European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020190053.L00
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger Afghanistans, stellte am 13. November 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Zu seinen Fluchtgründen gab er an, er sei in Afghanistan zum Christentum konvertiert und getauft worden. Seine Konversion sei bekannt geworden, weshalb er geflüchtet sei. In Österreich habe er sich einer evangelischen Pfarrgemeinde angeschlossen. 2 Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wies diesen Antrag mit Bescheid vom 10. April 2018 sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten ab, erteilte keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen den Revisionswerber eine Rückkehrentscheidung und sprach aus, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei. Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt.
3 Mit dem in Revision gezogenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die dagegen erhobene Beschwerde des Revisionswerbers nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
4 Das BVwG führte mit näherer Begründung aus, es sei nicht glaubhaft, dass der Revisionswerber in seinem Herkunftsstaat getauft worden sei bzw. er aus innerer Überzeugung zum Christentum konvertiert sei.
5 Mit Beschluss vom 11. Dezember 2019, E 3860/2019-7, lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der gegen dieses Erkenntnis erhobenen Beschwerde gemäß Art. 144 Abs. 2 B-VG ab und trat diese dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab. 6 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
7 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 8 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 9 Zur Zulässigkeit der Revision wird vorgebracht, das BVwG habe seine Ermittlungspflicht verletzt, indem es den Revisionswerber in Abweichung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht konkret zu seiner Glaubensüberzeugung befragt habe. Auch habe das BVwG sich nicht mit vom Revisionswerber vorgelegten Urkunden, nämlich einer Bestätigung über den Besuch eines Glaubenskurses und einem Konfirmationsschein, befasst. Es fehle auch Rechtsprechung dazu, welche Bedeutung dem Umstand zukomme, dass ein Glaubenswechsel durch eine anerkannte Religionsgemeinschaft durch die Verleihung von Sakramenten "gemäß deren kircheninternen Vorgaben bezeugt" worden sei. Bei der Verhandlung des BVwG sei eine Vertrauensperson des Revisionswerbers anwesend gewesen, die der evangelischen Pfarrgemeinde angehöre, die auch der Revisionswerber besuche. Diese Person sowie die Pfarrerin dieser Gemeinde hätte das BVwG von Amts wegen als Zeuginnen zur Konversion des Revisionswerbers einvernehmen müssen.
10 Nach der - auch in der Revision zitierten - Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt es bei der Beurteilung eines behaupteten Religionswechsels und der Prüfung einer Scheinkonversion auf die aktuell bestehende Glaubensüberzeugung des Konvertiten an, die im Rahmen einer Gesamtbetrachtung anhand einer näheren Beurteilung von Zeugenaussagen und einer konkreten Befragung des Asylwerbers zu seinen religiösen Aktivitäten zu ermitteln ist (vgl. VwGH 9.1.2020, Ra 2019/19/0517, mwN). 11 Ein Abweichen von dieser Rechtsprechung vermag die Revision nicht aufzuzeigen. Entgegen deren Ausführungen hat das BVwG sich aufgrund der Befragung des Revisionswerbers mit seinen religiösen Aktivitäten in Österreich sowie damit beschäftigt, ob er sich mit christlichen Glaubensinhalten auseinandergesetzt hat. Auch die vorgelegten Urkunden hat das BVwG in seine beweiswürdigenden Erwägungen zur Ermittlung des entscheidungsrelevanten Sachverhalts miteinbezogen und diese als Beleg dafür gewertet, dass der Revisionswerber einen Glaubenskurs und Gottesdienste besucht und an der Zeremonie der Konfirmation teilgenommen habe. 12 Soweit die Revision die Frage aufwirft, welche Bedeutung dem Umstand zukomme, dass die Konversion des Revisionswerbers durch eine anerkannte Religionsgemeinschaft - etwa auch durch die Verleihung bzw. Anerkennung von Sakramenten - bestätigt worden sei, ist darauf zu verweisen, dass die Beurteilung eines behaupteten Religionswechsels bzw. die Prüfung einer Scheinkonversion im Sinn der bereits dargestellten Rechtsprechung (Rn. 10) der Beweiswürdigung des BVwG unterliegt, bei der das BVwG im Zuge einer Gesamtbetrachtung nach Durchführung von Erhebungen alle relevanten Umstände des Einzelfalls bzw. vorgelegte Beweismittel, wozu insbesondere auch Bestätigungen von Religionsgemeinschaften gehören können, zu berücksichtigen hat. Es ist nicht zu sehen, dass das BVwG dabei an die Erwägungen oder das Verhalten Dritter - so insbesondere auch einer Religionsgemeinschaft - gebunden wäre (vgl. in diesem Sinn VwGH 11.12.2019, Ra 2019/20/0538).
13 Es entspricht im Übrigen der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs, dass in Bezug auf die asylrechtliche Relevanz einer Konversion zum Christentum nicht entscheidend ist, ob der Religionswechsel bereits - durch die Taufe - erfolgt oder bloß beabsichtigt ist. Wesentlich ist vielmehr, ob der Fremde bei weiterer Ausübung seines (behaupteten) inneren Entschlusses, nach dem christlichen Glauben zu leben, im Falle seiner Rückkehr in seinen Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit damit rechnen müsste, aus diesem Grund mit die Intensität von Verfolgung erreichenden Sanktionen belegt zu werden (vgl. VwGH 23.1.2019, Ra 2018/19/0453, mwN).
14 Im vorliegenden Fall erachtete das BVwG eine Konversion des Revisionswerbers aus innerer Überzeugung - insbesondere in Hinblick auf diverse Widersprüche und Ungereimtheiten in seinen Angaben - nicht als glaubhaft. Eine Unvertretbarkeit dieser Beweiswürdigung des BVwG legt die Revision nicht dar (vgl. zur eingeschränkten Prüfungsbefugnis des Verwaltungsgerichtshofes in Bezug auf die Beweiswürdigung etwa VwGH 9.1.2020, Ra 2019/19/0394, mwN).
15 Die Frage, ob auf Basis eines konkret vorliegenden Standes eines Ermittlungsverfahrens ein "ausreichend ermittelter Sachverhalt" vorliegt oder ob weitere amtswegige Erhebungen erforderlich sind, stellt regelmäßig keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung, sondern eine jeweils einzelfallbezogen vorzunehmende Beurteilung dar (vgl. etwa VwGH 25.2.2019, Ra 2019/19/0017). Fallbezogen vermag die Revision nicht aufzuzeigen, dass die Beurteilung des BVwG, wonach eine Einvernahme weiterer Zeugen von Amts wegen nicht erforderlich gewesen sei, unvertretbar gewesen wäre.
16 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.
Wien, am 5. März 2020
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