VwGH Ra 2023/01/0133

VwGHRa 2023/01/013315.6.2023

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Enzenhofer und die Hofräte Dr. Fasching und Mag. Brandl als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Karger, LL.M., über die Revision des R I, vertreten durch Dr. Max Kapferer, Dr. Thomas Lechner und Dr. Martin Dellasega, Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, Schmerlingstraße 2/2, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Tirol vom 31. Oktober 2022, Zl. LVwG‑2021/30/3293‑13, betreffend Staatsbürgerschaft (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Tiroler Landesregierung), den Beschluss gefasst:

Normen

StbG 1985 §10 Abs1 Z6
StbG 1985 §10 Abs2 Z7
VwRallg

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2023:RA2023010133.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Landesverwaltungsgericht Tirol (Verwaltungsgericht) ‑ nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung ‑ in der Sache den Antrag des Revisionswerbers, eines türkischen Staatsangehörigen, auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft gemäß § 10 Abs. 1 Z 6 und Abs. 2 Z 7 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 (StbG) ab (1.), verpflichtete den Revisionswerber zur Bezahlung einer Verwaltungsabgabe und zum Ersatz der Kosten der bei der Beschwerdeverhandlung auf seinen Antrag beigezogenen nichtamtlichen Dolmetscherin (2.) und erklärte die ordentliche Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG für nicht zulässig (3.).

2 Begründend führte das Verwaltungsgericht ‑ im Wesentlichen gestützt auf die im Verleihungsverfahren eingeholte Stellungnahme der Landespolizeidirektion Tirol ‑ Landesamt Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung vom 14. Juli 2021 ‑ zusammengefasst aus, der Revisionswerber habe ein (im Einzelnen umfänglich dargestelltes) Naheverhältnis zur terroristischen Gruppierung PKK/KCK; es komme ihm diesbezüglich „eine aktive und führende Rolle über einen längeren Zeitraum zu“. Er habe auch ein besonderes Naheverhältnis zum Gründer und langjährigen Führer der PKK, Abdullah Öcalan.

3 Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) lehnte mit Beschluss vom 27. Februar 2023, E 3391/2022‑5, die Behandlung der dagegen vom Revisionswerber eingebrachten Beschwerde ab. Mit weiterem Beschluss vom 16. März 2023, E 3391/2022‑7, trat der VfGH die Beschwerde über nachträglichen Antrag gemäß Art. 144 Abs. 3 B‑VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

4 Sodann erhob der Revisionswerber die vorliegende außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof.

5 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

6 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

7 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

8 § 10 Abs. 2 Z 7 StbG enthält (neben § 10 Abs. 1 Z 6 StbG) ein spezielles Verleihungshindernis, das dann gegeben ist, wenn der Verleihungswerber ein Naheverhältnis zu einer extremistischen oder terroristischen Gruppierung hat und im Hinblick auf deren bestehende Strukturen oder auf zu gewärtigende Entwicklungen in deren Umfeld extremistische oder terroristische Aktivitäten derselben nicht ausgeschlossen werden können. Es kommt nicht darauf an, ob ein Naheverhältnis ausgeschlossen werden kann, sondern alleine darauf, ob der Verleihungswerber ein Naheverhältnis hat. Ein derartiges Naheverhältnis liegt nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bei Personen vor, die ‑ neben der aktiven Mitgliedschaft bei solchen Gruppen ‑ (wenn auch nicht öffentlich) bekennende Sympathisanten, Geldgeber oder andere Unterstützer, wie Verteiler von Propagandamaterial, sind. Ein solches Naheverhältnis setzt nicht voraus, dass der Verleihungswerber mit einer konkreten extremistischen oder terroristischen Aktivität einer extremistischen oder terroristischen Gruppe in Verbindung gebracht werden kann (vgl. Erläuterungen zu § 10 Abs. 2 Z 7 StbG in RV 1189 BlgNR 22. GP  5). Für das Vorliegen eines Naheverhältnisses iSd § 10 Abs. 2 Z 7 StbG reicht es vielmehr bereits aus, Unterstützer einer extremistischen oder terroristischen Gruppierung zu sein. Ausgehend davon bedarf es jedoch nicht zusätzlich einer Prognose, ob der Verleihungswerber ausgehend von seinem Gesamtverhalten Gewähr dafür bietet, keine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit darzustellen (vgl. zum Ganzen etwa VwGH 11.1.2023, Ra 2022/01/0355, mwN).

9 Die gegenständliche Revision wirft keine Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung auf:

10 Zum Zulässigkeitsvorbringen, das angefochtene Erkenntnis weiche von näher genannter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Begründungspflicht gemäß § 17 VwGVG iVm §§ 58 und 60 AVG ab, wonach in der Begründung die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die für die Beweiswürdigung maßgeblichen Erwägungen sowie die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen seien, zeigt die Revision keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung auf, weil nicht ersichtlich ist, dass das angefochtene Erkenntnis eine Trennung in Tatsachenfeststellungen, Beweiswürdigung und rechtliche Beurteilung in einer solchen Art und Weise vermissen lässt, dass die Rechtsverfolgung durch die Partei über die nachprüfende Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts dadurch maßgeblich beeinträchtigt wäre (vgl. etwa VwGH 16.1.2023, Ra 2022/01/0209, mwN).

11 Soweit sich die Revision in ihrem Zulässigkeitsvorbringen gegen die Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichts zur Feststellung, dass der Revisionswerber das genannte Naheverhältnis zur PKK/KCK und damit zu einer extremistisch‑terroristischen Gruppe besitze, wendet, ist auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach der Verwaltungsgerichtshof als Rechtsinstanz tätig und zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Allgemeinen nicht berufen ist (vgl. ErläutRV 1618 BlgNR 24. GP  16, denen gemäß sich das Revisionsmodell nach dem Willen des Verfassungsgesetzgebers an der Revision nach den §§ 500 ff ZPO orientieren soll). Auch kann einer Rechtsfrage nur dann grundsätzliche Bedeutung zukommen, wenn sie über den konkreten Einzelfall hinaus Bedeutung besitzt. Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die im Einzelfall vorgenommene Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. für viele abermals VwGH Ra 2022/01/0209, mwN). Eine derartige Fehlbeurteilung wird in der Revision nicht dargetan.

12 Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 15. Juni 2023

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