European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2025:RA2024010410.L00
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde dem Revisionswerber in der Sache gemäß § 20 Abs. 1 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 (StbG) die Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft für den Fall zugesichert, dass er binnen zwei Jahren das Ausscheiden aus dem Staatsverband von Aserbaidschan nachweise.
2 Begründend führte das Verwaltungsgericht zur ‑ vorliegend relevanten ‑ Frage der aserbaidschanischen Staatsangehörigkeit des Revisionswerbers aus, die Mutter des Revisionswerbers sei 1964 in der ehemaligen SSR Aserbaidschan als Tochter einer Armenierin und eines Aserbaidschaners geboren; sie habe bis 1989 in Aserbaidschan gelebt, bevor sie nach Armenien gekommen sei. Der Revisionswerber habe nie in Aserbaidschan gelebt und sei dort auch nie „registriert“ worden. Mit (rechtskräftig gewordenem) Bescheid des Bundesasylamtes vom 27. November 2006 sei die aserbaidschanische Staatsangehörigkeit des Revisionswerbers festgestellt sowie dessen Antrag auf internationalen Schutz abgewiesen und seine Ausweisung nach Aserbaidschan verfügt worden. Auch im Verfahren zur Erlangung eines Aufenthaltstitels nach dem NAG sei der Revisionswerber als aserbaidschanischer Staatsangehöriger geführt worden.
3 Gemäß Art. 52 der aserbaidschanischen Verfassung sei Staatsangehöriger der Republik Aserbaidschan, wer auf deren Territorium geboren sei oder von Staatsangehörigen der Republik Aserbaidschan abstamme. Staatsangehöriger der Republik Aserbaidschan sei danach auch, wer (nur) von einem Elternteil abstamme, der Staatsangehöriger der Republik Aserbaidschan sei. Art. 53 leg. cit. sehe zudem vor, dass einem Staatsangehörigen der Republik Aserbaidschan keinesfalls die Staatsangehörigkeit der Republik Aserbaidschan entzogen werden dürfe. Aus den Art. 147 bis 149 leg. cit. ergebe sich, dass die Verfassung „unmittelbare Rechtswirkungskraft“ entfalte und einfachen Gesetzen vorgehe.
4 Das vom Revisionswerber ins Treffen geführte neue aserbaidschanische Staatsangehörigkeitsgesetz vom 30. September 1998 sehe in Art. 5 Abs. 1 vor, dass jene Personen Staatsangehörige der Republik Aserbaidschan seien, die „die Staatsangehörigkeit der Republik Aserbaidschan im Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesetzes besaßen (Grundlage: Meldung der Person an ihrem Wohnsitz in der Republik Aserbaidschan am Tag des Inkrafttretens dieses Gesetzes)“.
5 Der Revisionswerber verkenne, dass diese Regelung „der höherrangigen Verfassung (Art 53) widersprechen würde, wenn sie Ausbürgerungen intendiert.“
6 Die belangte Behörde sei demnach zu Recht von der aserbaidschanischen Staatsangehörigkeit des Revisionswerbers ausgegangen, da dieser als Sohn einer aserbaidschanischen Staatsangehörigen mit seiner Geburt am 17. April 1994 die aserbaidschanische Staatsangehörigkeit erhalten habe.
7 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
8 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
9 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
10 Zum Zulässigkeitsvorbringen, das angefochtene Erkenntnis weiche von näher genannter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Begründungspflicht gemäß § 17 VwGVG iVm §§ 58 und 60 AVG ab, wonach in der Begründung die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die für die Beweiswürdigung maßgeblichen Erwägungen sowie die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen seien, zeigt die Revision keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung auf, weil nicht ersichtlich ist, dass das angefochtene Erkenntnis eine Trennung in Tatsachenfeststellungen, Beweiswürdigung und rechtliche Beurteilung in einer solchen Art und Weise vermissen lässt, dass die Rechtsverfolgung durch die Partei über die nachprüfende Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts dadurch maßgeblich beeinträchtigt wäre (vgl. etwa VwGH 15.6.2023, Ra 2023/01/0133, mwN).
11 In Bezug auf ausländisches Recht gilt der Grundsatz „iura novit curia“ nicht, sodass dieses in einem ‑ grundsätzlich amtswegigen ‑ Ermittlungsverfahren festzustellen ist, wobei aber auch hier die Mitwirkung der Beteiligten erforderlich ist, soweit eine Mitwirkungspflicht der Partei besteht. Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die im Einzelfall vorgenommene Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. etwa VwGH 5.7.2019, Ra 2019/01/0227 bis 0228).
12 Im vorliegenden Fall erscheint es nicht unvertretbar, dass das Verwaltungsgericht die Annahme der aserbaidschanischen Staatsangehörigkeit des Revisionswerbers ‑ vor dem Hintergrund der angenommenen Abstammung von einer aserbaidschanischen Staatsangehörigen ‑ beweiswürdigend auf die festgestellten Bestimmungen des aserbaidschanischen Rechts stützte.
13 Das von der Revision in diesem Zusammenhang behauptete Abweichen vom Erkenntnis VwGH 10.12.2009, 2006/19/1311, liegt ‑ abgesehen davon, dass es in dieser Entscheidung um die Feststellung des Herkunftsstaats in einem Asylverfahren ging ‑ nicht vor, weil die dort belangte Behörde (der unabhängige Bundesasylsenat) die Feststellung der aserbaidschanischen Staatsangehörigkeit des dortigen Beschwerdeführers getroffen hatte, ohne sich mit der dort im Verfahren geltend gemachten Bestimmung des aserbaidschanischen Staatsangehörigkeitsrechts auseinanderzusetzen. Derartiges kann dem Verwaltungsgericht im vorliegenden Revisionsfall aber nicht vorgeworfen werden. Darüber hinaus kamen nach der Entscheidung 2006/19/1311 die im vorliegenden Revisionsfall für die Annahme der aserbaidschanischen Staatsangehörigkeit des Revisionswerbers vom Verwaltungsgericht ins Treffen geführten Bestimmungen der aserbaidschanischen Verfassung überhaupt nicht zum Tragen.
14 Schließlich kann einer Rechtsfrage nur dann grundsätzliche Bedeutung zukommen, wenn sie über den konkreten Einzelfall hinaus Bedeutung besitzt (vgl. für viele VwGH 13.6.2024, Ra 2024/01/0156, mwN).
15 Diese Voraussetzung liegt im Revisionsfall ‑ vor dem Hintergrund der spezifischen Sachverhaltskonstellation ‑ in Bezug auf die hier maßgeblichen Fragen der Auslegung bzw. Anwendung des aserbaidschanischen Rechts nicht vor. Demnach vermag auch das Zulässigkeitsvorbringen, wonach keine Rechtsprechung zu der Frage bestehe, „ob ein Verwaltungsgericht eigenmächtig Art. 5 des aserbaidschanischen Staatsbürgerschaftsgesetzes als in Widerspruch zur aserbaidschanischen Verfassung beurteilen darf“, keine grundsätzliche Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG aufzuwerfen.
16 Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 15. Jänner 2025
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