VwGH 2013/07/0270

VwGH2013/07/027024.7.2014

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bumberger sowie die Hofrätin Dr. Hinterwirth und die Hofräte Dr. N. Bachler, Dr. Lukasser und Mag. Haunold als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Pitsch, über die Beschwerde der L GmbH in L, vertreten durch die Onz Onz Kraemmer Hüttler Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Schwarzenbergplatz 16, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 15. Oktober 2013, Zl. UR-2013-92393/9-Ra/Ss, betreffend Feststellung gemäß § 10 Abs. 1 AlSAG, zu Recht erkannt:

Normen

ALSAG 1989 §10;
AVG §1;
AVG §59 Abs1;
AVG §6 Abs1;
AVG §6 Abs2;
AVG §66 Abs4;
AVG §73 Abs2;
DeponieV 1996 §2 Z26;
VwGG §42 Abs3;
ALSAG 1989 §10;
AVG §1;
AVG §59 Abs1;
AVG §6 Abs1;
AVG §6 Abs2;
AVG §66 Abs4;
AVG §73 Abs2;
DeponieV 1996 §2 Z26;
VwGG §42 Abs3;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird dahin abgeändert, dass der Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land vom 22. April 2013, Zl. UR01-14-1-2007/Vz/sm, in Stattgebung der dagegen erhobenen Berufung der beschwerdeführenden Partei im Umfang der Spruchpunkte I., 1., 3.1 und 4.1 gemäß § 66 Abs. 4 AVG wegen Unzuständigkeit der bescheiderlassenden Behörde aufgehoben wird.

Der Bund hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit Schreiben vom 13. Juli 2007 beantragte das Zollamt Linz Wels bei der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land (der Erstbehörde), die Behörde möge hinsichtlich der von der beschwerdeführenden Partei in A. betriebenen Klärschlammdeponie einen Feststellungsbescheid gemäß § 10 Abs. 1 Altlastensanierungsgesetz (AlSAG) erlassen.

Dazu brachte das Zollamt Linz Wels u.a. vor, die beschwerdeführende Partei habe den Altlastenbeitrag für den dort abgelagerten Klärschlamm in mehreren Jahren unrichtigerweise nach § 6 Abs. 4 AlSAG berechnet und abgeführt; richtigerweise hätte der Altlastenbeitrag nach § 6 Abs. 1 Z. 3 AlSAG entrichtet werden müssen, weil die Deponie damals nicht an den Stand der Technik angepasst gewesen sei. Abschließend ersuchte das Zollamt Linz Wels in dem Antrag um Klärung, ob die gegenständliche Deponie von 2000 bis 2003 soweit an den Stand der Technik angepasst gewesen sei, dass die beschwerdeführende Partei Altlastenbeitrag gemäß § 6 Abs. 4 AlSAG entrichten habe dürfen.

Die beschwerdeführende Partei beantragte im Verwaltungsverfahren u.a. (in einer näher begründeten Stellungnahme vom 8. September 2008), die Behörde möge feststellen, dass hinsichtlich der Deponie bereits ab 1. Jänner 2000 die Deponieunterklasse bzw. der Deponieuntertyp einer an den Stand der Technik angepassten "Massenabfalldeponie" iSd § 6 Abs. 4 Z. 3 AlSAG vorgelegen sei.

Am 10. April 2013 stellte der Bund, vertreten durch das Zollamt Linz Wels, einen Antrag gemäß § 73 Abs. 2 AVG.

2. Ungeachtet dieses Devolutionsantrages erließ die Erstbehörde einen Bescheid vom 22. April 2013, der der beschwerdeführenden Partei am 24. April 2013 zugestellt wurde; darin traf die Erstbehörde gestützt auf § 10 Abs. 1 AlSAG (unter Spruchabschnitt I.) die folgenden Feststellungen:

"1. Es wird festgestellt, dass durch die Ablagerung von Abfällen (vorwiegend Klärschlamm) seitens der (beschwerdeführenden Partei) auf der Klärschlammdeponie (A.) eine beitragspflichtige Tätigkeit vorliegt.

2. Es wird festgestellt, dass die Betriebsweise der Klärschlammdeponie (A.) im Sinne der Deponieverordnung als angepasst gilt, auch wenn die Inanspruchnahme einer Wiegeeinrichtung zur Ermittlung der abgelagerten Abfallmenge verzichtet worden ist.

3.1 Es wird festgestellt, dass die bei der Gewinnung von Klärschlamm durch die (beschwerdeführende Partei) gesetzten Bearbeitungsschritte mechanische Aufbereitung des Primärschlammes, simultane aerobe Behandlung des Sekundärschlammes in den Belebungsbecken, Eindickung des Sekundärschlammes, Aufheizung und anaerobe Behandlung des Primär und Sekundärschlammes der im § 2 Ziffer 26 der DeponieVO beschriebenen mechanisch-biologischen Vorbehandlung von Abfällen in den Jahren 2000-2003 nicht entspricht.

3.2 Es wird festgestellt, dass die bei der Gewinnung von Klärschlamm durch die (beschwerdeführende Partei) gesetzten Bearbeitungsschritte mechanische Aufbereitung des Primärschlammes, simultane aerobe Behandlung des Sekundärschlammes in den Belebungsbecken, Eindickung des Sekundärschlammes, Aufheizung und anaerobe Behandlung des Primär- und Sekundärschlammes der im § 2 Ziffer 26 der DeponieVO beschriebenen mechanisch-biologischen Vorbehandlung von Abfällen ab dem Jahr 2004 entspricht.

4.1 Es wird festgestellt, dass die Klärschlammdeponie der (beschwerdeführenden Partei) in (A.) in den Jahren 2000 - 2003 zumindest nicht hinsichtlich der Qualität der abgelagerten Abfälle soweit an den Stand der Technik angepasst war, dass der Altlastenbeitrag gemäß § 6 Abs. 4 ALSAG hätte entrichtet werden dürfen.

4.2 Es wird festgestellt, dass die Klärschlammdeponie der (beschwerdeführenden Partei) in (A.) ab dem 01.01.2004 auch hinsichtlich der Qualität der abgelagerten Abfälle soweit an den Stand der Technik angepasst ist, dass der Altlastenbeitrag gemäß § 6 Abs. 4 ALSAG entrichtet werden darf."

Unter Spruchpunkt II. wurden Sachverständigenkosten festgesetzt.

Am 14. Mai 2013 - somit nach Erlassung des erstbehördlichen Bescheides - zog der Bund seinen Devolutionsantrag wieder zurück.

3. Die beschwerdeführende Partei bekämpfte den erstbehördlichen Bescheid mit Berufung, die sich nach ihrer ausdrücklichen Anfechtungserklärung lediglich gegen die Spruchpunkte 1., 3.1 und 4.1 der oben wiedergegebenen Feststellungen der Erstbehörde (im Spruchabschnitt I.) richtete.

4. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 15. Oktober 2013 hob die belangte Behörde den erstbehördlichen Bescheid (zur Gänze) gemäß § 66 Abs. 4 AVG wegen Unzuständigkeit der Erstbehörde auf und begründete dies im Kern damit, dass diese wegen des am 10. April 2013 eingebrachten Devolutionsantrages zum Zeitpunkt der Erlassung des bekämpften Bescheides nicht zuständig gewesen sei. Weitere Teile der Begründung des angefochtenen Bescheides lassen erkennen, dass die belangte Behörde von der infolge der Zurückziehung des Devolutionsantrages wieder eingetretenen Zuständigkeit der Erstbehörde ausgeht.

5. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Das nach Art. 151 Abs. 51 Z. 9 B-VG an die Stelle der belangten Behörde getretene Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der es die Abweisung der Beschwerde beantragt.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Die Beschwerde bringt im Wesentlichen vor, die Entscheidungsbefugnis der belangten Behörde als Berufungsbehörde sei wegen der nur teilweise erfolgten (nämlich auf die Spruchpunkte I., 1., 3.1 und 4.1 des erstbehördlichen Bescheides beschränkten) Anfechtung des erstbehördlichen Bescheides auf dessen angefochtene Teile begrenzt gewesen, sodass die übrigen - nicht bekämpften - Spruchpunkte des erstbehördlichen Bescheides in Rechtskraft erwachsen seien. Ein Eingriff in rechtskräftige Bescheide sei allerdings nur unter den Voraussetzungen des § 68 AVG zulässig, die im vorliegenden Zusammenhang nicht vorlägen.

Dem entsprechend beantragte die beschwerdeführende Partei (im Hauptantrag) die Abänderung des angefochtenen Bescheides dahin, dass der erstbehördliche Bescheid lediglich hinsichtlich der Spruchpunkte I., 1., 3.1 und 4.1 aufgehoben werde, in eventu die Aufhebung des angefochtenen Bescheides.

2. Mit diesem Vorbringen wird eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufgezeigt:

2.1. Gemäß § 73 Abs. 2 erster Satz AVG geht - wenn der Bescheid nicht innerhalb der Entscheidungsfrist erlassen wird - auf schriftlichen Antrag der Partei die Zuständigkeit zur Entscheidung auf die sachlich in Betracht kommende Oberbehörde, wenn aber gegen den Bescheid Berufung an den unabhängigen Verwaltungssenat (UVS) erhoben werden könnte, auf diesen über (Devolutionsantrag).

Zulässige Devolutionsanträge bewirken somit - wie beide Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens richtig ausführen - mit ihrem Einlangen bei der zuständigen Oberbehörde bzw. beim UVS ein Erlöschen der Zuständigkeit der Unterinstanz und einen Zuständigkeitsübergang von der säumigen Behörde auf die sachlich in Betracht kommende Oberbehörde bzw. den in der Sache anzurufenden UVS (vgl. Hengstschläger/Leeb, AVG § 73 Rz 118, mwN).

Im vorliegenden Fall war daher die Erstbehörde zur Erlassung des - in der Folge durch den angefochtenen Bescheid behobenen - Bescheides am 24. April 2013 nicht zuständig.

2.2. Gemäß § 6 Abs. 2 AVG kann die Zuständigkeit der Behörde durch Vereinbarung der Parteien weder begründet noch geändert werden. Die Zuständigkeit der Behörde ist nach der hg. Rechtsprechung der Parteiendisposition auch insofern entzogen, als (u.a.) die Berufungsbehörde eine vorliegende Unzuständigkeit der Unterbehörde auch dann von Amts wegen aufzugreifen hat, wenn sie weder im Verfahren eingewendet noch in der Berufung releviert wurde (vgl. Hengstschläger/Leeb, AVG § 6 Rz 6, mwN, sowie etwa das Erkenntnis vom 27. November 2008, Zl. 2008/07/0196).

Davon ist allerdings die Beschränkung der Berufungssache (und damit der Entscheidungsbefugnis der Berufungsbehörde) durch den Anfechtungsumfang der Berufung zu unterscheiden: Sache des Berufungsverfahrens ist (sofern dem Berufungswerber nicht nur ein eingeschränktes Mitspracherecht zukommt) die Angelegenheit, die den Inhalt des Spruches des Bescheides der Unterbehörde gebildet hat, im Fall einer eingeschränkten Berufung allerdings nur der vom Rechtsmittel erfasste Teil des Bescheides, wenn dieser vom übrigen Bescheidinhalt trennbar ist (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 16. Oktober 2001, Zl. 99/09/0150, sowie vom 9. Juni 1995, Zl. 95/02/0081 = VwSlg. 14.269A, mwN).

Die Beschränkung der Entscheidungskompetenz der Berufungsbehörde durch den Anfechtungsumfang der Berufung setzt somit voraus, dass der im angefochtenen Bescheid enthaltene Abspruch rechtlich in mehrere selbständige Teile trennbar ist; Trennbarkeit in diesem Sinn liegt dann nicht vor, wenn ein Bescheidpunkt notwendige Grundlage ("Vorstufe") für den weiteren Bescheidinhalt darstellt (vgl. etwa die Rechtsprechungsnachweise bei Hengstschläger/Leeb, AVG § 66 Rz 65 und § 59 Rz 103, sowie das - zu einer Feststellung nach § 10 AlSAG ergangene - hg. Erkenntnis vom 22. März 2012, Zl. 2008/07/0125, mwN).

2.3. Der beschwerdeführenden Partei ist darin zuzustimmen, dass die in ihrer Berufung allein angefochtenen Bescheidpunkte (I.1., 3.1 und 4.1) von den übrigen Punkten des Spruchs des erstbehördlichen Bescheides vom 22. April 2013 im dargestellten Sinn trennbar sind:

So ist die ganz allgemeine Feststellung in Spruchpunkt I.1. dieses Bescheides keine notwendige "Vorstufe" für die in den weiteren Punkten letztlich u.a. mit Blick auf § 2 Z. 26 der Deponieverordnung, BGBl. Nr. 164/1996, getroffenen spezifischen Feststellungen zum Stand der Technik; unter diesen beziehen sich die Feststellungen der Spruchpunkte I.3.1 und I.4.1 wiederum allein auf den (abgeschlossenen) Zeitraum von 2000 bis 2003, während die übrigen auf den Stand der Technik bezogenen Feststellungen (darunter auch jene des Spruchpunktes I.2.) Zeiträume danach betreffen.

3. Dadurch, dass die belangte Behörde ungeachtet der somit gegebenen Trennbarkeit der von der beschwerdeführenden Partei mit Berufung bekämpften Spruchpunkte vom übrigen Inhalt des erstbehördlichen Bescheides diesen zur Gänze wegen Unzuständigkeit der Erstbehörde aufgehoben hat, hat sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 14. September 2004, Zl. 2001/11/0329).

4. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 3 VwGG wie im Spruch ersichtlich abzuändern.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm § 3 Z. 1 der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014 und der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am 24. Juli 2014

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