VwGH Ra 2020/13/0012

VwGHRa 2020/13/00122.2.2023

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Büsser und den Hofrat MMag. Maislinger, die Hofrätinnen Dr. Reinbacher und Dr.in Lachmayer sowie den Hofrat Dr. Bodis als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Schramel, über die Revision des Magistrats der Stadt Wien (Magistratsabteilung 6 ‑ Rechnungs‑ und Abgabenwesen Dezernat Abgaben und Recht Landes‑ und Gemeindeabgaben) in 1080 Wien, Buchfeldgasse 6, 1. Stock, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 25. November 2019, Zl. RV/7400195/2019, betreffend Kommunalsteuer der Zeiträume 2012, 2013 und 2014 samt Säumniszuschlag (mitbeteiligte Partei: I GmbH in D, vertreten durch Beck & Partner Rechtsanwälte in 7000 Eisenstadt, Colmarplatz 1), zu Recht erkannt:

Normen

BAO §198
BAO §201 Abs4
BAO §217
BAO §217 Abs10
BAO §279 Abs1
BAO §3 Abs1
BAO §3 Abs2
BAO §3 Abs2 litd
BAO §93 Abs2
KommStG 1993 §11

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2023:RA2020130012.L00

 

Spruch:

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

1 Mit Bescheid vom 9. November 2018 schrieb der revisionswerbende Magistrat nach erfolgter GPLA (gemeinsame Prüfung lohnabhängiger Abgaben) der mitbeteiligten GmbH für die in ihrer Betriebsstätte in Wien gewährten Arbeitslöhne Kommunalsteuer samt Säumniszuschlag wie folgt vor:

„ZeitraumBemessungsgrundlage in EuroAbgabenbetrag in Euro

2012410.116,6512.303,50

20131.252.057,5737.561,73

2014110.404,673.312,14

--

--

Summe1.772.578,8953.177,37

Die Abgabe war bereits fällig!

Gleichzeitig wird gemäß §§ 217 und 217a der Bundesabgabenordnung ‑ BAO, BGBl. Nr. 194/1961, in der derzeit geltenden Fassung, wegen nicht fristgerechter Entrichtung der Kommunalsteuer ein Säumniszuschlag von Euro 1.053,89 auferlegt.“

2 Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde der Mitbeteiligten wies der Revisionswerber mit Beschwerdevorentscheidung ab. Die Mitbeteiligte stellte einen Vorlageantrag.

3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis hob das Bundesfinanzgericht den Bescheid des Revisionswerbers vom 9. November 2018 ersatzlos auf und sprach aus, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zulässig sei.

4 In der Begründung führte das Bundesfinanzgericht ‑ soweit hier wesentlich ‑ aus, gemäß § 11 Abs. 2 KommStG 1993 sei die Kommunalsteuer vom Unternehmer für jeden Kalendermonat selbst zu berechnen und bis zum 15. des darauffolgenden Monats (Fälligkeitstag) an die Gemeinde zu entrichten. Werde kein selbstberechneter Betrag der Abgabenbehörde bekannt gegeben oder erweise sich die Selbstberechnung als nicht richtig, habe gemäß § 11 Abs. 3 zweiter Satz KommStG 1993 die Festsetzung der Abgabe mit Abgabenbescheid zu erfolgen. Die zusammengefasste Festsetzung mehrerer Abgaben innerhalb derselben Abgabenart dürfe nach § 201 Abs. 4 BAO nur für ein Kalenderjahr erfolgen. Die Zusammenfassung dürfe lediglich Abgaben derselben Abgabenart umfassen. § 201 Abs. 4 BAO sei mangels speziellerer Regelung auch auf gemäß § 11 Abs. 3 KommStG 1993 erlassene Kommunalsteuerbescheide anzuwenden.

5 Mit dem Bescheid vom 9. November 2018 sei Kommunalsteuer für einen drei Jahre umfassenden Zeitraum und der davon berechnete Säumniszuschlag festgesetzt worden. Die Zusammenfassung von über ein Kalenderjahr hinausgehenden Abgabenansprüchen in einer Summe und die gleichzeitige Festsetzung eines davon berechneten Säumniszuschlags in einem Bescheid sei rechtswidrig. Der Revisionswerber hätte vielmehr für jedes Kalenderjahr einen gesonderten Bescheid erlassen und dementsprechend auch Säumniszuschläge gesondert für jedes Kalenderjahr in einem eigenen Bescheid festsetzen müssen.

6 Auch wenn das Verwaltungsgericht gemäß § 279 Abs. 1 BAO berechtigt sei, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung seine Anschauung an die Stelle jener der Abgabenbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern, aufzuheben oder die Beschwerde als unbegründet abzuweisen, sei die Änderungsbefugnis durch die Sache, also jene Angelegenheit, die den Inhalt des Spruchs erster Instanz gebildet habe, begrenzt. Daher dürfe ein Erkenntnis etwa nicht eine Abgabe erstmals oder eine andere Abgabe als im erstinstanzlichen Bescheid vorschreiben.

7 Das Verwaltungsgericht könne daher nicht einen Abgabenbescheid, der über Abgabenansprüche von drei Kalenderjahren zusammengefasst abspreche und gleichzeitig einen von der Gesamtsumme berechneten Säumniszuschlag festsetze, durch drei Abgabenbescheide und Bescheide über die Festsetzung von Säumniszuschlägen jeweils für eines dieser Kalenderjahre ersetzen.

8 Da der angefochtene Bescheid, mit dem Kommunalsteuer für den mehr als ein Kalenderjahr umfassenden Zeitraum vom 1. Jänner 2012 bis 31. Dezember 2014 und ein Säumniszuschlag für den gesamten Zeitraum festgesetzt worden sei, im Widerspruch zur gesetzlichen Regelung des § 201 Abs. 4 BAO stehe und in dieser Form nicht hätte ergehen dürfen, sei er ersatzlos aufzuheben.

9 Da sich die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheids unmittelbar aus § 201 Abs. 4 BAO ergebe, liege keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung vor, weshalb die Unzulässigkeit der ordentlichen Revision auszusprechen gewesen sei.

10 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Amtsrevision, zu deren Zulässigkeit u.a. vorgebracht wird, das angefochtene Erkenntnis entspreche nicht der maßgebenden Rechtslage und der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Dieser habe im Erkenntnis vom 21. Oktober 2015, 2012/13/0085, in der Sache selbst entschieden und die tabellenartige Aufstellung der Abgabenfestsetzung der Kommunalsteuer getrennt nach Kalenderjahren in einem Bescheid für mehrere Kalenderjahre bestätigt. Auch die Summenbildung der Bemessungsgrundlagen und der Abgabenbeträge der Kommunalsteuer habe der Verwaltungsgerichtshof als unschädlich erachtet. Selbst wenn die Säumniszuschläge für mehrere Kalenderjahre nicht in einer Gesamtsumme hätten festgesetzt werden dürfen, hätte das Bundefinanzgericht den Bescheid nicht ersatzlos beheben, sondern durch eine jährliche Festsetzung der Säumniszuschläge, allenfalls in getrennten Bescheiden, abändern müssen.

11 Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Durchführung des Vorverfahrens ‑ die Mitbeteiligte erstattete keine Revisionsbeantwortung ‑ erwogen:

12 Die Revision ist zulässig und begründet.

13 § 11 Kommunalsteuergesetz 1993, BGBl. Nr. 819/1993 idF BGBl. I Nr. 20/2009, lautet auszugsweise wie folgt:

„(1) Die Steuerschuld entsteht mit Ablauf des Kalendermonates, in dem Lohnzahlungen gewährt, Gestellungsentgelte gezahlt (§ 2 lit. b) oder Aktivbezüge ersetzt (§ 2 lit. c) worden sind. [...]

(2) Die Kommunalsteuer ist vom Unternehmer für jeden Kalendermonat selbst zu berechnen und bis zum 15. des darauffolgenden Monates (Fälligkeitstag) an die Gemeinde zu entrichten. [...]

(3) Erweist sich die Selbstberechnung des Unternehmers als nicht richtig oder wird die selbstberechnete Kommunalsteuer nicht oder nicht vollständig entrichtet, hat die Gemeinde einen Kommunalsteuerbescheid zu erlassen. [...]

[...]“

14 § 201 Abs. 4 Bundesabgabenordnung (BAO), BGBl. Nr. 194/1961 idF BGBl. I Nr. 97/2002, lautet:

„(4) Innerhalb derselben Abgabenart kann die Festsetzung mehrerer Abgaben desselben Kalenderjahres (Wirtschaftsjahres) in einem Bescheid zusammengefasst erfolgen.“

15 Nach § 279 Abs. 1 BAO hat das Verwaltungsgericht (außer in den Fällen des § 278 BAO) immer „in der Sache selbst“ mit Erkenntnis zu entscheiden. Es ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung seine Anschauung an die Stelle jener der Abgabenbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern, aufzuheben oder die Bescheidbeschwerde als unbegründet abzuweisen.

16 „Sache“ ist die Angelegenheit, die den Inhalt des Spruchs erster Instanz gebildet hat (vgl. mit Nachweisen aus der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes Ritz/Koran, BAO7, § 279 Rz 10).

17 Inhalt des Spruchs des Bescheids erster Instanz war unzweifelhaft die Festsetzung der Kommunalsteuer für Zeiträume von Anfang 2012 bis Ende 2014 samt Säumniszuschlägen bezogen auf diese Abgaben. Mit der Sache des konkreten Verfahrens wird auch der Rahmen für die Abänderungsbefugnis im Rechtsmittelverfahren festgelegt (vgl. etwa VwGH 26.5.2021, Ra 2020/13/0073). Im Rahmen dieser „Sache“ war es somit Aufgabe des Bundesfinanzgerichts, allfällige Rechtswidrigkeiten zu prüfen und die Aussprüche gegebenenfalls abzuändern. Der Umstand, dass die Festsetzung dieser Abgaben in einem einzigen Bescheiddokument erfolgte, rechtfertigt keine ersatzlose Behebung (vgl. dazu Ritz/Koran, aaO Rz 5 f) dieses Bescheids. Schon aus diesem Grund erweist sich das angefochtene Erkenntnis als rechtswidrig.

18 Darüber hinaus ist aber zu bemerken, dass § 201 Abs. 4 BAO u.a. die zusammengefasste Festsetzung der Kommunalsteuer für mehrere oder alle Monate eines Kalenderjahres in einer Summe ermöglicht, ohne dass die monatlich geschuldeten Abgabenbeträge im Bescheid gesondert angeführt werden müssten.

19 Dementsprechend hat der Revisionswerber im Bescheid vom 9. November 2018 die Kommunalsteuer für die Monate Jänner bis Dezember 2012 zusammengefasst in einer Summe für den Zeitraum 2012 festgesetzt. Ebenso erfolgte in diesem Schriftstück die Festsetzung der Kommunalsteuer für die Monate Jänner bis Dezember 2013 zusammengefasst in einer Summe für den Zeitraum 2013 sowie für die Monate Jänner bis Dezember 2014 für den Zeitraum 2014.

20 § 201 Abs. 4 BAO schließt die Kombination isoliert rechtskräftiger Bescheide in einem Sammelbescheid nicht aus (vgl. VwGH 3.9.2008, 2005/13/0033).

21 Da der Revisionswerber im Bescheid vom 9. November 2018 die Kommunalsteuer (einschließlich der jeweiligen Bemessungsgrundlage) für die Zeiträume 2012, 2013 und 2014 betragsmäßig getrennt ausgewiesen und damit gesondert festgesetzt hat, liegt ‑ entgegen der Ansicht des Bundesfinanzgerichts ‑ keine § 201 Abs. 4 BAO widersprechende zusammengefasste Festsetzung der Kommunalsteuer für mehrere Kalenderjahre vor. Der Umstand, dass im Sammelbescheid auch eine Summenbildung der Bemessungsgrundlagen und der Abgabenbeträge erfolgt ist, führt zu keiner anderen Beurteilung (vgl. zu einer solchen Fallkonstellation VwGH 21.10.2015, 2012/13/0085).

22 Säumniszuschläge gehören zu den Nebenansprüchen iSd § 3 Abs. 2 BAO und stellen nach Abs. 1 der zitierten Bestimmung Abgaben dar. Sie sind mit Abgabenbescheid (§ 198 BAO) geltend zu machen. Auch Bescheide über Säumniszuschläge können Teil eines Sammelbescheids sein (vgl. VwGH 13.11.1985, 85/13/0057).

23 Nach der Bagatellregelung des § 217 Abs. 10 iVm § 217a BAO sind Säumniszuschläge zu Landes- und Gemeindeabgaben, die den Betrag von fünf Euro nicht erreichen, nicht festzusetzen. Dies gilt für Selbstberechnungsabgaben, wie die Kommunalsteuer, mit der Maßgabe, dass die Summe der Säumniszuschläge für Nachforderungen gleichartiger, jeweils mit einem Abgabenbescheid geltend gemachter Abgaben maßgebend ist.

24 Bei in einem Bescheid zusammengefasst festgesetzten Selbstberechnungsabgaben (§ 201 Abs. 4 BAO) sind daher die Säumniszuschläge für die Anwendbarkeit der Bagatellgrenze zusammenzurechnen (vgl. Ritz/Koran, BAO7, § 217 Rz 73).

25 Diese Regelung spricht, ebenso wie der Umstand, dass es sich bei Säumniszuschlägen um Nebengebühren der Abgaben (§ 3 Abs. 2 lit. d BAO) handelt, dafür, dass die Säumniszuschläge für zusammengefasst festgesetzte Abgaben im Bescheid in einer Summe ausgewiesen werden können (vgl. zu solchen Fallkonstellationen etwa VwGH 28.5.2008, 2005/15/0155; 13.11.1985, 85/13/0057). Im revisionsgegenständlichen Fall genügt daher der gesonderte Ausweis der Säumniszuschläge für die Kommunalsteuer der Zeiträume 2012, 2013 und 2014 jeweils in einer Summe.

26 Es wäre somit die Aufgabe des Bundesfinanzgerichts gewesen, den Sammelbescheid vom 9. November 2018 abzuändern und die Säumniszuschläge für die Zeiträume 2012, 2013 und 2014 (unter Ausweis der Bemessungsgrundlagen) jeweils gesondert festzusetzen.

27 Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Wien, am 2. Februar 2023

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