VwGH Ro 2015/04/0021

VwGHRo 2015/04/002129.6.2017

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Rigler sowie Hofrat Dr. Kleiser und Hofrätin Mag. Hainz-Sator als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Mitter, über die Revision 1. der Sozialversicherungsanstalt der Bauern in Wien, 2. der Versicherungsanstalt für Eisenbahnen und Bergbau in Wien, 3. der Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter in Wien, 4. der Burgenländischen Gebietskrankenkasse in Eisenstadt, und 5. der Krankenfürsorgeanstalt der Bediensteten der Stadt Wien in Wien, alle vertreten durch CMS Reich-Rohrwig Hainz Rechtsanwälte GmbH, in 1010 Wien, Gauermanngasse 2, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 18. Mai 2015, Zl. W114 2101509- 1/27E, betreffend vergaberechtliches Nachprüfungsverfahren (mitbeteiligte Partei: N GmbH in W, vertreten durch die Wolf Theiss Rechtsanwälte GmbH & Co KG in 1010 Wien, Schubertring 6), den Beschluss gefasst:

Normen

AVG §38;
AVG §58 Abs2;
AVG §59 Abs1;
AVG §60;
B-VG Art133 Abs6 Z1;
Verwaltungsgerichtsbarkeits-Nov 2012;
VwGG §34 Abs1;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die Revisionswerberinnen haben der mitbeteiligten Partei zu ungeteilten Handen Aufwendungen in Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 1. Die Revisionswerberinnen (im Folgenden: Auftraggeberinnen) führten ein Vergabeverfahren betreffend "Rahmenvereinbarungen über die Lieferung von Sonden- und Trinknahrung inklusive Applikationsgeräte und Zubehör" als offenes Verfahren im Oberschwellenbereich. Die Bekanntmachung der Ausschreibung erfolgte am 22. August 2012 im Supplement S des Amtsblattes der EU.

2 Die mitbeteiligte Partei stellte am 24. September 2012 an das - damals noch zuständige - Bundesvergabeamt den Antrag, die diesem Verfahren zugrunde liegende Ausschreibung für nichtig zu erklären, und begehrte den Ersatz der Pauschalgebühren.

3 Mit Bescheid vom 5. November 2012 gab das Bundevergabeamt den Anträgen der mitbeteiligten Partei, die Ausschreibung für nichtig zu erklären (Spruchpunkt 1) sowie auf Ersatz der Pauschalgebühren in Höhe von EUR 1.800,00 (Spruchpunkt 2), jeweils statt.

4 Dieser Bescheid wurde mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 21. Jänner 2015, Zl. 2012/04/0154, aufgrund der von den Auftraggeberinnen erhobenen Beschwerde aufgehoben.

5 2. Mit dem hier angefochtenen Erkenntnis sprach das Bundesverwaltungsgericht im fortgesetzten Verfahren aus, dass den Antragsbegehren der mitbeteiligten Partei, die Ausschreibung "Rahmenvereinbarungen über die Lieferung von Sonden- und Trinknahrung inklusive Applikationsgeräte und Zubehör" sowie - in eventu - jeweils bestimmt bezeichnete Bestimmungen der Ausschreibungsunterlage für nichtig zu erklären, nicht stattgegeben werde (Spruchpunkt A 1).

6 Weiters wurden die Anträge auf Rückerstattung der entrichteten Pauschalgebühren für den Nachprüfungsantrag bzw. für den Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung jeweils abgewiesen (Spruchpunkt A. 2).

7 Der Antrag der Auftraggeberinnen, die mitbeteiligte Partei dazu zu verhalten, die von den Auftraggeberinnen aufgrund des Bescheides im ersten Rechtsgang zwischenzeitig ersetzte Pauschalgebühr in Höhe von EUR 1.800,00 zu Handen des Rechtsvertreters der Auftraggeberinnen rückzuerstatten, wurde zurückgewiesen (Spruchpunkt A. 3).

8 Die ordentliche Revision erklärte das Bundesverwaltungsgericht für zulässig (Spruchpunkt B).

9 2.1. In seiner Begründung traf das Bundesverwaltungsgericht unter anderem die Feststellungen, am 17. April 2014 hätten die Auftraggeberinnen unter Bezugnahme auf die ursprünglich veröffentlichte Ausschreibungsbekanntmachung im Amtsblatt veröffentlicht, dass das Vergabeverfahren eingestellt worden sei. Gleichzeitig hätten die Auftraggeberinnen im Amtsblatt der EU unter der Bezeichnung "Rahmenvereinbarungen über die Lieferung von Sonden- und Trinknahrung inklusive Applikationsgeräte und Zubehör" ein neues Beschaffungsvorhaben veröffentlicht. Zum Zeitpunkt der Aufhebung des Bescheides im ersten Rechtsgang hätten die Auftraggeberinnen entsprechend Spruchpunkt 2. des bekämpften Bescheides des Bundesvergabeamtes die von der mitbeteiligten Partei entrichteten Pauschalgebühren in Höhe von EUR 1.800,00 bereits ersetzt gehabt.

10 In rechtlicher Hinsicht führt das Bundesverwaltungsgericht aus, das Einstellen des Vergabeverfahren sei für alle an dem Verfahren interessierten Bewerber öffentlichkeitswirksam und klar nach außen in Erscheinung tretend bekannt gemacht worden. Die am selben Tag erfolgte Bekanntmachung betreffend denselben Leistungsgegenstand könne nur als "Neustart" des Beschaffungsvorganges angesehen werden. Da das Vergabeverfahren von den Auftraggeberinnen eingestellt worden sei, könne der Abspruch über eine allfällige Rechtswidrigkeit der Ausschreibung für den Ausgang des beendeten Vergabeverfahrens nicht von wesentlichem Einfluss sein, weshalb der Antrag im Sinne des § 325 Abs. 1 Z 2 BVergG 2006 abzuweisen sei. Hinsichtlich des Antrages der mitbeteiligte Partei auf Ersatz der Pauschalgebühen führte das Bundesverwaltungsgericht aus, der mitbeteiligten Partei stehe wegen ihres teilweisen Obsiegens - die Auftraggeberinnen hätten in dem Vergabeverfahren aufgrund des Nachprüfungsantrages der mitbeteiligten Partei die Ausschreibung teilweise berichtigt - zwar der Ersatz von EUR 900,00 an Pauschalgebühren zu. Die Auftraggeberinnen hätten aber diesen Betrag bereits aufgrund des Bescheides im ersten Rechtsgang ersetzt, sodass das Ersatzbegehren nunmehr abzuweisen sei.

11 Das Bundesverwaltungsgericht sei entgegen der Ansicht der Revisionswerberinnen nicht zuständig, die mitbeteiligte Partei zur Rückerstattung zu Unrecht erstatteter Gebühren zu verpflichten.

§ 312 BVergG 2006 stelle hierfür keine taugliche Gesetzesgrundlage dar, weshalb der darauf bezogene Antrag der Auftraggeberinnen zurückzuweisen sei.

12 Die Zulässigkeit der Revision ergebe sich daraus, dass keine Rechtsprechung zu der Frage der Wesentlichkeit allfälliger Rechtswidrigkeiten einer Ausschreibung für den Ausgang eines Vergabeverfahrens für den Fall, dass dieses zwischenzeitig eingestellt worden sei, vorliege. Zudem sei die Frage zu klären, ob ein und derselbe Leistungsgegenstand gleichzeitig nebeneinander ausgeschrieben werden könne.

13 3. Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die Revision der Auftraggeberinnen mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts und/oder Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

14 Die mitbeteiligte Partei beantragte in ihrer Revisionsbeantwortung, die Revision zurück - bzw. abzuweisen.

15 4. Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

16 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

17 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden.

18 4.1. Der Verwaltungsgerichtshof hat zur Rechtslage vor der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012, BGBl. I Nr. 51, in ständiger Rechtsprechung judiziert, dass die Erhebung einer Verwaltungsgerichtshofbeschwerde nur dann zulässig ist, wenn die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtsverletzung zumindest möglich ist (vgl. etwa die hg. Beschlüsse vom 30. September 2002, Zl. 2000/10/0029, und vom 26. April 2013, Zl. 2012/07/0085, beide mwH). Eine Beschwerde gegen einen Bescheid, mit dem dem Berufungsbegehren des Beschwerdeführers vollinhaltlich Rechnung getragen wurde, ist mangels Verletzung eines subjektivöffentlichen Rechtes (wegen mangelnder Beschwerdeberechtigung) zurückzuweisen (vgl. den hg. Beschluss vom 18. September 2002, Zl. 98/07/0160, mwN). Danach ist auch ohne ausdrückliche Erwähnung durch den Gesetzgeber das Rechtsschutzbedürfnis Voraussetzung für das Behandeln des Rechtsmittels durch den Verwaltungsgerichtshof. Dieses Rechtsschutzinteresse ist immer dann zu verneinen, wenn es (auf Grund der geänderten Umstände) für die Rechtsstellung des Revisionswerbers keinen Unterschied mehr macht, ob der angefochtene Bescheid aufrecht bleibt oder aufgehoben wird bzw. wenn die Erreichung des Verfahrenszieles für den Beschwerdeführer keinen objektiven Nutzen hat, die in der Beschwerde aufgeworfenen Rechtsfragen insoweit nur (mehr) theoretische Bedeutung besitzen (vgl. den hg. Beschluss vom 27. Oktober 2014, Zl. 2012/04/0143, mwN).

19 Diese Rechtsprechung kann auf die infolge der Novelle BGBl. I Nr. 51/2012 geänderte Rechtslage übertragen werden, zumal eine auf Art. 133 Abs. 6 Z 1 B-VG gestützte Berechtigung zur Revisionserhebung die Möglichkeit der Rechtsverletzung voraussetzt (vgl. den hg. Beschluss vom 23. September 2015, Ra 2015/02/0176, mwN).

20 Eine Revision ist nach § 34 Abs. 1 VwGG wegen fehlender Revisionsberechtigung somit immer dann zurückzuweisen, wenn der Verwaltungsgerichtshof zur Erkenntnis gelangt, dass der Revisionswerber durch die angefochtene Entscheidung unabhängig von der Frage ihrer Gesetzmäßigkeit in seinem Recht nicht verletzt sein kann. Der Verwaltungsgerichtshof ist somit zu einer rein abstrakten Prüfung der Rechtmäßigkeit einer verwaltungsgerichtlichen Entscheidung nicht berufen (vgl. etwa den hg. Beschluss vom 11. Mai 2015, Ra 2015/02/0077).

21 4.2. Ein solcher Fall liegt hier vor: Der Verwaltungsgerichtshof erkennt im Zusammenhang mit den angefochtenen Spruchpunkten A 1. und A 2. des angefochtenen Erkenntnisses, mit welchen die Anträge auf Nichtigerklärung der Ausschreibung bzw. auf Ersatz der Pauschalgebühren der mitbeteiligten Partei abgewiesen wurden, schon deshalb kein Rechtsschutzinteresse der Auftraggeberinnen im oben dargestellten Sinn, weil diese in der vorliegenden Rechtssache durch die rechtskräftige Abweisung der gegen sie gerichteten Anträge in keiner Weise belastet werden.

22 Das von der Revision vorgebrachte Vorliegen eines Rechtsschutzinteresses wegen der aus der Begründung der Abweisung angeblich ableitbaren Bejahung der Beendigung des Vergabeverfahrens bzw. des Zurechtbestehens des teilweisen Ersatzanspruches der mitbeteiligten Partei betreffend die Pauschalgebühren ändert an dieser Beurteilung nichts: "Sache" einer rechtskräftigen Entscheidung ist der im angefochtenen Erkenntnis enthaltene Ausspruch über die verwaltungsrechtliche Angelegenheit, die durch die Entscheidung ihre Erledigung gefunden hat. Dabei spielt die Begründung lediglich insoweit eine Rolle, als sie zur Auslegung des Spruches heranzuziehen ist. Die getroffenen Tatsachenfeststellungen und deren rechtliche Zuordnung sind für sich allein ebenso wenig entscheidend, wie die in der Begründung beantworteten Vorfragen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 19. März 1987, 86/08/0239). Über die vorliegende Rechtssache hinaus entfaltet die Begründung der belangten Behörde keine Rechtswirkung, sodass die Revisionswerberinnen dadurch nicht belastet sein können.

23 Hinsichtlich des Spruchpunktes A. 3 ergibt sich weder aus der Begründung der Revisionszulässigkeit im angefochtenen Erkenntnis noch aus dem Revisionsvorbringen, dass insoweit eine grundsätzliche Rechtsfrage im Sinn von Art. 133 Abs. 4 B-VG zu lösen sei.

24 Die vorliegende Revision war daher mangels Vorliegens eines die Zulässigkeit begründenden Rechtsschutzinteresses gemäß § 34 Abs. 1 und Abs. 3 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. Von der Durchführung der von der Revision beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 1 VwGG abgesehen werden.

25 Die Kostenentscheidung gründet auf den §§ 47ff VwGG in Verbindung mit der Verwaltungsgerichtshof-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 29. Juni 2017

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