VwGH Ra 2019/19/0517

VwGHRa 2019/19/05179.1.2020

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zens sowie den Hofrat Dr. Pürgy und die Hofrätin Dr.in Lachmayer als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Schara, in der Revisionssache des G M, vertreten durch Mag. Dr. Bernhard Rosenkranz, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Plainstraße 23, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 22. Oktober 2019, W232 2177951- 1/13E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Normen

AsylG 2005 §3 Abs1
B-VG Art133 Abs4
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019190517.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger Afghanistans, der als schiitischer Moslem aufgewachsen ist, stellte am 30. Oktober 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Diesen begründete er zunächst mit Erbschafts- und Grundstücksstreitigkeiten zwischen seinem Vater und dessen Cousin. Im Laufe des Verfahrens brachte der Revisionswerber vor, er fühle sich dem Christentum zugehörig und eine Taufe sei in naher Zukunft geplant.

2 Mit Bescheid vom 13. November 2017 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag auf internationalen Schutz zur Gänze ab, erteilte dem Revisionswerber keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass die Abschiebung des Revisionswerbers nach Afghanistan zulässig sei. Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt.

3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht die dagegen erhobene Beschwerde nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

4 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Gemäß § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 5 In der Revision wird zur Begründung ihrer Zulässigkeit vorgebracht, das Bundesverwaltungsgericht sei von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen, weil es den entscheidungswesentlichen Sachverhalt nicht festgestellt habe. Zum maßgeblichen Sachverhalt bei Asylwerbern, die sich in Österreich dem Christentum zuwenden würden, gehöre die Beantwortung der Frage, welche Konsequenzen der Revisionswerber bei einer auch nur vorübergehenden Annahme des christlichen Glaubens bei einer Rückkehr nach Afghanistan zu befürchten habe. Das Bundesverwaltungsgericht habe viele Fragen zum Glauben des Revisionswerbers gestellt, die entscheidungswesentliche Frage, ob er in Afghanistan weiterhin seinen Glauben ausüben oder mit seinen Geschwistern über seinen christlichen Glauben sprechen würde, sei jedoch nicht gestellt worden. Erst wenn dem Revisionswerber diese Frage gestellt worden wäre, hätte er die Möglichkeit gehabt, überzeugend darzulegen, dass er in Afghanistan auf Grund seines Glaubens Verfolgung erleiden würde.

6 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt es bei der Beurteilung eines behaupteten Religionswechsels und der Prüfung einer Scheinkonversion auf die aktuell bestehende Glaubensüberzeugung des Konvertiten an, die im Rahmen einer Gesamtbetrachtung anhand einer näheren Beurteilung von Zeugenaussagen und einer konkreten Befragung des Asylwerbers zu seinen religiösen Aktivitäten zu ermitteln ist (vgl. VwGH 23.10.2019, Ra 2019/19/0376, mwN).

7 Maßgebliche Indizien für einen aus innerer Überzeugung vollzogenen Religionswechsel sind beispielsweise das Wissen über die neue Religion, die Ernsthaftigkeit der Religionsausübung, welche sich etwa in regelmäßigen Gottesdienstbesuchen oder sonstigen religiösen Aktivitäten manifestiert, eine mit dem Religionswechsel einhergegangene Verhaltensbzw. Einstellungsänderung des Konvertiten sowie eine schlüssige Darlegung der Motivation bzw. des auslösenden Moments für den Glaubenswechsel (VwGH 18.9.2019, Ra 2019/18/0239, mwN). 8 Im vorliegenden Fall hat sich das Bundesverwaltungsgericht - nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung, in der es sich einen persönlichen Eindruck von dem Revisionswerber verschafft und ihn zu seinen religiösen Aktivitäten befragt hat, und nach Würdigung eines vorgelegten Schreibens einer Pastoralassistentin - mit der behaupteten Konversion des Revisionswerbers auseinandergesetzt und ist zum Ergebnis gelangt, dass sich der Revisionswerber nicht ernsthaft aus innerer Überzeugung dem Christentum zugewendet habe und er seinem derzeitigen Interesse für den christlichen Glauben im Fall der Rückkehr nach Afghanistan nicht weiter nachkommen werde. Eine Unvertretbarkeit dieser Beweiswürdigung vermag die Revision nicht aufzuzeigen (vgl. zur eingeschränkten Prüfungsbefugnis des Verwaltungsgerichtshofes in Bezug auf die Beweiswürdigung etwa VwGH 23.10.2019, Ra 2019/19/0413, mwN).

9 Darüber hinaus bringt der Revisionswerber vor, der Antrag auf Einvernahme der Pastoralassistentin habe als Beweisthema angegeben, verfahrensrelevante Angaben zu machen, nämlich zur Ernsthaftigkeit des Glaubens des Revisionswerbers, zu seiner Bereitschaft, den christlichen Glauben auch in Afghanistan auszuüben, zu den Lerninhalten im Katechumenat sowie zu ihren Wahrnehmungen in Bezug auf die Traumatisierung des Revisionswerbers.

10 Hinsichtlich dieser - erst nach der mündlichen Verhandlung -

beantragten Einvernahme der Pastoralassistentin ist festzuhalten, dass das Bundesverwaltungsgericht von einer solchen mit näherer Begründung abgesehen hat. Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits klargestellt, dass es der einzelfallbezogenen Beurteilung des Verwaltungsgerichtes unterliegt, ob eine solche Beweisaufnahme notwendig ist. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG läge nur dann vor, wenn diese Beurteilung grob fehlerhaft erfolgt wäre und zu einem die Rechtssicherheit beeinträchtigenden unvertretbaren Ergebnis geführt hätte (vgl. VwGH 8.11.2018, Ra 2018/22/0138; 9.7.2019, Ra 2019/01/0155, jeweils mwN). Dass dies vorliegend der Fall wäre, zeigt die Revision mit ihrem Zulässigkeitsvorbringen nicht auf. 11 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 9. Jänner 2020

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