VwGH Ra 2019/05/0115

VwGHRa 2019/05/01159.8.2022

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Mag. Dr. Zehetner und den Hofrätinnen Mag. Liebhart‑Mutzl und Drin Sembacher als Richterinnen, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kieslich, in der Revisionssache der S GmbH in W, vertreten durch die SHMP Schwartz Huber‑Medek Pallitsch Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Hohenstaufengasse 7, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich vom 22. Mai 2019, LVwG‑AV‑1279/001‑2018 und LVwG‑AV‑1281/001‑2018, betreffend eine Angelegenheit nach der NÖ Bauordnung 2014 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Stadtrat der Stadtgemeinde K; mitbeteiligte Parteien: 1. Dr. J R, 2. Mag. B R, 3. Ing. E K, 4. Ing. C K, 5. Dr. C S, 6. A S und 7. Dr. G S, alle in K und vertreten durch Mag. Ender Bozkurt, Rechtsanwalt in 1190 Wien, Sickenberggasse 10; weitere Partei: Niederösterreichische Landesregierung), den Beschluss gefasst:

Normen

AVG §66 Abs4
B-VG Art133 Abs4
VwGG §34 Abs1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2022:RA2019050115.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die revisionswerbende Partei hat der Stadtgemeinde K Aufwendungen in der Höhe von € 553,20 und den zweit- bis achtmitbeteiligten Parteien Aufwendungen in der Höhe von insgesamt € 1.106,40 jeweils binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich (LVwG) die Beschwerde der revisionswerbenden Partei gegen den Bescheid des Stadtrates der Stadtgemeinde K. (belangte Behörde) vom 22. August 2018, mit dem dieser im innergemeindlichen Instanzenzug zwei der revisionswerbenden Partei für die geplante Errichtung einer Wohnhausanlage auf näher bezeichneten Grundstücken der KG K. erteilte Baubewilligungen, jeweils vom 13. April 2017, gemäß § 66 Abs. 4 AVG behoben hatte, als unbegründet ab (1.) und erklärte eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG für unzulässig (2.).

2 Begründend führte es dazu, soweit hier relevant, zusammengefasst aus, für die beiden verfahrensgegenständlichen Baubewilligungsbescheide liege nur ein Bauansuchen vor. Am 25. Mai 2016 habe die revisionswerbende Partei (deren Firmenbezeichnung zwischenzeitlich mehrmals geändert worden sei) bei der Baubehörde der Stadtgemeinde K. die Erteilung der Baubewilligung für die Errichtung einer Wohnhausanlage mit 20 Wohneinheiten, einer Tiefgarage mit 27 PKW‑Stellplätzen, Geländeveränderungen und Außenanlagen auf dem Grundstück Nr. 2452/6, KG K. beantragt. Für dieses Grundstück sei im Bebauungsplan der Stadtgemeinde K. die Bauklasse I und II, eine 40%ige Bebauungsdichte sowie die offene oder gekuppelte Bebauungsweise angeordnet. Bei der durchgeführten Bauverhandlung seien von Nachbarn zahlreiche Einwendungen erhoben worden. Am 23. September 2016 seien abgeänderte Einreichunterlagen übermittelt worden, in welchen eine Reduktion der Anzahl der KFZ‑Stellplätze in der Tiefgarage auf einen Stellplatz pro Wohnung vorgesehen gewesen sei. Mit Beschluss des Bezirksgerichtes K. vom 16. Jänner 2017 sei vom Baugrundstück Nr. 2452/6 ein neu geschaffenes Grundstück Nr. 2452/15 abgetrennt worden. Am 19. Jänner 2017 seien der Baubehörde geänderte Einreichunterlagen vorgelegt worden. Gemäß deren abgeänderter Baubeschreibung sollten beide geplanten Baukörper an die jeweiligen Nachbargebäude gekoppelt und eine gemeinsame unterirdische Garage errichtet werden. Zur Gemeinschaftsgarage werde beim Wohnhaus S‑Gasse 9‑11 auf Grst. Nr. 2452/6 ausgeführt, dass 11 Stellplätze für 11 Wohnungen hergestellt würden, „zusätzlich“ würden „9 Stellplätze für Wohnhaus 13‑15 hergestellt“. Beim Wohnhaus S-Gasse 13‑15 auf Grst. Nr. 2452/15 werde (in der Baubeschreibung) ausgeführt, dass 9 Stellplätze für 9 Wohnungen „im Haus S[...]gasse 9‑11 sichergestellt“ seien. Gemäß des näher bezeichneten technischen Berichtes, welcher Bestandteil der Einreichunterlagen sei, plane die Bauwerberin die Errichtung einer neuen Wohnhausanlage in der S‑Gasse 9‑11 und S‑Gasse 13‑15. Das neu zu errichtende Projekt gliedere sich in zwei Gebäudeteile, die durch ein gemeinsames Kellergeschoss verbunden seien. In diesem seien die Tiefgarage, Einlagerungsräume, Haustechnikräume, Erschließungsgänge, Treppenhäuser sowie die Heizungsanlage und die Müllräume für die gesamte Anlage geplant. Die Einreichpläne enthielten für das Haus S-Gasse 13‑15 einen Teil des verbundenen, gemeinsamen Untergeschosses mit Abstellräumen, Stiegenhaus, Aufzug und Müllräumen für dieses Haus mit einem Durchgang zur gemeinsamen Tiefgarage; für das Untergeschoss des Hauses S‑Gasse 9‑11 enthielten die Einreichpläne ebenfalls Abstellräume, Stiegenhaus, Aufzug und Müllräume für dieses Haus, Technikräume für die gesamte Wohnhausanlage (Heizung) sowie einen Durchgang zur gemeinsamen Tiefgarage. Auch die gemeinsame ‑ die neue Grundstücksgrenze überschreitende ‑ Tiefgarage für 20 PKW-Abstellplätze mit Garageneinfahrt und Durchgang zum Haus S‑Gasse 13‑15 sei im Einreichplan für das Untergeschoss des Hauses S‑Gasse 9‑11 dargestellt. Mit Schreiben vom 2. März 2017 habe die Baubehörde den Nachbarn mitgeteilt, dass das Baugrundstück S‑Gasse 9‑15, Grst. Nr. 2452/6 (alt), geteilt worden sei; es sei somit pro Baukörper ein Bauplatz geschaffen worden.

3 Mit Bescheid der Baubehörde der Stadtgemeinde K. vom 13. April 2017 sei der Bauwerberin aufgrund ihres Ansuchens vom 25. Mai 2016 die baubehördliche Bewilligung für die Errichtung der näher beschriebenen Wohnhausanlage S‑Gasse 9‑11 mit 11 Wohneinheiten, Tiefgarage als unterirdische bauliche Anlage (über die Grundstücksgrenze auch auf dem Grundstück Nr. 2452/15), 11 PKW‑Stellplätzen, Geländeveränderungen sowie Außenanlagen auf Grst. Nr. 2452/6 erteilt worden. Mit weiterem Bescheid der Baubehörde, ebenfalls vom 13. April 2017, sei der Bauwerberin die baubehördliche Bewilligung für die Errichtung der näher beschriebenen Wohnhausanlage S‑Gasse 13‑15 mit 9 Wohneinheiten, 9 PKW‑Stellplätzen, Geländeveränderungen sowie Außenanlagen auf Grst. Nr. 2452/15 erteilt worden.

4 Aufgrund von Berufungen der zweit-bis achtmitbeteiligten Parteien gegen diese beiden Baubewilligungsbescheide seien diese mit Bescheid der belangten Behörde vom 22. August 2018 gemäß § 66 Abs. 4 AVG mit dem Argument behoben worden, es liege eine Unteilbarkeit des Bauvorhabens vor, was zur Unzulässigkeit der Erlassung getrennter Baubewilligungsbescheide über das Bauansuchen vom 25. Mai 2016 führe. Durch die von der Baubehörde gewählte Vorgangsweise, nämlich die Erlassung getrennter Baubewilligungsbescheide, sei über eine andere, vom Antrag der Bauwerberin nicht umfasste Sache entschieden worden.

5 In seiner rechtlichen Beurteilung hielt das LVwG zur Abweisung der Beschwerde der Bauwerberin gegen den Berufungsbescheid vom 22. August 2018 fest, mit den beiden in Rede stehenden Baubewilligungen der Baubehörde erster Instanz sei jeweils ein Teil des mit Bauansuchen vom 25. Mai 2016 eingereichten Projektes S‑Gasse 9‑15 bewilligt worden. Jeweils unter Darstellung einschlägiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Antragsbedürftigkeit der Baubewilligung, zum Projektgenehmigungsverfahren zum Bauwerberwillen sowie zur grundsätzlichen Unteilbarkeit eines Bauvorhabens führte es weiter aus, obwohl seitens der Bauwerberin die Bewilligung eines ungeteilten Bauvorhabens beantragt worden sei, seien seitens der Baubehörde erster Instanz zwei Baubewilligungen erteilt worden, ohne dass zwei darauf gerichtete Bauansuchen vorgelegen wären. Eine Abweichung vom Grundsatz der Unteilbarkeit eines Bauvorhabens sei nur dann zulässig, wenn sich das Vorhaben in mehrere selbständig trennbare Bestandteile zerlegen lasse; die Rechtmäßigkeit einer gesonderten Baubewilligung für einen Teil eines Bauvorhabens setze auch dessen gesonderte Bewilligungsfähigkeit voraus. Durch eine Baubewilligung werde eine Verpflichtung zur Bauausführung nicht begründet, woraus fallbezogen folge, die Bauwerberin könne nur einen Teil des Bauvorhabens errichten und auf die Ausführung der anderen, gesondert bewilligten Teile verzichten. Im Falle einer Untrennbarkeit des Projektes würden sich Teilbewilligungen somit als rechtswidrig erweisen. Gegenständlich sei eine Trennung des mit Bauansuchen vom 25. Mai 2016 eingereichten Gesamtbauvorhabens in die von der Baubehörde gesondert bewilligten Projekte nicht möglich und zulässig, das Bauvorhaben vom 25. Mai 2016 sei unteilbar, die Erlassung getrennter Baubewilligungsbescheide sei unzulässig (wird näher ausgeführt, Verweis u.a. auf gemeinsame Anlagen wie Tiefgarage, Technikräume, Heizanlage). Durch die beiden Baubewilligungsbescheide der Baubehörde erster Instanz sei letztlich über ein „aliud“, über eine von der Bauwerberin nicht beantragte Sache entschieden worden. Zu den beiden, lediglich von der Baubehörde erster Instanz angenommenen, voneinander nicht trennbaren Bauvorhaben lägen weder Baubewilligungsanträge vor, noch sei dazu eine mündliche Bauverhandlung durchgeführt worden. Von der Baubehörde seien zwei antragslose Baubewilligungen erteilt worden, wozu deren Zuständigkeit nicht bestanden habe; (auch) hinsichtlich der Verletzung von Nachbarrechten sei maßgeblich, dass eine Baubewilligung nicht antragslos ergehen dürfe (Verweis auf näher bezeichnete Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes). Die infolge fehlender Baubewilligungsanträge für die bewilligten Teilprojekte bestehende Unzuständigkeit der Baubehörde erster Instanz sei daher von der Berufungsbehörde von Amts wegen wahrzunehmen gewesen; die Zuständigkeit der Berufungsbehörde sei durch zulässige Berufungen von Nachbarn begründet worden. Aufgrund dieser zulässigen Nachbarberufungen sei die Berufungsbehörde berechtigt gewesen, die fehlende Zuständigkeit der Baubehörde erster Instanz von Amts wegen aufzugreifen, die antragslos erteilten Baubewilligungen aus dem Rechtsbestand auszuscheiden und ersatzlos zu beheben, weshalb die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde der Bauwerberin abzuweisen gewesen sei. Die in der Beschwerde geforderte Sachentscheidung über das Bauansuchen vom 25. Mai 2016 sei weder für die Berufungsbehörde noch für das LVwG in Betracht gekommen, da Verfahrensgegenstand ausschließlich die Frage der Zuständigkeit der Baubehörde erster Instanz gewesen sei und diese über das Bauansuchen als Gesamtprojekt noch keinen Bescheid erlassen habe. Mit Aufhebung der beiden antragslos erteilten Baubewilligungen jeweils vom 13. April 2017 sei das Bauansuchen vom 25. Mai 2016 nicht abgewiesen worden, die Bauwerberin habe nach wie vor einen Rechtsanspruch auf Entscheidung über diesen auf Erteilung einer Baubewilligung für das gesamte Bauvorhaben gerichteten und bisher unerledigten Antrag.

6 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.

7 Die belangte Behörde und die zweit-bis achtmitbeteiligten Parteien (letztere gemeinsam) erstatteten jeweils eine Revisionsbeantwortung.

8 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

9 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden.

10 Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichthof nur im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. Der Verwaltungsgerichtshof ist weder verpflichtet, Gründe für die Zulässigkeit einer Revision anhand der übrigen Revisionsausführungen gleichsam zu suchen, noch berechtigt, von Amts wegen erkannte Gründe, die zur Zulässigkeit einer Revision hätten führen können, aufzugreifen (vgl. etwa VwGH 29.1.2020, Ra 2019/05/0311, mwN).

11 Die Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit zusammengefasst vor, ob die Rechtsauffassung des LVwG, dass das Bauvorhaben nicht teilbar sei, zutreffe, könne dahinstehen, weil die belangte Behörde über Berufungen von Nachbarn mit eingeschränktem Mitspracherecht zu entscheiden hatte; die Prüfungsbefugnis der belangten Behörde und des LVwG sei auf jene Fragen beschränkt, hinsichtlich derer ein Mitspracherecht der Nachbarn bestehe. Die durch das LVwG angenommene Unzuständigkeit der Baubehörde erster Instanz und eines „aliuds“ sei rechtlich verfehlt, das LVwG sei insoweit von (nicht näher dargestellter) Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen. Liege „dem erstinstanzlichen Bescheid“ außerdem ein Parteiantrag zugrunde, komme eine „bloße Kassation“ durch die Berufungsbehörde nicht in Betracht, es sei der Parteiantrag zu erledigen. Darüber hinaus sei die Annahme des LVwG, „bei der gegebenen Verfahrenskonstellation“ liege eine Unzuständigkeit der Baubehörde erster Instanz vor, in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bisher nicht geklärt worden und in der Rechtsprechung „zu anderen Gesetzen“ unterschiedlich gelöst worden.

12 Die Revision ist unzulässig.

13 Zum Zulässigkeitsvorbringen, gegenständlich sei über Berufungen von Parteien mit eingeschränktem Mitspracherecht im Baubewilligungsverfahren, nämlich von Nachbarn, zu entscheiden gewesen, weshalb die Frage der Teilbarkeit des Bauvorhabens dahinstehen könne, genügt es, auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hinzuweisen, wonach der Nachbar einen Anspruch darauf hat, dass eine Baubewilligung nicht ohne (entsprechenden) Antrag erteilt wird (vgl. etwa VwGH 9.10.2020, Ra 2020/05/0201; 30.1.2014, 2012/05/0045, oder auch 10.9.2008, 2007/05/0107, jeweils mwN). Dass die zweit- bis achtmitbeteiligten Parteien im Verfahren vor der Baubehörde erster Instanz zulässige Nachbareinwendungen betreffend das Bauprojekt erhoben haben, wird von der Revision nicht in Abrede gestellt; da sie dadurch ihre Parteistellung im weiteren Verfahren gewahrt haben, war entgegen der Auffassung der revisionswerbenden Partei sowohl für die Berufungsbehörde als auch für das LVwG beachtlich, ob die erteilten Baubewilligungen antragslos ergingen oder nicht.

14 Hinsichtlich der übrigen von der Revision in der Zulässigkeitsbegründung angesprochenen Fragen wird weder dargestellt noch ist für den Verwaltungsgerichtshof erkennbar, inwiefern eine über eine Einzelfallbeurteilung hinausgehende Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG vorliegen sollte:

15 Sowohl die Frage der Trennbarkeit von Teilen eines Bauvorhabens als auch die Frage, ob ein bestimmtes Bauvorhaben ein „aliud“ darstellt, unterliegt nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes grundsätzlich der einzelfallbezogenen Beurteilung des Verwaltungsgerichts. Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung könnte in diesem Zusammenhang nur dann vorliegen, wenn diese Beurteilung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen worden wäre (vgl. etwa VwGH 7.7.2021, Ra 2021/06/0075; 30.9.2021, Ro 2018/06/0013, 0014; 19.4.2021, Ra 2021/05/0053; oder auch 22.2.2021, Ra 2021/05/0018, jeweils mwN).

16 Im Revisionsfall hat sich das LVwG in der Begründung des angefochtenen Erkenntnisses eingehend mit der Frage auseinandergesetzt, aus welchen Gründen das gegenständlich als Gesamtbauvorhaben eingereichte Bauprojekt ein unteilbares Ganzes darstellt und ist unter Bezugnahme auf den konkreten Sachverhalt und einschlägige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes mit ausführlicher Begründung zu dem Ergebnis gekommen, dass mit den von der Baubehörde erster Instanz erteilten, unterschiedlichen Baubewilligungen ‑ unzuständigerweise ‑ jeweils ein rechtliches „aliud“ gegenüber dem beantragten Projekt bewilligt wurde. Dass sich das LVwG bei dieser Beurteilung von den Leitlinien des Verwaltungsgerichtshofes entfernt hätte und ihm dabei ein krasser, die Rechtssicherheit beeinträchtigender Fehler unterlaufen wäre, zeigt die Revision in ihren Zulässigkeitsgründen weder auf, noch ist dies im Hinblick auf die konkrete Sachverhaltskonstellation ersichtlich.

17 Zur behaupteten Abweichung des angefochtenen Erkenntnisses von der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 28 VwGVG legt die Revision darüber hinaus nicht konkret bezogen auf den Sachverhalt unter Angabe zumindest einer nach Datum und Geschäftszahl bezeichneten Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes dar, von welcher hg. Rechtsprechung ihrer Ansicht nach das LVwG in welchen Punkten abgewichen sein soll (vgl. etwa VwGH 3.12.2021, Ra 2020/05/0248, mwN).

18 Wenn die Revision abschließend vorbringt, dass keine bzw. keine einheitliche Rechtsprechung dazu bestehe, ob bei der gegebenen Verfahrenskonstellation eine Unzuständigkeit der Behörde erster Instanz vorliege, ist ihr zu erwidern, dass nach der ständigen Rechtsprechung ein Bescheid rechtswidrig und von der Berufungsbehörde gemäß § 66 Abs. 4 AVG ersatzlos zu beheben ist, wenn ein antragsbedürftiger Bescheid von der Behörde erster Instanz ohne Vorliegen eines hierfür erforderlichen Antrages erlassen wurde. In diesem Fall hat die Unterinstanz eine ihr nicht zukommende Zuständigkeit in Anspruch genommen, das heißt eine Entscheidung getroffen, die von vornherein unzulässig war, weshalb von der Berufungsbehörde ‑ um den rechtmäßigen Zustand herzustellen ‑ eine kassatorische Sachentscheidung zu fällen ist (vgl. dazu etwa Hengstschläger/Leeb, AVG [2007] § 66 AVG Rz 102 mwH auf die hg. Rechtsprechung). Auch das Vorbringen, eine „bloße Kassation“ durch die Berufungsbehörde sei vorliegend nicht in Betracht gekommen, geht daher ins Leere.

19 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.

20 Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH‑Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 9. August 2022

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