VwGH Ra 2017/06/0251

VwGHRa 2017/06/025125.1.2018

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Köhler und die Hofrätinnen Dr. Bayjones und Mag.a Merl als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Lechner, über die Revision des G S in L, vertreten durch Dr. Karl Schelling, Rechtsanwalt in 6850 Dornbirn, Schulgasse 22, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Vorarlberg vom 13. Juni 2017, LVwG-302-16/2016-R15, betreffend Anträge gemäß § 16 Vorarlberger Raumplanungsgesetz (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Gemeindevertretung der Gemeinde Lech; weitere Partei: Vorarlberger Landesregierung), den Beschluss gefasst:

Normen

11994N070 EU-Beitrittsvertrag Akte Art70;
61997CJ0302 Konle VORAB;
BauRallg;
B-VG Art133 Abs4;
RPG Vlbg 1996 §16;
VwGG §28 Abs3;
VwGG §34 Abs1;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

2 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

3 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

4 Der Revisionswerber ist Eigentümer des Grundstückes Nr. X, GB L, auf dem sich ein Gebäude befindet, das als Hotel/Pension verwendet wird und in dem der Revisionswerber auch seinen Hauptwohnsitz hat. Er beantragte "sämtliche Möglichkeiten einer Ferienwohnungsberechtigung bzw. -widmung gemäß Raumplanungsgesetz".

5 Die Gemeindevertretung der Gemeinde L wies die auf § 16 Abs. 4 und 4a Raumplanungsgesetz (RPG) gestützten Anträge des Revisionswerbers mit Bescheid vom 13. Oktober 2016 ab.

6 Das Landesverwaltungsgericht Vorarlberg (LVwG) gab der dagegen gerichteten Beschwerde keine Folge und erklärte eine ordentliche Revision für unzulässig.

Begründend führte das LVwG im Wesentlichen aus, das Grundstück Nr. X sei im rechtsgültigen Flächenwidmungsplan als Baufläche/Wohngebiet ohne Zusatzwidmung für Ferienwohnungen ausgewiesen. Es sei die zum Zeitpunkt der Entscheidung gültige Rechtslage des RPG idF LGBl. Nr. 22/2015 anzuwenden, weshalb auf die Beschwerdeausführungen zur "alten" Rechtslage (vor LGBl. Nr. 22/2015) nicht einzugehen sei; von diesem Grundsatz sei auch aus europarechtlichen Erwägungen nicht abzuweichen.

Entgegen dem Beschwerdevorbringen bestehe kein generelles "Verschlechterungsverbot" in Zusammenhang mit den Grundfreiheiten. Rein interne Konstellationen als Binnensachverhalte eines Mitgliedstaates seien vom Anwendungsbereich der Grundfreiheiten des AEUV ausgenommen (Hinweis auf VwGH 27.7.2016, Ra 2016/06/0003). Der Revisionswerber habe seinen Hauptwohnsitz in L, er sei österreichischer Staatsbürger und die Liegenschaft, auf die sich die gegenständlichen Anträge bezögen, liege ebenfalls in L. Selbst wenn - wie in der Beschwerde vorgebracht - die Ferienwohnungen in Zukunft an EU-Ausländer verkauft oder vermietet werden sollten, liege zum Entscheidungszeitpunkt kein grenzüberschreitender Sachverhalt vor; ein solcher würde allenfalls nach Erteilung der beantragten Bewilligung entstehen. Mangels Auslandsbezug könne die Frage einer allfälligen Unionsrechtswidrigkeit des § 16 RPG idF LGBl. Nr. 22/2015 fallbezogen nicht entscheidungsrelevant sein.

Darüber hinaus liege keine Inländerdiskriminierung vor, weil die - unionsrechtskonforme - Regelung des § 16 RPG ohne Unterschied auf innerstaatliche Sachverhalte und auf solche mit EU-Auslandsbezug zur Anwendung komme. Das behauptete "Unterlaufen des Diskriminierungsverbotes" sei daher nicht nachvollziehbar. Da keine Bedenken an der Unionsrechtskonformität des § 16 RPG idF LGBl. Nr. 22/2015 bestünden, sei keine Vorabentscheidung des EuGH einzuholen gewesen.

Eine Genehmigung gemäß § 16 Abs. 4 lit. b RPG sei nicht zu erteilen gewesen, weil der Revisionswerber eine der in dieser Bestimmung festgelegten Voraussetzungen, nämlich die Unmöglichkeit oder Unzumutbarkeit, den Wohnraum zur Deckung eines ganzjährig gegebenen Wohnbedarfes zu nutzen, nicht erfülle; er wolle seinen Hauptwohnsitz weiterhin in dem Gebäude beibehalten. Die übrigen Wohnungen hätten schon bisher nicht zur Deckung eines ganzjährig gegebenen Wohnbedarfes gedient, weshalb auch hinsichtlich dieser Wohnungen die Voraussetzungen des § 16 Abs. 4 lit. b RPG nicht vorlägen.

Die Gemeinde L habe in einer Verordnung gemäß § 16 Abs. 8 RPG den Prozentsatz der Geschossflächen an Ferienwohnungen im Verhältnis zu den Geschossflächen der der Beherbergung dienenden Gebäude und Gebäudeteile gemäß § 16 Abs. 4 lit. c RPG mit null festgelegt; ohne Berücksichtigung dieser Verordnung dürften maximal 10% der Geschoßflächen als Ferienwohnungen genutzt werden. Auch gemäß § 16 Abs. 4 lit. c RPG sei dem Antrag des Revisionswerbers somit nicht stattzugeben.

7 In ihrer (18 seitigen) Zulässigkeitsbegründung führt die Revision zunächst - auf das Wesentliche zusammengefasst - aus, im vorliegenden Fall sei ein grenzüberschreitender Sachverhalt gegeben und § 16 RPG verletze die Kapitalverkehrsfreiheit.

Der Revisionswerber legt jedoch nicht dar, dass § 16 RPG idF LBGl. Nr. 22/2015 - im Unterschied zur hg. Rechtsprechung (vgl. im Zusammenhang mit § 2 in Verbindung mit § 16 RPG VwGH 30.9.2015, Ra 2014/06/0026, und zum Salzburger Raumordnungsgesetz 2009 VwGH 12.12.2013, 2013/06/0078, mwN) und zur Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (vgl. etwa VfGH 21.9.2017, E 2590/2017) - im Sinn der Judikatur des EuGH nicht legitimiert und verhältnismäßig sei. Die Revision referiert zwar (in Punkt 6 der Zulässigkeitsbegründung) die unionsrechtlichen Voraussetzungen für die Einschränkungen der Ferienwohnungsnutzung und die dazu ergangene Judikatur des EuGH, führt jedoch nicht aus, in welchem konkreten Punkt nach Ansicht des Revisionswerbers § 16 RPG welcher Entscheidung des EuGH widersprechen soll und inwiefern dies fallbezogen entscheidungsrelevant wäre. Ohne konkrete Bezugnahme auf den Einzelfall ist die Zulässigkeit einer Revision nicht gesetzmäßig ausgeführt (vgl. VwGH 2.5.2016, Ra 2016/16/0028, VwGH 19.12.2017, Ra 2016/06/0082, Rn 17, jeweils mwN).

8 Die Revision bringt weiter vor, das LVwG weiche auch vom hg. Erkenntnis 2013/06/0165 ab, weil der Verwaltungsgerichtshof darin davon ausgegangen sei, dass der Grundsatz der Vermeidung der Diskriminierung in Bezug auf die Kapitalverkehrsfreiheit auch wahrzunehmen sei, wenn die mitbeteiligte Partei österreichische Staatsbürgerin sei, womit indirekt ein ausreichender Auslandsbezug für die Anwendung des EU-Rechtes bejaht sei. Die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes sei auch uneinheitlich, weil im hg. Erkenntnis vom 8. September 2016, Ra 2016/06/0010, die Anwendung der Kapitalverkehrsfreiheit zu Unrecht abgelehnt worden sei.

Der Revisionswerber missversteht offenbar das hg. Erkenntnis 2013/06/0165. Die Frage der Kapitalverkehrsfreiheit war überhaupt nicht Gegenstand dieser Entscheidung, es wurde vielmehr der Begriff "besonders berücksichtigungswürdige Umstände" in § 16 Abs. 4a RPG idF LGBl. Nr. 72/2012 ausgelegt. Somit ist auch kein Widerspruch zwischen diesem Erkenntnis und Ra 2016/06/0010 zu erkennen.

9 Soweit die Revision einen Widerspruch des angefochtenen Erkenntnisses zu den Erkenntnissen des Verfassungsgerichtshofes vom 5. Dezember 2006, G 121/06 (Verpflichtung zur Einholung einer Bewilligung der burgenländischen Grundverkehrsbehörde beim Erwerb landwirtschaftlicher Grundstücke), und vom 1. März 2004, G 110/03 (Verpflichtung zur Einholung einer Bewilligung der Vorarlberger Grundverkehrsbehörde beim Erwerb unbebauter Baugrundstücke), sowie dem hg. Erkenntnis 2013/06/0165, Rn 19 (Auslegung des § 16 Abs. 4a RPG idF LGBl. Nr. 72/2012), rügt, ist ihr zu entgegnen, dass den zitierten Entscheidungen keine vergleichbaren Sachverhalte zugrunde lagen. Es ist nicht erkennbar, inwiefern der Revisionswerber als österreichischer Staatsbürger durch die unterschiedslos auf österreichische Staatsbürger und Staatsbürger anderer Mitgliedstaaten anwendbaren Bestimmungen des § 16 RPG einer Schlechterstellung im Hinblick auf die Grundfreiheiten gegenüber anderen EU-Bürgern ausgesetzt sei (vgl. VwGH 19.12.2017, Ra 2016/06/0082, Rn 17 ff).

10 Zu der Frage, welche Rechtslage anzuwenden ist, wird gemäß § 43 Abs. 2 und Abs. 9 VwGG auf den hg. Beschluss vom 27. Juli 2016, Ra 2016/06/0003, verwiesen. Der Hinweis in der Revision auf das Urteil des EuGH vom 21. Juni 2007, C-231/06 (Gleichbehandlung von Männern und Frauen bei der Berechnung der Pension aufgrund einer entsprechenden Verordnung und Zulässigkeit der Differenzierung bei der Bemessung der Rentenleistungen nach der Höhe der eingezahlten Beträge), ist jedenfalls nicht geeignet, nachzuweisen, dass - entgegen auch der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes - dieser Grundsatz für die Bestimmung der anzuwendenden Rechtslage bei Berücksichtigung von Unionsrecht nicht anwendbar wäre. Die Frage, ob unionsrechtliche Gründe für oder gegen die Anwendung einer bestimmten, im Zeitablauf geänderter Rechtslage sprechen, kann nur im jeweiligen Zusammenhang beurteilt werden (vgl. zur Frage der Sanierung einer als unionsrechtswidrig erkannter dienst- und besoldungsrechtlichen Regelung z.B. VwGH 9.9.2016, Ro 2015/12/0025, insbesondere Rz 10, 45, 69 und vor allem Rz 92). Es besteht kein unionsrechtlicher Grundsatz, dass eine im Zeitpunkt der Einbringung eines Antrags bestehende Rechtslage, die allenfalls unionsrechtswidrig gewesen sein könnte, bei der Entscheidung über den Antrag auch dann anzuwenden wäre (und gegebenenfalls als verdrängt unbeachtet zu bleiben hätte), wenn die Vorschrift mittlerweile durch eine andere innerstaatliche Regelung ersetzt wurde.

11 In Punkt 6 der Zulässigkeitsbegründung behauptet die Revision eine "Unwirksamkeit" der Beschränkungen für Ferienwohnungen in der Fassung LGBl. Nr. 22/2015 und ein Abweichen des angefochtenen Erkenntnisses vom hg. Erkenntnis vom 16. März 2016, Ro 2015/17/0022. Dabei lässt die Revision offen, inwiefern Ausführungen zur Einrichtung staatlicher Monopole auf den gegenständlich zu beurteilenden Fall übertragen werden könnten. Das Vorbringen, die hg. Judikatur sei im Hinblick auf das Erkenntnis Ro 2015/17/0022 einerseits und zahlreiche Entscheidungen zum RPG andererseits uneinheitlich, ist in dieser allgemeinen Ausführung nicht geeignet, eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufzuzeigen.

12 Abgesehen davon, dass nicht die in einem Vertragsverletzungsverfahren geäußerte Meinung der Europäischen Kommission sondern nur eine Entscheidung des EuGH rechtsverbindlich wäre, ist nicht nachvollziehbar, dass die Europäische Kommission im Vertragsverletzungsverfahren Nr. 2013/4152 aus dem Jahr 2013 Ausführungen zum RPG idF LGBl. Nr. 22/2015 gemacht hätte.

13 Soweit die Revision aus Art. 70 des EU-Beitrittsvertrages mit Hinweis auf das Urteil des EuGH vom 1.6.1999, C-302/97 (Konle), ein "Verschlechterungsverbot" abzuleiten versucht, ist ihr zu entgegnen, dass es sich bei dieser Bestimmung um eine Übergangsbestimmung handelt, wonach Österreich zwischen 1. Jänner 1995 und 31. Dezember 1999 seine bestehenden Rechtsvorschriften betreffend Zweitwohnungen beibehalten durfte. Ein allgemeines Verschlechterungsverbot wie es der Revision vor Augen zu stehen scheint ist dieser Bestimmung jedoch nicht zu entnehmen. Die Entscheidung des EuGH im Fall Konle bezieht sich auf Regelungen des Tiroler Grundverkehrsgesetzes 1993, wonach nur österreichische Staatsangehörige beim Erwerb eines bebauten Grundstücks keine Genehmigung benötigten. Inwiefern § 16 RPG, der unterschiedslos auf österreichische Staatsbürger und Staatsangehörige anderer Mitgliedstaaten anzuwenden ist, mit dem Fall Konle vergleichbar sein soll, lässt die Revision offen.

14 Im vorliegenden Fall wurde nicht aufgezeigt, dass die Auslegung des § 16 RPG idF vor LGBl. Nr. 22/2015, die Frage der "rückwirkenden" Beschränkungen der Grundfreiheiten oder einer "Verschlechterung entgegen Art. 70 Beitrittsvertrag Österreichs zur EU" beziehungsweise die "Zwischenschaltung einer Gesellschaft" entscheidungsrelevant seien. Selbst wenn Nutzungsbeschränkungen für Ferienwohnungen die Kapitalverkehrsfreiheit berühren sollten, wurde fallbezogen nicht dargelegt, dass § 16 RPG idF LBGl. Nr. 22/2015 im Sinn der Judikatur des EuGH nicht legitimiert und verhältnismäßig sei. Daher wurde auch mit der in der Revision behaupteten Verpflichtung des Verwaltungsgerichtshofes zur Einleitung eines Vorabentscheidungsverfahrens unter Hinweis auf Art. 267 AEUV keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufgezeigt.

15 In der Revision wird somit keine Rechtsfrage aufgeworfen, der im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme; sie war daher zurückzuweisen.

Wien, am 25. Jänner 2018

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