VwGH 2012/13/0085

VwGH2012/13/008521.10.2015

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fuchs und die Hofräte Dr. Nowakowski, MMag. Maislinger und Mag. Novak sowie die Hofrätin Dr. Reinbacher als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Fries, über die Beschwerde der A Aktiengesellschaft in W, vertreten durch die KPMG Alpen-Treuhand GmbH Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft in 1090 Wien, Porzellangasse 51, gegen den Bescheid der Abgabenberufungskommission der Stadt Wien vom 27. Juni 2012, Zl. ABK-133/11, betreffend Kommunalsteuer für die Jahre 2003 bis 2008 und Säumniszuschlag, zu Recht erkannt:

Normen

KommStG 1993 §10;
KommStG 1993 §4 Abs1;
KommStG 1993 §6;
KommStG 1993 §7 Abs1;
KommStG 1993 §10;
KommStG 1993 §4 Abs1;
KommStG 1993 §6;
KommStG 1993 §7 Abs1;

 

Spruch:

Der Beschwerde wird Folge gegeben. Der angefochtene Bescheid wird dahingehend abgeändert, dass er zu lauten hat:

"Gemäß § 11 Abs. 3 Kommunalsteuergesetz 1993 wird der A Aktiengesellschaft die Kommunalsteuer für die in der Betriebsstätte in Wien gewährten Arbeitslöhne wie folgt vorgeschrieben:

Zeitraum

Bemessungsgrundlage in EUR

Abgabenbetrag in EUR

   

2003

766.626,07

22.998,78

2004

1,237.177,00

37.115,31

2005

1,181.810,39

35.454,31

2006

88,109.307,30

2,643.279,22

2007

83,554.634,78

2,506.639,04

2008

87,490.532,29

2,624.715,97

Summe

262,340.087,83

7,870.202,63

   

Die Abgabe war bereits fällig.

Wegen nicht fristgerechter Entrichtung eines Teilbetrages von EUR 20.904,29 wird gemäß §§ 217 und 217a BAO ein Säumniszuschlag von EUR 418,09 auferlegt."

Die Stadt Wien hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Schreiben an die Stadt Wien vom 19. August 2010 ersuchte die beschwerdeführende Partei, Rechtsnachfolgerin einer Aktiengesellschaft in Wien, die im Streitzeitraum Dienstnehmer beschäftigt hatte, um Erlassung eines Kommunalsteuerbescheides für die Jahre 2003 bis 2008. Sie führte dazu aus, sie sei im Anschluss an eine gemeinsame Prüfung aller lohnabhängigen Abgaben mit Kontonachricht vom 9. August 2010 aufgefordert worden, für die Streitjahre Kommunalsteuer in der Höhe von EUR 530.987,39 nachzuzahlen, und ziehe diese Nachforderung sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach in Zweifel.

Der Magistrat der Stadt Wien setzte die Kommunalsteuer für die Jahre 2003 bis 2008 mit Bescheid vom 16. September 2010 mit insgesamt EUR 8,380.285,73 fest und verhängte einen Säumniszuschlag hinsichtlich des nicht entrichteten Teilbetrages.

In ihrer dagegen erhobenen Berufung bestritt die beschwerdeführende Partei die der Nachforderung im Wesentlichen zugrunde liegende Annahme der Kommunalsteuerpflicht in Bezug auf Dienstnehmer, die zwar in aufrechter arbeitsvertraglicher Bindung zur beschwerdeführenden Partei stünden, aber mehrjährig jeweils an ausländische Konzernunternehmen ausschließlich für deren geschäftseigene Zwecke - bei vollständiger Einstellung jeglicher Leistung für den arbeitsrechtlichen Arbeitgeber in Österreich - überlassen worden seien. Diese Mitarbeiter seien in der ausländischen Konzerngesellschaft jeweils "voll betriebsintegriert (hierarchisch eingegliedert), somit betriebsfunktional während dieser Jahre ausschließlich der ausländischen Gesellschaft zurechenbar". Sie unterlägen "arbeitsbezogen ausschließlich den Erfordernissen bzw Weisungen der ausländischen Gesellschaft, die auch zur Gänze mit Gehältern und Gehaltsnebenkosten wirtschaftlich belastet ist (der österreichische arbeitsrechtliche Arbeitsgeber fakturiert diese Kosten an die ausländische Gesellschaft)".

Ihr weiteres Vorbringen zu diesem Streitpunkt gliederte die beschwerdeführende Partei in eine "Hauptlinie", wonach die strittigen Dienstnehmer keiner inländischen Betriebsstätte zurechenbar seien, und eine "Nebenlinie", wonach selbst dann, wenn sie einer Inlandsbetriebsstätte zurechenbar blieben, die Kommunalsteuerpflicht nach sechs Monaten enden müsse.

Zur "Hauptlinie" wurde vorgebracht, die Erläuterungen der Regierungsvorlage zum Kommunalsteuergesetz 1993 hätten auf ältere Zurechnungskriterien verwiesen. Danach komme es auf die funktionelle Zugehörigkeit zu einer im Inland gelegenen Betriebsstätte an, an der es in Bezug auf die strittigen Dienstnehmer fehle. Dem wahren wirtschaftlichen Gehalt nach seien sie "im ausländischen Betrieb bei einem ausländischen Unternehmen" tätig gewesen. Der durch das Kommunalsteuergesetz verfolgte Zweck liege darin, den durch die Betriebsstätte einer inländischen Gemeinde verursachten Lasten Rechnung zu tragen. Zur Erreichung dieses Ziels werde die Abgabe nach den Arbeitslöhnen bemessen, "die sich auf die Aktivität einer Betriebsstätte in der Gemeinde beziehen". Auch daraus ergebe sich, "dass im Ausland in einer ausländischen Betriebsstätte erarbeitete und dort lastende Löhne keine Bemessungsgrundlage für die Kommunalsteuer sein können".

Als "Nebenlinie" legte die beschwerdeführende Partei dar, im Falle einer Überlassung von Personen zur Arbeitsleistung gehe die Berechtigung zur Erhebung der Kommunalsteuer gemäß § 7 Abs. 1 Kommunalsteuergesetz 1993 nach sechs Monaten auf die Gemeinde über, in der sich die Unternehmensleitung des Beschäftigers befinde. Befinde sich die Unternehmensleitung des Beschäftigers im Ausland, so müsse dies - auch unter der bestrittenen Voraussetzung, dass die Dienstnehmer weiterhin einer Inlandsbetriebsstätte zurechenbar seien - das Ende der Kommunalsteuerpflicht bedeuten.

Darüber hinaus wandte sich die beschwerdeführende Partei unter Hinweis auf ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes gegen die Einbeziehung von Bonusmeilen in die Bemessungsgrundlagen.

Mit Berufungsvorentscheidung vom 21. April 2011 gab der Magistrat der Stadt Wien der Berufung nur in Bezug auf diesen zweiten Streitpunkt statt.

Im dagegen eingebrachten Vorlageantrag brachte die beschwerdeführende Partei - neben Kritik an der Begründung der Berufungsvorentscheidung - ergänzend vor, wenn die Tätigkeit eines aus dem Ausland entsandten Dienstnehmers in einer Inlandsbetriebsstätte die Kommunalsteuerpflicht begründe, dann bedeute dies "zwingend" den Wegfall der Zurechenbarkeit zur Inlandsbetriebsstätte und damit der Kommunalsteuerpflicht im umgekehrten Fall. Ergänzend wurde auch vorgebracht, die beschwerdeführende Partei teile die in einer Auskunft des Bundesministeriums für Finanzen "vom 16.12.2005 (SWI 2006, 54)" vertretene Ansicht, im Falle der "Vermietung" von Arbeitskräften arbeiteten diese in Betriebsstätten des Beschäftigers, nicht aber in solchen des Gestellers (Anmerkung: diese Auskunft, EAS 2682, richtig vom 14. Dezember 2005, bezog sich auf Art. 5 Abs. 1 des OECD-Musterabkommens zur Vermeidung von Doppelbesteuerung). Dies sei "auch für das Kommunalsteuerrecht zutreffend".

Schließlich beantwortete die beschwerdeführende Partei mit Schreiben vom 24. August 2011 noch Fragen der belangten Behörde zur Tätigkeit der betroffenen Mitarbeiter in den ausländischen Konzerngesellschaften. Es handle sich um eine vertraglich festgehaltene Arbeitskräfteüberlassung und die Mitarbeiter seien unter Gesichtspunkten der Berichtspflicht, der Festsetzung der Arbeitszeiten, der verpflichtenden Teilnahme an Besprechungen, der Urlaubsvereinbarung, der Meldung anderer Abwesenheiten, der Bereitstellung der Betriebsmittel und eines Arbeitsplatzes sowie der Weisungsbefugnis jeweils voll (funktional und hierarchisch) in den Geschäftsbetrieb des ausländischen Unternehmens integriert. Dass sie nach den Maßstäben des § 47 Abs. 1 und 2 EStG 1988 auch nicht mehr Dienstnehmer der Rechtsvorgängerin der beschwerdeführenden Partei gewesen seien, machte diese im Verwaltungsverfahren nicht geltend.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung nur im Umfang der Berufungsvorentscheidung statt. Sie stellte folgenden Sachverhalt als unstrittig fest:

"Die betroffenen Dienstnehmer standen in einem Dienstverhältnis zur Berufungswerberin. Sie erhielten ihr Entgelt direkt von der Berufungswerberin. Es bestanden Arbeitskräfteüberlassungsverträge im Rahmen derer, Dienstnehmer in anderen selbstständigen Unternehmen im Ausland, die dem selben Konzern wie die Berufungswerberin angehörten, beschäftigt wurden.

Die Dienstnehmer waren in ausländischen Betriebsstätten ausländischer Unternehmen tätig. Die geleisteten Entgeltzahlungen wurden der Berufungswerberin von den ausländischen Unternehmen ersetzt."

In rechtlicher Hinsicht verwies die belangte Behörde auf den Bericht des Finanzausschusses zu § 2 lit. a und b Kommunalsteuergesetz 1993 in der für den Streitzeitraum maßgeblichen Fassung (859 BlgNR 21. GP ), auf Ausführungen von Mühlberger/Ott, Handbuch zur Kommunalsteuer, 2006, 355 ff, und "der Vollständigkeit halber" auf Rz 104, 179 und 209 der "Information des Bundesministeriums für Finanzen zum Kommunalsteuergesetz" vom 25. Oktober 2010.

Zur "Hauptlinie" in der Argumentation der beschwerdeführenden Partei führte die belangte Behörde daran anschließend aus, ein Abstellen auf die funktionelle Zugehörigkeit der Dienstnehmer sei "für den vorliegenden Fall somit irrelevant". Für den "gegenständlichen Fall der Arbeitskräfteüberlassung in einem Konzernunternehmen" sei auch das auf den Zweck der Kommunalsteuer bezogene Vorbringen "nicht zielführend".

Der "Nebenlinie" im Vorbringen der beschwerdeführenden Partei trat die belangte Behörde mit dem Hinweis entgegen, § 7 Abs. 1 Kommunalsteuergesetz 1993 sehe keinen Wechsel des Kommunalsteuerschuldners "und schon gar nicht einen Entfall der Kommunalsteuer" nach sechs Monaten vor, sondern nur einen Wechsel in der Erhebungsberechtigung, der bei Arbeitskräfteüberlassungen ins Ausland "nicht zum Tragen" komme.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen hat:

Die §§ 1, 2, 4, 6 und 7 des Kommunalsteuergesetzes 1993 lauten in ihrer für den Streitzeitraum maßgeblichen Fassung auszugsweise:

"§ 1. Der Kommunalsteuer unterliegen die Arbeitslöhne, die jeweils in einem Kalendermonat an die Dienstnehmer einer im Inland (Bundesgebiet) gelegenen Betriebsstätte des Unternehmens gewährt worden sind.

§ 2. Dienstnehmer sind:

a) Personen, die in einem Dienstverhältnis im Sinne des § 47 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes 1988 stehen, sowie an Kapitalgesellschaften beteiligte Personen im Sinne des § 22 Z 2 des Einkommensteuergesetzes 1988.

b) Personen, die nicht von einer inländischen Betriebsstätte (§ 4) eines Unternehmens zur Arbeitsleistung im Inland überlassen werden, insoweit beim Unternehmer, dem sie überlassen werden.

(...)

§ 4. (1) Als Betriebsstätte gilt jede feste örtliche Anlage oder Einrichtung, die mittelbar oder unmittelbar der Ausübung der unternehmerischen Tätigkeit dient. § 29 Abs. 2 und § 30 der Bundesabgabenordnung sind sinngemäß mit der Maßgabe anzuwenden, daß bei Eisenbahn- und Bergbauunternehmen auch Mietwohnhäuser, Arbeiterwohnstätten, Erholungsheime und dergleichen als Betriebsstätten gelten.

(...)

§ 6. Steuerschuldner ist der Unternehmer, in dessen Unternehmen die Dienstnehmer beschäftigt werden. Werden Personen von einer inländischen Betriebsstätte eines Unternehmens zur Arbeitsleistung überlassen, ist der überlassende Unternehmer Steuerschuldner. (...)

§ 7. (1) Das Unternehmen unterliegt der Kommunalsteuer in der Gemeinde, in der eine Betriebsstätte unterhalten wird. Werden Personen von einer inländischen Betriebsstätte eines Unternehmens einem Beschäftiger länger als sechs Kalendermonate zur Arbeitsleistung überlassen, so ist die Gemeinde, in der sich die Unternehmensleitung des Beschäftigers befindet, für Zeiträume nach Ablauf des sechsten Kalendermonates erhebungsberechtigt. Im Falle einer Arbeitsunterbrechung, die länger als einen Kalendermonat dauert, beginnt die Frist nach Ablauf des Kalendermonates der Beendigung der Arbeitsunterbrechung neu zu laufen. Wird eine neue Sechsmonatsfrist in Gang gesetzt, bleibt die bisherige Gemeinde

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