VwGH Ra 2015/11/0078

VwGHRa 2015/11/00784.11.2015

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldstätten und den Hofrat Dr. Grünstäudl sowie die Hofrätin Dr. Pollak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Krawarik, über die Revision des E G in B, vertreten durch die Posch, Schausberger & Lutz Rechtsanwälte GmbH in 4600 Wels, Eisenhowerstraße 40, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich vom 8. Juni 2015, Zl. LVwG-300557/10/BMA/PP, betreffend Übertretung des AÜG, den Beschluss gefasst:

Normen

AÜG §16a;
AÜG §17 Abs2;
AÜG §17 Abs3;
AÜG §22 Abs1 Z2;
B-VG Art133 Abs4;
VwGG §28 Abs1 Z4;
VwGG §28 Abs1 Z5;
VwGG §28 Abs3;
VwGG §34 Abs1;
AÜG §16a;
AÜG §17 Abs2;
AÜG §17 Abs3;
AÜG §22 Abs1 Z2;
B-VG Art133 Abs4;
VwGG §28 Abs1 Z4;
VwGG §28 Abs1 Z5;
VwGG §28 Abs3;
VwGG §34 Abs1;

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1.1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Erkenntnis wurde der Revisionswerber einer Übertretung des Arbeitskräfteüberlassungsgesetzes (AÜG) schuldig erkannt, weil er es als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit verwaltungsstrafrechtlich Verantwortlicher eines näher bezeichneten Unternehmens mit Sitz in U zu verantworten habe, dass dieses - in der Eigenschaft als Überlasser bei der Ausübung der bewilligungsfreien Überlassung von Arbeitskräften von U nach Österreich - entgegen § 17 Abs. 2 und 3 AÜG verabsäumt habe, drei namentlich genannte Arbeitskräfte spätestens eine Woche vor deren Arbeitsaufnahme in Österreich der Behörde (Zentrale Koordinationsstelle für die Kontrolle der illegalen Beschäftigung beim Bundesministerium für Finanzen) zu melden, wobei die Meldung die in § 17 Abs. 3 AÜG genannten Angaben (u.a. Namen der überlassenen Arbeitskräfte und Höhe des ihnen gebührenden Entgelts) zu enthalten habe.

Deshalb wurde über den Revisionswerber gemäß § 22 Abs. 1 Z 2 erster Fall AÜG eine Geldstrafe von EUR 1.500,-- sowie für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe verhängt und ihm ein Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens auferlegt. Weiters wurde gemäß § 25a VwGG ausgesprochen, dass eine Revision gegen diese Entscheidung gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig ist.

1.2.1. Dagegen richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, in welcher als Revisionspunkt angeführt wird, der Revisionswerber fühle sich durch das angefochtene Erkenntnis in dem "gesetzlich gewährleisteten Recht auf Ausübung der Dienstleistungsfreiheit in Form der Erfüllung eines Werkvertrages mit den Mechanismen der Entsendung seiner Arbeitnehmer aus seinem Sitzstaat U in das andere EU-Mitgliedsland Österreich verletzt". Der Revisionswerber sei "damit insbesondere in seinem Recht auf richtige Anwendung des § 4 AÜG in Verbindung mit Artikel 12 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 " (und des "EU-Beschlusses A2 zur Auslegung dieses Artikels") verletzt.

1.2.2. Zur Zulässigkeit der Revision wird ausgeführt, dass "die Sache Rechtsfragen berührt, für die es noch keine einheitliche Rechtsprechung" gebe. Die Angelegenheit habe einen "Europabezug", weil es sich gegenständlich um eine Entsendung von Arbeitnehmern zur Ausführung eines Werks handle. Während der Revisionswerber den Vertrag, für dessen Erfüllung er seine Arbeitnehmer entsandt habe, als Werkvertrag qualifiziere, werde dieser Vertrag vom Verwaltungsgericht als Arbeitnehmerüberlassungsvertrag eingestuft. Die rechtliche Einstufung des Vertrages habe aber nicht nur nach nationalem Recht, sondern auch nach höherrangigem europäischem Verordnungsrecht - hier speziell nach der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 und nach der EU-Richtlinie 96/71/EG vom 16. Dezember 1996 - zu erfolgen. Zu "eben diesem Gesetzesgemenge aus europäischem und nationalen Recht" fehle eine gesicherte Rechtsprechung. Außerdem fehle bislang Rechtsprechung zu jenem (näher bezeichneten) "Leitfaden" der Kommission der Europäischen Union, der sich mit der Umsetzung der genannten Verordnung beschäftige.

2.1. Gemäß Art. 133 Abs. 6 Z 1 B-VG kann gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes wegen Rechtswidrigkeit Revision erheben, wer durch das Erkenntnis in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet.

Gemäß § 28 Abs. 1 Z 4 VwGG idF des Verwaltungsgerichtsbarkeits-Ausführungsgesetzes, BGBl. I Nr. 33/2013, hat die Revision die Rechte zu bezeichnen, in denen der Revisionswerber verletzt zu sein behauptet (Revisionspunkte).

Zur Rechtslage des § 28 Abs. 1 Z 4 VwGG idF vor der Änderung durch das Verwaltungsgerichtsbarkeits-Ausführungsgesetz wurde wiederholt darauf hingewiesen, dass bei der Prüfung eines angefochtenen Bescheides dem Beschwerdepunkt nach § 28 Abs. 1 Z 4 VwGG entscheidende Bedeutung zukam. Der Verwaltungsgerichtshof hatte nämlich nicht zu prüfen, ob irgendein subjektives Recht des Beschwerdeführers verletzt worden war, sondern nur, ob jenes verletzt worden war, dessen Verletzung der Beschwerdeführer behauptete. Durch den Beschwerdepunkt wurde der Prozessgegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens festgelegt und der Rahmen abgesteckt, an den der Verwaltungsgerichtshof bei der Prüfung des angefochtenen Bescheides gebunden war. Wurde der Beschwerdepunkt unmissverständlich ausgeführt, so war er einer Auslegung aus dem Gesamtzusammenhang der Beschwerde nicht zugänglich (vgl. für viele den hg. Beschluss vom 20. November 2014, Zl. Ra 2014/16/0019).

Diese Grundsätze gelten auch für § 28 Abs. 1 Z 4 VwGG idF des Verwaltungsgerichtsbarkeits-Ausführungsgesetzes, weil sich inhaltlich an den Anforderungen an eine Revision gegenüber jenen an eine Beschwerde insoweit nichts geändert hat (vgl. auch dazu den zitierten Beschluss, Zl. Ra 2014/16/0019, sowie den Beschluss vom 27. November 2014, Zl. Ra 2014/03/0039).

Im vorliegenden Fall macht der Revisionswerber im Rahmen der Bezeichnung des Revisionspunktes im Wesentlichen geltend, er sei einerseits im "Recht auf Ausübung der Dienstleistungsfreiheit" und andererseits im "Recht auf richtige Anwendung des § 4 AÜG in Verbindung mit Artikel 12 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 " verletzt.

Damit macht er aber kein subjektiv-öffentliches Recht geltend, in welchem er durch das angefochtene Erkenntnis verletzt sein könnte. Bei der behaupteten Verletzung des Rechtes "auf richtige Anwendung" der genannten Vorschriften handelt es sich nicht um einen Revisionspunkt iSd § 28 Abs. 1 Z 4 VwGG, sondern um einen Revisionsgrund iSd Z 5 leg. cit. (vgl. etwa den Beschluss vom 25. Oktober 2013, Zl. 2013/02/0034, mwN).

Gleiches gilt für die Verletzung im behaupteten "Recht auf Ausübung der Dienstleistungsfreiheit". Im Zusammenhang mit der genannten Grundfreiheit ist auch darauf hinzuweisen, dass dem Revisionswerber gegenständlich nicht etwa die grenzüberschreitende Überlassung von Arbeitnehmern angelastet wurde (die nach der Tatumschreibung ohnedies bewilligungsfrei ist; vgl. § 16a AÜG), sondern bloß die Nichterstattung von Meldungen betreffend die erfolgte Überlassung. Im Hinblick auf den diesbezüglichen Spruch des Straferkenntnisses könnte der Revisionswerber daher nur im Recht auf Unterbleiben einer Bestrafung gemäß § 17 Abs. 2 und 3 iVm § 22 Abs. 1 Z 2 AÜG mangels Vorliegens des genannten Verwaltungsstraftatbestandes verletzt sein (vgl. dazu etwa das Erkenntnis vom 22. April 2015, Zl. 2013/10/0257). Eine dahingehende Umdeutung der behaupteten Rechtsverletzung des Revisionswerbers scheidet nach dem Gesagten jedoch aus.

2.2. Unbeschadet der vorstehenden Ausführungen erweist sich die vorliegende Revision auch unter einem weiteren Gesichtspunkt als unzulässig:

Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG).

Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

Dem in § 28 Abs. 3 VwGG normierten Erfordernis, dass die Revision "gesondert" die Gründe zu enthalten hat, warum die Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG vorliegen, wird nicht schon durch nähere Ausführungen zur behaupteten Rechtswidrigkeit der bekämpften Entscheidung oder zu den Rechten, in denen sich der Revisionswerber verletzt erachtet, Genüge getan (vgl. den Beschluss vom 25. März 2014, Zl. Ra 2014/04/0001). Vielmehr ist in den "gesonderten" Gründen konkret darzulegen, in welchen Punkten die angefochtene Entscheidung von welcher Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht bzw. konkret welche Rechtsfrage der Verwaltungsgerichtshof uneinheitlich oder noch gar nicht beantwortet hat (vgl. den hg. Beschluss vom 16. Dezember 2014, Zl. Ra 2014/11/0095, und die dort angeführte Vorjudikatur).

Außerdem muss die Revision, damit sie zulässig ist, gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG von der Lösung der Rechtsfrage, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, abhängen. In der Revision muss daher gemäß § 28 Abs. 3 VwGG konkret dargetan werden, warum das rechtliche Schicksal der Revision von der behaupteten Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung abhängt (vgl. den hg. Beschluss vom 22. Juli 2014, Zl. Ro 2014/04/0055, mit Hinweis auf den Beschluss vom 25. März 2014, Zl. Ra 2014/04/0001, und daran anknüpfend der bereits zitierte Beschluss, Zl. Ra 2014/11/0095).

Die vorliegende Revision enthält zwar gesonderte Ausführungen zu ihrer Zulässigkeit, indem sie das Fehlen von Judikatur zur Frage, ob der gegenständliche Vertrag - bei Berücksichtigung des Unionsrechts (die Revision führt in diesem Zusammenhang ausdrücklich die Verordnung (EG) Nr. 883/2004 und die Richtlinie 96/71/EG vom 16. Dezember 1996 an und verweist auf das "Gesetzesgemenge" mit nationalem Recht) - als Werkvertrag oder als Arbeitnehmerüberlassungsvertrag einzustufen ist, vorbringt. Die Revision zeigt jedoch in diesen gesonderten Ausführungen zur Zulässigkeit nicht auf, weshalb das rechtliche Schicksal der Revision überhaupt von den genannten unionsrechtlichen Vorschriften "abhängt", was nicht offensichtlich ist. So ist nach dem Vorbringen nicht einmal ersichtlich, weshalb der vorliegende Fall überhaupt vom sachlichen Geltungsbereich der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 , der in ihrem Art. 3 festgelegt ist, umfasst sein soll. Was die genannte Richtlinie betrifft, so wird im Vorbringen zur Zulassung der Revision keine konkrete Bestimmung der Richtlinie genannt, die zu einer vom Verwaltungsgericht abweichenden Beurteilung des vorliegenden Falles führen könnte und zu welcher Rechtsprechung (angeblich) fehlt.

In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme.

3. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 4. November 2015

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