VwGH 2013/10/0017

VwGH2013/10/001718.2.2015

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stöberl sowie die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Lukasser, Dr. Hofbauer und Dr. Fasching als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Uhlir, über die Beschwerde der H K in N, vertreten durch die Piaty Müller-Mezin Schoeller Rechtsanwälte GmbH in 8010 Graz, Glacisstraße 27/II, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark vom 21. November 2012, Zl. UVS 48.21-3/2011-39, betreffend Konzession für die Errichtung und den Betrieb einer neuen öffentlichen Apotheke (mitbeteiligte Partei: V O in S, vertreten durch Mag. Dr. Eleonore Berchtold-Ostermann, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Bräunerstraße 6; weitere Partei: Bundesministerin für Gesundheit), zu Recht erkannt:

Normen

ApG 1907 §17;
ApG 1907 §3 Abs1 Z3;
ApG 1907 §3 Abs2;
ApG 1907 §3 Abs3;
ApG 1907 §3 Abs6;
ApG 1907 §3;
ApG 1907 §9 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit Bescheid vom 18. Juli 2011 erteilte die Bezirkshauptmannschaft Liezen (als Erstbehörde) der Beschwerdeführerin die Konzession zum Betrieb einer neu zu errichtenden öffentlichen Apotheke in S unter Festlegung eines näher beschriebenen Teils des Gemeindegebietes S als Standort, wobei sich die Erstbehörde auf die §§ 3, 9, 10, 44, 46 und 48 bis 51 Apothekengesetz (ApG) stützte.

Zur Begründung führte die Erstbehörde - auf das Wesentlichste zusammengefasst - aus, die Beschwerdeführerin habe ihrem Ansuchen vom 23. Dezember 2009 die erforderlichen Urkunden zum Nachweis ihrer persönlichen Eignung gemäß § 3 ApG beigelegt. Die Mitbeteiligte habe als Inhaberin der in S bereits bestehenden E.- Apotheke einen (rechtzeitigen) Einspruch gegen die geplante Neuerrichtung einer Apotheke in S eingebracht. Nach einem von der Österreichischen Apothekerkammer am 31. Jänner 2011 erstellten Gutachten bestehe der Bedarf an einer neu zu errichtenden öffentlichen Apotheke im Sinn des § 10 ApG. Die Beschwerdeführerin habe durch Vorlage entsprechender Bestätigungen und Verträge mit der Grundstückseigentümerin ihr Verfügungsrecht an der geplanten Betriebsstätte bescheinigt. Entsprechend einer Empfehlung im Gutachten der Österreichischen Apothekerkammer sei allerdings der genehmigte Standort - gegenüber dem dem Verfahren zugrunde liegenden Antrag der Beschwerdeführerin - eingeschränkt worden.

2. Die Beschwerdeführerin wendete sich in ihrer Berufung gegen die mit diesem Bescheid vorgenommene Einschränkung des Standortes.

Die Berufung der Mitbeteiligten vom 9. August 2011 richtete sich gegen den erstbehördlichen Bescheid in seinem gesamten Umfang; darin beantragte diese (primär) die Abänderung des Bescheides dahin, dass das Konzessionsansuchen der Beschwerdeführerin abgewiesen werde. Inhaltlich zog die Berufung vor allem die erstbehördliche Beurteilung des Bedarfs an der neu zu errichtenden öffentlichen Apotheke in Zweifel.

In einer im Berufungsverfahren erstatteten Stellungnahme vom 11. Juni 2012 brachte die Mitbeteiligte ergänzend vor, nach den ihr vorliegenden Informationen verfüge die Beschwerdeführerin - wegen einer mittlerweile erfolgten Änderung der Pharmazeutischen Fachkräfteverordnung - nicht mehr über die erforderliche Leitungsberechtigung gemäß § 3 Abs. 1 Z. 3 ApG.

3. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 21. November 2012 gab die belangte Behörde der Berufung der Beschwerdeführerin keine Folge, der Berufung der Mitbeteiligten hingegen insofern Folge, als sie den Konzessionsantrag der Beschwerdeführerin - gestützt insbesondere auf § 66 Abs. 4 AVG und §§ 3, 4 ApG - in Abänderung des erstbehördlichen Bescheides abwies.

Zur Begründung führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, sie habe sämtliche Anforderungen an die persönliche Eignung aufzugreifen, wobei die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung maßgeblich sei.

Die Beschwerdeführerin habe im Zeitraum vom 14. März 2006 bis 15. Juni 2009 keine Apothekertätigkeit ausgeübt. Im Zeitraum vom 15. Juni 2009 bis 31. März 2010 sei sie in der C.-Apotheke in G. und in den Zeiträumen vom 1. bis 16. Mai 2010, vom 17. Mai bis 30. Juni 2010 sowie vom 1. Juli 2010 bis 31. August 2011 in einer Apotheke in W. in einem Beschäftigungsverhältnis tätig gewesen. Seit 30. September 2011 sei die Beschwerdeführerin in Pension und mit 9. Juli 2012 als Beschäftigte der A.-Apotheke angemeldet worden.

Welche Anforderungen ein Apotheker erfüllen müsse, um eine Leitungsberechtigung aufrecht zu erhalten, sei bisher nur durch einen Erlass der Bundesministerin für Gesundheit und Frauen vom 9. Dezember 2004 geregelt gewesen. Dieser Erlass habe jedoch einzig die Möglichkeit, wie die Leitungsberechtigung erhalten werden könne, nicht jedoch wie eine bereits verlorene Leitungsberechtigung wiedererlangt werden könne, geregelt.

Erhalt und Wiedererlangung der Leitungsberechtigung würden nun seit 11. November 2011 in § 17 der (aufgrund des § 5 ApG erlassenen) Pharmazeutischen Fachkräfteverordnung geregelt. Demnach sei für die Wiedererlangung der Leitungsberechtigung das erforderliche Dienstausmaß eine durchgehende sechsmonatige Beschäftigung im Volldienst.

Soweit die Beschwerdeführerin vorbringe, dass es zu einer schlagartigen Änderung der Voraussetzungen gekommen sei, gehe diese Behauptung insofern ins Leere, als es sich bei dieser Klarstellung um keine Gesetzesänderung handle, sondern bloß um die Novelle der angeführten Verordnung. Darüber hinaus sei durch die Rechtsabteilung der Österreichischen Apothekerkammer im Zuge des Inkrafttretens der Verordnung bereits im Vorfeld umfassend mittels ausführlicher Informationen und Artikel in der Österreichischen Apothekerzeitung informiert und ausdrücklich darauf hingewiesen worden, dass eine Beschäftigung während sechs Monaten im Dienstausmaß von 2/10 nur der bisherigen Verwaltungspraxis entspreche.

Der Beschwerdeführerin wäre es seit Inkrafttreten der (novellierten) Verordnung am 11. November 2011 bis zur Erlassung des angefochtenen Bescheides sehr wohl möglich gewesen, die für die Wiedererlangung der Leitungsberechtigung erforderlichen sechs Monate im Volldienst zu erbringen. Tatsächlich sei sie jedoch erst seit 9. Juli 2012 in der A.-Apotheke gemeldet.

Ausgehend von diesen Prämissen folge die belangte Behörde den Ausführungen in der Stellungnahme der Österreichischen Apothekerkammer, wonach es offensichtlich sei, dass die Beschwerdeführerin seit 15. Juni 2009 nicht mehr über die Leitungsbefugnis verfüge.

Dem Antrag der Beschwerdeführerin auf Aussetzung des Verfahrens "zur Beantwortung eines Schreibens an das Bundesministerium" (für Gesundheit) bzw. bis zur Vollendung einer sechs Monate dauernden Beschäftigung durch die Beschwerdeführerin habe "nicht mehr länger" entsprochen werden können. Im gegenständlichen Fall sei auch keine Vorfrage, sondern lediglich das Vorliegen oder Nichtvorliegen eines Tatbestandsmerkmales, nämlich die Dauer eines ausreichenden Beschäftigungsverhältnisses zu prüfen gewesen. Ob die Beschwerdeführerin nachträglich die Voraussetzungen für die Leitungsfunktion erfülle oder nicht, sei daher nicht Gegenstand des von der belangten Behörde zu entscheidenden Falles, weshalb keine Rechtsgrundlage dafür bestehe, das Verfahren noch länger auszusetzen.

Abschließend führte die belangte Behörde aus, dass sich mangels Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen für die persönliche Eignung der Beschwerdeführerin zur Erteilung der Konzession für eine neue öffentliche Apotheke - wegen des Verlustes der Leitungsberechtigung - ein Eingehen auf das Berufungsvorbringen der Beschwerdeführerin zur Frage des Standorts erübrige; der Konzessionsantrag der Beschwerdeführerin sei somit abzuweisen.

4. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragt.

Auch die Mitbeteiligte hat eine Gegenschrift erstattet und in dieser die Zurück- bzw. Abweisung der Beschwerde beantragt.

Mit Schriftsatz vom 27. Jänner 2015 hat die Beschwerdeführerin weiteres Vorbringen erstattet.

II.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Vorauszuschicken ist, dass im vorliegenden Fall gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG die bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Bestimmungen des VwGG anzuwenden sind.

2. Die im vorliegenden Zusammenhang interessierenden Bestimmungen des Apothekengesetzes (ApG), RGBl. Nr. 5/1907 idF BGBl. I Nr. 135/2009, lauten:

"§ 3.

Persönliche Eignung

(1) Zur Erlangung der Berechtigung zum selbständigen Betrieb einer öffentlichen Apotheke im Sinne dieses Bundesgesetzes ist erforderlich:

(...)

2. die allgemeine Berufsberechtigung als Apotheker gemäß § 3b oder eine gemäß § 3c anerkannte Berufsausbildung,

3. die Leitungsberechtigung auf Grund einer nach Erfüllung des Erfordernisses gemäß Z 2 zurückgelegten fachlichen Tätigkeit der in Abs. 2 bezeichneten Art und Dauer,

(...)

(2) Fachliche Tätigkeit im Sinne des Abs. 1 Z 3 ist eine fünfjährige pharmazeutische Tätigkeit in einer öffentlichen Apotheke oder Anstaltsapotheke in einer Vertragspartei des EWR-Abkommens oder in der Schweiz.

(3) Der Berechnung der Dauer der fachlichen Tätigkeit im Sinne des Abs. 1 Z 3 ist eine im Volldienst tatsächlich zurückgelegte Dienstverwendung zu Grunde zu legen. Im Teildienst zurückgelegte Zeiten sind nur mit ihrem verhältnismäßigen Anteil anzurechnen.

(...)

(6) Von der Erlangung der Berechtigung zum selbständigen Betrieb einer öffentlichen Apotheke im Sinne dieses Bundesgesetzes ist ausgeschlossen, wer länger als drei Jahre in keiner öffentlichen Apotheke oder Anstaltsapotheke tätig war und nicht seit wenigstens sechs Monaten eine solche Tätigkeit wieder ausübt.

(...)

Ausbildung, Prüfung und Tätigkeitsbereiche der Apotheker

§ 5. Der Bundesminister für Gesundheit, Familie und Jugend hat die Ausbildung, die Verwendung während der Ausbildung und die Prüfung für den Apothekerberuf (§ 3a Abs. 1), die den Apothekern vorbehaltenen Tätigkeiten in Apotheken sowie nähere Bestimmungen über die für den Erhalt der Berechtigung zum Betrieb einer öffentlichen Apotheke oder die für deren Wiedererlangung erforderliche Dienstzeit (§ 3 Abs. 6) nach Anhören der Österreichischen Apothekerkammer durch Verordnung zu regeln. (...)

(...)"

§ 17 der Pharmazeutischen Fachkräfteverordnung, BGBl. Nr. 40/1930 in der Fassung BGBl. II Nr. 360/2011 (in Kraft getreten am 11. November 2011), lautet wie folgt:

"Leitungsberechtigung

§ 17. (1) Für die Berechnung der Dauer der für die Berechtigung zur Leitung einer Apotheke (Leitungsberechtigung) erforderlichen fünfjährigen pharmazeutischen Tätigkeit in einer Apotheke ist eine im Volldienst tatsächlich zurückgelegte Dienstverwendung zu Grunde zu legen. Im Teildienst zurückgelegte Zeiten sind nur mit ihrem verhältnismäßigen Anteil anzurechnen. Außer dem gesetzlich oder kollektivvertraglich festgesetzten Urlaub wird eine sechs Monate nicht überschreitende und durch ärztliches Zeugnis nachgewiesene Dienstverhinderung durch Erkrankung oder Unfall angerechnet.

(2) Die Leitungsberechtigung verliert, wer länger als drei Jahre in keiner öffentlichen Apotheke oder Anstaltsapotheke tätig war. Der Verlust tritt nicht ein, wenn eine pharmazeutische Tätigkeit in einer öffentlichen Apotheke oder Anstaltsapotheke von insgesamt mindestens vier Wochen im Volldienst bzw. bei geringerem Dienstausmaß eine verhältnismäßig längere Dauer innerhalb von drei Jahren vorliegt. Die pharmazeutische Tätigkeit kann so auf den Zeitraum von drei Jahren verteilt sein, dass die Summe der Zeiten in drei Jahren mindestens vier Wochen im Volldienst ergibt.

(3) Nach Verlust der Leitungsberechtigung ist zu deren Wiedererlangung eine mindestens sechs Monate dauernde Tätigkeit im Volldienst zu absolvieren."

3. Vorauszuschicken ist, dass die belangte Behörde infolge der Berufung der Beschwerdeführerin nicht auf die (von der Berufung der Mitbeteiligten relevierte) Bedarfsfrage beschränkt war, sondern auch das Vorliegen der Voraussetzungen der persönlichen Eignung zur Erteilung der Konzession zu beurteilen hatte.

Die von der belangten Behörde allein zur Abweisung des Konzessionsantrags der Beschwerdeführerin herangezogene Frage der Leitungsberechtigung der Beschwerdeführerin lag somit innerhalb der Entscheidungsbefugnis der belangten Behörde, wird doch der Gegenstand des Apothekenkonzessionsverfahrens durch den Standort bestimmt (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 22. April 2002, Zl. 2000/10/0053 = VwSlg. 15.813A); die belangte Behörde durfte somit dem angefochtenen Bescheid eine Beurteilung nach § 3 ApG zugrunde legen.

4. Nach den - unbestrittenen - Feststellungen der belangten Behörde hat die Beschwerdeführerin im Zeitraum vom 14. März 2006 bis 15. Juni 2009 keine Apothekertätigkeit ausgeübt und dadurch die Leitungsberechtigung im Sinne des § 3 ApG verloren.

5.1. In der Beschwerde behauptet die Beschwerdeführerin, dass sie die Leitungsberechtigung mit 15. Dezember 2009 wiedererlangt habe, und bringt dazu im Wesentlichen vor, dieser Zeitpunkt liege lange vor Inkrafttreten des § 17 der Pharmazeutischen Fachkräfteverordnung und stelle damit einen abgeschlossenen Sachverhalt dar. Die Voraussetzungen zur Wiedererlangung der Leitungsberechtigung "nach der damals geltenden Rechtslage und Verwaltungspraxis", wonach eine sechsmonatige Teildiensttätigkeit ausreichte, seien erfüllt worden. Die Beschwerdeführerin sei - wie aus den Personalstammdaten der Gehaltskassa der Österreichischen Apothekerkammer hervorgehe - darüber hinaus nach dem Verlust der Leitungsberechtigung vom 1. Juli 2010 bis zum 31. August 2011 in einer Apotheke pharmazeutisch tätig gewesen.

Die belangte Behörde sei unrichtig davon ausgegangen, dass die neue Rechtslage anzuwenden und somit die am 15. Dezember 2009 vorliegende Leitungsberechtigung zwischenzeitlich aufgrund der Änderung der maßgeblichen Rechtslage weggefallen sei. Eine "Rückwirkung" des § 17 Pharmazeutische Fachkräfteverordnung auf abgeschlossene, in der Vergangenheit liegende Sachverhalte sei ausgeschlossen. Vielmehr sei der abgeschlossene Sachverhalt nach alter Rechtslage zu beurteilen und diese Beurteilung dem Bescheid zugrunde zu legen.

Auch nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sei das im Zeitpunkt der Bescheiderlassung geltende Recht von der belangten Behörde nur dann anzuwenden, wenn das Gesetz nicht ausdrücklich oder implizit auf einen in der Vergangenheit liegenden Zeitpunkt oder Zeitraum abstelle. Diese Betrachtungsweise habe auch dann Platz zu greifen, wenn darüber abzusprechen sei, was an einem bestimmten Stichtag oder in einem konkreten Zeitraum rechtens gewesen sei (Hinweis u. a. auf die hg. Erkenntnisse vom 6. Juni 1991, Zl. 91/09/0077, und vom 11. Februar 1992, Zl. 91/11/0147). Diese grundsätzlichen Erwägungen zur Frage der maßgebenden Rechtslage würden für jede bescheiderlassende Behörde gelten.

5.2. Mit diesem Vorbringen gelingt es der Beschwerde im Ergebnis, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides darzutun:

Mit der Novelle BGBl. II Nr. 360/2011wurde in § 17 Abs. 3 der Pharmazeutischen Fachkräfteverordnung festgelegt, dass nach Verlust der Leitungsberechtigung zu deren Wiedererlangung eine mindestens sechs Monate dauernde Tätigkeit "im Volldienst" zu absolvieren ist. Diese Bestimmung trat mit 11. November 2011 in Kraft.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat jede Behörde im Allgemeinen das im Zeitpunkt der Erlassung ihres Bescheides geltende Recht anzuwenden. Eine andere Betrachtungsweise ist allerdings etwa dann geboten, wenn der Gesetzgeber in einer Übergangsbestimmung zum Ausdruck bringt, dass auf anhängige Verfahren noch das bisher geltende Gesetz anzuwenden ist. Weiters wird eine andere Betrachtungsweise auch dann Platz zu greifen haben, wenn darüber abzusprechen ist, was an einem bestimmten Stichtag oder in einem konkreten Zeitraum rechtens war (vgl. das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 4. Mai 1977, Zl. 898/75, VwSlg. 9315 A). Dieser Rechtsprechung liegt die Rechtsauffassung zugrunde, dass die Frage, welches Recht von der Behörde anzuwenden ist, eine Auslegungsfrage jener Bestimmungen ist, die den zeitlichen Anwendungsbereich zum Gegenstand haben. Eine solche Regelung kann explizit, z.B. in einer Übergangsbestimmung, erfolgen. Sie kann sich aber auch aus dem Regelungsgegenstand der Norm, um deren Anwendung es geht, implizit ergeben (vgl. zum Ganzen etwa das hg. Erkenntnis vom 27. November 2012, Zl. 2011/10/0115, mwN).

Eine ausdrückliche gesetzliche Regelung über die anzuwendende Rechtslage findet sich mit Blick auf § 17 der Pharmazeutischen Fachkräfteverordnung idF BGBl. II Nr. 360/2011 nicht.

Bei der in § 3 Abs. 1 Z. 3, Abs. 2 und 3 ApG geregelten "Leitungsberechtigung" handelt es sich um eine Befugnis, die der Apotheker bei Erfüllung der in diesen Bestimmungen genannten Voraussetzungen ex lege erwirbt (arg. "Leitungsberechtigung auf Grund einer ... fachlichen Tätigkeit ...") bzw. - nach Maßgabe des § 3 Abs. 6 ApG - verliert bzw. wieder erlangt. Die Beurteilung des Erwerbes, des Verlustes sowie der Wiedererlangung der Leitungsberechtigung ist somit nach dem Regelungsgegenstand dieser Normen aufgrund der im jeweiligen Zeitpunkt bzw. Zeitraum geltenden Rechtsvorschriften zu beurteilen.

Im vorliegenden Fall sind daher die von der belangten Behörde festgestellten Tätigkeiten der Beschwerdeführerin in Apotheken vor In-Kraft-Treten der Novelle der Pharmazeutischen Fachkräfteverordnung BGBl. II Nr. 360/2011 (am 11. November 2011) nach den in den jeweiligen Zeiträumen geltenden Rechtsnormen - und nicht nach § 17 der Pharmazeutischen Fachkräfteverordnung idF BGBl. II Nr. 360/2011 - zu beurteilen.

In diesem Zusammenhang ist auch darauf zu verweisen, dass die Bestimmungen des § 3 Abs. 1 Z. 3, Abs. 2 und 3 sowie des § 3 Abs. 6 ApG aufeinander bezogen zu verstehen sind, kann es doch dem Gesetzgeber - nach den ausweislich der Gesetzesmaterialien verfolgten Zielsetzungen - nicht zugesonnen werden, dass er die Voraussetzungen, die für die Wiedererlangung der Leitungsberechtigung maßgeblich sind, in Hinblick auf die Intensität des Dienstes anders (nämlich restriktiver) gestalten hätte wollen als jene, unter denen die Leitungsberechtigung erstmals erlangt werden kann. Für die Wiedererlangung der Leitungsberechtigung nach § 3 Abs. 6 ApG reicht somit sowohl ein sechsmonatiger Volldienst als auch ein iSd § 3 Abs. 3 ApG äquivalenter Teildienst aus.

6. Indem die belangte Behörde die Tätigkeiten der Beschwerdeführerin in Apotheken vor dem 11. November 2011 dessen ungeachtet nach § 17 der Pharmazeutischen Fachkräfteverordnung idF BGBl. II Nr. 360/2011 beurteilt hat, hat sie den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet; dieser war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

7. Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm § 3 Z. 1 der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014 und der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am 18. Februar 2015

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