Normen
AVG §18 Abs3 idF 2008/I/005;
AVG §18 idF 2008/I/005;
AVG §56;
B-VG Art130 Abs1 Z1;
E-GovG 2004 §19 Abs3;
VwGVG 2014 §28 Abs1;
Spruch:
Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Mit als Bescheid bezeichnetem Schriftstück der revisionswerbenden Gebietskrankenkasse vom 9. April 2013 wurde der mitbeteiligten Partei wegen Nicht-/nicht fristgerechter Vorlage der Lohnzettel und Beitragsgrundlagennachweise für das Jahr 2012 ein Beitragszuschlag gemäß § 113 Abs. 4 ASVG in der Höhe von EUR 380,-- vorgeschrieben. Dagegen erhob die mitbeteiligte Partei "Einspruch" (nunmehr Beschwerde), den die Gebietskrankenkasse im Folgenden mit Vorlagebericht vom 8. Jänner 2014 samt den bezughabenden Aktenstücken dem Bundesverwaltungsgericht vorlegte.
Mit Schreiben vom 22. April 2014 forderte das Bundesverwaltungsgericht die revisionswerbende Gebietskrankenkasse unter anderem auf, zur Beurteilung der Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes Stellung dazu nehmen, dass aus den bislang in Papierform vorgelegten Verwaltungsakten kein Hinweis auf das Vorliegen einer der Vorschrift des § 18 Abs. 3 AVG entsprechenden Genehmigung der mittels Beschwerde bekämpften Erledigung zu entnehmen sei.
Die revisionswerbende Gebietskrankenkasse führte in ihrer Stellungnahme aus, der gegenständliche Bescheid sei im Rahmen des Standardproduktes bzw. der Standardsoftware "MVB", im Wege der automationsunterstützten Datenverarbeitung generiert und erlassen worden. Die Arbeitsweise von MVB betreffend die Feststellung eines Meldeverstoßes, die Feststellung der Anzahl von Meldeverstößen in einem Beobachtungszeitraum von zwölf Monaten, die Berechnung der Sanktionshöhe sowie die Auswahl der richtigen Bescheidvorlage sei mehrfach getestet worden. Dabei sei festgestellt worden, dass MVB die Vorgaben korrekt umsetze. A. A., der im Bescheid vom 19. April 2003 als Genehmigender aufscheine, verfüge über die entsprechende Approbationsbefugnis, er habe im Zeitpunkt der Bescheiderstellung die Arbeitsweise von MVB im Bereich der Meldesanktionen sowie der diesbezüglichen Bescheidvorlagen gekannt. Auf Grund des Wissens um die korrekte Funktionsweise von MVB sowie der fehlenden Möglichkeit der Einflussnahme seitens der Mitarbeiter der Gebietskrankenkasse sei der vorliegende Einzelbescheid als Teil eines automationsgestützten Massenverfahrens von A. A. nicht mehr gesondert genehmigt worden.
Mit dem nunmehr angefochtenen Beschluss wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde zurück. Nach Darlegung des Verfahrensganges stellte das Bundesverwaltungsgericht fest, das von der mitbeteiligten Partei angefochtene Schriftstück weise die folgende Fertigungsklausel auf:
"Tiroler Gebietskrankenkasse, für den stv. Direktor, AA.". Weiters scheine auf dem angefochtenen Schriftstück die folgende "Amtssignatur" auf: Siegel mit Bundesadler und Logo der Gebietskrankenkasse, amtssigniert. Informationen zur Prüfung des Ausdrucks: http:/www.sozialversicherung.at/amtssignatur .
Unter der angegebenen Adresse finde sich im Internet folgende Aussage zum Modus der Verifikation von Dokumenten: "die befragte Stelle prüft, ob das Dokument tatsächlich von ihr ist und beantwortet die Frage im Fall der positiven Prüfung damit, dass das vorgelegte Dokument von ihr stammt und unverändert ist. ...". Das mit Beschwerde angefochtene Schriftstück sei das Produkt eines von der Gebietskrankenkasse bei Meldeverstößen gemäß § 113 Abs. 4 ASVG zum Einsatz gebrachen EDV-Systems, welches auf Grundlage von bei der Krankenkasse gespeicherten Daten automatisiert als "Bescheid" bezeichnete Schreiben erzeugt. Im Rahmen der Verwendung dieses Systems werde Parteiengehör vor Versendung des Schreibens nicht eingeräumt. Eine individuelle Genehmigung dieser Schreiben durch eine zur Approbation für die Gebietskrankenkasse befugte Person sei im Rahmen des Systems nicht vorgesehen und sei auch im konkreten Beschwerdefall nicht erfolgt.
In rechtlicher Hinsicht führte das Bundesverwaltungsgericht nach Darlegung der relevanten gesetzlichen Bestimmungen aus, aus § 18 Abs. 3 AVG folge, dass ein Bescheid ohne (interne) Genehmigung nicht zustande komme. Unabhängig von der Frage, welchen Voraussetzungen die schriftliche Ausfertigung einer Erledigung zu genügen habe (externe Erledigung), müsse daher die Erledigung selbst von jenem Organwalter, der die Behördenfunktion inne habe oder von einem approbationsbefugten Organwalter genehmigt worden sein. Eine Amtssignatur könne den Nachweis der Genehmigung der Erledigung im Sinne des § 18 Abs. 3 AVG nicht ersetzen, wenn sie lediglich die Urheberschaft einer Behörde oder sonstigen Einrichtung dokumentiere, nicht aber die Zurechnung des Schriftstücks zu einem bestimmten Organwalter (zu einer bestimmten Person). Die parlamentarischen Materialien zum E-GovG würden in diesem Zusammenhang hervorheben, dass die Amtssignatur sowohl als sichere Signatur auftreten könne, in welchem Fall sie auch der Ersatz der genehmigten eigenhändigen Unterschrift sei, als auch in Form der gewöhnlichen Signatur, in welchem Fall sie jedenfalls den Effekt der Herkunftsbezeichnung "von einer Behörde" besitze. Die im angefochtenen Schriftstück ersichtliche "Amtssignatur" dokumentiere nur die Urheberschaft der Gebietskrankenkasse, nicht aber die Zurechnung zu einem bestimmten Organwalter. In einem solchen Fall werde daher die interne Genehmigung durch einen Organwalter der Behörde nicht schon dadurch entbehrlich, dass auf dem angefochtenen Schriftstück der Name des Organwalters der Gebietskrankenkasse sowie ein Hinweis darauf aufscheine, dass das Dokument amtssigniert worden sei. Ungeachtet des Umstandes, dass das der mitbeteiligten Partei zugestellte Schriftstück den Eindruck einer allen Anforderungen gerecht werdenden Ausfertigung eines Bescheides erwecke, existiere mangels Genehmigung somit kein solcher Bescheid. Das Schriftstück bilde daher keinen einer Beschwerde nach Art. 130 B-VG zugänglichen Rechtsakt. Zur Entscheidung über die dagegen erhobene Beschwerde sei das Bundesverwaltungsgericht folglich nicht zuständig.
Die Erhebung einer ordentlichen Revision wurde vom Bundesverwaltungsgericht für unzulässig erklärt.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision mit dem Antrag, ihn wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben.
Das Bundesverwaltungsgericht legte dem Verwaltungsgerichtshof diese Revision unter Anschluss der Akten des Verfahrens zur Entscheidung vor.
Der Verwaltungsgerichtshof leitete das Vorverfahren ein. Revisionsbeantwortungen wurden nicht erstattet.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß Art. 133 Abs. 1 Z 1 B-VG erkennt der Verwaltungsgerichtshof über Revisionen gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes wegen Rechtswidrigkeit.
Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist eine Revision gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
§ 34 Abs. 1a des Verwaltungsgerichtshofsgesetzes 1985, BGBl. Nr. 10/1985, in der Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 122/2013 lautet:
"(1a) Bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist der Verwaltungsgerichtshof an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3) zu überprüfen."
Die Revision ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig, jedoch nicht berechtigt.
Die Revisionswerberin räumt ein, dass das gegenständliche, als Bescheid bezeichnete Schriftstück im Rahmen des automationsunterstützten Datenverarbeitungssystems generiert und erlassen und in diesem Zusammenhang nicht mehr gesondert genehmigt worden sei. Die generelle Genehmigung eines EDV-Programmes durch den Approbationsbefugten, auf Grund dessen unter den im Programm genannten Umständen automatisch Bescheide generiert, ausgedruckt und versandt werden, lasse auf Grund des hinterlegten Berechtigungssystems jederzeit die Feststellung des individuell verantwortlichen Organwalters zu.
Gemäß § 18 Abs. 3 AVG in der im Revisionsfall anzuwendenden Fassung BGBl. I Nr. 5/2008 sind sämtliche Erledigungen vom Genehmigungsberechtigten mit seiner Unterschrift zu genehmigen; wurde die Erledigung elektronisch erstellt, kann an die Stelle dieser Unterschrift ein Verfahren zum Nachweis der Identität (§ 2 Z 1 E-GovG) des Genehmigenden und der Authentizität (§ 2 Z 5 E-GovG) der Erledigung treten.
Die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts haben in ihrer Rechtsprechung darauf verwiesen, dass auch der automationsunterstützte Bescheid tatsächlich von der Verwaltungsbehörde veranlasst worden sein muss. Die nach außen in Erscheinung tretende Erledigung muss in jedem Einzelfall auf den Willen des durch das Gesetz zur Entscheidung berufenen Organs zurückführbar sein (vgl. das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 16. Dezember 1987, G 110-113/87 u. a., VfSlg. 11.590; das hg. Erkenntnis vom 24. November 2011, 2008/15/0205, mwN). Im Anwendungsbereich des § 18 AVG idF BGBl. I Nr. 5/2008 muss jede Urschrift einer Erledigung einem bestimmten Menschen (Organwalter) zurechenbar bleiben (vgl. Hengstschläger/Leeb, AVG I2 (2014) § 18 Rz 8, mwN).
Unstrittig ist, dass lediglich eine generelle Genehmigung des EDV-Programms MVB erfolgte, aber tatsächlich keine Genehmigung des Einzelbescheides vorliegt. Genehmigt wurden somit lediglich die EDV-mäßigen Parameter, die zu einer Sanktionierung führen sollen, nicht jedoch, dass die jeweilige Partei tatsächlich Adressat des Bescheidinhaltes werden soll. Somit führt die gewählte Vorgangsweise dazu, dass die Behörde keine Prüfung des Einzelfalls vornimmt und damit nicht in der Lage ist, überhaupt einen Willen darauf zu richten, dem jeweiligen Bescheidadressaten gegenüber individualisierte und konkrete Rechtsakte zu entfalten.
Wenn die Revision argumentiert, dass der Zweck einer Verfahrensvereinfachung in Massenverfahren verfehlt wäre, müsste die Behörde jeden einzelnen Bescheid eigenhändig unterfertigen, übersieht sie, dass eine Genehmigung von elektronisch erstellten Erledigungen statt durch die Unterschrift auch durch ein Verfahren zum Nachweis der Identität und Authentizität im Sinn des § 2 Z 2 und 5 E-GovG erfolgen kann. Je nach technischorganisatorischer Umsetzung in einem elektronischen Aktenverwaltungssystem der Behörde kann die Identität z.B. auch durch ein Berechtigungs- und Rollenkonzept und die Authentizität durch einen Änderungsschutz oder die gesicherte Nachvollziehbarkeit von an Dokumenten vorgenommenen Änderungen gewährleistet sein (Erl zur RV 294 BlgNR 23. GP, 12 f).
Die Revisionswerberin bringt zu Möglichkeiten einer Nachvollziehbarkeit bzw. Zuordnung zu einem Organwalter - den Einzelbescheid betreffend - nichts vor. Aus ihren Ausführungen ergibt sich vielmehr, dass nur das EDV-System und seine Arbeitsweise "genehmigt" wurden.
Eine Zuordnung eines Organwalters zu einem konkreten Bescheid ist schon deshalb nicht möglich, weil hinter der automatisierten Bescheiderlassung gerade keine physische Person steht. Dies steht diametral dem Verständnis des § 18 AVG entgegen, wonach ein wirksamer Bescheid nur zustande kommt, wenn er auf die Genehmigung eines Organwalters der Behörde und somit auf dessen Willen zurückzuführen ist.
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass unabhängig von der Frage, welchen Voraussetzungen die schriftliche Ausfertigung einer Erledigung zu genügen hat, die Erledigung selbst von jenem Organwalter, der die Behördenfunktion inne hat oder von einem approbationsbefugten Organwalter genehmigt worden sein muss. Fehlt es an einer solchen Genehmigung, liegt kein Bescheid vor (vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. Oktober 2012, 2010/03/0024).
Wie schon das Bundesverwaltungsgericht im Ergebnis zutreffend ausgeführt hat, ersetzt die Darstellung der Amtssignatur (§ 19 Abs. 3 E-GovG) nicht die Genehmigung, vielmehr ist darin lediglich die Urheberschaft der Behörde dokumentiert.
Die von der mitbeteiligten Partei erhobene Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht richtete sich somit gegen einen Nichtbescheid. Der angefochtenen Erledigung vor dem Bundesverwaltungsgericht mangelt es daher an der Qualität eines Bescheides im Sinn des Art. 130 B-VG, weshalb keine Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes begründet werden konnte und die Zurückweisung der Beschwerde folgerichtig war.
Die Revision erweist sich daher insgesamt als unbegründet und war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Wien, am 15. Oktober 2014
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