VwGH Ra 2019/06/0004

VwGHRa 2019/06/000429.3.2021

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Köhler und die Hofrätinnen Mag.a Merl und Dr.in Sembacher als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Schreiber BA, in der Revisionssache des R M in R, vertreten durch die Rechtsanwälte Mandl GmbH in 6800 Feldkirch, Churerstraße 3/II, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Vorarlberg vom 25. Oktober 2018, Zl. LVwG‑318‑30/2018‑R17, betreffend Bauangelegenheiten (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Berufungskommission der Marktgemeinde Rankweil; weitere Partei: Vorarlberger Landesregierung), den Beschluss gefasst:

Normen

BauG Vlbg 2001 §40 Abs1 idF 2017/047
BauRallg
RPG Vlbg 1996 §18 Abs3
VwRallg

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2021:RA2019060004.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Vorarlberg (LVwG) wurde der Beschwerde des Revisionswerbers gegen den Bescheid der Berufungskommission der Marktgemeinde R vom 25. April 2018, mit dem seine Berufung gegen den Bescheid des Bürgermeisters der Marktgemeinde R vom 24. Februar 2017 über die Versagung näher genannter baurechtlicher Bewilligungen gemäß § 28 Abs. 3 (Vorarlberger) Baugesetz 2001, LGBl. Nr. 52/2001, (BauG 2001) iVm § 18 Abs. 3 (Vorarlberger) Raumplanungsgesetz, LGBl. Nr. 39/1996, (RPG), (Spruchpunkt I.) und über einen Auftrag zur Wiederherstellung des rechtmäßigen Zustandes auf diesen Liegenschaften (Spruchpunkt II.) abgewiesen worden war, nach Durchführung einer Verhandlung keine Folge gegeben. Die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG erklärte das LVwG für unzulässig.

2 In seiner Begründung hielt das LVwG ‑ soweit für das Revisionsverfahren von Relevanz ‑ fest, der Revisionswerber sei Alleineigentümer der GSt.‑Nrn. A, B, C und D, und verfüge seit dem Jahr 2004 über die Bewilligung zur Errichtung von jeweils einer Unterstellhütte für Mutterkühe und Kälber, wobei die Vorderfronten der Hütten nunmehr zur Gänze mit zahlreichen Strohballen verschlossen worden seien. Die Vorderfront der Hütte am GSt.‑Nr. E, das im Eigentum der C K stehe, habe der Revisionswerber mit zwei Containern, die auf einem Anhänger stünden, verschlossen. Der Revisionswerber habe den Bauantrag zu GSt.‑Nr. E zurückgezogen, über die Berufung betreffend den Antrag zu GSt.‑Nr. C sei von der Berufungskommission noch nicht entschieden worden. In allen Hütten würden seit einigen Jahren Pensionspferde gegen Entgelt eingestellt. Der Revisionswerber fahre einmal täglich zu den Hütten, füttere die Pferde, miste aus und schaue nach dem Rechten. Alle Grundstücke seien im rechtsgültigen Flächenwidmungsplan als „Freifläche‑Landwirtschaft“ ausgewiesen. Der Revisionswerber betreibe eine Landwirtschaft auf den Liegenschaften mit den GSt‑Nrn. F und D, bewirtschafte insgesamt 15 ha an Flächen, halte selbst zwei Pferde sowie 80,80 Großvieheinheiten. Aus dem im Jahr 2016 erstellten Betriebsplan, zuletzt revidiert am 6. Oktober 2016, mit dem Ausgangsjahr 2016 und dem Zieljahr 2018 lasse sich ein Konzept der betrieblichen Entwicklung (mit und ohne Pensionspferdehaltung) ableiten, dem die Umfänge der Tätigkeiten sowie deren Verhältnis zueinander zu entnehmen seien. Die geplanten Gebäude seien räumlich entfernt vom Betriebsstandort, 89% des Futters für die Pferde werde zugekauft. Die Gebäude seien für den Betrieb des Revisionswerbers nicht notwendig, ihre Baukosten wesentlich höher als für ein größeres Gebäude am Betriebsstandort, den Baukosten für vier dezentrale Hütten in Höhe von € 290.518 stünden Kosten in Höhe von € 256.196 für einen zentralen Stall für 24 Pferde gegenüber. Die Verstreuung der geplanten Gebäude erhöhe auch die Fixkosten.

3 Rechtlich führte das LVwG aus, das Einstellen von Pferden stelle keine land‑ und forstwirtschaftliche Nutzung im Sinne des § 18 Abs. 3 RPG dar, ebenso kein Nebengewerbe die Land‑ und Forstwirtschaft im Sinne der Gewerbeordnung, sondern eine gewerbliche Tätigkeit. Auch liege keine organisatorisch eng verbundene Erscheinungsform vor. Schon aus diesem Grund sei die baurechtliche Bewilligung zu versagen. Selbst wenn man davon ausginge, dass eine bodenabhängige land- und forstwirtschaftliche Nutzung im Sinne des § 18 Abs. 3 RPG vorliege bzw. der Begriff „Nebengewerbe“ des § 18 Abs. 3 RPG dynamisch auszulegen sei, sei die Bewilligung nicht zu erteilen. Die Errichtung der Gebäude sei für die land‑ und forstwirtschaftliche Nutzung im Nebenerwerb nicht notwendig. Dabei sei ein strenger Maßstab anzulegen, um eine Umgehung der Bestimmung zur Flächenwidmung zu umgehen. Das eingereichte Projekt sei vom Sachverständigen anhand des Betriebskonzeptes geprüft worden. Diese Prüfung habe ergeben, dass die Errichtung von vier dezentralen Gebäuden nicht zweckmäßig und nicht notwendig sei. Die Errichtung einer zentralen Stallung verringere die Fixkosten und den Arbeitsaufwand. Aus betriebswirtschaftlicher Sicht liege mit der Schaffung einer zentralen Stallung zumindest eine gleichartige oder bessere Möglichkeit im Sinne der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vor. Die zuletzt beantragten Baubewilligungen seien zu Recht versagt worden. Infolge der Zurückziehung des Bauantrags zu GSt.‑Nr. E sowie aufgrund der noch offenen Entscheidung der Berufungskommission zu GSt.‑Nr. C sei Spruchpunkt I. entsprechend anzupassen gewesen.

Zur Wiederherstellung des rechtmäßigen Zustandes führte das LVwG aus, dass dies die Hütten auf den GSt.‑Nrn. B, E, C und D betreffe, die mit offenen Vorderfronten bewilligt, jedoch mittlerweile mit Strohballen bzw. Containern auf Anhängern verschlossen worden wären. Weder dieser Verschluss noch die Verwendungsänderung zur Einstellung von Pensionspferden sei durch eine Bewilligung gemäß § 18 Abs. 1 lit. a bzw. lit. c BauG 2001 gedeckt. Der Beschwerde sei deshalb keine Folge zu geben, der Auftrag zur Wiederherstellung gemäß § 40 Abs. 1 lit. b BauG 2001 idF LGBl. Nr. 47/2017 zu bestätigen. Es seien auch nur sehr geringe bauliche Maßnahmen zur Wiederherstellung notwendig, weshalb eine Frist von einem Monat ausreiche.

4 Gegen diese Erkenntnis wendet sich die vorliegende außerordentliche Revision, die zu ihrer Zulässigkeit vorbringt, das LVwG sei von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur amtswegigen Ermittlungspflicht abgewichen und habe den Sachverhalt zum täglichen Aufwand, zu den Baukosten und zum Betriebsplan nur unzureichend ermittelt. Weiters sei das LVwG von näher bezeichneter Rechtsprechung zum Kärntner Gemeindeplanungsgesetz abgewichen und habe verkannt, dass die vom Revisionswerber angestrebte Nutzung den Zielen des Raumplanungsgesetzes entspreche, nicht aber ein kompletter Neubau neben dem Hof des Revisionswerbers. Auch sei das LVwG von der Judikatur zur Wiederherstellung des rechtmäßigen Zustands abgegangen, indem es übersehen habe, dass die Berufung im Hinblick auf das GSt‑Nr. C noch nicht entschieden worden sei. Schließlich fehle es an Rechtsprechung zur Frage, „ob bei der Auslegung der von § 18 Abs. 3 RPG verwendeten Begriffe ‚landwirtschaftliche Nutzung‘ und ‚Nebengewerbe der Landwirtschaft‘ im Sinne der Erläuternden Bemerkungen zu dieser Bestimmung als auch im Sinne des verfassungsgesetzlich gebotenen bundesstaatlichen Rücksichtsnahmegebotes auch die jeweiligen Definitionen in § 2 Abs. 3 und 4 Gewerbeordnung 1994“ zu beachten seien.

5 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

6 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

7 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

8 Zu den in der Revision geltend gemachten Verfahrensmängeln ‑ hier Ermittlungsmängel und Feststellungsmängel ‑ ist festzuhalten, dass die Zulässigkeit einer Revision unter Berufung auf einen Verfahrensmangel voraussetzt, dass auch die Relevanz des Mangels für den Verfahrensausgang dargetan wird, das heißt, dass es abstrakt möglich sein muss, im Falle eines mängelfreien Verfahrens zu einer anderen ‑ für den Revisionswerber günstigeren ‑ Sachverhaltsgrundlage zu gelangen (vgl. etwa VwGH 15.9.2016, Ra 2016/06/0103, oder auch VwGH 24.10.2017, Ra 2017/06/0191, jeweils mwN). Diesen Anforderungen entspricht die vorliegende Revision nicht, weil sie nicht ansatzweise aufzeigt, welche Ergebnisse bei der Durchführung weiterer Ermittlungen zu erwarten gewesen wären und inwieweit diese das Ergebnis des angefochtenen Erkenntnisses beeinflusst hätten (vgl. etwa VwGH 1.6.2017, Ra 2017/06/0094; VwGH 25.1.2018, Ra 2017/06/0257; auch VwGH 27.3.2018, Ra 2015/06/0118, jeweils mwN).

9 Soweit sich das Zulässigkeitsvorbringen gegen die Feststellungen des Verwaltungsgerichts betreffend die fehlende Erforderlichkeit der Unterstände im Sinn der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum Begriff der Erforderlichkeit für die land‑ und forstwirtschaftliche Nutzung wendet, ist Folgendes auszuführen:

10 Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits festgehalten, dass zur Beantwortung der Frage, ob eine in Landwirtschaftsgebieten nach § 18 Abs. 3 RPG geplante Baulichkeit für die land‑ und forstwirtschaftliche Nutzung notwendig ist, der Bauwerber im Rahmen des eingereichten Bauprojektes die geplante land‑ und forstwirtschaftliche Nutzung konkret darzulegen hat. An die hiefür maßgeblichen Kriterien ist ein strenger Maßstab anzulegen, weil verhindert werden soll, dass die Bestimmungen über die Flächenwidmung dadurch umgangen werden, dass jemand lediglich einem Hobby und nicht einer zumindest nebenberuflichen landwirtschaftlichen Tätigkeit nachgeht und auf diese Weise die für die Landwirtschaft bestimmten Grundflächen zersiedelt. Dies bedeutet, dass es in jedem Fall konkreter Feststellungen darüber bedarf, ob einerseits ein land- und/oder forstwirtschaftlicher Betrieb vorliegt, und wenn ja, ob die bauliche Maßnahme im projektierten Umfang für die bestimmungsgemäße Nutzung notwendig ist. In diesem Zusammenhang hat der Verwaltungsgerichtshof wiederholt auf das Erfordernis eines Betriebskonzeptes hingewiesen (vgl. VwGH 20.9.2012, 2012/06/0083). Maßgeblich ist dabei, ob das geplante Gebäude nach den Erfordernissen einer zeitgemäßen Landwirtschaft zur Grünlandnutzung im Rahmen der zu beurteilenden Landwirtschaft geboten scheint; auch dafür ist allerdings ein Betriebskonzept erforderlich (vgl. erneut VwGH 19.01.2010, 2009/05/0079). Dass das LVwG in seiner Alternativbegründung von dieser Rechtsprechung abgegangen wäre, legt die Revision mit ihrem Vorbringen nicht dar. Das LVwG hat sich mit dem vorgelegten, zum Entscheidungszeitpunkt aktuellen Betriebskonzept auseinandergesetzt, den bestehenden land- und forstwirtschaftlichen Betrieb mit dem beabsichtigten Betriebszweig in Relation gesetzt und ist nachvollziehbar zum Schluss gekommen, dass im vorliegenden Fall keine Notwendigkeit für die vier dezentralen Unterstände im Sinne der oben genannten Rechtsprechung zu § 18 Abs. 3 RPG besteht.

11 Es liegt insofern eine tragfähige Alternativbegründung vor, gegen die in den Revisionszulässigkeitsgründen nichts Konkretes vorgebracht wird (vgl. etwa VwGH 29.3.2017, Ra 2017/05/0021, mwN), weshalb schon aus diesem Grund eine Auseinandersetzung mit dem Revisionsvorbringen zur fehlenden Rechtsprechung hinsichtlich der Auslegung der Begriffe der „landwirtschaftlichen Nutzung“ und des „Nebengewerbes der Landwirtschaft“ in § 18 Abs. 3 RPG sowie § 2 Abs. 2 und 3 GewO 1994 unterbleiben konnte (vgl. zudem zu den Voraussetzungen der Darlegung eines Fehlens an Rechtsprechung etwa VwGH 28.6.2016, Ra 2016/06/0071, mwN).

12 Soweit das Abgehen von der Rechtsprechung zur Wiederherstellung des rechtmäßigen Zustandes infolge der noch nicht erfolgten Entscheidung der Berufungskommission über den Bauantrag zum GSt.‑Nr. C behauptet wird, bezieht sich die Revision offenbar auf die vor der Novelle LGBl. Nr. 47/2017 geltende Rechtslage, wonach maßgebliche Voraussetzung für die Erteilung eines Auftrages zur Herstellung des rechtmäßigen Zustandes die nicht fristgerechte Erfüllung der zuvor erfolgten behördlichen Aufforderung, einen Bauantrag zu stellen bzw. eine Bauanzeige einzubringen, oder die Versagung der Baubewilligung bzw. Untersagung der Bauanzeige war. § 40 Abs. 1 BauG 2001 in der im Revisionsfall anzuwendenden Fassung LGBl. Nr. 47/2017 sieht nach seinem insoweit klaren Wortlaut hingegen ein Ermessen der Baubehörde vor, ob eine solche Aufforderung, einen Bauantrag zu stellen bzw. eine Bauanzeige einzubringen, oder eine sofortige Verfügung der Herstellung des rechtmäßigen Zustandes ergehen soll (vgl. VwGH 11.5.2020, Ra 2020/06/0106 mit Verweis auf die Erläuterungen zur besagten Novelle, RV 33 BlgLT XXX. GP). Das LVwG stützt den Auftrag zur Wiederherstellung des rechtmäßigen Zustandes auf § 40 Abs. 1 lit. b BauG 2001 idF LGBl. Nr. 47/2017, somit auf die Möglichkeit zur sofortigen Verfügung der Herstellung des rechtmäßigen Zustandes. Dazu führt die Revision nichts aus und legt somit auch dazu keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung dar.

13 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 29. März 2021

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