VwGH Ra 2021/05/0018

VwGHRa 2021/05/001822.2.2021

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bayjones und den Hofrat Dr. Moritz sowie die Hofrätin Mag. Liebhart‑Mutzl als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Wölfl, über die Revision der L GmbH in W, vertreten durch die Onz, Onz, Kraemmer, Hüttler Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Schwarzenbergplatz 16, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich vom 10. November 2020, LVwG‑AV‑1442/001‑2019, betreffend Aufhebung eines baubehördlichen Berufungsbescheides wegen Unzuständigkeit (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Stadtrat der Stadtgemeinde G; mitbeteiligte Parteien: 1. G A in W und 117 weitere mitbeteiligte Parteien; weitere Partei: Niederösterreichische Landesregierung), den Beschluss gefasst:

Normen

AVG §13 Abs8
B-VG Art133 Abs4
VwGG §34 Abs1

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2021:RA2021050018.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

2 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

3 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

4 Mit Bescheid vom 10. Jänner 2019 wies die Bürgermeisterin der Stadtgemeinde G. einen Baubewilligungsantrag der revisionswerbenden Partei auf Errichtung einer Badebungalow-Siedlung mit insgesamt acht Häusern samt PKW‑Abstellplätzen auf einem näher bezeichneten Grundstück der KG G. wegen Widerspruchs zur Bebauungsweise und anderen baurechtlichen Bestimmungen ab (Spruchpunkt I.) und schrieb der revisionswerbenden Partei Verfahrenskosten in näher bezeichneter Höhe vor (Spruchpunkt II.).

5 Die revisionswerbende Partei erhob gegen diesen Bescheid Berufung und legte im Zuge des Berufungsverfahrens modifizierte Einreichunterlagen vor.

6 Mit Bescheid der belangten Behörde vor dem Verwaltungsgericht vom 8. August 2019 gab diese der Berufung der revisionswerbenden Partei hinsichtlich Spruchpunkt II. des erstinstanzlichen Bescheides statt und hob die Kostenvorschreibung ersatzlos auf. Hinsichtlich des Spruchpunktes I. des erstinstanzlichen Bescheides gab die belangte Behörde der Berufung wegen des weiterhin bestehenden Widerspruches zu den Bebauungsbestimmungen keine Folge.

7 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich (in der Folge: LVwG) der von der revisionswerbenden Partei gegen den Berufungsbescheid erhobenen Beschwerde teilweise Folge und änderte den Berufungsbescheid dahingehend ab, dass der Berufung der revisionswerbenden Partei auch insoweit Folge gegeben wurde, als der Spruchpunkt I. des erstinstanzlichen Bescheides vom 10. Jänner 2019 ersatzlos behoben wurde (Spruchpunkt 1.). Im Übrigen wies das LVwG die Beschwerde als unbegründet ab (Spruchpunkt 2.) und sprach aus, dass gegen dieses Erkenntnis eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zulässig sei (Spruchpunkt 3.). Unter einem fasste das LVwG den verfahrensrechtlichen Beschluss, dass die im Berufungsverfahren und im Beschwerdeverfahren vorgelegten geänderten Einreichunterlagen gemäß §§ 17 und 31 Abs. 1 VwGVG iVm § 6 Abs. 1 AVG zuständigkeitshalber an die Bürgermeisterin der Stadtgemeinde G. zur Entscheidung weitergeleitet werden (4.) und sprach aus, dass gegen diesen Beschluss gemäß § 25a Abs. 3 VwGG eine abgesonderte Revision nicht zulässig sei (5.).

8 In den Zulässigkeitsgründen der dagegen erhobenen außerordentlichen Revision wird ausgeführt, das LVwG weiche von näher bezeichneter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu Projektänderungen im Berufungsverfahren ab. Die gegenständlich vorgenommenen Projektmodifikationen berührten nicht die Nachbarrechte der mitbeteiligten Parteien im Sinne des § 6 Abs. 2 der Niederösterreichischen Bauordnung 2014 (NÖ BO 2014). Die durch das LVwG herangezogene Judikatur aus dem Betriebsanlagenrecht könne auf den vorliegenden Fall nicht angewendet werden, da allfällige Emissionen, die vom Betrieb des Parkliftes verursacht würden, nicht Gegenstand des Baubewilligungsverfahrens seien (Verweis auf § 48 zweiter Satz zweiter Spiegelstrich leg. cit.). Sollte nicht eindeutig feststehen, dass eine im Berufungsverfahren unzulässige Projektänderung, die im Sinne der vom LVwG herangezogenen Judikaturlinie „nachteilige Veränderungen für andere Beteiligte“ mit sich bringe, nur dann vorliege, „wenn eine Verschlechterung im Hinblick auf die subjektiv‑öffentliche Rechte der Berufungswerber zumindest denkbar“ sei, sei der Zulässigkeitsgrund des Fehlens einschlägiger Judikatur erfüllt. „Gegebenenfalls“ sei zu klären, ob sich die vom LVwG herangezogene Judikaturlinie lediglich auf Fälle einer zumindest denkbaren Beeinträchtigung von Nachbarrechten beziehe, oder ob sie auch dann zur Anwendung komme, wenn irgendwelche sonstigen nachteiligen Auswirkungen, die von Amts wegen zu prüfen seien, nicht von vorneherein ausgeschlossen werden könnten.

9 Die Frage, ob ein bestimmtes Bauvorhaben ein „aliud“ darstellt oder nicht bzw. ob eine Projektmodifikation die Sache ihrem Wesen nach ändert, unterliegt grundsätzlich der einzelfallbezogenen Beurteilung des Verwaltungsgerichtes; eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung läge in diesem Zusammenhang nur dann vor, wenn diese Beurteilung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen worden wäre (vgl. etwa VwGH 22.9.2020, Ra 2020/05/0169, 0170, oder auch 3.2.2021, Ra 2021/05/0006, mwN).

10 Im Revisionsfall hat sich das LVwG in der Begründung des angefochtenen Erkenntnisses ausführlich mit der Frage auseinandergesetzt, aus welchen Gründen es davon ausgegangen ist, dass durch die von der revisionswerbenden Partei im Berufungsverfahren eingereichte Projektmodifikation die Sache ihrem Wesen nach geändert wurde. Dabei ist das LVwG unter Verweis auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, wonach Änderungen eines Bauvorhabens im Zuge des Berufungsverfahrens jedenfalls unzulässig sind, wenn eine gravierende Änderung der Baukörper nach Lage und Zahl erfolgt und es sich nicht um eine Verkleinerung der Bausubstanz handelt (vgl. VwGH 21.2.1989, 88/05/0205, 0206, mwN), zu dem Ergebnis gekommen, dass jede der beiden im Berufungsverfahren eingereichten Änderungen (nämlich zum einen eine Verbindung aller projektierten Häuser durch jeweils näher beschriebene Verbindungsgänge, sodass insgesamt statt von acht nur noch von einem Gebäude auszugehen ist, und zum anderen die Schaffung eines zusätzlichen unterirdischen Raumes mit einer Kubatur von in etwa 124 m³ mit elektrisch betriebener Liftanlage als zusätzliche unterirdische Abstellfläche für KFZ) für sich genommen als im Berufungsverfahren unzulässige wesentliche Änderung der „Sache“ zu qualifizieren ist, und dies umso mehr für eine Kombination der beiden Änderungen gelten müsse.

11 Dem tritt die revisionswerbende Partei in den Revisionszulässigkeitsgründen nicht entgegen und zeigt schon deshalb auch nicht auf, dass diese einzelfallbezogene Beurteilung des LVwG in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen worden wäre (vgl. nochmals VwGH 22.9.2020, Ra 2020/05/0169, 0170, oder auch 3.2.2021, Ra 2021/05/0006, mwN). Da sich das LVwG unter Verweis auf die ‑ bestehende ‑ einschlägige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Abgrenzung von im Rechtsmittelverfahren noch zulässigen Projektänderungen zu solchen, durch die der ursprüngliche Verfahrensgegenstand seinem Wesen nach unzulässig verändert wird, nicht entscheidungsrelevant darauf gestützt hat, dass ein „aliud“ nur vorläge, wenn eine zusätzliche Beeinträchtigung von Nachbarrechten denkbar wäre, geht das allein auf dieses Argument abzielende Zulässigkeitsvorbringen ins Leere.

12 Im Übrigen hat der Verwaltungsgerichtshof wiederholt ausgesprochen, dass der Revisionswerber im Fall der Behauptung einer Abweichung von der Rechtsprechung konkret darzulegen hat, dass der der gegenständlich angefochtenen Entscheidung zugrunde liegende Sachverhalt einer der von ihm ins Treffen geführten hg. Entscheidungen gleicht, das Verwaltungsgericht im gegenständlichen Fall dennoch anders entschieden hat und es damit von der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen ist, wobei die bloße Wiedergabe von Rechtssätzen zu verschiedenen hg. Entscheidungen nicht ausreicht (vgl. dazu etwa VwGH 27.11.2020, Ra 2020/05/0230, oder auch 24.6.2020, Ra 2019/05/0055). Dieser Anforderung genügt die gegenständliche Zulässigkeitsbegründung nicht.

13 In der Revision werden damit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 22. Februar 2021

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