VwGH Ra 2018/09/0110

VwGHRa 2018/09/011025.10.2018

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Rosenmayr und die Hofräte Dr. Doblinger, Dr. Hofbauer, Mag. Feiel sowie die Hofrätin Mag. Rossmeisel als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Schachner, über die außerordentliche Revision des Bundesdenkmalamtes gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 25. Mai 2018, Zl. W195 2188290-1/7E, betreffend Teilunterschutzstellung nach § 1 Abs. 8 des Denkmalschutzgesetzes (mitbeteiligte Partei: D N in W, vertreten durch Stipanitz-Schreiner & Partner Rechtsanwälte GbR in 8010 Graz, Zimmerplatzgasse 13), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §58 Abs2 impl;
AVG §58;
AVG §59 Abs1 impl;
AVG §59 Abs1;
AVG §60 impl;
AVG §60;
AVG §66 Abs4;
AVG §8;
B-VG Art132 Abs1 Z1;
B-VG Art133 Abs4;
DMSG 1923 §1 Abs1;
DMSG 1923 §1 Abs2;
DMSG 1923 §1;
DMSG 1923 §3;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwGVG 2014 §17;
VwGVG 2014 §27;
VwGVG 2014 §28;
VwGVG 2014 §29 Abs1;
VwGVG 2014 §9;
VwRallg;

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018090110.L00

 

Spruch:

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

1 Das Bundesdenkmalamt (die im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht belangte Behörde) stellte mit Bescheid vom 22. Jänner 2018 fest, dass die Erhaltung eines näher bezeichneten viergeschossigen Wohn- und Geschäftshauses in Graz - mit Ausnahme der Wohnungen im ersten, zweiten und dritten Obergeschoss sowie im Dachgeschoss - gemäß §§ 1 und 3 Denkmalschutzgesetz (DMSG) im Sinne einer Teilunterschutzstellung gemäß § 1 Abs. 8 DMSG im öffentlichen Interesse gelegen sei.

2 Der gegen diesen Bescheid von der Mitbeteiligten, der Eigentümerin des verfahrensgegenständlichen Hauses, erhobenen Beschwerde gab das Bundesverwaltungsgericht insoweit Folge als der Spruch zu lauten habe, dass die Erhaltung der Außenfassade Richtung K-Kai sowie der nördlichen Außenfassade als Ganzes, die im Kellergeschoss, die im Erdgeschoss sowie die in der im ersten Obergeschoss östlich gelegenen Wohnung befindlichen Stichkappentonnen und Kreuzgratgewölbe, das Stiegenhaus (einschließlich der Holztürrahmung in klassizistischer Form als Eingang zum Theatersaal), der über zwei Geschosse (erster und zweiter Stock) reichende Theatersaal (mit Ausnahme der im Bühnenbereich gelegenen Stahlkonstruktion (Aufgang)), die ins Dachgeschoss führende Holztreppe sowie der zweischiffige Dachstuhl gemäß §§ 1 und 3 DMSG im Sinne einer Teilunterschutzstellung gemäß § 1 Abs. 8 leg. cit. im öffentlichen Interesse gelegen sei. Im Weiteren erklärte das Verwaltungsgericht die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig.

3 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision des Bundesdenkmalamtes.

4 Das Verwaltungsgericht legte die Verwaltungsakten vor. Die Mitbeteiligte erstattete eine Revisionsbeantwortung, worin sie die Zurückweisung in eventu die Abweisung der Revision begehrte.

 

5 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

6 Gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes ist nach Art. 133 Abs. 4 B-VG die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

7 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes nach § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

8 Die Revision ist zulässig und es kommt ihr auch Berechtigung zu, wenn darin - unter Hinweis auf Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes - ein (unauflösbarer) Widerspruch zwischen Spruch und Begründung, eine Überschreitung des Beschwerdegegenstandes durch Ausweitung der Teilunterschutzstellung sowie Begründungsmängel moniert werden.

9 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt eine Auslegung des Spruches eines Bescheides nach dessen Begründung nur in jenen Fällen in Betracht, in denen der Spruch für sich allein Zweifel an seinem Inhalt offen lässt. Eine Umdeutung (oder Ausweitung) eines klar gefassten Spruches an Hand der Begründung des Bescheides kommt nicht in Betracht. Ist der Spruch des Bescheides eindeutig, dann kommt der Begründung eine den Inhalt des Bescheides modifizierende Wirkung nicht zu. Selbst ein Widerspruch der Begründung zum Spruch ist unerheblich, wenn nach dem Wortlaut des Spruches eines Bescheides über dessen Inhalt kein Zweifel herrschen kann. Eine über den formalen Spruchinhalt hinausgehende Gesamtbetrachtung von Spruch und Begründung findet ihre Grenze dann, wenn der formale Spruchinhalt durch Ausführungen im Begründungsteil nicht ergänzt bzw. komplettiert wird, sondern mit diesem in Widerspruch gerät (vgl. VwGH 29.9.2015, 2013/05/0164; 16.2.2012, 2010/01/0033, mwN).

10 Im Revisionsfall zählt der Spruch des angefochtenen Erkenntnisses auf, welche Teile des Gebäudes unter Schutz gestellt werden, darunter auch die in der im ersten Obergeschoss östlich gelegenen Wohnung befindlichen Stichkappentonnen und Kreuzgratgewölbe. In der Begründung führt das Verwaltungsgericht demgegenüber an mehreren Stellen aus, dass den "rezent bereits stark veränderten" Wohnungen unter anderem im ersten Obergeschoss keine geschichtliche, künstlerische oder sonstige kulturelle Bedeutung zukomme, weshalb diese schon von der belangten Behörde von der Unterschutzstellung ausgenommen worden seien.

11 Die Aufzählung im Spruch des angefochtenen Erkenntnisses nennt sohin konkret auch Teile einer Wohnung im ersten Obergeschoss als von der (Teil‑) Unterschutzstellung erfasst. Diese explizite Aufzählung lässt keinen Spielraum zu, den Spruch gegenteilig auszulegen. Gleichzeitig führt das Verwaltungsgericht in der Begründung aus, dass die Wohnungen im ersten Obergeschoss nicht unter Schutz zu stellen seien. Damit entsteht jedoch ein unlösbarer Widerspruch zwischen Spruch und Begründung, durch den das Verwaltungsgericht das angefochtene Erkenntnis mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet hat (vgl. VwGH 17.2.2015, Ra 2014/09/0037; 12.11.2013, 2013/09/0118). Überdies ist die Begründung des angefochtenen Erkenntnisses hiezu auch nicht schlüssig, soweit das Verwaltungsgericht an anderen Stellen im Erkenntnis wiederum auf die künstlerische Bedeutung der in der östlich gelegenen Wohnung im ersten Obergeschoss vorzufindenden Stichkappentonnen und Kreuzgratgewölbe hinweist.

12 Gemäß § 27 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz 2014 (VwGVG) hat das Verwaltungsgericht, soweit es nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4 VwGVG) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3 leg. cit.) zu überprüfen.

13 Nach der zu § 27 VwGVG ergangenen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die Prüfungsbefugnis der Verwaltungsgerichte keine unbegrenzte. Der äußerste Rahmen für die Prüfbefugnis ist die Sache des bekämpften Bescheides. Dieser Rahmen wird in den Fällen einer Trennbarkeit der behördlichen Entscheidung weiter eingeschränkt, wenn in der Beschwerde von mehreren trennbaren Absprüchen nur ein Teil bekämpft wird. Dies gilt auch für den Fall, dass die Behörde zur Erlassung eines der trennbaren Bescheidsprüche unzuständig war (vgl. VwGH 24.7.2014, 2013/07/0270). Innerhalb des so eingeschränkten Prüfungsumfanges findet noch einmal eine weitere Beschränkung insofern statt, als Parteibeschwerden iSd Art. 132 Abs. 1 Z 1 B-VG nur insoweit zu prüfen sind, als die Frage einer Verletzung von subjektivöffentlichen Rechten Gegenstand ist (vgl. VwGH 17.12.2014, Ro 2014/03/0066; 27.8.2014, Ro 2014/05/0062).

14 Grundsätzlich ist das gesamte, zivilrechtlich eine Einheit darstellende Objekt unter Schutz zu stellen. Nur in besonders gelagerten Ausnahmefällen ist eine Einschränkung der Feststellung auf einen abgegrenzten Teil eines solchen Gegenstandes zulässig. Eine Teilunterschutzstellung kommt grundsätzlich nur dort in Frage, wo mit Sicherheit auszuschließen ist, dass jede wie immer geartete Veränderung an dem von der Unterschutzstellung nicht erfassten Teil Bestand und Erscheinung des geschützten Teiles unter den im § 1 DMSG angeführten Gesichtspunkten bedrohen kann (VwGH 14.1.1993, 92/09/0201, 0202, 0203). Sachen, die ihrer Natur nach nicht teilbar sind, aber nur teilweise von geschichtlicher, künstlerischer oder kultureller Bedeutung sind, unterliegen zur Gänze den Beschränkungen des Denkmalschutzes. Ist jedoch die Teilbarkeit einer Sache gegeben, so ist nur jener Teil Gegenstand des Denkmalschutzes, der von geschichtlicher, künstlerischer oder kultureller Bedeutung ist (VwGH 8.10.1970, 0351/70).

15 Dazu ist weiters zu beachten, dass bei einer Unterschutzstellung nach dem Denkmalschutzgesetz "der Grundsatz der geringstmöglichen Unterschutzstellung" gilt, die Unterschutzstellung "die unbedingt notwendige Eigentumsbeschränkung nicht überschreiten" darf, und "eine Teilunterschutzstellung in allen jenen Fällen, in denen sie fachlich ausreicht, anzuwenden" ist (vgl. Erläuterungen zur Regierungsvorlage zur DSMG-Novelle 1999, 1769 BlgNR, 20. GP , 39). Bereits dies entspricht dem in Art. 5 StGG und Art. 1 1. ZP MRK grundgelegten Gedanken, dass eine Eigentumsbeschränkung nur dann und nur soweit zulässig ist, wenn sie zur Erreichung ihrer Ziele geeignet und erforderlich ist (siehe VwGH 4.10.2012, 2010/09/0079).

16 Im vorliegenden Fall wurde im Spruch des Bescheides des Bundesdenkmalamtes vom 22. Jänner 2018 eine Teilunterschutzstellung des Gebäudes dadurch vorgenommen, dass die denkmalschutzrechtliche Schutzwürdigkeit dem (gesamten) Komplex mit Ausnahme von abgegrenzten Teilen des Objektes, nämlich explizit den Wohnungen im ersten, zweiten und dritten Obergeschoss sowie im Dachgeschoss, zuerkannt wurde. Die östliche Wohnung im ersten Obergeschoss einschließlich ihrer Decken ist vom Bescheid des Bundesdenkmalamtes ausgenommen und war als abgrenzbarer Teil des Hauses nicht Gegenstand des Beschwerdeverfahrens. Daher hat das Verwaltungsgericht dadurch, dass es im Spruch des angefochtenen Erkenntnisses (auch) die in der im ersten Obergeschoss östlich gelegenen Wohnung befindlichen Stichkappentonnen und Kreuzgratgewölbe unter Schutz stellt, seinen nach den obigen Kriterien auszuübenden Prüfumfang und damit die Sache im Beschwerdeverfahren überschritten (vgl. etwa VwGH 21.2.2017, Ro 2017/12/0001).

17 Letztlich leidet das angefochtene Erkenntnis auch an Begründungsmängeln, als nicht dargetan wird, inwieweit die als Stichkappentonnen und Kreuzgratgewölbe beschriebenen Gebäudeelemente im Kellergeschoss und Erdgeschoss (räumlich) abgrenzbare bzw. abgeschlossene Teile im Sinne des DMSG sind und nicht aus denkmalschutzrechtlicher Sicht eine unteilbare Einheit mit der übrigen Grundsubstanz dieser Geschosse vorliege.

18 Wenn das Verwaltungsgericht im Übrigen die Verneinung der Schutzwürdigkeit der hofseitigen Pawlatschenkonstruktion im Wesentlichen damit begründet, dass ein "Alleinstellungsmerkmal" nicht vorliege, weil spätmittelalterliche Pawlatschengänge in Graz in vielen Gebäuden vorkommen würden, und der Mitbeteiligten ein Lifteinbau zur besseren Nutzung des Theatersaales ermöglicht werden soll, so wird übersehen, dass im Unterschutzstellungsverfahren die im öffentlichen Interesse stehende Erhaltungswürdigkeit ausschließlich nach der geschichtlichen, künstlerischen oder sonstigen kulturellen Bedeutung des Gegenstandes zu prüfen ist (§ 1 Abs. 1 iVm § 3 DMSG). Auch eine Abwägung möglicherweise widerstreitender öffentlicher Interessen an der Erhaltung des Denkmales wegen seiner geschichtlichen, künstlerischen oder sonstigen kulturellen Bedeutung gegenüber nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten ausgerichteten Interessen findet im Unterschutzstellungverfahren - anders als im Verfahren über einen Antrag auf Abänderung eines unter Schutz stehenden Denkmals gemäß § 5 DMSG - noch nicht statt (vgl. VwGH 20.2.2014, Ro 2014/09/0004). "Alleinstellungscharakter" im Sinne einer Einzigartigkeit ist nicht Voraussetzung für die Schutzwürdigkeit (vgl. VwGH 28.6.2017, Ra 2016/09/0091). Auch hier liegt ein Widerspruch zwischen Spruch und Begründung der Entscheidung des Verwaltungsgerichts insofern vor, als die Pawlatschengänge einerseits von der Unterschutzstellung nicht umfasst werden, andererseits aber in der Begründung ausgeführt wird, es sei beim dortigen Lifteinbau unter möglichster Schonung der Pawlatschenkonstruktion vorzugehen.

19 Aus diesen Gründen war das angefochtene Erkenntnis daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben, ohne dass auf das weitere Vorbringen einzugehen war.

Wien, am 25. Oktober 2018

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