950;

3. Ist‑Einkommen: das Einkommen während jener Kalendermonate, in denen die Erwerbsbehinderung zur Gänze oder zum Teil angedauert hat;

4. Zieleinkommen: das mit dem Fortschreibungsquotienten multiplizierte Einkommen während der Vorjahresperiode;

5. Vorjahresperiode: jene Kalendermonate des vorangegangenen Kalenderjahres, die den Kalendermonaten entsprechen, in denen die Erwerbsbehinderung zur Gänze oder zum Teil angedauert hat;

6. Fortschreibungsquotient: der nach § 4 Abs. 1 3 oder 4 bestimmte Faktor;

7. Referenzzeitraum: der nach § 4 Abs. 2 bestimmte Zeitraum;

8. Ersatzzieleinkommen: das Einkommen während jenes Kalendermonats, der dem Kalendermonat, in dem die Erwerbsbehinderung begonnen hat, unmittelbar vorangegangenen ist.

Berechnung

§ 3. (1) Der Verdienstentgang entspricht dem Betrag, um den das Zieleinkommen das Ist-Einkommen übersteigt.

(2) Bei der Berechnung des Ist‑Einkommens kann der Antragsteller die im Zusammenhang mit der Antragstellung angefallenen Steuerberater‑, Wirtschaftsprüfer‑ oder Bilanzbuchhalterkosten bis zum Höchstbetrag von 1000 Euro in Abzug bringen. Dies gilt nicht, wenn ohne diesen Abzug kein positiver Verdienstentgang vorliegt.

(3) Kann der Verdienstentgang nach Abs. 1 mangels Einkommens während der Vorjahresperiode nicht ermittelt werden, so entspricht der Verdienstentgang dem Betrag, um den das Ersatzzieleinkommen das Ist‑Einkommen übersteigt.

(4) Kann der Verdienstentgang nach Abs. 3 mangels ermittelbaren Ersatzzieleinkommens nicht bestimmt werden, so entspricht der Verdienstentgang dem Betrag, um den das durch geeignete Unterlagen glaubhaft gemachte voraussichtliche wirtschaftliche Einkommen während jener vollen Kalendermonate, in denen die Erwerbsbehinderung zur Gänze oder zum Teil angedauert hat, das Ist‑Einkommen während dieser Kalendermonate übersteigt.

(5) Bei der Berechnung des Verdienstentgangs anhand der vorstehenden Absätze sind Unterschiede, die sich aus einer abweichenden Tageszahl verglichener Kalendermonate ergeben, herauszurechnen.

§ 4. (1) Der Fortschreibungsquotient dient der angemessenen Berücksichtigung der Entwicklung des wirtschaftlichen Ergebnisses im Vergleich zur Vorjahresperiode. Hierbei handelt es sich um das Verhältnis des Einkommens im Referenzzeitraum zum Einkommen des Referenzzeitraumes im vorangegangenen Kalenderjahr. Bei der Ermittlung des Fortschreibungsquotienten sind Unterschiede, die sich aus einer abweichenden Tageszahl verglichener Kalendermonate ergeben, herauszurechnen.

(2) Der Referenzzeitraum umfasst

1. bei einer Erwerbsbehinderung von bis zu 30 Kalendertagen die zwei letzten vollen, der Erwerbsbehinderung vorangegangenen Kalendermonate;

...

(3) Abweichend von Abs. 1 und 2 ist der Fortschreibungsquotient angemessen festzusetzen, wenn dieser nach Abs. 1 nicht ermittelt werden kann oder der Antragsteller glaubhaft macht, dass die Ermittlung anhand Abs. 1 aufgrund außergewöhnlicher, den Antragsteller individuell betreffender Umstände nicht zu einer angemessenen Berechnung des fortgeschriebenen wirtschaftlichen Einkommens führen würde. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn wesentliche Investitionen in das durch die Erwerbsbehinderung betroffene Unternehmen oder in den von der Erwerbsbehinderung betroffenen Unternehmensteil getätigt oder das betroffene Unternehmen oder der betroffene Unternehmensteil wesentlich erweitert oder verändert wurde und dieser Umstand im Referenzzeitraum plangemäß noch nicht vollständig wirksam wurde.

(4) Abweichend von Abs. 1 bis 3 kann der Fortschreibungsquotient bei einem errechneten Zieleinkommen von höchstens 10 000 Euro auf Antrag anhand der durchschnittlichen Veränderung des von der Bundesanstalt Statistik Österreich für die Dauer der Erwerbsbehinderung verlautbarten Verbraucherpreisindex gegenüber der verlautbarten Indexzahl für die Vorjahresperiode festgesetzt werden.

§ 5. (1) Bei der Bestimmung des Ist‑Einkommens sind sämtliche Zuwendungen einzubeziehen, die

sich aus einer anderweitigen während der Zeit der Erwerbsbehinderung aufgenommenen Erwerbstätigkeit ergeben haben oder

aus Anlass der Erwerbsbehinderung oder des zugrundeliegenden Sachverhalts für den Zeitraum der Erwerbsbehinderung oder einen Teil davon beantragt oder gewährt wurden. Wurden solche Zuwendungen für einen längeren Zeitraum als jenen der Erwerbsbehinderung beantragt oder gewährt, sind diese anteilig einzubeziehen.

...

Anlage A

Das wirtschaftliche Einkommen ist das Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (EBITDA).

Hierbei handelt es sich um das Ergebnis der operativen Tätigkeit einer selbständig erwerbstätigen Person oder Unternehmung. Abschreibungen auf Sachanlagen und immaterielles Vermögen, das Finanzergebnis sowie Erträge und Aufwendungen aus Ertragsteuern sind nicht Bestandteil dieser Ergebnisgröße.

...“

26 Im Revisionsfall ist unstrittig, dass die mitbeteiligte Partei, die als selbständige Ärztin eine Wahlarztpraxis für Dermatologie betreibt und dort als einzige Ärztin tätig ist, im Zeitraum von 6. Februar 2021 bis 17. Februar 2021 gemäß § 32 Abs. 1 Z 1 EpiG behördlich abgesondert war.

27 Ebenso ist unstrittig, dass die behördliche Absonderung kausal für den geltend gemachten Verdienstentgang war (vgl. zum Erfordernis der Kausalität der behördlichen Maßnahme für den eingetretenen Verdienstentgang nach § 32 EpiG sowie zu diesem Erfordernis auch bei selbständig Erwerbstätigen VwGH 8.3.2023, Ra 2022/03/0239, mwN).

28 Die Arztpraxis der mitbeteiligten Partei war wegen deren Urlaubs in der Vorjahresperiode gemäß § 2 Z 5 EpG 1950‑Berechnungs‑Verordnung (hier: Februar 2020) zwei Wochen geschlossen. Die mitbeteiligte Partei erzielte wegen dieses Umstandes im Februar 2020 ein EBITDA von € 703,‑‑, wohingegen das von ihr erwirtschaftete Einkommen in den Monaten Jänner 2020 und Dezember 2019 zusammen bei € 31.312,‑‑ sowie in den Monaten Jänner 2021 und Dezember 2020 zusammen bei € 42.329,‑‑ lag.

29 Strittig ist nun, ob § 3 Abs. 3 EpG 1950‑Berechnungs‑Verordnung in einem Fall wie dem vorliegenden, in dem ein Einkommen in der nach § 2 Z 5 leg. cit. bestimmten Vorjahresperiode zwar an sich, jedoch nicht für deren gesamte Dauer vorliegt, zur Anwendung kommen kann und damit der Verdienstentgang ‑ wie vom LVwG angenommen ‑ mithilfe des Ersatzzieleinkommens gemäß § 2 Z 8 leg. cit. zu ermitteln ist.

30 Gemäß § 32 Abs. 4 EpiG ist die Entschädigung für selbständig erwerbstätige Personen und Unternehmungen nach dem „vergleichbaren fortgeschriebenen wirtschaftlichen Einkommen“ zu bemessen.

31 Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits dargelegt, dass § 32 EpiG im Wesentlichen auf die Novelle BGBl. Nr. 702/1974 zurückgeht, die ‑ so die Materialien (RV 1205 BlgNR 13. GP  3) ‑ § 52b TierseuchenG als Vorbild hatte (vgl. VwGH 21.3.2022, Ra 2021/09/0235). Die Materialien zu § 52b TierseuchenG, BGBl. Nr. 141/1974 (RV 977 BlgNR 13. GP  13 f), führen zur Entschädigung von selbstständig Erwerbstätigen Folgendes aus:

„...

Die Entschädigung für selbständig Erwerbstätige soll dem Grundsatz entsprechend, dass der tatsächliche Einkommensverlust ersetzt werden soll, auf das vergleichbare fortgeschriebene wirtschaftliche Einkommen bezogen werden. Das der Einkommensteuer unterliegende Einkommen vermindert sich nämlich durch die Inanspruchnahme der verschiedenen steuerrechtlichen Bestimmungen (vorzeitige Abschreibung, Investitionsrücklage, Rücklage für den nicht entnommenen Gewinn, Investitionsfreibetrag, Sonderausgaben), sodass es als Bemessungsgrundlage der Entschädigung problematisch ist.

...“

32 Die EpG 1950‑Berechnungs‑Verordnung legt hingegen nur Grundsätze der Berechnung fest (vgl. VwGH 16.11.2021, Ro 2021/03/0018). Dabei zeigt sich Folgendes: Der Berechnung des Verdienstentgangs nach der EpG 1950‑Berechnungs‑Verordnung (und damit der Vergütung bzw. Entschädigung nach § 32 Abs. 4 EpiG) ist das „Einkommen“ während jener Kalendermonate, in denen die Erwerbsbehinderung zur Gänze oder zum Teil angedauert hat („Ist‑Einkommen“), aber auch jenes während der Vorjahresperiode, sowie in der Regel ‑ zur Ermittlung des Fortschreibungsquotienten ‑ jenes in mehreren Referenzzeiträumen zu Grunde zu legen (vgl. VwGH 27.6.2022, Ra 2021/03/0301).

33 Der Verdienstentgang nach der EpG 1950‑Berechnungs‑Verordnung wird durch die Subtraktion des Ist‑Einkommens vom Zieleinkommen ermittelt, wobei das Ist‑Einkommen im nach Anlage A näher bestimmten EBIDTA (Ergebnis der operativen Tätigkeit) im betreffenden Monat besteht (vgl. erneut VwGH 27.6.2022, Ra 2021/03/0301).

34 Dem § 3 der EpG 1950‑Berechnungs‑Verordnung liegt dabei eine Regel‑Ausnahme‑Systematik zugrunde, nach welcher die Berechnung des Verdienstentgangs vorzunehmen ist: Grundsätzlich wird für die Berechnung des Verdienstentgangs das Einkommen jener Kalendermonate des Vorjahres als Grundlage herangezogen, welche den Kalendermonaten entsprechen, in denen die Erwerbsbehinderung zur Gänze oder zum Teil angedauert hat (sh. § 2 Z 5 leg. cit.). Das so ermittelte Einkommen ist sodann mit dem in § 4 leg. cit. beschriebenen Fortschreibungsquotienten zu multiplizieren, um den Wert des Zieleinkommens (§ 2 Z 4 leg. cit.) zu ermitteln. Dem wird das Ist‑Einkommen (§ 2 Z 3 leg. cit.), daher das reale Einkommen während jener Kalendermonate gegenübergestellt, in denen die Erwerbsbehinderung zur Gänze oder zum Teil angedauert hat. Der Differenzbetrag ist als Verdienstentgang zu ersetzen (vgl. § 3 Abs. 1 leg. cit.).

35 Dass die EpG 1950‑Berechnungs‑Verordnung dabei dem genannten Grundgedanken des EpiG (Ersatz des tatsächlichen Einkommensverlustes) Rechnung trägt, zeigt sich an mehreren Stellen; so etwa bei der Festlegung des Fortschreibungsquotienten, welcher die wirtschaftliche Entwicklung berücksichtigen soll (vgl. § 4 Abs. 1 leg. cit.), oder bei der Definition der Vorjahresperiode als jenen Zeitraum, welcher dem Zeitraum der Erwerbsbehinderung entspricht, wodurch saisonale Schwankungen mitberücksichtigt werden können.

36 Wenn der Verdienstentgang „mangels Einkommens während der Vorjahresperiode nicht ermittelt werden“ kann, ist gemäß § 3 Abs. 3 leg. cit. auf das Ersatzzieleinkommen ‑ somit gemäß § 2 Z 8 leg. cit. auf das Einkommen in dem, dem Beginn der Erwerbsbehinderung unmittelbar vorangegangenen Kalendermonat ‑ abzustellen. Dies trifft nun jedenfalls auf Fälle zu, in denen eine selbständige Tätigkeit in der nach § 2 Z 5 definierten Vorjahresperiode noch gar nicht vorlag.

37 § 3 Abs. 4 leg. cit. enthält schließlich eine Regelung für jene Fälle, in denen der Verdienstentgang nach Abs. 3 mangels ermittelbaren Ersatzzieleinkommens nicht bestimmt werden kann.

38 Das beschriebene Berechnungsmodell nach der EpG 1950‑Berechnungs‑Verordnung zeigt deutlich, dass die von der Erwerbsbehinderung betroffene, selbständig erwerbstätige Person oder das Unternehmen finanziell so gestellt werden soll, als habe die Erwerbsbehinderung nicht stattgefunden. Die gegenteilige Ansicht hätte zur Folge, dass das Risiko der selbständigen Tätigkeit für Fälle wie dem vorliegenden voll zum Tragen käme; es soll durch § 32 EpiG jedoch der Verdienstentgang aufgrund einer staatlich gesetzten Maßnahme ‑ und zwar für jeden Tag einer behördlichen Verfügung (vgl. § 32 Abs. 2 EpiG) ‑ vergütet werden, welche bewirkte, dass die selbstständige Tätigkeit verhindert oder behindert wurde.

39 Die Zugrundelegung des infolge des Urlaubs der mitbeteiligten Partei in der Vorjahresperiode sehr niedrigen Einkommens (EBITDA) würde gegenständlich den beschriebenen Intentionen des Gesetzgebers bzw. des Verordnungsgebers nicht entsprechen, wobei es ‑ entgegen dem Revisionsvorbringen ‑ nicht darum geht, auf eine vermeintlich „bessere“ Berechnungsvariante zu wechseln. Im Übrigen entsprechen die von der Revisionswerberin erwähnten „Umsatzerlöse“ der mitbeteiligten Partei aus den Zeiträumen Februar 2020 (beinhaltend eine urlaubsbedingte Betriebsschließung) und Februar 2021 (beinhaltend den behördlichen Absonderungszeitraum) nicht den Begriffen des Ist‑Einkommens bzw. des Zieleinkommens im Sinne der EpG 1950‑Berechnungs‑Verordnung (vgl. die Definition des EBITDA laut Anlage A leg. cit.).

40 Die Herbeiführung einer ‑ den Intentionen des Gesetzgebers bzw. des Verordnungsgebers entsprechenden sachgerechten ‑ Lösung über einen gemäß § 4 Abs. 3 leg. cit. „angemessen“ festzusetzenden Fortschreibungsquotienten kommt bereits deswegen nicht in Betracht, weil dieser explizit durch das Verhältnis der Referenzzeiträume zeitlich auf eine Entwicklung abstellt, welche unabhängig von der definierten Vorjahresperiode ist. Zutreffend verwies das LVwG in diesem Zusammenhang auch darauf, dass nicht ersichtlich sei, anhand welcher Parameter ein angemessener Fortschreibungsquotient, der gegenständlich wohl eine exorbitante Höhe aufweisen müsste, zur sachgerechten Berechnung des fortgeschriebenen wirtschaftlichen Einkommens zu ermitteln wäre.

41 Ergänzend ist festzuhalten, dass auch eine Berechnung des Verdienstentgangs nach § 3 Abs. 4 leg. cit. nicht in Frage kommt, weil ein Ersatzzieleinkommen (Jänner 2021) ermittelt werden kann.

42 Vor diesem Hintergrund teilt der Verwaltungsgerichtshof die vom LVwG vertretene Ansicht, dass der vorliegende Fall mit jenen Fällen vergleichbar ist, in denen ‑ z.B. neugegründete ‑ Unternehmen in der Vorjahresperiode mangels Ausübung ihrer Tätigkeit noch kein Einkommen bzw. ein solches nicht für die gesamte Dauer der Vorjahresperiode erzielen konnten.

43 Die Berechnungsvariante gemäß § 3 Abs. 3 EpG 1950‑Berechnungs‑Verordnung ist somit aufgrund der dargelegten Erwägungen auch in jenen Fällen heranzuziehen, in denen in der Vorjahresperiode nicht für deren gesamte Dauer ein Einkommen erzielt werden konnte und deshalb nach § 3 Abs. 1 leg. cit. keine angemessene Berechnung des „vergleichbaren fortgeschriebenen wirtschaftlichen Einkommens“ (vgl. § 32 Abs. 4 EpiG und § 1 EpG 1950‑Berechnungs‑Verordnung) möglich ist. Ein solcher Fall liegt insbesondere dann vor, wenn ‑ wie hier ‑ ein Einzelunternehmen in der Vorjahresperiode urlaubsbedingt zeitweise geschlossen war.

44 Die von der Revisionswerberin gegen das angefochtene Erkenntnis, das ‑ entgegen dem in der Amtsrevision erstatteten Vorbringen ‑ auch ausreichend begründet ist, erhobenen Einwände treffen somit nicht zu.

45 Die Revision war somit nach § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

46 Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH‑Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 6. Juli 2023

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