Normen
AVG §56
AVG §68 Abs1
EinforstungsLG Stmk 1983
EinforstungsLG Stmk 1983 §14
EinforstungsLG Stmk 1983 §14 Abs2
EinforstungsLG Stmk 1983 §14 Abs3
EinforstungsLG Stmk 1983 §21 litd
EinforstungsLG Stmk 1983 §26 Abs1
EinforstungsLG Stmk 1983 §5 Abs2
EinforstungsLG Stmk 1983 §5 Abs3
EinforstungsLG Stmk 1983 §51 Abs2
VwGVG 2014 §17
VwRallg
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2023:RA2022070203.L00
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit Eingabe vom 29. Juli 2020 stellte die mitbeteiligte Partei den Antrag auf Neuregulierung des Regulierungsvergleiches Nr. 1297 vom 31. Dezember 1869. Sie führte vor dem Hintergrund des gemäß Regulierungsvergleich und mit Bescheid der Agrarbezirksbehörde S. vom 20. Oktober 1995 genehmigten Übereinkommen vom 4. Juli 1995 gestatteten Auftriebs näher genannter Viehgattungen (zwei Ochsen, zwölf Kühe, zwölf Galtrinder, vier Kälber, zwei alte sowie zwei junge Schweine) aus, dass ihr landwirtschaftlicher Betrieb in den Jahren 2014 bis 2017 auf die Haltung von Lamas und Alpakas (Neuweltkameliden) umgestellt worden sei; Alpakas seien in Österreich allgemein anerkannte landwirtschaftliche Nutztiere. Die Weideausübung mit Alpakas sei auf Grund der weichen Schwielen sehr bodenschonend. Auch erfolge eine bessere Pflege der Grasnarbe, weil durch die schneidende Kieferbewegung das Gras nicht mit der Wurzel abgerissen, sondern lediglich die Halme abgeschnitten würden. Weder der Regulierungsvergleich noch das agrarbehördlich genehmigte Übereinkommen aus dem Jahr 1995 sähen den Auftrieb von Lamas und Alpakas vor. Da die Haltung dieser Tiere jedoch die Grundlage ihres landwirtschaftlichen Betriebes bilde, stellte die mitbeteiligte Partei den Antrag auf Neuregulierung. Angestrebt werde die Änderung der urkundlich vorgesehenen Viehgattungen bzw. die „Einregulierung von Lamas und Alpakas“, damit die volle wirtschaftliche Ausnutzung des Almweiderechts erfolgen könne.
2 Die revisionswerbenden Parteien sprachen sich als Eigentümer der verpflichteten Liegenschaften gegen diesen Antrag aus.
3 Mit Bescheid der belangten Behörde vom 21. Dezember 2020 wurde der Antrag der mitbeteiligten Partei vom 29. Juli 2020 auf Rechtsgrundlage der §§ 1, 12, 13, 14 sowie 48 des Steiermärkischen Einforstungs‑Landesgesetzes 1983 (im Folgenden: StELG 1983), des Regulierungsvergleichs Nr. 1297 vom 31. Dezember 1869 sowie des rechtskräftigen Bescheides der Agrarbezirksbehörde S. vom 20. Oktober 1995 abgewiesen.
4 Der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde der mitbeteiligten Partei wurde mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes vom 11. Mai 2021 stattgegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos aufgehoben, weil der Bescheid ohne die zwingend erforderliche Voraussetzung der bescheidmäßigen Verfahrenseinleitung und damit rechtsgrundlos erlassen worden sei.
5 Mit Bescheid der belangten Behörde vom 2. Juli 2021 wurde gemäß §§ 13 Abs. 1, 48 und 49 StELG 1983 das Einforstungsverfahren eingeleitet.
6 Ohne das Setzen weiterer Verfahrensschritte wurde im Anschluss mit Bescheid der belangten Behörde vom 21. Februar 2022 der Antrag der mitbeteiligten Partei vom 29. Juli 2020 neuerlich abgewiesen.
7 Begründend führte die belangte Behörde zusammengefasst aus, dass auf Grund der im Regulierungsvergleich sowie dem Bescheid vom 20. Oktober 1995 taxativ aufgezählten, näher angeführten Viehgattungen ein fixiertes Weiderecht bestehe. Es wären ausschließlich heimische Viehgattungen vorgesehen, sodass eine Mangelhaftigkeit oder Lückenhaftigkeit der gegenständlichen Urkunde nicht vorliege. Durch eine Neuregulierung dürfe weder eine Erweiterung noch eine Schmälerung des Einforstungsrechtes eintreten. Es sei beispielsweise nicht erlaubt, Pferde des berechtigten Betriebes aufzutreiben, wenn diese Viehgattung nicht in der zugrunde liegenden Regulierungsurkunde angeführt sei.
8 Eine Regulierungsurkunde stelle als agrarbehördlicher Bescheid eine Norm im Einzelfall dar. Dieser komme auch vor entgegenstehenden gesetzlichen Bestimmungen Vorrang zu. Auch seien auf Grund des Inkrafttretens landesgesetzlicher Regelungen erst ca. 1922/23 im Zuge einer historischen Interpretation das bereits im Zeitpunkt der Regulierungserrichtung geltende ABGB und dessen Systematik heranzuziehen. Aus einer näher erläuterten historischen Systematik heraus sei es undenkbar, Weiderechte für andere als die in § 499 ABGB genannten Tiere zu begründen. Auch sei der Zeitpunkt der Entstehung der Regulierungsurkunde als Versteinerungszeitpunkt anzusehen und bestehe auch deshalb kein Raum, die taxativ normierten Viehgattungen neu und absolut anders als in der zugrunde liegenden Regulierungsurkunde zu regeln. Die „Zuregulierung“ der begehrten Viehgattungen stelle rechtlich ein „aliud“ gegenüber der urkundlichen Bestimmung dar. Auch im Hinblick auf die geänderten Bedürfnisse des berechtigten oder verpflichteten Gutes zur Erzielung der vollen wirtschaftlichen Ausnutzung könnten nur die in der Regulierungsurkunde normierten „heimischen Viehgattungen“ als Rechtsgrundlage gemeint sein, keinesfalls Neuweltkameliden. Die Aufnahme von „nicht heimischen Viehgattungen“ stelle eine Ausweitung des Einforstungsrechtes dar. Zudem könne es bei Gemeinschaftsalmen durch verschiedene Viehgattungen zu Unverträglichkeiten bzw. Weidekonkurrenz kommen. Bei nicht heimischen Viehgattungen sei eine Zäunung im herkömmlichen Sinn nicht möglich, weil bei diesen Tieren für die viehdichte Haltung ein Zaun von mindestens 1,3 bis 1,5 m erforderlich sei. Auf Grund der gut isolierenden Wolle sei zusätzlich auf ein starkes Weidezaungerät und eine gute Erdung zu achten. Diese spezielle Zäunung widerspreche nicht nur dem Forst‑ und Jagdgesetz, sondern greife schwerwiegend in die Eigentumsrechte der verpflichteten Partei ein. Auf Grund des Antwortschreibens der revisionswerbenden Parteien vom 30. November 2020, mit welchem mitgeteilt worden sei, dass keine Bereitschaft bestehe, Lamas und Alpakas als berechtigtes Weidevieh anzuerkennen, erscheine auch die Möglichkeit eines Übereinkommens nicht gegeben. Im Ergebnis liege eine Erweiterung des Einforstungsrechtes vor.
9 Dagegen erhob die mitbeteiligte Partei Beschwerde an das Verwaltungsgericht.
10 Zu dieser Beschwerde erstatteten die revisionswerbenden Parteien als Eigentümer der verpflichteten Liegenschaften eine Äußerung.
11 Mit dem nunmehr angefochtenen Beschluss vom 2. September 2022 gab das Verwaltungsgericht der Beschwerde statt. Es hob den Bescheid der belangten Behörde vom 21. Februar 2022 auf und wies die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides gemäß § 28 Abs. 3 Satz 2 VwGVG zurück (Spruchpunkt I.).
12 Die ordentliche Revision erklärte das Verwaltungsgericht für nicht zulässig (Spruchpunkt II.).
13 Begründend hielt das Verwaltungsgericht fest, dass sich die belangte Behörde in keiner Weise inhaltlich mit den Vorgaben des § 14 Abs. 2 StELG 1983 auseinandergesetzt habe. Sie habe sohin nicht beurteilt, ob seit der Regulierung eingetretene Veränderungen in den Verhältnissen eine Ergänzung oder Änderung nach den Bedürfnissen des berechtigten oder verpflichteten Gutes zur Erzielung der vollen wirtschaftlichen Ausnutzung erfordern würden. Ohne fachliche Grundlage sei die belangte Behörde davon ausgegangen, dass schon durch die Änderung auf nicht in der Regulierungsurkunde beinhaltete Viehgattungen eine unzulässige Erweiterung vorliege.
14 Die belangte Behörde sei in Verkennung der gesetzlichen Vorgaben zu Unrecht davon ausgegangen, dass im Rahmen einer Neuregulierung ausschließlich die bereits in der Regulierungsurkunde angeführten Tiergattungen umfasst sein dürften. Demgegenüber nenne jedoch § 21 StELG 1983 im Hinblick auf die Neuregulierung von Weiderechten insbesondere auch die Viehgattung als möglichen Gegenstand. Schon vor dieser eindeutigen gesetzlichen Vorgabe bestünde kein Raum für die von der belangten Behörde zu Grunde gelegte rechtliche Beurteilung, dass im Rahmen einer Neuregulierung lediglich in der Regulierungsurkunde beinhaltete „heimische Viehgattungen“ umfasst sein könnten. Im Übrigen könnten auch die im angefochtenen Bescheid der belangten Behörde beinhalteten Ausführungen zum Vorrang von Regulierungsurkunden vor gesetzlichen Bestimmungen des StELG 1983, zum Abstellen auf das ABGB sowie zur Versteinerungstheorie im gegenständlichen Verfahren vor dem gesetzlichen Hintergrund nicht nachvollzogen werden. Der Rechtsansicht der belangten Behörde, dass bereits die Aufnahme von „nicht heimischen Viehgattungen“ per se eine Ausweitung des Einforstungsrechtes darstelle, sei nicht zu folgen. Zweck der Neuregulierung sei im Gegenteil gerade, überholte Einforstungsrechte an gegenwärtige Verhältnisse anzupassen.
15 Die belangte Behörde hätte daher zu beurteilen gehabt, ob die seit der Regulierung eingetretenen Veränderungen in den Verhältnissen eine Ergänzung oder Änderung nach den Bedürfnissen ‑ gegenständlich der mitbeteiligten Partei als Berechtigte ‑ zur Erzielung ihrer vollen wirtschaftlichen Ausnutzung erforderlich machten.
16 Konkret wäre von der belangten Behörde dazu insbesondere zu ermitteln gewesen, ob im Rahmen der vollen wirtschaftlichen Ausnutzung nach den Bedürfnissen des berechtigten Gutes eine Änderung der Viehgattung auf Alpakas und Lamas erforderlich sei. Zudem hätte sich die belangte Behörde mit den Fragen befassen müssen, ob die Weidemöglichkeit von Alpakas und Lamas im Einforstungsgebiet der ordentlichen Bewirtschaftung der berechtigten Liegenschaft diene (vgl. § 6 Abs. 1 StELG 1983), ob Alpakas und Lamas für das Weidegebiet geeignet seien (etwa wie stark die Grasnarbe im Vergleich zur im Regulierungsvergleich vorgesehenen Nutzung beansprucht würde sowie zum Vertritt im Hinblick auf die vorhandene Hangneigung) und wie eine Zäunung zu regeln sei. Zudem hätte sich die belangte Behörde mit der Frage der Umrechnung (vgl. § 29 StELG 1983) auseinanderzusetzen gehabt. Diesbezüglich seien von Seiten der belangten Behörde wie festgestellt jedoch auf Grund der zugrunde gelegten unzutreffenden rechtlichen Beurteilung die erforderlichen Ermittlungen nicht durchgeführt worden. Mangels Vornahme der erforderlichen Ermittlungsschritte durch die belangte Behörde hätten von dieser die erforderlichen Feststellungen nicht getroffen und in Konsequenz keine Beurteilung im Rahmen des StELG 1983 durchgeführt werden können.
17 Im Übrigen werde die belangte Behörde der Anforderung, die Beurteilung auf ein schlüssiges und widerspruchsfreies Sachverständigengutachten zu stützen, nicht gerecht, wenn sie ihre fachliche Beurteilung (Unverträglichkeiten von Viehgattungen, Weidekonkurrenz, viehdichte Zäune und gut isolierende Wolle) an die Stelle der Sachverständigenbeurteilung setze.
18 Dagegen richtet sich die vorliegende Revision wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes.
19 Die belangte Behörde erstattete eine Revisionsbeantwortung, ohne den Zuspruch von Kosten zu beantragen.
20 Auch die mitbeteiligte Partei erstattete eine Revisionsbeantwortung, in der sie beantragte, der Verwaltungsgerichtshof möge „die außerordentliche Revision wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG zurückweisen, in eventu als unbegründet abweisen“.
21 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
22 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
23 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
24 Nach § 34 Abs. 3 VwGG ist ein Beschluss nach Abs. 1 in jeder Lage des Verfahrens zu fassen.
25 Nach der ständigen hg. Rechtsprechung ist in den gemäß § 28 Abs. 3 VwGG bei einer außerordentlichen Revision gesondert vorzubringenden Gründen konkret auf die vorliegende Rechtssache bezogen aufzuzeigen, welche Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung der Verwaltungsgerichtshof in seine Entscheidung über die Revision zu lösen hätte. In den „gesonderten“ Gründen ist konkret darzulegen, in welchen Punkten die angefochtene Entscheidung von welcher Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht bzw. konkret welche Rechtsfrage der Verwaltungsgerichtshof uneinheitlich oder noch nicht beantwortet hat. Die Beurteilung der Zulässigkeit der außerordentlichen Revision durch den Verwaltungsgerichtshof erfolgt ausschließlich an Hand des Vorbringens in der Zulässigkeitsbegründung (vgl. VwGH 16.5.2022, Ra 2021/07/0049, mwN).
26 In der Zulässigkeitsbegründung der vorliegenden Revision wird zunächst vorgebracht, dass zum Kern der hier zur Klärung anstehenden Frage keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes existiere. Soweit das Verwaltungsgericht Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zitiere, behandelten diese Entscheidungen Fragen grundsätzlicher Art über Sinn und Zweck des Neuregulierungsverfahrens, die hier nicht strittig seien. Indessen bestehe zur Frage, ob die Änderung eines Regulierungsvergleiches durch die „Zuregulierung von Neuwaldkameliden“ bereits per se einen Eingriff in die Rechtsstellung des Verpflichteten darstelle, keine Rechtsprechung.
27 Zudem bringe das Verwaltungsgericht mit seiner rechtlichen Würdigung, dass der Begriff „Viehgattung“ jede auch noch so exotische Nutztierart umfassen könne, einen rechtlichen Vorrang des Gesetzes vor dem Inhalt des Regulierungsvergleiches zum Ausdruck. Damit begebe sich das Verwaltungsgericht aber in Widerspruch zur diesbezüglich einhelligen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, der sich bereits wiederholt mit dem Verhältnis von Bestimmungen in Regulierungsurkunden (Regulierungsvergleichen) zu gesetzlichen Vorschriften beschäftigt habe. Nach dieser Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes handle es sich bei Regulierungsurkunden um agrarbehördliche Bescheide (VwGH 24.10.1995, 94/07/0058). Sie stellten Normen im Einzelfall dar und ihnen komme daher grundsätzlich der Vorrang auch vor entgegenstehenden gesetzlichen Bestimmungen zu (VwGH 13.5.1996, 95/07/0092, 0093; 19.9.1996, 95/07/0215). Dies gelte auch für Regulierungsvergleiche wie den hier vorliegenden. Auch dieser Regulierungsvergleich stelle eine Norm im Einzelfall dar, der grundsätzlich der Vorrang auch vor entgegenstehenden gesetzlichen Bestimmungen zukomme.
28 Der Inhalt des Regulierungsvergleiches ginge § 21 StELG 1983 in Zusammenhang mit dem Begriff „Viehgattung“ vor. Bei Berücksichtigung der Rechtsprechung und des zeitlichen Hintergrundes der Entstehung der Regulierungsurkunde erweise sich daher die Zuregulierung anderer als der damals gebräuchlichen Viehgattungen gegen den Willen der Verpflichteten ‑ somit der revisionswerbenden Parteien ‑ als ausgeschlossen.
29 Die im vorliegenden Fall maßgeblichen Bestimmungen des StELG 1983 lauten auszugsweise wie folgt:
„II. Abschnitt
Neuregulierung und Regulierung
Gegenstand und Umfang der Neuregulierung
§ 14
(1) Die Neuregulierung hat sich auf den im § 12 bezeichneten Grundlagen auf die näheren Bestimmungen über Ort, Zeit, Ausmaß und Art der Nutzungen und der Gegenleistungen zu erstrecken.
(2) Sie bezweckt im Rahmen des nach § 12 festgesetzten Ausmaßes der Nutzungsrechte die Ergänzung oder auch Änderung der Bestimmungen der Regulierungsurkunden, soweit sie mangelhaft oder lückenhaft sind oder soweit die seit der Regulierung eingetretenen Veränderungen in den Verhältnissen eine solche Ergänzung oder Änderung nach den Bedürfnissen des berechtigten oder verpflichteten Gutes zur Erzielung ihrer vollen wirtschaftlichen Ausnutzung erfordern.
(3) Eine Schmälerung oder Erweiterung der urkundlich festgelegten Rechte darf durch eine Neuregulierung nicht eintreten.
(4) Bestimmungen der Regulierungsurkunden über die Zuständigkeit von Behörden, die mit den zur Zeit der Neuregulierung geltenden Bestimmungen über die Zuständigkeit von Behörden nicht mehr im Einklang stehen, sind entsprechend abzuändern.
(...)
Neuregulierung von Weiderechten
§ 21
Die Neuregulierung von Weiderechten hat sich insbesondere zu erstrecken auf:
...
d) die Weidezeit, Viehgattung und Viehzahl;
...“
30 Ist die Rechtslage nach den in Betracht kommenden Normen klar und eindeutig, liegt keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B‑VG vor, und zwar selbst dann, wenn zu einer Frage der Auslegung der anzuwendenden Normen noch keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ergangen ist (VwGH 12.10.2022, Ra 2022/07/0167 bis 0181, mwN).
31 Davon ist im vorliegenden Revisionsverfahren auszugehen.
32 Ein Neuregulierungsverfahren bietet die Möglichkeit, adäquat auf geänderte Verhältnisse im Bereich der berechtigten und verpflichteten Liegenschaften zu reagieren und ‑ unter Wahrung der Rechte der Verpflichteten und Berechtigten ‑ eine neue Regelung der Rechte vorzunehmen. Nach § 21 lit. d StELG 1983 fällt auch die Neuregelung der Viehgattung in die Kompetenz einer ein Neuregulierungsverfahren durchführenden Behörde. Nach § 14 Abs. 2 StELG 1983 ist Ziel eines Neuregulierungsverfahrens die Gewährleistung der vollen wirtschaftlichen Ausnutzung der bestehenden Nutzungsrechte (VwGH 18.3.2010, 2008/07/0108).
33 Der aus dem StELG 1983 hervorgehende, für Änderungen von Nutzungsrechten maßgebliche Sinn des Gesetzes kann dahingehend zusammengefasst werden, dass jede Rechtsänderung die bestmögliche, Interessen der Landeskultur und der Volkswirtschaft berücksichtigende Anpassung an die geänderten wirtschaftlichen Bedürfnisse der jeweils berechtigten und verpflichteten Liegenschaft zum Ziel hat (VwGH 25.2.2016, 2013/07/0059; 25.4.2019, Ra 2017/07/0214 bis 0215, jeweils mwN).
34 Nach § 14 Abs. 3 StELG 1983 darf dabei eine Schmälerung oder Erweiterung der urkundlich festgelegten Rechte durch die Neuregulierung nicht eintreten. Dieses Gebot gilt für jede auch noch so tiefgreifende Neuregulierungsmaßnahme (VwGH 23.5.2013, 2013/07/0031).
35 Bereits aus dem Wortlaut des § 21 lit. d StELG 1983 ergibt sich eindeutig, dass sich eine Neuregulierung auch auf andere Viehgattungen, somit auch auf Neuwaldkameliden (Lamas und Alpakas) unter den in der zitierten hg. Judikatur dargestellten Grundsätzen beziehen kann. Dazu ist es erforderlich, dass die belangte Behörde die ihr vom Verwaltungsgericht im angefochtenen Beschluss vom 2. September 2022 aufgetragenen Ermittlungsschritte zu den dort aufgeworfenen Fragen auf schlüssige und widerspruchsfreie Sachverständigengutachten stützt (vgl. VwGH 25.4.2019, Ra 2017/07/0140). Keinesfalls darf die belangte Behörde diese Fragen aus eigener Anschauung beurteilen.
36 Die Aufnahme von „nicht heimischen Viehgattungen“ stellt demnach ‑ ohne nähere sachverständige Prüfung ‑ keine von vornherein unzulässige Ausweitung des Einforstungsrechtes dar. Auch ist der Zeitpunkt der Entstehung der Regulierungsurkunde nicht als Versteinerungszeitpunkt anzusehen, der es verhindern würde, andere als in der zugrundeliegenden Regulierungsurkunde normierte Viehgattungen vorzusehen. Eine solche Rechtsansicht widerspricht dem eindeutigen Gesetzeswortlaut.
37 Die revisionswerbenden Parteien behaupten in ihrer Zulässigkeitsbegründung auch unter Zitierung von hg. Judikatur, der Verwaltungsgerichtshof habe ausgesprochen, dass Regulierungsvergleiche ‑ wie der vorliegende ‑ Normen im Einzelfall darstellten. Ihnen komme daher grundsätzlich der Vorrang auch vor entgegenstehenden gesetzlichen Bestimmungen zu.
38 Diese Schlussfolgerung ist in ihrer Allgemeinheit im Lichte des Revisionsfalles unzutreffend.
39 Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem von den revisionswerbenden Parteien zitierten Erkenntnis vom 19. September 1996, 95/07/0215, für rechtskräftige Regulierungsurkunden und Satzungen von Agrargemeinschaften Folgendes ausgesprochen: Diese sind Bescheide, deren inhaltliche Richtigkeit nach Rechtskraft nicht mehr überprüft werden kann und die damit auch dann beachtlich sind, wenn sie gegen das Gesetz verstoßen, solange sie von der Agrarbehörde nicht abgeändert worden sind.
40 Daraus kann nun nicht auf eine prinzipielle Unzulässigkeit einer Neuregulierung im Revisionsfall geschlossen werden, verweist doch der Verwaltungsgerichtshof selbst im Hinblick auf die von den revisionswerbenden Parteien als „Vorrangwirkung“ verstandene Rechtskraft auf die Befugnis einer Abänderung durch die Agrarbehörde.
41 Diese Abänderungsbefugnis der Agrarbehörde ergibt sich aus dem klaren Gesetzeswortlaut des § 21 lit. d StELG 1983. Bei Einhaltung der in der zitierten hg. Judikatur niedergelegten Grundsätze für Neuregulierungsverfahren kann sich eine Neuregulierung von Weiderechten somit auch auf Lamas und Alpakas (Neuweltkameliden) erstrecken.
42 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.
Wien, am 26. Jänner 2023
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