Normen
12010E018 AEUV Art18;
12010E049 AEUV Art49;
12010E063 AEUV Art63;
12010E267 AEUV Art267 Abs3;
61994CJ0029 Aubertin VORAB;
AVG §59;
B-VG Art133 Abs4;
RPG Vlbg 1996 §16 Abs1;
RPG Vlbg 1996 §16;
RPG Vlbg 1996 §2;
VwGG §28 Abs3;
VwGG §34 Abs1;
VwRallg;
European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2016:RA2016060003.L00
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die revisionswerbenden Parteien haben der Marktgemeinde S Aufwendungen in der Höhe EUR 553,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid der Gemeindevertretung der Marktgemeinde S (im Folgenden: Behörde) vom 4. Mai 2015 (zugestellt am 7. Mai 2015) wurde der Antrag der revisionswerbenden Parteien vom 11. Februar 2015 auf "Ferienwohnungswidmung für die je 101/6482 Anteile in EZ 1662 GB S, verbunden mit Wohnungseigentum an W 15, gemäß § 16 (1) 1. und 2. Satz VBG RPG" gemäß § 16 Abs. 1 zweiter Satz Vorarlberger Raumplanungsgesetz (RPG) als unzulässig zurückgewiesen.
Mit dem angefochtenen Erkenntnis (vom 23. Oktober 2015) gab das Landesverwaltungsgericht Vorarlberg (LVwG) der dagegen erhobenen Beschwerde keine Folge und bestätigte den angefochtenen Bescheid mit der Maßgabe, dass die Gesetzesstelle zu lauten hat:
"§ 16 Abs. 1 zweiter Satz Raumplanungsgesetz, LGBl Nr 39/1996 idF LGBl Nr 43/1999 und Nr 33/2005".
Begründend führte das LVwG im Wesentlichen aus, am 13. Mai 2015 sei die Änderung des RPG mit LGBl. Nr. 22/2015 in Kraft getreten, mit der die Bestimmungen über Ferienwohnungen, insbesondere der § 16 leg. cit., wesentlich geändert worden seien. Da diese Novelle keine Übergangsbestimmungen enthalte und die Gesetzesmaterialien die Absicht des Gesetzgebers dahingehend zum Ausdruck brächten, "dass Anträge auf Erteilung einer Bewilligung nach § 16 Abs. 1 zweiter Satz und § 16 Abs. 4 in der Fassung vor der gegenständlichen Novelle nach der zum Zeitpunkt der Entscheidung über diese Anträge maßgeblichen Rechtslage zu beurteilen sind", habe das LVwG im Beschwerdeverfahren die neue, seit 13. Mai 2015 geltende Rechtslage anzuwenden (Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom 21. Oktober 2014, Zl. Ro 2014/03/0076, und den hg. Beschluss vom 29. Jänner 2015, Zl. Ro 2014/07/0105). Daher sei auf die von den revisionswerbenden Parteien zur alten Rechtslage eingewendeten Widersprüche zum Unionsrecht und deren Konsequenzen nicht näher einzugehen gewesen. Dass von dem Grundsatz, wonach das LVwG seine Entscheidung an der zum Zeitpunkt seiner Entscheidung maßgeblichen Sach- und Rechtslage auszurichten habe, im vorliegenden Fall aus europarechtlichen Erwägungen abgewichen werden müsse, könne nicht erkannt werden. Da mit der Novelle die Bedenken der Europäischen Kommission im Vertragsverletzungsverfahren Nr. 2013/4152 ausgeräumt worden seien, bestehe kein Grund zur Annahme, dass im Fall der Anwendung der neuen Rechtslage für die Antragsteller die Ausübung der durch die Gemeinschaftsrechtsordnung verliehenen Rechte praktisch unmöglich gemacht oder übermäßig erschwert würde, sodass die behauptete Beeinträchtigung des Effizienzgebotes nicht gesehen werde; vielmehr würde bei Anwendung der alten Rechtslage, die bereits in einem Vertragsverletzungsverfahren als unionsrechtswidrig beanstandet worden sei, die behauptete Beeinträchtigung des Effizienzgebotes prolongiert. Bei den Grundfreiheiten bestehe auch kein generelles "Verschlechterungsverbot", sodass auch unter diesem Gesichtspunkt keine Verpflichtung erkannt werden könne, die neue Rechtslage unangewendet zu lassen. Die revisionswerbenden Parteien behaupteten nicht konkret, dass die neue Rechtslage nicht EUkonform sei. Es könne auch kein Widerspruch zum Urteil des EuGH vom 8. September 2010 (C-409/06 ) in der Rechtssache Winner Wetten erblickt werden, weil nicht davon auszugehen sei, dass die neuen Normen ein Hindernis für die volle Wirksamkeit der unmittelbar geltenden Normen des Unionsrechtes bildeten. Mit der Novelle LGBl. Nr. 22/2015 sei in § 16 RPG der Bewilligungstatbestand des § 16 Abs. 1 zweiter Satz RPG (alt), auf den sich der verfahrenseinleitende Antrag gestützt habe, ersatzlos entfallen. Die neuen Bewilligungstatbestände des § 16 Abs. 4 leg. cit. idF LGBl. Nr. 22/2015 enthielten keinen vergleichbaren Tatbestand. Die revisionswerbenden Parteien hätten ihren Antrag auch nicht auf einen der neuen Bewilligungstatbestände gestützt. Der Antrag sei somit unzulässig (geworden) und zurückzuweisen gewesen.
Eine ordentliche Revision wurde für nicht zulässig erklärt.
Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme.
In ihrer Zulassungsbegründung führt die Revision aus, es fehle an Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 59 AVG, ob bei einer Änderung der Rechtslage das maßgebliche Recht im Zeitpunkt der Erlassung einer Sachentscheidung anzuwenden sei und damit eine Gesetzesänderung ohne ausdrückliche Anordnung einer Übergangsbestimmung selbst im Bereich des EU-Rechtes und insbesondere im Bereich der Unzulässigkeit von Beschränkungen von Grundfreiheiten des EU-Rechtes (z.B. der Kapitalverkehrsfreiheit, der Niederlassungsfreiheit und des allgemeinen Diskriminierungsverbotes) rückwirkend auch für frühere Anträge gelte, oder ob Beschränkungen der Grundfreiheiten des EU-Rechtes nicht rückwirkend eingeführt werden dürften. Die Voraussetzungen für eine Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit nach EU-Recht durch § 16 iVm § 2 RPG sowohl idF vor als auch nach der Novelle LGBl. Nr. 22/2015 seien eindeutig nicht erfüllt.
Darüber hinaus bestehe eine Vorlageverpflichtung des LVwG betreffend die EU-Widrigkeit der Beschränkungen der Kapitalverkehrsfreiheit durch § 16 iVm § 2 RPG, wenn die Revision nicht für zulässig erklärt werde; deshalb sei auch Art. 269 AEUV verletzt worden.
Zu den Ausführungen betreffend eine vermeintliche Beschränkung der europarechtlichen Grundfreiheiten (Kapitalverkehrsfreiheit, Niederlassungsfreiheit und allgemeines Diskriminierungsverbot) ist zunächst darauf hinzuweisen, dass rein interne Konstellationen als Binnensachverhalte eines Mitgliedstaates einen von der Anwendung der Grundfreiheiten des AEUV ausgenommenen Bereich darstellen (vgl. die Ausführungen bei Walter Frenz, Handbuch Europarecht2, Rzen 273 ff betreffend die Geltungsreichweite der Grundfreiheiten allgemein und zum allgemeinen Diskriminierungsverbot, Rzen 2240 f betreffend die Niederlassungsfreiheit und Rz 3604 betreffend die Kapitalverkehrsfreiheit). Weder aus dem vom LVwG festgestellten Sachverhalt noch aus der Revision ergeben sich Anhaltspunkte dafür, dass fallbezogen ein grenzüberschreitender Sachverhalt vorliegt. Die revisionswerbenden Parteien haben in der Gemeinde S ihren Hauptwohnsitz, dass sie (auch) eine andere als die österreichische Staatsbürgerschaft besäßen, wurde nicht vorgebracht und ergibt sich auch nicht aus den Verfahrensakten; das Gebäude, auf das sich der verfahrensgegenständliche Antrag bezieht, liegt ebenfalls in der Gemeinde S; Feststellungen oder Behauptungen, dass das Kapital oder das Eigentum am Kapital die Grenze überschritten hätten (vgl. die Ausführungen bei Walter Frenz, a.a.O., Rz 3606), sind den Verfahrensakten nicht zu entnehmen.
Da der Schutzbereich der Grundfreiheiten nur bei Auslandsbezug des Sachverhaltes eröffnet ist (vgl. die Ausführungen bei Walter Frenz, a.a.O., Rz 284, sowie das hg. Erkenntnis vom 29. Jänner 2002, Zl. 2001/05/0908), ein solcher im gegenständlichen Fall aber nicht erkennbar ist, zeigen die revisionswerbenden Parteien mit ihrer Argumentation betreffend die europarechtlichen Grundfreiheiten keine Rechtsfrage auf, die im gegenständlichen Verfahren entscheidungsrelevant sein könnte. Auf die Ausführungen zu einer allfälligen Unionsrechtswidrigkeit des § 16 Abs. 1 zweiter Satz RPG (sowohl idF vor als auch nach dem LGBl. Nr. 22/2015) war fallbezogen daher nicht einzugehen.
Aus dem Blickwinkel der Inländerdiskriminierung wäre für die revisionswerbenden Parteien ebenfalls nichts zu gewinnen, weil eine solche unionsrechtlich zulässig ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 15. Oktober 2003, Zl. 2002/12/0064, mwN, sowie nochmals die Ausführungen bei Walter Frenz, a.a.O., Rz 278, hinsichtlich der Niederlassungsfreiheit insbesondere die Rzen 2254 f).
Die RPG-Novelle LGBl. Nr. 22/2015 wurde am 12. Mai 2015 veröffentlicht und trat - mangels Übergangsbestimmungen betreffend anhängige Verfahren gemäß § 16 RPG - am 13. Mai 2015 in Kraft. Die Revision bringt in ihrer Darlegung der Zulässigkeitsvoraussetzungen nicht vor, dass bei Sachverhalten, die ausschließlich nach dem nationalen Recht zu beurteilen sind, von der ständigen hg. Judikatur, wonach ein Verwaltungsgericht seine Entscheidung an der zum Zeitpunkt seiner Entscheidung maßgeblichen Sach- und Rechtslage auszurichten habe (vgl. etwa den hg. Beschluss vom 19. Mai 2015, Zl. Ra 2015/05/0017, sowie das hg. Erkenntnis vom 27. April 2016, Zl. Ra 2015/05/0069), abgewichen worden sei.
Ein Verwaltungsgericht ist - so das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 26. September 2014, E 304/2014, dem sich der Verwaltungsgerichtshof anschließt - nicht als letztinstanzliches Gericht iSd Art. 267 Abs. 3 AEUV anzusehen, wenn seine Entscheidungen noch mit Rechtsmitteln des innerstaatlichen Rechts angefochten werden können. Das LVwG wäre somit auch aus diesem Grund nicht vorlagepflichtig gewesen. Im Übrigen wäre ein Vorabentscheidungsverfahren im gegenständlichen Fall wegen des fehlenden Auslandsbezuges und somit mangels Anwendbarkeit der Grundfreiheiten ebenfalls nicht zielführend (vgl. die Ausführungen bei Walter Frenz, a.a.O., Rz 278, wonach Interna eines Mitgliedstaates europarechtlich nicht justiziabel seien, mit Hinweis auf das Urteil des EuGH vom 16. Februar 1995, Rs C-29/94 u.a., Slg. 1995, I-301, Rzen 9 ff).
Die Revision war daher in einem gemäß § 12 Abs. 2 VwGG gebildeten Senat zurückzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 518/2013.
Wien, am 27. Juli 2016
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)