VwGH Ra 2019/18/0239

VwGHRa 2019/18/023918.9.2019

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer sowie den Hofrat Mag. Nedwed und die Hofrätin MMag. Ginthör als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Karlovits, LL.M., über die Revision des R A, vertreten durch die DLA Piper Weiss-Tessbach Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Schottenring 14, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 7. Mai 2019, Zl. W242 2184862-1/13E, betreffend eine Asylangelegenheit (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Normen

AsylG 2005 §3 Abs1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019180239.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Der Revisionswerber ist Staatsangehöriger Afghanistans und Angehöriger der Volksgruppe der Hazara. Er stellte am 30. November 2015 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz, den er im Wesentlichen damit begründete, in Afghanistan zum Christentum konvertiert und im Juli 2014 getauft worden zu sein. Er habe zuletzt als Student mit drei Personen in einem Zimmer in Kabul gelebt. Einer seiner Mitbewohner, ein gläubiger Muslim, sei ihm eines Tages in die Kirche gefolgt und habe bemerkt, dass er bete. Der Mitbewohner habe dem Revisionswerber gedroht, die Polizei zu rufen, weshalb dieser schließlich geflohen sei. Im Fall einer Rückkehr nach Afghanistan sei daher sein Leben in Gefahr.

2 Mit Bescheid vom 5. Jänner 2018 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl diesen Antrag ab, erteilte dem Revisionswerber keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nach § 57 Asylgesetz 2005, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei, und setzte eine Frist für die freiwillige Ausreise.

3 Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit dem angefochtenen Erkenntnis nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet ab. Die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG erklärte es für nicht zulässig.

4 Begründend erachtete das BVwG das Fluchtvorbringen und insbesondere die behauptete Konversion des Revisionswerbers als nicht glaubhaft. Es habe unter anderem wegen der vagen und lediglich oberflächlich gebliebenen Angaben in der mündlichen Verhandlung kein innerer Entschluss, nach dem christlichen Glauben zu leben, festgestellt werden können. Zudem habe sich der Revisionswerber in seinen Aussagen - wie in der angefochtenen Entscheidung näher dargestellt - mehrfach widersprochen. Auch eine konkrete und individuelle Verfolgung aufgrund seiner ethnischen Zugehörigkeit habe nicht festgestellt werden können. 5 Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die vorliegende außerordentliche Revision, die zu ihrer Zulässigkeit vorbringt, es seien maßgebliches Parteienvorbringen zur Konversion sowie der Umstand, dass "eine westliche Orientierung gerade in Bezug auf die Heimatprovinz angenommen" worden sei, außer Acht gelassen worden. Es seien ferner nur unzureichende Feststellungen zur Situation der Hazara und zur schiitischen Minderheit getroffen worden. Es sei nicht berücksichtigt worden, dass der Revisionswerber bei seiner Ankunft in Österreich gerade erst 20 Jahre alt gewesen sei. Im Übrigen sei der Aussage eines "Pfarrers" zu wenig Bedeutung zugemessen worden. Schon auf Basis der im angefochtenen Erkenntnis getroffenen Feststellungen zur Situation von Minderheiten in Afghanistan, zu "einem christlichen Glauben" und der angenommenen westlichen Orientierung hätte das BVwG zu dem Ergebnis gelangen müssen, dass dem Revisionswerber in Afghanistan asylrelevante Verfolgung drohe.

Mit diesem Vorbringen wird die Zulässigkeit der Revision nicht dargetan:

6 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 7 Bei der Beurteilung eines behaupteten Religionswechsels und der Prüfung einer Scheinkonversion kommt es auf die aktuell bestehende Glaubensüberzeugung des Konvertiten an, die im Rahmen einer Gesamtbetrachtung anhand einer näheren Beurteilung von Zeugenaussagen und einer konkreten Befragung des Asylwerbers zu seinen religiösen Aktivitäten zu ermitteln ist (vgl. VwGH 26.3.2019, Ra 2018/19/0603; 22.2.2018, Ra 2017/18/0426; 23.5.2017, Ra 2017/18/0028).

8 Maßgebliche Indizien für einen aus innerer Überzeugung vollzogenen Religionswechsel sind beispielsweise das Wissen über die neue Religion, die Ernsthaftigkeit der Religionsausübung, welche sich etwa in regelmäßigen Gottesdienstbesuchen oder sonstigen religiösen Aktivitäten manifestiert, eine mit dem Religionswechsel einhergegangene Verhaltensbzw. Einstellungsänderung des Konvertiten sowie eine schlüssige Darlegung der Motivation bzw. des auslösenden Moments für den Glaubenswechsel (VwGH 14.3.2019, Ra 2018/18/0441).

9 Fallbezogen setzte sich das BVwG mit dem vom Revisionswerber erstatteten Vorbringen zur Konversion auseinander, würdigte dieses und kam - nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung - in einer vertretbaren Beweiswürdigung zum Ergebnis, dass kein innerer Entschluss, nach dem christlichen Glauben zu leben, habe festgestellt werden können. Das BVwG begründete dies zusammengefasst mit Widersprüchlichkeiten und Unplausibilitäten des die behauptete Konversion betreffenden Fluchtvorbringens des Revisionswerbers, befragte auch zwei in der Kirche des Revisionswerbers tätige Zeugen und bezog die Ergebnisse dieser Beweisaufnahme in seine Beweiswürdigung mit ein.

10 Sofern die Revision vermeint, maßgebliches Parteienvorbringen im Zusammenhang mit der Konversion sei außer Acht gelassen worden, lässt sie gänzlich offen, welches konkrete Vorbringen vom BVwG übergangen worden sei, und es wird zudem nicht nachvollziehbar dargelegt, inwiefern sich der behauptete Verfahrensmangel für den Verfahrensausgang als relevant hätte erweisen können (vgl. zur erforderlichen Relevanzdarlegung von Verfahrensmängeln etwa VwGH 14.3.2018, Ra 2019/18/0068 bis 0072, mwN).

11 Dem Zulässigkeitsvorbringen, wonach im angefochtenen Erkenntnis unzureichende Feststellungen zur Situation der Hazara und der schiitischen Minderheit getroffen worden seien, ist zu entgegnen, dass die Länderfeststellungen des Erkenntnisses beide Themen durch Heranziehung hinreichend aktueller Quellen behandeln. Welche weiteren relevanten Feststellungen in diesem Zusammenhang zu treffen gewesen wären, vermag die Revision nicht aufzuzeigen. 12 Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass das BVwG weder von "einem christlichen Glauben" noch von einer "westlichen Orientierung" des Revisionswerbers ausging (vgl. zur "westliche Orientierung" als grundlegende und auch entsprechend verfestigte Änderung der Lebensführung, in der die Anerkennung, die Inanspruchnahme oder die Ausübung von Grundrechten zum Ausdruck kommt, die zu einem wesentlichen Bestandteil der Identität geworden ist, und die bei Rückkehr in den Herkunftsstaat nicht gelebt werden könnte, beispielsweise VwGH 1.2.2019, Ra 2018/18/0544). Vielmehr hielt das BVwG fest, dass der Revisionswerber, dessen Konversion zum Christentum gerade nicht als erwiesen festgestellt wurde, allein dadurch, dass er sich zuletzt in Europa aufgehalten und hier eine "westliche Lebensweise und Wertehaltung" kennengelernt habe, in Afghanistan keiner asylrelevanten Gefährdung ausgesetzt sei.

13 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 18. September 2019

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