VwGH Ra 2019/19/0394

VwGHRa 2019/19/03949.1.2020

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zens und den Hofrat Dr. Pürgy sowie die Hofrätin Dr.in Lachmayer als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Schara, in der Revisionssache des S A in W, vertreten durch Dr. Roman Keltner, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Augustinerstraße 12/13, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 10. Dezember 2018, W204 2128134‑1/22E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Normen

B-VG Art133 Abs4
EURallg
MRK Art13
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1
VwGG §41
12010P/TXT Grundrechte Charta Art47
32013L0032 IntSchutz-RL Art46
62001CJ0013 Safalero VORAB
62010CJ0069 Samba Diouf VORAB

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019190394.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Der Revisionswerber, ein afghanischer Staatsangehöriger, stellte am 16. April 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Dazu brachte er zusammengefasst vor, dass er und sein Bruder aufgrund der früheren Tätigkeit des Revisionswerbers für eine Firma, bei welcher dieser für die Registrierung von Daten von Polizisten zuständig gewesen sei, von den Taliban bedroht worden seien.

2 Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wies den Antrag mit Bescheid vom 20. Mai 2016 sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten ab. Die Behörde erteilte dem Revisionswerber keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei. Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegt.

3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 10. Dezember 2018 wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die dagegen erhobene Beschwerde ‑ nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung ‑ als unbegründet ab und erklärte die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG für nicht zulässig.

4 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

5 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

6 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

7 Da der Verwaltungsgerichtshof gemäß § 34 Abs. 1a zweiter Satz VwGG die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision iSd Art. 133 Abs. 4 B‑VG nur im Rahmen der dafür in der Revision gemäß § 28 Abs. 3 VwGG gesondert vorgebrachten Gründe zu überprüfen hat, ist er weder verpflichtet, solche anhand der übrigen Revisionsausführungen gleichsam zu suchen, noch berechtigt, von Amts wegen erkannte Gründe, die zur Zulässigkeit der Revision hätten führen können, aufzugreifen. Dementsprechend erfolgt die Beurteilung der Zulässigkeit der Revision durch den Verwaltungsgerichtshof ausschließlich anhand des Vorbringens in der Zulassungsbegründung. In der gesonderten Zulassungsbegründung ist konkret darzulegen, in welchen Punkten die angefochtene Entscheidung von welcher Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht bzw. konkret welche Rechtsfrage der Verwaltungsgerichtshof uneinheitlich oder noch gar nicht beantwortet hat. Lediglich pauschale Behauptungen erfüllen diese Voraussetzungen nicht (vgl. etwa VwGH 26.3.2019, Ra 2019/14/0119, mwN).

8 In der vorliegenden außerordentlichen Revision wird zur Zulässigkeit im Wesentlichen vorgebracht, das im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof geltende Neuerungsverbot sowie das „Zulassungsrevisionssystem“ würden Art. 47 GRC verletzen. Diesbezüglich erfolgt auch der Antrag, der Verwaltungsgerichtshof möge eine näher genannte Vorlagefrage an den Gerichtshof der Europäischen Union richten. Zudem bekämpft die Revision die vom BVwG fallbezogen vorgenommene Beweiswürdigung. Dem BVwG sei weiters ein gravierender Verfahrensfehler unterlaufen, indem es aktenwidrig festgestellt habe, dass sich noch zwei Onkel des Revisionswerbers in Kabul aufhalten würden. Ein Verfahrensfehler sei zudem darin zu erblicken, dass es das BVwG unterlassen habe, den vorgelegten Drohbrief auf seine Echtheit zu überprüfen.

9 Insofern der Revisionswerber in der Zulassungsbegründung vorbringt, das im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof geltende Neuerungsverbot und das Revisionssystem würden Art. 47 GRC verletzen und die Revision an den Verwaltungsgerichtshof stelle daher keinen „wirksamen Rechtsbehelf“ (iSd Art. 46 VerfahrensRL iVm Art. 47 GRC) dar, ist auf die Rechtsprechung zu verweisen, wonach das vor dem Verwaltungsgerichtshof geltende Revisionsmodell sowohl mit Art. 47 GRC als auch mit Art. 13 EMRK in Einklang steht (vgl. VwGH 24.10.2018, Ra 2018/14/0107, mit Hinweisen auf die Rechtsprechung von VwGH, EGMR und EuGH).

10 Der Umstand, dass das BVwG im vorliegenden Fall mittels Beschwerde angerufen worden ist und entschieden hat, hindert die Zurückweisung der Revision gegen das angefochtene Erkenntnis somit nicht, wenn ‑ wie im vorliegenden Fall ‑ von der Revision keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufgezeigt wird (vgl. wiederum VwGH Ra 2018/14/0107, mwN).

11 Ausgehend davon sieht sich der Verwaltungsgerichtshof auch nicht veranlasst, dem EuGH ‑ wie vom Revisionswerber angeregt ‑ die in der Revision angeführten Rechtsfragen zur Vorabentscheidung vorzulegen (vgl. auch dazu VwGH, Ra 2018/14/0107).

12 Soweit sich die Revision gegen die Beweiswürdigung wendet, ist auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach dieser als Rechtsinstanz tätig und im Allgemeinen nicht zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Einzelfall berufen ist. Im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. etwa VwGH 15.1.2019, Ra 2018/14/0442, mwN).

13 Das BVwG hat sich ‑ nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung ‑ mit dem Fluchtvorbringen des Revisionswerbers auseinandergesetzt und ist zu dem Schluss gekommen, dass dieser eine Bedrohung durch die Taliban aufgrund seiner früheren Tätigkeit nicht glaubhaft machen habe können. Insoweit die Revision unter Berufung auf einen EASO‑Bericht vorbringt, der Revisionswerber würde als (ehemaliger) Angestellter des Innenministeriums einem besonderen Risikoprofil unterliegen, entfernt sie sich vom festgestellten Sachverhalt, wonach der Revisionswerber nicht für das Innenministerium, sondern für ein Unternehmen gearbeitet hat, das als Subfirma eines Vertragspartners des Innenministeriums tätig wurde. Die Revision vermag nicht ausreichend darzulegen, dass die Beweiswürdigung, die auch mehrere Widersprüche im Fluchtvorbringen aufzeigt, unvertretbar erfolgt wäre.

14 Werden Verfahrensmängel als Zulassungsgründe ins Treffen geführt, so muss die Relevanz dieser Verfahrensmängel, weshalb also bei Vermeidung des Verfahrensmangels in der Sache ein anderes, für den Revisionswerber günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können, dargetan werden. Dies setzt voraus, dass jene Tatsachen dargestellt werden, die sich bei Vermeidung des Verfahrensfehlers als erwiesen ergeben hätten (vgl. VwGH 25.9.2019, Ra 2019/19/0037, mwN). Eine solche Relevanzdarstellung gelingt der Revision im Hinblick auf das Vorbringen, das BVwG habe es unterlassen, den vorgelegten Drohbrief auf seine Echtheit zu untersuchen, nicht, weil sich das BVwG in seiner Beurteilung des Fluchtvorbringens als unglaubwürdig nicht nur auf diesen Drohbrief gestützt hat. Die Revision macht zudem geltend, es liege ein gravierender Verfahrensfehler durch die aktenwidrige Feststellung, zwei Onkel des Revisionswerbers hielten sich in Kabul auf, vor. Hätte das BVwG richtigerweise festgestellt, dass der Revisionswerber über keinen familiären Rückhalt in Kabul verfüge, hätte es ihm eine Rückkehr dorthin nicht zumuten können. Die Revision übersieht dabei aber, dass das BVwG erkennbar davon ausging, dass dem Revisionswerber alternativ innerstaatliche Fluchtalternativen in Herat oder Mazar‑e Sharif zumutbar seien. Dass das BVwG diesbezüglich einer Fehlbeurteilung unterlegen wäre, wird durch die Revision nicht aufgezeigt.

15 In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

Wien, am 9. Jänner 2020

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