VwGH Ra 2016/06/0082

VwGHRa 2016/06/008219.12.2017

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Köhler sowie die Hofrätinnen Dr. Bayjones und MMag. Ginthör als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Schreiber, über die Revision der J Leasinggesellschaft mbH in D, vertreten durch Dr. Karl Schelling, Rechtsanwalt in 6850 Dornbirn, Schulgasse 22, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Vorarlberg vom 13. April 2016, LVwG-318- 070/R13-2014, betreffend Versagung einer Baubewilligung (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Berufungskommission der Stadt Dornbirn; weitere Partei: Vorarlberger Landesregierung, 6901 Bregenz, Römerstraße 15), den Beschluss gefasst:

Normen

12010E267 AEUV Art267 Abs3;
B-VG Art133 Abs4;
VwGG §28 Abs3;
VwGG §34 Abs1;

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Die revisionswerbende Partei ist Eigentümerin zweier Liegenschaften mit den Grundstücksnummern X/1 und X/2, auf denen das Einkaufszentrum M., für welches drei rechtskräftige Baubewilligungen vorliegen, mit einer Gesamtverkaufsfläche im Ausmaß von 16.450 m2 errichtet wurde.

2 Mit im innergemeindlichen Instanzenzug ergangenem Bescheid der Berufungskommission der Stadt Dornbirn vom 13. November 2014 wurde der Antrag der revisionswerbenden Partei vom 19. März 2013 auf Erteilung der baurechtlichen Bewilligung und der Genehmigung für die Verwendungsänderung für die Erweiterung der Verkaufsflächen des Einkaufszentrums M. um 6.050 m2 für sonstige Waren im Erweiterungsbau und im Bestand im Sinn des § 15 Abs. 1 lit. a Z 2 Vorarlberger Raumplanungsgesetz (im Folgenden: RPG) abgewiesen, weil die beantragte Erweiterung der Gesamtverkaufsfläche auf 22.500 m2 im Widerspruch zur Flächenwidmung (Baufläche Betriebsgebiet/Kategorie I/EKZ 19, Gesamtverkaufsfläche für sonstige Waren: 17.500 m2, davon maximal 3.000 m2 für Lebensmittel) stehe.

3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Landesverwaltungsgericht Vorarlberg der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde der revisionswerbenden Partei keine Folge und bestätigte den angefochtenen Bescheid. Das Verwaltungsgericht sprach aus, dass die Revision gemäß § 25a VwGG unzulässig sei.

4 Begründend hielt das Verwaltungsgericht zunächst fest, dass das Bauvorhaben gemäß § 28 Abs. 2 Vorarlberger Baugesetz (BauG) den maßgeblichen Bestimmungen des Flächenwidmungsplanes entsprechen müsse. Weiters verwies das Verwaltungsgericht auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 29. Februar 2016, V 114/2015-1, mit dem der aus Anlass der gegenständlichen Revisionssache gestellte Antrag des Landesverwaltungsgerichts Vorarlberg auf Aufhebung der die Umwidmung der in Rede stehenden Grundstücke betreffenden Bestimmungen des Flächenwidmungsplanes der Stadt Dornbirn, 126. Änderung, beschlossen von der Stadtvertretung Dornbirn am 13. Mai 2008, abgewiesen wurde. Darüber hinaus führte das Verwaltungsgericht aus, dass die Erlassung eines Landesraumplanes als Voraussetzung für die Widmung des rechtmäßigen Bestandes als besondere Fläche für Einkaufszentren nach § 59 Abs. 16 RPG nicht erforderlich gewesen sei. § 59 Abs. 14 RPG habe lediglich die Verpflichtung enthalten, bestehende Landesraumpläne anzupassen, aber nicht neue Landesraumpläne zu erlassen. Im Übrigen bestehe ein Rechtsanspruch auf die Erlassung eines Landesraumplanes schon deshalb nicht, weil es sich bei diesem um eine Verordnung handle. Sofern die revisionswerbende Partei sich dagegen wende, dass der verfahrenseinleitende Antrag zur Gänze abgewiesen worden sei, obwohl die im bestehenden Einkaufszentrum zulässige Verkaufsfläche von 17.500 m2 im Ausmaß von 1.050 m2 noch nicht ausgenutzt worden sei, sei darauf hinzuweisen, dass ein Bauvorhaben grundsätzlich ein unteilbares Ganzes und im vorliegenden Fall von einem Gesamtprojekt auszugehen sei. Eine Teilbarkeit des Bauvorhabens sei nicht gegeben und es sei sohin der Antrag der revisionswerbenden Partei zur Gänze abzuweisen.

5 Schließlich begründete das Verwaltungsgericht ausführlich, weshalb die in Rede stehenden raumordnungsrechtlichen Bestimmungen die Niederlassungsfreiheit im Sinn von Art 49 AEUV zwar beschränkten, jedoch diese Beschränkung im Lichte der Judikatur des EuGH als gerechtfertigt und verhältnismäßig zu qualifizieren sei. Dabei hielt das Verwaltungsgericht zusammengefasst fest, dass die Bestimmungen des RPG auf objektiven, im Voraus bekannten und nicht diskriminierenden Kriterien beruhten, die geeignet seien, der Ausübung des den zuständigen nationalen Behörden insoweit zustehenden Ermessens hinreichende Grenzen zu setzen. Folglich komme der Anwendungsvorrang des Unionsrechts nicht zum Tragen. Da keine Zweifel hinsichtlich der Auslegung des Unionsrechts bestünden, sehe sich das Verwaltungsgericht nicht veranlasst, einen Antrag auf Vorabentscheidung an den EuGH zu richten.

6 Gegen dieses Erkenntnis erhob die revisionswerbende Partei Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der die Behandlung der Beschwerde mit Beschluss vom 22. September 2017, E 1001/2016-13, ablehnte.

7 In der vorliegenden außerordentlichen Revision werden die Entscheidung in der Sache durch den Verwaltungsgerichtshof sowie Kostenersatz beantragt.

8 Die vor dem Verwaltungsgericht belangte Behörde sowie die Vorarlberger Landesregierung erstatteten Revisionsbeantwortungen, in denen die Zurückweisung der Revision, hilfsweise deren Abweisung beantragt wird.

9 Die revisionswerbende Partei erstattete eine Äußerung zur Revisionsbeantwortung.

10 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

11 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

12 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

13 In ihrer Zulässigkeitsbegründung führt die Revision aus, dass Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage fehle, ob die Bestimmungen des § 15 RPG in Verbindung mit § 2 RPG als Beschränkungen der unionsrechtlich garantierten Niederlassungsfreiheit die Voraussetzungen "dafür" erfüllten. Aufgrund der Judikatur des EuGH, "welche Voraussetzungen erfüllt sein müssen", sei davon auszugehen, dass die vom Land Vorarlberg festgelegten Rahmenbedingungen für Einkaufszentren die Voraussetzungen für eine zulässige Beschränkung der Niederlassungsfreiheit nicht erfüllten und die in Rede stehenden Beschränkungen daher unwirksam seien.

14 Weiters stelle sich die "Grundsatzfrage", ob die Bestimmung des § 59 Abs. 16 RPG, der vorsieht, dass Flächen mit einem rechtmäßigen Bestand eines Einkaufszentrums gemäß § 15 Abs. 3 RPG in der Fassung LGBl. Nr. 23/2006, die zuvor nicht als besondere Flächen für Einkaufszentren festgelegt waren, spätestens bis 31. Dezember 2007 entsprechend dem Bestand als besondere Flächen für Einkaufszentren zu widmen waren, den unionsrechtlichen Grundfreiheiten widerspreche. Im Übrigen sei offenkundig, dass die zuletzt genannte Bestimmung unverhältnismäßig sei, weil sie auf den tatsächlichen Bestand an Verkaufsflächen im Zeitpunkt des Inkrafttretens der Novelle, LGBl. Nr. 23/2006, abstelle, welcher zusätzlich rechtmäßig sein müsse und nicht auf den rechtmäßigen Höchstbestand, der bisher gegeben gewesen sei, "zumindest aber auf den rechtmäßigen Bestand". Vor dem Hintergrund eines Rundschreibens der Vorarlberger Landesregierung vom 27. Februar 2007, in dem die Gemeinden angewiesen worden seien, auf den rechtmäßigen und nicht auf den tatsächlichen Bestand abzustellen, wobei aber letzterer "für den hier zu beurteilenden EKZ Standort" angewendet worden sei, sei offensichtlich, dass § 59 Abs. 16 RPG "zu unklar" formuliert sei und auch mittelbar diskriminierend angewendet werde. Dieser Bereich betreffe Unionsrecht und damit auch jedenfalls österreichische Unternehmen im Sinne des Gleichheitsgrundsatzes.

15 Im Übrigen macht die Revision geltend, dass das Landesverwaltungsgericht seiner Vorlageverpflichtung gegenüber dem EuGH im betreffenden Fall nicht nachgekommen sei. Zudem sei dem Bestandschutz nach § 58 RPG nicht der Vorrang vor der "EKZ Verordnung der Stadt Dornbirn aus dem Jahr 2008" eingeräumt worden und es sei die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes "zu weißen Flächen in den Baueingabeplänen" nicht beachtet worden.

16 Die Revision erweist sich aus den im Nachstehenden dargelegten Gründen als nicht zulässig:

17 Zu den Zulässigkeitsausführungen der Revision betreffend eine vermeintliche Beschränkung der unionsrechtlich garantierten Niederlassungsfreiheit im Sinn von Art. 49 AEUV durch die unterschiedslos auf österreichische Staatsbürger und Staatsbürger anderer Mitgliedstaaten anwendbaren Bestimmungen der §§ 2, 15 und 59 Abs. 16 RPG ist zunächst darauf hinzuweisen, dass die Revision in der allein maßgeblichen Zulässigkeitsbegründung den Ausführungen des Verwaltungsgerichts betreffend die aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gegebene Rechtfertigung allfälliger Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit durch das Vorarlberger Raumordnungsrecht nicht substantiiert entgegen tritt. Inwiefern fallbezogen die revisionswerbende Partei beziehungsweise allfällige aus anderen Mitgliedstaaten stammende, zukünftige Mieter der zusätzlich geplanten Verkaufsflächen vor dem Hintergrund der zuletzt genannten innerstaatlichen Bestimmungen einer diskriminierenden Behandlung ausgesetzt wären, wird im Rahmen der gesondert dargestellten Zulässigkeitsbegründung insbesondere angesichts der Rechtsprechung der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts zur Auslegung von Planungsregelungen auch nicht nachvollziehbar aufgezeigt (siehe zu den Voraussetzungen der Rechtfertigung von Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit EuGH 26.9.2013, Ottica New Line, Rs C-539/11 , Rn. 33 ff, im Hinblick auf grundverkehrs- und raumordnungsrechtliche Vorschriften siehe auch EuGH 8.5.2013, Eric Libert u.a., Rs C-197/11 und C-203/11 , Rn. 49 ff, sowie EuGH 24.3.2011, Europäische Kommission gegen Königreich Spanien, Rs C- 400/08 , Rn. 73 ff; im Zusammenhang mit § 2 in Verbindung mit

§ 16 RPG vgl. VwGH 30.9.2015, Ra 2014/06/0026; zum Salzburger Raumordnungsgesetz 2009 siehe VwGH 12.12.2013, 2013/06/0078).

18 Die weiteren Überlegungen der Revision im Zusammenhang mit

§ 59 Abs. 16 RPG gehen insoweit ins Leere, als - wie das Verwaltungsgericht zutreffend festhielt - auch unter Berücksichtigung der in der Revisionsbegründung angeführten "ursprünglich bewilligten" Verkaufsfläche im Ausmaß von 21.168 m2 das in Rede stehende, nicht teilbare Bauvorhaben, das eine Erweiterung der Verkaufsflächen auf ein Gesamtausmaß der Verkaufsflächen im Umfang von 22.500 m2 vorsah, nicht bewilligungsfähig gewesen wäre (vgl. zu den Voraussetzungen für die Teilbarkeit eines Bauprojekts VwGH 28.9.2010, 2007/05/0287).

19 Inwiefern im vorliegenden Fall im Hinblick auf § 59 Abs. 16 RPG eine Inländerdiskriminierung vorliegen sollte, ist auf dem Boden der Zulassungsbegründung der Revision nicht ersichtlich.

20 Bereits aus diesen Gründen sieht sich der Verwaltungsgerichtshof aus Anlass des Revisionsverfahrens nicht veranlasst, der Anregung der revisionswerbenden Partei, ein Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH zu richten, nachzukommen. Darüber hinaus sei klarstellend darauf verwiesen, dass entgegen der in der Revision vertretenen Ansicht das Landesverwaltungsgericht Vorarlberg in der gegebenen Konstellation nicht als vorlagepflichtiges Gericht im Sinn von Art. 267 Abs. 3 AEUV anzusehen ist (VfGH 26.9.2014, E 304/2014).

21 Wenn die Revision sich auf § 58 RPG beruft, übersieht sie die in § 58 Abs. 2 in Verbindung mit § 15 Abs. 8 zweiter Satz RPG festgelegte und im vorliegenden Fall maßgebliche Beschränkung der in § 58 Abs. 1 RPG getroffenen "Bestandsregelung".

22 Schließlich zeigt die Zulässigkeitsbegründung der Revision durch die schlagwortartige Bezugnahme auf Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs zu "weißen Flächen in den Baueingabeplänen" keine Rechtsfrage im Sinn von Art. 133 Abs. 4 B-VG auf (siehe im Übrigen zum Umfang der der revisionswerbenden Partei erteilten Baubewilligung VfGH 29.2.2016, V 114/2015-11).

23 Aus den dargelegten Erwägungen erweist sich die Revision wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG als nicht zur Behandlung geeignet. Sie war daher gemäß § 34 Abs. 1 und Abs. 3 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.

Wien, am 19. Dezember 2017

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