VwGH Ra 2016/10/0097

VwGHRa 2016/10/009724.10.2017

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stöberl sowie die Hofräte Dr. Lukasser und Dr. Hofbauer als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Kacic‑Löffler, LL.M., über die Revision der A F in G, vertreten durch Piaty Müller‑Mezin Schoeller Rechtsanwälte GmbH & Co KG in 8010 Graz, Glacisstraße 27/2, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Steiermark vom 21. Juni 2016, Zl. LVwG 30.11‑950/2016‑6, betreffend Übertretung des Lebensmittelsicherheits‑ und Verbraucherschutzgesetzes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bürgermeister der Stadt Graz), den Beschluss gefasst:

Normen

B-VG Art133 Abs4
EURallg
VwGG §34 Abs1
32006R1924 Lebensmittel nährwert- gesundheitsbezogene Angaben Art2 Abs2 Z5
32006R1924 Lebensmittel nährwert- gesundheitsbezogene Angaben Art2 Abs2 Z6
62010CJ0544 Deutsches Weintor VORAB
62012CJ0299 Green - Swan Pharmaceuticals VORAB

European Case Law Identifier: ECLI:AT:VWGH:2017:RA2016100097.L00

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit dem angefochtenen, im Beschwerdeverfahren ergangenen Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Steiermark vom 21. Juni 2016 wurde die Revisionswerberin schuldig erkannt, es als handelsrechtliche Geschäftsführerin der „I GmbH“ mit Sitz in Graz zu verantworten zu haben, dass die Ware „OMNi‑BiOTiC metabolic“ mit verbotenen gesundheitsbezogenen Angaben („Jo‑Jo war gestern. Holen Sie sich die Schlankmacher‑Bakterien für Ihren Darm.“; „OMNi‑BiOTiC metabolic ist ein Produkt, das speziell zur Korrektur von Übergewicht entwickelt wurde, das aufgrund von Ungleichgewichten zwischen Bacteroidetes und Firmicutes entstanden ist.“) am 23. Oktober 2013 auf einer näher bezeichneten produktbezogenen Internetseite in Verkehr gebracht worden sei. Die Revisionswerberin habe damit gegen § 90 Abs. 3 Z 1 Lebensmittelsicherheits‑ und Verbraucherschutzgesetz (LMSVG) iVm Art. 10 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Dezember 2006 über nährwert‑ und gesundheitsbezogene Angaben über Lebensmittel (EU‑Claims‑Verordnung) verstoßen, weshalb über sie eine Geldstrafe in Höhe von € 200,‑ ‑ (im Falle der Uneinbringlichkeit 16 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt werde. Weiters wurde ausgesprochen, dass gemäß § 25a VwGG die Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B‑VG unzulässig sei.

2 Begründend ging das Verwaltungsgericht im Wesentlichen davon aus, dass mit den wiedergegebenen Angaben suggeriert werde, dass durch die Einnahme des genannten Produktes Übergewicht korrigiert werden könne. Es stehe fest, dass Übergewicht ‑ im Gegensatz zum Idealgewicht oder Normalgewicht ‑ einen Risikofaktor für gewisse Erkrankungen, wie z.B. Herz‑Kreislauf‑Erkrankungen oder Diabetes, darstelle. Durch die Begriffe „Jo‑Jo“, „Schlankmacher‑Bakterien“ und „Korrektur von Übergewicht“ werde einem aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher suggeriert, dass die Senkung des Risikofaktors „Übergewicht“ durch den Verzehr des Produktes in Aussicht gestellt werde. Da die im Produkt enthaltenen Bakterienstämme nicht nach der EU‑Claims‑Verordnung zugelassen seien, handle es sich um verbotene gesundheitsbezogene Angaben im Sinne des Art. 10 Abs. 1 EU‑Claims‑Verordnung.

3 Dagegen richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, die sich als nicht zulässig erweist:

4 Gemäß § 28 Abs. 1 Z. 4 VwGG hat die Revision (u.a.) die Bezeichnung der Rechte, in denen der Revisionswerber verletzt zu sein behauptet (Revisionspunkte), zu enthalten. Durch die vom Revisionswerber vorgenommene Bezeichnung der Revisionspunkte wird der Prozessgegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens festgelegt und der Rahmen abgesteckt, an den der Verwaltungsgerichtshof bei Prüfung des angefochtenen Erkenntnisses oder des angefochtenen Beschlusses gemäß § 41 VwGG gebunden ist. Danach hat der Verwaltungsgerichtshof nicht zu prüfen, ob irgendein subjektives Recht des Revisionswerbers verletzt wurde, sondern nur zu prüfen, ob jenes verletzt wurde, dessen Verletzung dieser behauptet. Der in § 28 Abs. 1 Z. 4 VwGG geforderten Angabe der Revisionspunkte kommt für den Prozessgegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens insoweit entscheidende Bedeutung zu, als der Revisionswerber jenes subjektive Recht herauszuheben hat, dessen behauptete Verletzung die Legitimation zur Revisionserhebung erst begründet. Wird der Revisionspunkt unmissverständlich ausgeführt, so ist er einer Auslegung aus dem Gesamtzusammenhang der Revision nicht zugänglich (vgl. etwa die hg. Beschlüsse vom 27. Juni 2017, Zl. Ra 2017/10/0020, und vom 29. März 2017, Zl. Ra 2016/10/0005).

5 Die Revisionswerberin erachtet sich nach den Ausführungen zum Revisionspunkt in ihrem „einfachgesetzlich gewährleisteten subjektiven Recht auf Kennzeichnung und Bewerbung ihres Produktes ‚OMNi BiOTiC metabolic‘ ... iSd einschlägigen Bestimmungen des LMSVG iVm der EG Health Claims VO Nr. 1924/2006 “ sowie „in ihrem Grundrecht auf Erwerbsfreiheit und damit einhergehend in ihrem Eigentumsrecht“ verletzt.

6 Im Hinblick auf den Spruch des angefochtenen Erkenntnisses stellt das von der Revisionswerberin ins Treffen geführte einfachgesetzlich gewährleistete Recht aber keinen tauglichen Revisionspunkt dar. Eine Verletzung im Recht auf Unterbleiben einer Bestrafung gemäß § 90 Abs. 3 Z 1 LMSVG iVm Art. 10 Abs. 1 der EU‑Claims‑Verordnung mangels Vorliegens des genannten Verwaltungsstraftatbestandes hat die Revisionswerberin nicht geltend gemacht (vgl. etwa die hg. Beschlüsse vom 11. November 2015, Zl. Ra 2015/11/0081, vom 4. November 2015, Zl. Ra 2015/11/0078, und vom 22. April 2015, Zl. 2013/10/0257). Eine dahingehende Umdeutung der behaupteten Rechtsverletzung scheidet nach dem Gesagten jedoch aus.

7 Soweit die Revisionswerberin eine Verletzung im Grundrecht auf Erwerbsfreiheit und im Eigentumsrecht geltend macht, ist darauf hinzuweisen, dass der Verwaltungsgerichtshof zur diesbezüglichen Prüfung, da es sich um verfassungsgesetzlich gewährleistete Rechte handelt, nicht berufen ist (vgl. den hg. Beschluss vom 19. Februar 2014, Zl. Ro 2014/10/0023, mwN).

8 Da die Revisionswerberin somit keinen tauglichen Revisionspunkt geltend gemacht hat, erweist sich die Revision schon deshalb als nicht zulässig.

9 Darüber hinaus erweist sich die Revision noch aus einem weiteren Grund als unzulässig:

10 Gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

11 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B‑VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

12 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B‑VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

13 In ihrer Zulässigkeitsbegründung bringt die Revisionswerberin zum Vorliegen einer grundsätzlichen Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG zunächst vor, die belangte Behörde (gemeint wohl: das Verwaltungsgericht) habe verkannt, dass gewichts‑ bzw. schlankheitsbezogene Angaben, insbesondere die Begriffe „Übergewicht“, „Jo‑Jo“ und „Schlankmacher‑Bakterien“, von den angesprochenen Verkehrskreisen nicht als Risikofaktoren für die Gesundheit aufgefasst würden. Das Verwaltungsgericht lasse „die tatsächlichen Gegebenheiten der heutigen ‚Beauty‑orientierten‘ Medienlandschaft außer Acht, die bereits im jungen Alter Verbraucher stark beeinflusst und ein ganz eigenes ‚Schönheitsideal‘ schafft, das mit Gesundheit in überhaupt keinem Zusammenhang steht und das auch die Verbraucher in keiner Weise mit der Gesundheit/Krankheit in Verbindung bringen“. Ein normal informierter und angemessen aufmerksamer und verständiger Durchschnittsverbraucher gehe bei „richtiger rechtlicher Beurteilung und inhaltlicher Auseinandersetzung mit den tatsächlichen Gegebenheiten in den beanstandeten Angaben ... von keinem Gesundheitsprodukt“ aus, dass seine Gesundheit fördere oder sonst wie beeinflusse, sondern es werde die Aufmerksamkeit der Verbraucher darauf gerichtet, dass „sie ihrem Schönheitsideal näher kommen“. Damit sei klar, dass die belangte Behörde (gemeint wohl: das Verwaltungsgericht) von der bisherigen Rechtsprechung abweiche und deren rechtliche Beurteilung „viel zu einschränkend“ sei, zumal diese unvollständig sei und an der Realität vorbeigehe.

14 Zu diesem Vorbringen ist darauf hinzuweisen, dass der Verwaltungsgerichtshof bereits mehrfach ausgesprochen hat, dass in den „gesonderten Gründen“ zur Zulässigkeit der Revision nach § 28 Abs. 3 VwGG konkret darzulegen ist, in welchen Punkten die angefochtene Entscheidung von welcher Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht (vgl. etwa die hg. Beschlüsse vom 11. August 2017, Zl. Ra 2017/10/0115, vom 23. Mai 2017, Zl. Ra 2017/10/0067, und vom 24. März 2015, Zl. Ra 2015/02/0040). Die Revisionswerberin hat in der Zulässigkeitsbegründung keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zitiert und auch nicht ausgeführt, inwiefern das Verwaltungsgericht von welcher Rechtsprechung abgewichen sein soll, sodass mit den wiedergegebenen Ausführungen eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung nicht aufgezeigt wird.

15 In der Zulässigkeitsbegründung wird im Weiteren vorgebracht, es fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dahingehend, dass „ganz deutlich ausgesprochen wird, dass klassische ‚Schlankheitsslogans‘ (wie etwa die ganz populärwissenschaftlichen Begriffe ‚Jo‑Jo‘, ‚Schlankmacher‘ etc), die ganz eindeutig auf die Eitelkeit der Verbraucher ‑ und nicht deren Gesundheit ‑ abzielen, zulässige kosmetisch/ästhetische Angaben darstellen, die in keinem Gesundheitszusammenhang stehen und damit auch nicht unter die Beschränkungen der Claims‑VO und der Werbebeschränkungen des LMSVG fallen“.

16 Mit diesem Vorbringen wird nicht dargelegt, warum das Schicksal der Revision von einem Ausspruch über ‑ nach Meinung der Revisionswerberin ‑ „klassische Schlankheitsslogans“ bzw. Begriffe wie „Jo‑Jo“ bzw. „Schlankmacher“ abhängen sollte, wurde der Revisionswerberin doch die Verwendung der gesamten oben wiedergegebenen, in ihrem Zusammenhang zu beurteilenden Angaben angelastet, durch die nach Ansicht des Verwaltungsgerichtes einem aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher suggeriert wird, dass die Senkung des Risikofaktors „Übergewicht“ durch den Verzehr des Produktes in Aussicht gestellt wird.

17 Zudem ist die Frage, ob Angaben im Sinne des Art. 2 Abs. 2 Z 5 bzw. 6 EU‑Claims‑Verordnung vorliegen, mit denen erklärt, suggeriert oder auch nur mittelbar zum Ausdruck gebracht wird, dass ein Zusammenhang zwischen einer Lebensmittelkategorie, einem Lebensmittel oder einem seiner Bestandteile einerseits und der Gesundheit andererseits besteht bzw. dass der Verzehr einer Lebensmittelkategorie, eines Lebensmittels oder eines Lebensmittelbestandteils einen Risikofaktor für die Entwicklung einer Krankheit beim Menschen deutlich senkt, jeweils anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls zu beurteilen. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung läge in diesem Zusammenhang nur dann vor, wenn die Beurteilung durch das Verwaltungsgericht in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen worden wäre. Derartiges wird in der Revision aber nicht aufgezeigt.

18 Die Revisionswerberin ist in diesem Zusammenhang auch auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes hinzuweisen, wonach der genannte Begriff „Zusammenhang“ gemäß Art. 2 Abs. 2 Z 5 EU‑Claims‑Verordnung weit zu verstehen und Art. 2 Abs. 2 Z 6 EU‑Claims‑Verordnung dahin auszulegen ist, dass eine gesundheitsbezogene Angabe nicht unbedingt ausdrücklich besagen muss, dass der Verzehr einer Lebensmittelkategorie, eines Lebensmittels oder eines Lebensmittelbestandteils einen Risikofaktor für die Entwicklung einer Krankheit beim Menschen deutlich senkt; es reicht aus, dass die Angabe bei einem normal informierten und angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher den Eindruck hervorrufen kann, dass die Senkung eines Risikofaktors deutlich ist (vgl. die Urteile vom 6. September 2012, Deutsches Weintor, C‑544/10, Rn. 34, und vom 18. Juli 2013, Green ‑ Swan Pharmaceuticals CR, C‑299/12, Rn. 22 ff).

19 In der Revision werden somit auch keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B‑VG grundsätzliche Bedeutung zukäme.

20 Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 24. Oktober 2017

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte