VwGH Ra 2015/10/0136

VwGHRa 2015/10/013628.6.2016

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stöberl sowie die Hofräte Dr. Rigler und Dr. Lukasser als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Uhlir, über die Revision der K in N, vertreten durch die Piaty Müller-Mezin Schoeller Rechtsanwälte GmbH & Co KG in 8010 Graz, Glacisstraße 27/2, gegen den Beschluss des Landesverwaltungsgerichtes Steiermark vom 22. September 2015, Zl. LVwG 40.19-1129/2015-11, betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens i.A. des Apothekengesetzes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Liezen; mitbeteiligte Partei: E in G), den Beschluss gefasst:

Normen

ApG 1907 §3 Abs1 Z3;
AVG §37;
AVG §69 Abs1 Z3;
AVG §69 Abs1;
AVG §8;
VwGG §42 Abs3;
VwGVG 2014 §32 Abs1 Z3;
VwGVG 2014 §32 Abs1;
VwRallg;
ApG 1907 §3 Abs1 Z3;
AVG §37;
AVG §69 Abs1 Z3;
AVG §69 Abs1;
AVG §8;
VwGG §42 Abs3;
VwGVG 2014 §32 Abs1 Z3;
VwGVG 2014 §32 Abs1;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die Revisionswerberin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 553,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 1. Mit Bescheid vom 18. Juli 2011 erteilte die belangte Behörde der nunmehrigen Revisionswerberin aufgrund deren Antrages vom 22. Dezember 2009 die Konzession zum Betrieb einer neu zu errichtenden öffentlichen Apotheke in Schladming unter Festlegung eines näher beschriebenen Teils des Gemeindegebietes Schladming als Standort.

2 Einer dagegen erhobenen Berufung gab der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark (UVS) mit Bescheid vom 21. November 2012 insofern Folge, als er den Konzessionsantrag der Revisionswerberin in Abänderung des angeführten Bescheides der belangten Behörde abwies. Dies begründete der UVS im Kern damit, dass der Revisionswerberin die Leitungsberechtigung im Sinn des § 3 Abs. 1 Z. 3 Apothekengesetz (ApG) mangle, sodass die persönliche Eignung der Revisionswerberin als gesetzliche Voraussetzung für die Erteilung der Konzession für eine neue öffentliche Apotheke nicht vorliege.

3 Dieser Bescheid wurde mit dem hg. Erkenntnis vom 18. Februar 2015, Zl. 2013/10/0017, wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufgehoben; auf dessen Begründung wird gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen.

4 2. Mit Bescheid ebenfalls der belangten Behörde vom 2. August 2013 wurde der Mitbeteiligten aufgrund deren Antrages vom 9. Februar 2011 die Konzession zum Betrieb einer neu zu errichtenden öffentlichen Apotheke in Schladming unter Festlegung des Standortes erteilt.

5 Eine dagegen erhobene Beschwerde der Revisionswerberin wurde mit Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Steiermark vom 9. Juli 2014 mangels Parteistellung der Revisionswerberin "zum gegenwärtigen Zeitpunkt" im Konzessionserteilungsverfahren über den Antrag der Mitbeteiligten als unzulässig zurückgewiesen.

6 In dem eine dagegen gerichtete Revision betreffenden hg. Beschluss vom 20. Mai 2015, Zl. Ro 2014/10/0121, hat der Verwaltungsgerichtshof unter anderem ausgesprochen, dass infolge der Erlassung des hg. Erkenntnisses zur Zl. 2013/10/0017 das Verfahren über den Konzessionsantrag der Revisionswerberin vom 22. Dezember 2009 wieder offen ist, wobei diesem Antrag Priorität gegenüber dem Konzessionsantrag der Mitbeteiligten vom 9. Februar 2011 zukommt.

7 3. Mit Schriftsatz vom 15. April 2015 beantragte die Revisionswerberin, das Verwaltungsgericht möge das mit seiner Entscheidung vom 9. Juli 2014 abgeschlossene Konzessionsverfahren über das Ansuchen der Mitbeteiligten "gemäß § 69 Abs 1 Z 3 AVG in eventu gemäß § 69 Abs 1 Z 2 AVG in eventu § 69 Abs 1 Z 4" wiederaufnehmen und zugleich dieses Verfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung des Verfahrens über den Konzessionsantrag der Revisionswerberin aussetzen. Als Wiederaufnahmegrund zieht der Antrag ausdrücklich das hg. Erkenntnis zur Zl. 2013/10/0017 heran, welches einerseits eine Vorfragenentscheidung im Sinn des § 69 Abs. 1 Z. 3 AVG sowie gleichzeitig eine neue Tatsache bzw. ein neues Beweismittel im Sinn des § 69 Abs. 1 Z. 2 AVG darstelle. "Hilfsweise" wurde auch der Wiederaufnahmegrund des § 69 Abs. 1 Z. 4 AVG geltend gemacht, weil "mit dem nachträglich ergangenen VwGH Erkenntnis die Parteistellung der Wiederaufnahmswerberin begründet" werde.

Der Wiederaufnahmeantrag der Revisionswerberin zielte somit auf die Wiedereröffnung des mit Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Steiermark vom 9. Juli 2014 rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens ab, mit dem der Mitbeteiligten die Apothekenkonzession erteilt wurde.

8 4. Mit dem nunmehr mit außerordentlicher Revision angefochtenen Beschluss vom 22. September 2015 wies das Landesverwaltungsgericht Steiermark diese Anträge gemäß § 32 Abs. 1 VwGVG ab.

9 Zur Begründung führte das Verwaltungsgericht - soweit mit Blick auf die Zulassungsausführungen der außerordentlichen Revision von Interesse - im Wesentlichen aus, die Bestimmungen über die Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 32 VwGVG seien den Bestimmungen der §§ 69 und 70 AVG nachgebildet. Der Wiederaufnahmegrund des § 32 Abs. 1 Z. 2 VwGVG komme nicht in Betracht, weil dieser auf tatsächliche Umstände abstelle.

10 Der Tatbestand der abweichenden Vorfragenentscheidung im Sinn des § 32 Abs. 1 Z. 3 VwGVG sei - in der vorliegenden Konstellation - allein durch die Aufhebung eines die Vorfrage betreffenden Bescheides durch den Verwaltungsgerichtshof noch nicht hergestellt, sondern erst aufgrund des in weiterer Folge zu erlassenden Ersatzbescheides. Infolge des erwähnten hg. Erkenntnisses zur Zl. 2013/10/0017 sei das Verfahren vor dem Verwaltungsgericht über die von der Revisionswerberin gegen den Bescheid der belangten Behörde vom 18. Juli 2011 erhobene Berufung/Beschwerde wieder offen, weshalb der Wiederaufnahmegrund des § 32 Abs. 1 Z. 3 VwGVG "derzeit nicht" vorliege. Der hilfsweise angesprochene Wiederaufnahmegrund des § 32 Abs. 1 Z. 4 VwGVG (Einwendung der entschiedenen Sache) liege ebenfalls nicht vor.

11 Die Revision ließ das Verwaltungsgericht nicht zu. 12 5. Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG).

13 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

14 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

15 6. In der gegen den Beschluss vom 22. September 2015 erhobenen außerordentlichen Revision führt die Revisionswerberin zur Zulässigkeit im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG lediglich aus, das Verwaltungsgericht habe verkannt, dass "aufgrund der Prioritätsregel eine Wiedereröffnung des gegenständlichen Verfahrens geboten ist", sodass das Verwaltungsgericht von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweiche. Es fehle auch eine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dazu, dass eine "Wiederaufnahme des nachrangigen Konzessionsansuchens zur Erhaltung der Rechtssicherheit des prioritären Ansuchens jenem Interesse" vorgehe, das der nachgereihte Ansuchende daran habe, seine Apotheke schnellstmöglich zu eröffnen.

16 7. Mit diesem Vorbringen wird eine grundsätzliche Rechtsfrage nicht dargelegt:

17 7.1. Zutreffend weist der angefochtene Beschluss zunächst darauf hin, dass die Wiederaufnahmegründe des § 32 Abs. 1 VwGVG denjenigen des § 69 Abs. 1 AVG nachgebildet sind und daher auf das bisherige Verständnis dieser Wiederaufnahmegründe zurückgegriffen werden kann (vgl. das hg. Erkenntnis vom 31. August 2015, Zl. Ro 2015/11/0012, sowie den hg. Beschluss vom 23. Februar 2016, Zl. Ra 2015/01/0116).

18 7.2. Zu dem vorliegend allein in den Blick zu nehmenden Wiederaufnahmegrund des § 69 Abs. 1 Z. 3 AVG bzw. (im Verfahren vor den Verwaltungsgerichten) § 32 Abs. 1 Z. 3 VwGVG besteht - entgegen der Behauptung der Revisionswerberin - hg. Rechtsprechung, wonach eine aufhebende Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes für sich genommen noch keine Berechtigung zur Wiederaufnahme vermittelt (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 2. Oktober 1990, Zl. 90/11/0140, mwN).

19 Die dem angefochtenen Beschluss zugrunde liegende Auffassung des Verwaltungsgerichtes, dass die Aufhebung des Bescheides des UVS vom 21. November 2012 durch das hg. Erkenntnis vom 18. Februar 2015, Zl. 2013/10/0017, noch keinen Grund für die Wiederaufnahme des Verfahrens nach § 32 Abs. 1 Z. 3 VwGVG bilde, sondern erst die aufgrund dieses Erkenntnisses zu erlassende (zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Beschlusses allerdings unstrittig noch nicht ergangene) Ersatzentscheidung des Verwaltungsgerichtes einen solchen Wiederaufnahmegrund darstellen könne (vgl. dazu auch die hg. Erkenntnisse vom 11. Februar 1992, Zl. 92/11/0038, sowie vom 17. März 1992, Zl. 91/11/0157, weiters Hengstschläger/Leeb, AVG § 69 Rz 20), ist auch mit Blick auf das wiedergegebene Zulassungsvorbringen der Revisionswerberin nicht zu beanstanden.

20 7.3. Zu der vorliegenden Verfahrenskonstellation sei Folgendes angemerkt:

Durch die mit dem angeführten Erkenntnis zur hg. Zl. 2013/10/0017 mit ex tunc-Wirkung (vgl. § 42 Abs. 3 VwGG) erfolgte Aufhebung des den Konzessionsantrag der Revisionswerberin abweisenden Bescheides des UVS ist die Revisionswerberin im Verfahren über den Konzessionsantrag der Mitbeteiligten als übergangene Partei anzusehen und hat als solche die Möglichkeit, die Zustellung des Bescheides vom 2. August 2013, mit dem der Mitbeteiligten die Konzession erteilt wurde, zu beantragen und diesen anzufechten (vgl. etwa die Nachweise aus der hg. Rechtsprechung bei Hengstschläger/Leeb, AVG § 63 Rz 67).

Die bereits erfolgte Zurückweisung der Beschwerde der Revisionswerberin mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichts vom 9. Juli 2014 steht dem wegen der mit Blick auf § 42 Abs. 3 VwGG geänderten Sach- und Rechtslage nicht entgegen.

21 8. Die Revision war daher zurückzuweisen.

22 Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff, insbesondere § 51 VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 28. Juni 2016

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