VwGH 97/09/0106

VwGH97/09/010628.7.2000

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Höß, Dr. Händschke, Dr. Blaschek und Dr. Rosenmayr als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. S. Giendl, über die vom Verfassungsgerichtshof abgetretene Beschwerde des Univ. Doz. Mag. Dr. P in Wien, vertreten durch Dr. Leopold Specht, Rechtsanwalt in 1070 Wien, Museumstraße 3b, gegen den durch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 14. Dezember 1994, B 1400/92-14, unberührt gebliebenen Teil des Bescheides der Disziplinaroberkommission beim Bundeskanzleramt vom 5. Mai 1992, Zl. 17/10-DOK/92, betreffend Schuldspruch gemäß § 43 Abs. 2 Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979 (BDG 1979), zu Recht erkannt:

Normen

BDG 1979 §43 Abs1;
BDG 1979 §43 Abs2;
BDG 1979 §91;
B-VG Art126b Abs5;
B-VG Art127 Abs1;
B-VG Art127a Abs1;
B-VG Art127a Abs7;
B-VG Art7 Abs4;
MRK Art10 Abs2;
MRK Art10;
BDG 1979 §43 Abs1;
BDG 1979 §43 Abs2;
BDG 1979 §91;
B-VG Art126b Abs5;
B-VG Art127 Abs1;
B-VG Art127a Abs1;
B-VG Art127a Abs7;
B-VG Art7 Abs4;
MRK Art10 Abs2;
MRK Art10;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird, soweit er nach dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 14. Dezember 1994, B 1400/92-14, noch dem Rechtsbestand angehört, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.740,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Der Beschwerdeführer steht als Ministerialrat in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund. Seine Dienststelle war im maßgebenden Zeitraum der Rechnungshof.

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Disziplinarerkenntnis der Disziplinaroberkommission beim Bundeskanzleramt vom 2. Mai 1992 wurde der Beschwerdeführer wie folgt schuldig befunden:

"Ministerialrat Univ. Doz. Dr. P ist schuldig, durch die Aussagen in den Artikeln "Präsidial- oder Kollegialsystem? Gedanken zur Reform des Rechnungshofes" in den "Finanznachrichten", Nr. 30/31 vom 26. Juli 1990 und "Allokationstheoretischer Stellenwert des Rechnungshofes (RH) in "Der öffentliche Sektor" Nr. 2-3/1990, 61 ff,

'dass das eine oder anderen dennoch hervorkommende unangenehme Prüfungsergebnis ..., um politischen Interventionen vorzubeugen einer Sonderbehandlung unterzogen' wird; (Aussage a)

'die Prüfungstätigkeit verkommt damit letztlich zur Kunst aus Liebhaberei (Dilettantismus)'; (Aussage b)

dass 'anstelle von Grundlagen für die Feststellung und Deckung des Personalbedarfes 'politische Interventionen und Protektionswirtschaft Platz' greift'; (Aussage c)

dass sich der Präsident 'bloß auf kosmetische Berichtigungskorrekturen beschränkt'; (Aussage d)

dass eine 'Herausforderung' besteht 'zur Überwindung des im Rechnungshof vorherrschenden Dilettantismus, der sich die derzeitige Führung bis jetzt beharrlich entzogen hat' (Aussage f)

gegen die Verpflichtung gemäß § 43 Abs. 1 BDG 1979, unter anderem seine Aufgaben unter Beachtung der geltenden Rechtsordnung treu zu besorgen und gegen die Verpflichtung gemäß § 43 Abs. 2 BDG. 1979, in seinem gesamten Verhalten darauf Bedacht zu nehmen, dass das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben erhalten bleibt, und weiteres auch gegen die Verpflichtung gemäß § 44 Abs. 1 BDG 1979, seine Vorgesetzten zu unterstützen, verstoßen zu haben. Dadurch hat er Dienstpflichtverletzung im Sinne des § 91 BDG 1979 begangen."

Wegen dieser Dienstpflichtverletzungen wurde über den Beschwerdeführer gemäß § 92 Abs. 1 Z. 2 BDG 1979 die Disziplinarstrafe der Geldbuße in der Höhe von S 15.000,-- verhängt.

Von einer weiteren Anschuldigung wurde der Beschwerdeführer iS des § 126 Abs. 2 BDG 1979 freigesprochen.

Ein die Annahme eines Erschwerungsgrundes betreffender Teil des Spruches des erstinstanzlichen Disziplinarerkenntnisses wurde (ersatzlos) aufgehoben. Bestätigt wurden hingegen die Aussprüche über den Ausschluss des Inhaltes des Disziplinarerkenntnisses von der Veröffentlichung (§ 128 BDG 1979) sowie über die Abstandnahme von der Auferlegung einer Kostenersatzpflicht

(§ 117 Abs. 2 BDG 1979).

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst

Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof.

Der Verfassungsgerichtshof hat über diese Beschwerde mit Erkenntnis vom 14. Dezember 1994, B 1400/92-14, - beim Verwaltungsgerichtshof eingelangt am 22. April 1997 - wie folgt zu Recht erkannt:

"Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid, soweit er mit ihm schuldig erkannt wurde, durch Verstoß gegen § 43 Abs. 1 des Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979 - BDG 1979, BGBl. 33, und gegen § 44 Abs. 1 BDG 1979 Dienstpflichtverletzungen iS des § 91 BDG 1979 begangen zu haben, und soweit über ihn daher die Disziplinarstrafe der Geldbuße in der Höhe von

15.000,-- S verhängt wurde, im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Freiheit der Meinungsäußerung verletzt worden.

Der Bescheid wird insoweit aufgehoben.

Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid, soweit er mit ihm schuldig erkannt wurde, durch Verstoß gegen § 43 Abs. 2 BDG 1979 eine Dienstpflichtverletzung iS des § 91 BDG 1979 begangen zu haben, weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.

Die Beschwerde wird insoweit abgewiesen und dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.

Der Bund (Bundeskanzler) ist schuldig, dem Beschwerdeführer zu Handen seines bevollmächtigten Vertreters die mit 16.500,-- S bestimmten Kosten des Verfahrens binnen 14 Tagen bei sonstigem Zwang zu ersetzen."

Nach der Begründung des Verfassungsgerichtshofes stünden die Vorschriften des § 43 Abs. 1 und 2 sowie § 44 Abs. 1 BDG 1979 zu Art. 10 EMRK nicht in Widerspruch. Soweit ihnen (auch) eine Einschränkung der Freiheit der Meinungsäußerung innewohne, könnten sie als Vorschriften angesehen werden, die in Art. 10 Abs. 2 EMRK ihre Deckung finden. Die Vorschriften, deren Verletzung dem Beschwerdeführer als Dienstpflichtverletzungen angelastet worden seien, würden nicht auf eine Beschränkung des Grundrechtes der Freiheit der Wissenschaft abzielen. Kein Beamter könne sich der Anwendung der in Rede stehenden Vorschriften unter Berufung auf dieses Grundrecht entziehen. Dafür, dass der Beschwerdeführer in Besorgung seiner dienstlichen Aufgaben gehandelt habe, gebe es keinen stichhaltigen Anhaltspunkt. Außerdienstliches Verhalten des Beamten werde aber durch § 43 Abs. 1 und § 44 Abs. 1 BDG 1979 nicht berührt. Es sei daher ausgeschlossen, dass der Beschwerdeführer durch das ihm vorgeworfene außerdienstliche Verhalten gegen diese Vorschriften verstoßen habe. Wegen denkunmöglicher Anwendung der Vorschriften des § 43 Abs. 1 und § 44 Abs. 1 BDG 1979 verletze der angefochtene Bescheid den Beschwerdeführer im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Freiheit der Meinungsäußerung. Hingegen beziehe sich § 43 Abs. 2 BDG 1979 auch auf das außerdienstliche Verhalten des Beamten. Die Möglichkeit zur sachlichen, in der gebotenen Form geäußerten Kritik sei ein unverzichtbares, aus der Meinungsäußerungsfreiheit nach Art. 10 EMRK erfließendes, jedermann zustehendes Recht in einem demokratischen Gemeinwesen. Auch einem Beamten müsse diese Möglichkeit der Kritik gegenüber der Behörde, der er angehört, offen stehen. Eine disziplinäre Verantwortlichkeit begründe eine solche Kritik dort, wo sie durch die Pflicht zur Amtsverschwiegenheit und durch § 43 Abs. 2 BDG 1979 - in verfassungsrechtlich unbedenklicher Weise - gezogene Grenze überschreite, indem sie geeignet sei, das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung der dienstlichen Aufgaben des Beamten zu beeinträchtigen. Die Auffassung, die dem Beschwerdeführer zur Last gelegten Äußerungen würden den in § 43 Abs. 2 BDG 1979 umschriebenen Tatbestand erfüllen, sei selbst dann vertretbar, wenn sie nicht auf jede dieser Äußerungen zutreffen sollte. Demnach verletze der angefochtene Bescheid, soweit mit ihm eine Verletzung des § 43 Abs. 2 BDG 1979 als Dienstpflichtverletzung angelastet worden sei, den Beschwerdeführer nicht in dem durch Art. 10 EMRK verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht. Ob der angefochtene Bescheid in diesem Umfang in jeder Hinsicht dem (einfachen) Gesetz entspreche, sei vom Verfassungsgerichtshof nicht zu prüfen gewesen. Der angefochtene Bescheid sei auch hinsichtlich des einheitlichen Ausspruches über die Strafe aufzuheben gewesen. Im Übrigen - Schuldspruch nach den §§ 43 Abs. 2, 91 BDG 1979 - sei die Beschwerde vom Verfassungsgerichtshof abzuweisen und gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abzutreten gewesen.

Auf Grund der Verfügung des Verwaltungsgerichtshofes vom 6. Mai 1997 über die ihm am 22. April 1997 abgetretene Beschwerde ergänzte der Beschwerdeführer seine Beschwerde mit Schriftsatz seines rechtsfreundlichen Vertreters vom 1. Juli 1997.

Der angefochtene Bescheid enthält aus der Sicht des vorliegenden, auf die Dienstpflichtverletzung gemäß § 43 Abs. 2 BDG 1979 eingeschränkten Beschwerdeverfahrens folgende wesentliche Begründung:

"Die Aussagen a) bis d) und f sind aus den nachstehend dargelegten Gründen als die im Spruch bezeichneten Dienstpflichtverletzungen zu werten:

Zur Aussage a):

Diese verallgemeinernde Feststellung wurde in den genannten Publikationen in Zusammenhang mit der Länderbank-Prüfung und der aus diesem Anlass auftauchenden Fragen getroffen, ob Bundeskanzler Dr. Vranitzky aus Anlass seines Ausscheidens aus dem Führungsgremium dieser Bank zum Bezug einer Abfertigung berechtigt gewesen ist. Jedem unbefangenen Leser der in diesen Konnex gestellten inkriminierten Textstelle drängen sich folgende Schlussfolgerungen auf:

Die in abgeschliffenen und routinierten Bahnen verlaufenden Prüfungsverfahren des Rechnungshofes erbringen in der Regel nur jene Ergebnisse, die eine derartige schematische Vorgangsweise erwarten lässt. Sollte es aber tatsächlich einmal vorkommen, dass sich für die geprüfte Institution oder mit ihr in Verbindung zu bringende Personen des öffentlichen Lebens heikle Resultate ergeben, so lässt es sich die Führung des Rechnungshofes, in erster Linie sein Präsident, angelegen sein, dieses Ergebnis in einer aus dem Rahmen des üblichen Genehmigungsverfahrens herausfallenden Prozedur so dazustellen, dass allfällige Anlässe für politische Interventionen von vornherein entfallen. Unausgesprochen, aber deswegen um nichts weniger deutlich verbindet sich mit diesem Verhalten des Präsidenten der Verdacht amtsmissbräuchlicher Manipulation von Prüfungsergebnissen.

Daran ändert es auch nichts, wenn der Beschuldigte in den besagten Artikeln seine Übereinstimmung mit der letztlich im Prüfungsverfahren nach außen getretenen Rechtsansicht des Präsidenten anklingen lässt:

Dies verkehrt den im Raum stehenden Amtsmissbrauchsvorwurf nur in die Richtung, dass sich der Präsident des Rechnungshofes lediglich in politisch heiklen Fällen der Mühe unterzieht, kontroversielle Rechtsfragen gründlich zu prüfen, sich jedoch in den übrigen Fällen, trotz besseren Wissens, mit unzureichenden Lösungen zufrieden gibt.

Dass sich "unangenehme Prüfungsergebnisse" im genannten Sinn nur als Zufallsprodukt von Routineverfahren ergeben, widerlegt allein schon die unbefangene Lektüre jener nach ihrer Veröffentlichung allgemein zugänglichen Berichte, die der Rechnungshof laufend an die allgemeine Vertretungskörper erstattet. Ausgehend vom Prüfungsfall "Länderbank", auf den sich der Beschuldigte ausschließlich bezogen haben will, hat das Beweisverfahren jedoch deutlich gezeigt, dass die inkriminierte Aussage den Sachverhalt grob verzerrt und damit unrichtig darstellt:

So wie anderen Fällen von Bankprüfungen, war es auch aus Anlass der gegenständlichen Prüfung der Länderbank zu einem Auffassungsunterschied zwischen dem Präsidenten des Rechnungshofes und dem Prüfungsleiter hinsichtlich einer Rechtsfrage gekommen, in der der Präsident des Rechnungshofes nach Diskussion seinen Standpunkt durchsetzte. Diese Rechtsansicht, die nunmehr für die Darstellung des Prüfungsergebnisses maßgeblich war, machte es nachträglich erforderlich, bestimmte Erhebungen nachzuholen, die auf Grund der bislang vertretenen Rechtsanschauung dem Prüfungsleiter nicht notwendig erschienen waren. Eine derartige Vertiefung von Ermittlungsverfahren, um die letztlich für richtig befundene Rechtsauffassung abzusichern, ist kein alltäglicher Schritt im Prüfungsverlauf. Insoweit - und nur aus diesem Grund - ist das Geschehen um die Genehmigung des Prüfungsergebnisses durch den Präsidenten des Rechnungshofes beim Länderbankfall als außerhalb der Regel stehend anzusehen.

Dies kann aber richtig keinesfalls im Sinne einer "Sonderbehandlung" zur Zurechtbiegung des Festgestellten unter die politisch relevante Reizschwelle verstanden werden, sondern entspricht genau dem gegenteiligen Bestreben, nämlich alle jene Feststellungen getroffen zu haben, die der für richtig befundenen, rechtlichen Beurteilung des Prüfungsergebnisses volle Abrundung geben. Es versteht sich von selbst, dass die Frage, inwieweit ein Abfertigungsanspruch des amtierenden Bundeskanzlers in Millionenhöhe zu Recht besteht oder nicht, den Rahmen dessen sprengt, was tagtäglich im Prüfungsgenehmigungsverfahren anfällt. Ebenso bedarf es keiner Erörterung, dass ein erhebliches publizistisches Interesse an der Lösung dieser aufgetauchten Fragen gerade durch den Rechungshof bestand. Dass unter diesen jedermann einleuchtenden Gesichtspunkten der Präsident des Rechnungshofes anlässlich der Beurteilung dieser Problematik besonders sorgfältig vorging, ist naheliegend. Dies entspricht nicht nur einem korrekten Amtsverständnis, sondern ist unter diesen Umständen geradezu gebieterisch gefordert. Schließlich geht es ja darum, für den auf alle Fälle - gleichgültig wie die Entscheidung des Rechnungshofes ausfällt - zu erwartenden und über alle Medien verbreiteten politischen Meinungsstreit den Rechtsstandpunkt des Rechnungshofes sachverhaltsmäßig wie rechtlich bestmöglich abzusichern. Daraus aber den Schluss zu ziehen, dieses Sorgfaltsausmaß würde nur in politisch brisanten Fragen, und zwar in Richtung kalmierender Entschärfung investiert, verlässt den Boden nachvollziehbarer Tatsachen.

Zu Aussage b und zu Aussage f:

Diese Pauschalurteile leitet der Beschuldigte aus dem nach seiner Meinung fehlenden Schulungs-, Ausbildungs- und Fortbildungskonzept des Rechnungshofes ab, welches sich an inhaltlichen Kriterien orientieren soll und nicht - wie nach Dafürhalten des Beschuldigten zur Zeit - bloß die persönliche Neigung des Einzelnen zur Richtschnur nimmt.

Die Disziplinaroberkommission folgt zunächst dem Verständnis, von dem der Erstsenat bei seinem Bemühen ausgegangen ist, den dem Begriff "Dilettantismus" innewohnenden Aussageninhalt zu klären. Es kann keinem Zweifel unterliegen, dass der durchschnittliche Leser "Dilettantismus" im Sinne von Halbwisserei und Herangehen an Beschäftigungen mit Hang zur Ungründlichkeit versteht. Daran ändert auch das Argument des Beschuldigten nicht, seine Nominaldefinition von Dilettantismus sei eben "Kunst aus Liebhaberei". Schließlich kommt es nicht zuletzt auf den Inhalt dieser dilettantisch betriebenen Beschäftigung an: "Kunst aus Liebhaberei" ist wertungsmäßig ganz anderes besetzt, wenn es etwa um künstlerische oder handwerkliche Freizeitbeschäftigung geht, als wenn die erwerbsmäßige nach bestmöglichem Gebrauch aller vorhandenen Ausbildungsmöglichkeiten erfolgt. Ganz besonders muss das für einen Beruf gelten, zu dessen Obliegenheiten es wesensmäßig gehört, die Tätigkeit anderer sachlich nach bestimmten, gesetzlich vorgegebenen Kriterien zu untersuchen und auf Grund des dabei erzielten Ergebnisses mit dem Ziel zukünftiger Verbesserung zu werten.

...

Zunächst übergeht diese Aussage die gesamte Problematik eines geschlossenen Aus- und Fortbildungssystems für alle Bediensteten des Rechnungshofes. Ein Blick auf die Vielfalt der dem Rechnungshof gestellten fachlichen Prüfungsaufgaben zeigt deutlich, dass ein derart geschlossenes System nur schwer praktisch zu handhaben ist. Außerdem wird völlig außer Acht gelassen, dass der in den Rechnungshof aufgenommene Prüfer in der Regel eine fundierte Fachausbildung und dementsprechende Fachpraxis mitbringt, die erste und wichtigste Voraussetzung für die erfolgreiche Ausübung von Prüfungstätigkeit überhaupt darstellt. Diese Fachkenntnis in die Anforderungen einzubringen, die die jeweils übertragene Prüfungstätigkeit stellt, ist eines der vordinglichsten Ziele der Rechnungshof-Ausbildung - und gerade hier hat das "training on the job" unter der Aufsicht erfahrener Prüfer eine kaum zu ersetzende Funktion.

...

Die berufsbegleitende Fortbildung der Prüfungsbeamten beruht weitgehend auf den Prinzip der Freiwilligkeit und erfolgt entsprechend den Vorkenntnissen jener Abteilung, bei der sie Dienst versehen. Je Prüfungsbeamten sind pro Jahr etwa zwei Wochen als für Schulungen zu beanspruchender Zeitraum vorgesehen. Das wichtige Schulungselement des "learning on the job" unter der Anleitung erfahrener Abteilungskollegen des zu Schulenden ist auch im Zusammenhalt mit Schulungs- und Fortbildungsveranstaltungen in- und außerhalb des Rechnungshofes durchaus eine von der Wissenschaft weitestgehend anerkannte Form der praktischen Ausbildung, die verbreitet angewandt wird. Zur Kritik des Beschuldigten am angeblich völlig fehlenden autonomen beruflichen Fortbildungskonzept des Rechnungshofes ist im Übrigen auch die einschlägige Aufstellung der Abteilung 02 des Rechnungshofes über die im Zeitraum 1986 bis 1991 von den Angehörigen des Rechnungshofes besuchten Fortbildungsveranstaltungen zu verweisen (Beweismittelmappe Nr. 12).

...

Somit erweist sich nicht nur, dass es im RH sehr wohl ein auf allgemeine Prüfungsfragen bezogenes Fortbildungsangebot gibt, sondern dass eine Reihe von Seminarveranstaltungen, die außerhalb des Rechnungshofes abgehalten werden, Themen ansprechen, die für Bedienstete des Hauses von tatsächlichem und nicht nur nach persönlicher Präferenz zu bestimmenden, beruflichem Interesse sind. Die Kritik am fehlenden autonomen beruflichen Fortbildungskonzept des Rechnungshofes muss besonderes im Rahmen dieser Institution auch unter dem Blickwinkel der Vermeidung kostenaufwendiger Mehrfachangebote angesehen werden. Eine gewisse Beschränkung von Eigenveranstaltungen des Rechnungshofes kann daher durchaus sinnvoll sein.

Die vom Beschuldigten in seiner Berufung zugunsten seines Standpunktes angezogene Kritik von Innenrevisionsberichten des Rechnungshofes am Fehlen eines umfassenden Ausbildungssystems im

Rechnungshof ... sowie

sein Hinweis auf eine zum selben Thema angeführte akademische Diskussion ändern nichts am unsachlich verallgemeinernden Charakter seiner Aussage: Sie zeigt nur die selbstverständliche Berechtigung sachlicher Kritik, die von den verschiedenen Standpunkten stets geübt werden kann und der sich der Rechnungshof - wie die Grundsatzdebatte in seinen eigenen Reihen zeigt - auch gar nicht verschließen will. Die inkriminierte Äußerung des Beschuldigten hingegen verdichtet alle Argumente auf eine journalistisch griffige Verunglimpfungsformel, die grundsätzlich alle Rechnungshof-Prüfer umfasst und sich in gleicher Weise gegen die Führung des Rechnungshofes richtet.

Zu Aussage c):

Wie sich aus den Aussagen des Zeugen DDr. Schwab, vor allem aber der Darstellung der Abteilung 02 des Rechnungshofes vom 26. November 1991 über das Verfahren zur Deckung des Personalbedarfs des Rechnungshofes (Aufnahmeverfahren) ergibt, werden grundsätzlich frei werdende Arbeitsplätze aufgrund entsprechender konkreter Bedarfsmeldungen der Prüfungsabteilungen von der Abteilung 02 des Rechnungshofes öffentlich ausgeschrieben. Seit dem Jahr 1990 werden diese Arbeitsplätze zusätzlich in mehrmonatigen Abständen auch hausintern bekannt gegeben, um einen hausinternen Arbeitsplatzwechsel zu erleichtern. Die sich aufgrund dieser Ausschreibung meldenden Bewerber zur Aufnahme in den Rechnungshof werden einem fachspezifischen Test jener Abteilung, für die sie grundsätzlich vorgesehen sind sowie einem psychologischen Eignungstest unterzogen. Nur wenn diese objektiv nachvollziehbaren Ergebnisse dieser Testverfahren voll zufrieden stellend verlaufen sind, kommt es zu einem Vorstellungsgespräch beim Präsidenten, der über die Aufnahme letztlich entscheidet. Die auf eine positive Entscheidung des Herrn Präsidenten folgende Einberufung in den Rechnungshof erfolgt zunächst für die Dauer eines Jahres nur probeweise. Erst wenn dieses Probejahr zur vollen Zufriedenheit der Vorgesetzten des Betreffenden verlaufen ist, kommt es zu seiner endgültigen Übernahme in den Personalstand des Rechnungshofes: Die genannten Qualifikationserfordernisse für die Aufnahme in den Rechnungshof sind schon von ihrer Anlage her beträchtliche Hindernisse für das Gedeihen von Protektionswirtschaft.

Völlig widersinnig wird der vom Beschuldigten erhobene Pauschalvorwurf jedoch angesichts der Tatsache, dass die Ergebnisse der öffentlichen Planstellenausschreibung des Rechnungshofes seit vielen Jahren gar nicht die gewünschte Bewerberzahl erbringen (siehe Beweismittel Nr. 13). In aller Regel muss der Rechnungshof froh sein, wenn überhaupt ein Minimum an qualifizierten Bewerbern für die Nachbesetzung der frei werdenden Planstellen aufgetrieben werden kann. Also auch jene Bewerber, die Zugang zu möglichen "Protektoren" hätten, bedürfen dieses Hilfsmittel gar nicht, da sie den - vermeintlichen - politischen Wettbewerbsvorteil mangels ausreichender Wettbewerbssituation, die ihnen Konkurrenten erwachsen lässt, gar nicht ins Spiel zu bringen brauchen.

Die Aussagen der Zeugen Dkfm. Holzer und DDr. Schwab über fehlende Arbeitsplatzbeschreibungen und Anforderungsprofile ändern an dieser Situation nichts:

...

Die vom Beschuldigten als Beweismittel (Nr. 4-6) vorgelegten parlamentarischen Anfragen an den Präsidenten des Rechnungshofes samt deren Beantwortung beschäftigen sich mit dem Vorwurf - bzw. mit dessen Entkräftung - dass jeweils eine Bestellung zum Sektionsleiter bzw. Abteilungsleiter im Rechnungshof vornehmlich infolge behaupteter Verstöße gegen das Ausschreibungsgesetz 1989, BGBl. Nr. 85, von sachfremden, parteipolitisch motivierten Gesichtspunkten getragen waren.

...

Ein Beweis für die vom Beschuldigten aufgestellten generalisierenden Behauptungen ist mit dieser auf politischer Ebene ausgetragenen Debatte jedenfalls nicht zu gewinnen.

Zu Aussage d):

Jeder Leser dieser Textstelle kann sie in Verbindung mit dem vom Beschuldigten in den genannten Veröffentlichungen behaupteten Fehlen eines umfassenden Managementkonzeptes sowie auch im Zusammenhalt mit sonstigen kritischen Auseinandersetzungen zur Organisationsstruktur des Rechnungshofes (so Univ. Prof. Dr. Friedrich Schneider), nur in dem Sinn verstehen, dass sich der Präsident allen diesen Problemen verschließt und als Ersatzhandlung dafür "Berichtskosmetik" betreibt. Dabei bleibt es dem Wohlwollen des Lesers überlassen, ob er diesen Kosmetikbegriff auf rein sprachliche Akzente beschränkt oder auch in Richtung Ausbügelung von "unangenehmen" Prüfungsergebnissen - siehe Aussage a) - interpretiert. Dem Leser dieser kritischen Bemerkung des Beschuldigten bleibt es aber verborgen, dass es während der derzeitigen Präsidentschaft zu durchaus beachtlichen Impulsen auf dem Organisationssektor gekommen ist.

...

Man mag die Ansicht vertreten, dass es sich dabei um die ersten Schritte zur Befriedigung eines viel weiter gehenden Reformbedarfs des Rechnungshofes handelt. Diese Bemühungen und ihre unbestreitbaren Erfolge jedoch zur Gänze zu übergehen und im gleichen Atemzug dem Präsidenten des Rechnungshofes jede Führungsqualität abzusprechen, verlässt eindeutig den Boden der Sachlichkeit.

Durch die in den genannten Veröffentlichungen enthaltenen inkriminierten Textstellen hat der Beschuldigte unter Berufung auf seine Eigenschaft als Universitätsdozent sowie auf seine verantwortliche Funktion im RH, die seinen Aussagen auf den ersten Blick den Anschein authentischer Beglaubigungen verliehen hat, bei den Lesern die vorstehend erläuterten Eindrücke über den Rechnungshof im allgemeinen und seinem Prüfer bzw. seinen Präsidenten im besonderen hervorgerufen. Er hat somit von seiner Plattform aus, die sich ihm aus seiner wissenschaftlichen Nebentätigkeit als Universitätsdozent eröffnet, jedoch unter bewusster und deklarierter Einbringung jenes Wissens, das er nur aus seiner dienstlichen Stellung im Rechnungshof erwerben konnte, tatsachenwidrige Behauptungen über den Rechnungshof in die Welt gesetzt. Diese unrichtigen Wertungen mussten bei jedermann den Eindruck vermitteln, der Rechnungshof erfülle seine ihm gesetzlich übertragenen Aufgaben in denkbar schlechter Weise. Gleichzeitig musste der Beschuldigte allein schon durch die Art der Präsentation seiner Kritik am eigenen Ressort bei den seiner Prüfungstätigkeit unterworfenen Personen erhebliche Zweifel an seiner Bereitschaft und Fähigkeit zu sachlichen Auseinandersetzungen mit den sie betreffenden Problem auslösen, die an ihn bei Prüfungsveranlassungen herangetragen werden. Die diese Äußerung tragende Veröffentlichungen gehören zur Standardlektüre des höheren bis mittleren Managements einer Vielzahl jener Institutionen - und zwar auf dem behördlichen wie betrieblichen Sektor - die der Prüfungszuständigkeit des Rechnungshofes unterworfen sind. Das naturgemäße, außerordentlich wache Interesse dieses Personenkreises an jeder Art von Kritik, die sich auf die Prüfer ihrer eigenen Gebarung bezieht, sichert schnellste Ausbreitung derartiger Auslassungen im Rahmen dieser Institutionen, und zwar weit über den primären Leserkreis hinaus. Es kann damit nicht der geringste Zweifel bestehen, dass die inkriminierten Äußerungen objektiv in höchstem Maße dazu geeignet waren, einem weiteren Personenkreis bekannt zu werden, mit dem Bedienstete des Rechnungshofes aus Anlass von Gebarungsüberprüfungen in Kontakt kommen. Somit konnte die vertrauenserschütternde Wirkung gegenüber jener als selbstverständlich anzunehmenden Sachlichkeit, mit der der Rechnungshof seinen Aufgaben nachzukommen hat, in eben diesem Umfang volle Verbreitung finden. Die Verletzung der im § 43 Abs. 2 BDG enthaltenen Dienstpflicht durch den Beschuldigten ist somit offenkundig".

Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich der Beschwerdeführer durch den vom Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes unberührt gebliebenen Teil des angefochtenen Bescheides nach seinem ergänzenden Beschwerdevorbringen in dem Recht verletzt, nicht der ihm angelasteten Dienstpflichtverletzung gemäß §§ 43 Abs. 2 und 91 BDG 1979 schuldig erkannt zu werden. Er beantragt, den angefochtenen Bescheid - erkennbar jedoch nur soweit er noch dem Rechtsbestand angehört - wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Berufungsverfahrens vor (die Akten des erstinstanzlichen Verfahren wurde dem Verwaltungsgerichtshof nicht vorgelegt) und erklärte, auf die Erstattung einer Gegenschrift zu verzichten. Sie stellte den Antrag, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen und den Ersatz des Vorlageaufwandes zuzuerkennen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß Art. 7 Abs. 4 (früher Abs. 2) B-VG ist den öffentlichen Bediensteten, einschließlich der Angehörigen des Bundesheeres die ungeschmälerte Ausübung ihrer politischen Rechte gewährleistet.

Art. 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) regelt die Meinungsfreiheit. Nach dem Abs. 1 dieses Artikels hat jedermann Anspruch auf freie Meinungsäußerung. Dieses Recht schließt die Freiheit der Meinung und die Freiheit zum Empfang und zur Mitteilung von Nachrichten oder Ideen ohne Eingriffe öffentlicher Behörden und ohne Rücksicht auf Landesgrenzen ein. Dieser Artikel schließt nicht aus, dass die Staaten Rundfunk, Lichtspiel - oder Fernsehunternehmen einem Genehmigungsverfahren unterwerfen.

Nach dem Abs. 2 dieses Artikels kann das Recht auf freie Meinungsäußerung, da die Ausübung dieser Freiheiten Pflichten und Verantwortung mit sich bringt, vom Gesetz vorgesehenen Formvorschriften, Bedingungen, Einschränkungen oder Strafdrohungen unterworfen werden, wie sie vom Gesetz vorgeschrieben und in einer demokratischen Gesellschaft im Interesse der nationalen Sicherheit, der territorialen Unversehrtheit oder der öffentlichen Sicherheit, der Aufrechterhaltung der Ordnung und der Verbrechensverhütung, des Schutzes der Gesundheit und der Moral, des Schutzes des guten Rufes oder der Rechte anderer, um die Verbreitung von vertraulichen Nachrichten zu verhindern oder das Ansehen und die Unparteilichkeit der Rechtsprechung zu gewährleisten, unentbehrlich (bzw. notwendig) sind.

§ 43 Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979 (BDG 1979) regelt die Allgemeinen Dienstpflichten des Beamten. Nach Abs. 2 dieser Gesetzesstelle hat der Beamte in seinem gesamten Verhalten darauf Bedacht zu nehmen, dass das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben erhalten bleibt.

Der Beamte, der schuldhaft seine Dienstpflichten verletzt, ist gemäß § 91 BDG 1979 nach diesem Abschnitt (das ist der 9. Abschnitt "Disziplinarrecht") zur Verantwortung zu ziehen.

Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung dargetan hat (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 24. Februar 1995, Zl. 93/09/0418, und vom 23. Februar 2000, Zl. 99/09/0110, und die jeweils darin angegebene Vorjudikatur), bezieht sich § 43 Abs. 2 BDG 1979 nicht nur auf das Verhalten im Dienst, sondern auch auf außerdienstliches Verhalten, wenn Rückwirkungen auf den Dienst entstehen. Dieser Dienstbezug ist gegeben, wenn das Verhalten des Beamten bei objektiver Betrachtung geeignet ist, Bedenken auszulösen, er werde seine dienstlichen Aufgaben - das sind jene konkreten ihm zur Besorgung übertragenen Aufgaben (besonderer Funktionsbezug), aber auch jene Aufgaben, die jedem Beamten zukommen - nicht in sachlicher (rechtmäßig und korrekt sowie unparteiisch und uneigennütziger) Weise erfüllen. Dabei ist von einer typischen Durchschnittsbetrachtung auszugehen. Ob das außerdienstliche Verhalten des Beamten an die Öffentlichkeit gedrungen ist oder nicht, spielt bei Beurteilung des Dienstbezuges keine rechtserhebliche Rolle. Bei der Prüfung, ob ein außerdienstliches Verhalten des Beamten den Dienstbezug nach § 43 Abs. 2 BDG 1979 aufweist, ist ein strengerer Maßstab (nicht bloßes geringfügiges Fehlverhalten) anzulegen als bei dienstlichem Verhalten. Dies folgt aus der mit dem Wortlaut zu vereinbarenden Absicht des Gesetzgebers, die disziplinarrechtliche Verantwortung des Beamten für den außerdienstlichen Bereich (Freizeitverhalten) einzuschränken. Anders als in der früher in Geltung gestandenen Dienstpragmatik oder Lehrerdienstpragmatik, die Verletzungen von Amt- und Standespflichten unter disziplinäre Sanktion stellten, ist nach dem BDG 1979 nur die Verletzung von "Dienstpflichten" disziplinär zu ahnden. Derart soll - nach der Absicht des Gesetzgebers - ein Eindringen des Staates in die Privat- und Intimsphäre von Beamten grundsätzlich nicht mehr möglich sein. Dies bedeutet allerdings keine Einschränkung dahin, dass der Begriff "Dienstpflichten" ausschließlich innerdienstliches Verhalten des Beamten erfasse und die Disziplinarbehörde nicht in besonderes krassen Fällen auch außerdienstliches Verhalten (beispielsweise nach den Gesetzesmaterialien etwa "Trunkenheitsexzesse" oder "Gewalttätigkeiten") zu überprüfen hätte. Demnach hat der Verwaltungsgerichtshof auch wiederholt ausgesprochen, dass nicht jedes - etwa verwaltungsstrafrechtlich - verpönte Verhalten, das ein Beamter außerhalb des Dienstes zu verantworten hat, als eine Verletzung des § 43 Abs. 2 BDG 1979 anzusehen sei.

Der Verfassungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 14. Dezember 1994, B 1400/92, ausgesprochen, dass der Beschwerdeführer durch den auf § 43 Abs. 2 BDG 1979 gegründeten Schuldspruch im angefochtenen Bescheid nicht in dem gemäß Art. 10 EMRK verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht verletzt wurde. Durch diesen Ausspruch ist der Verwaltungsgerichtshof jedoch nicht seiner Pflicht entbunden, auch im vorliegenden Fall die Bestimmung des § 43 Abs. 2 BDG 1979 vor dem Hintergrund des in Art. 10 EMRK normierten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts auf Freiheit der Meinungsäußerung auszulegen und anzuwenden.

Im Beschwerdefall ist außerdienstliches Verhalten eines im Rechnungshof tätigen Beamten dahin zu beurteilen, ob die diesem Beamten zurechenbaren inkriminierten Textstellen, die er in Artikeln in einer näher bezeichneten Zeitschrift bzw. Publikation veröffentlichte, das zulässige Maß angemessener Kritik und damit die Schwelle zur disziplinären Erheblichkeit im Grund des § 43 Abs. 2 BDG 1979 überschritten haben. Unter dem Gesichtspunkt eines außerdienstlichen Verhaltens, im Hinblick auf das Grundrecht auf Meinungsfreiheit und die den öffentlichen Bediensteten durch Art. 7 Abs. 4 (früher Abs. 2) B-VG gewährleisteten Rechte vermag ein nur geringes Fehlverhalten die disziplinäre Verfolgung des Beschwerdeführers allerdings nicht zu rechtfertigen. Die disziplinäre Ahndung der Äußerungen des Beschwerdeführers darf nicht dazu führen, seine Kritik an öffentlichen Einrichtungen oder Institutionen - wie etwa hier des Rechnungshofes oder seines Präsidenten - zu unterbinden, bildet die Möglichkeit zur sachlichen, in der gebotenen Form geäußerten Kritik doch ein unverzichtbares, aus der Meinungsäußerungsfreiheit erfließendes, jedermann zustehendes Recht in einem demokratischen Gemeinwesen. Dass der Beschwerdeführer als ein im Rechnungshof tätiger Beamter am System dieser Einrichtung - auch in pauschaler Form - Kritik übte, rechtfertigt es daher noch nicht, seine Äußerungen disziplinär zu ahnden. Ein Schutz des Rechnungshofes oder seines Präsidenten vor sachlicher, in der gebotenen Form geäußerten Kritik durch Beamte dieser Dienststelle besteht nicht. Dass der Beschwerdeführer durch die inkriminierten Äußerungen etwa die Amtsverschwiegenheit verletzt habe, wurde ihm nicht vorgeworfen. Das Disziplinarrecht dient nicht dazu, die sachliche, in gebotener Form vorgetragene Kritik an tatsächlichen oder - aus der Sicht des Kritisierten - nur vermeintlichen Missständen zu verhindern, gilt das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung doch nicht nur für "Nachrichten" oder "Ideen", die ein positives Echo haben oder die als unschädlich oder gleichgültig angesehen werden, sondern auch für solche, die provozieren, schockieren oder stören. Dies ergibt sich aus den Erfordernissen des Pluralismus, der Toleranz und der Großzügigkeit, ohne die eine "demokratische Gesellschaft" nicht bestehen kann. Die Freiheit der Meinungsäußerung, die in Art. 10 EMRK verankert ist, unterliegt einer Reihe von Ausnahmen, die jedoch eng ausgelegt werden müssen, wobei überzeugend nachgewiesen werden muss, warum die Einschränkungen erforderlich sind. Beamte sind vom Anwendungsbereich der EMRK jedenfalls nicht ausgeschlossen (vgl. EGMR, Urteil vom 26. September 1995, Zl. 7/1994/454/535-Fall Vogt gegen Deutschland; und das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 2. März 1994, B 2045/92, in VfSlg. Nr. 13694).

Kritik an der eigenen Behörde durch einen Beamten ist nicht nur als durch das Grundrecht auf Meinungsfreiheit geschützt anzusehen, sondern auch als notwendiges Mittel zur Optimierung der Verwaltung im Sinne der in den Artikeln 126b Abs. 5, 127 Abs. 1 und 127a Abs. 1 und Abs. 7 B-VG bestimmten Grundsätze anzusehen (vgl. hiezu die hg. Erkenntnisse vom 26. Juni 1991, Zl. 91/09/0031 = Slg.NF Nr. 13461/A, und vom 6. September 1995, Zl. 95/12/0122 = Slg.NF Nr. 14313/A).

Davon ausgehend ist nicht zu untersuchen, ob die Kritik des Beschwerdeführers - mag sie von der kritisierten Behörde bzw. dem kritisierten Präsidenten auch als unrichtig, widerlegbar oder scharf empfunden werden - objektiv richtig oder unrichtig war, oder ob dem Beschwerdeführer der Wahrheitsbeweis für seine Meinung gelungen ist, weil Kritik an vermeintlichen Missständen auch zulässig sein muss, ohne dass der Kritiker für die objektive Richtigkeit oder erfolgreiche Beweisführung seiner Meinung disziplinär haftet. Dass der Beschwerdeführer die inkriminierten Äußerungen etwa wider besseres Wissen gemacht oder einen offenkundig unvertretbaren Standpunkt eingenommen habe, ist dem angefochtenen Bescheid nicht zu entnehmen und wurde ihm nach Spruch und Begründung dieses Bescheides nicht vorgeworfen (im übrigen müssen öffentliche Einrichtungen wie etwa die Regierung oder hier der Rechnungshof sich in weitergehendem Umfang Kritik gefallen lassen, vgl. Frowein/Peukert, EMRK-Kommentar, zweite Auflage 1996, Seite 399- Fall Castells). Es bedeutet keine Verletzung des § 43 Abs. 2 BDG 1979, wenn ein Beamter in der Öffentlichkeit andere Beamte oder die ganze Beamtenschaft, aber auch die Bundesregierung oder einen Bundesminister kritisiert. Dass der Beschwerdeführer nicht nur an der Amtsführung (hier des Rechnungshofes bzw. des Präsidenten des Rechnungshofes) überhaupt oder an einem bestimmten Verhalten Kritik geübt habe, sondern etwa ohne Angabe von Gründen öffentlich den Verdacht oder Vorwurf des Mißbrauches der Amtsgewalt erhoben und derart die in § 43 Abs. 2 BDG 1979 dem Schutz des guten Rufes dienende Grenze überschritten hätte, ist dem angefochtenen Bescheid nicht nachvollziehbar zu entnehmen (vgl. in dieser Hinsicht das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 12. Oktober 1995, B 1166/93, in VfSlg. Nr. 14316/1995).

Auch sonst wurde im angefochtenen Bescheid nicht ersichtlich gemacht, dass die durch den angefochtenen Bescheid bewirkte Beschränkung des Beschwerdeführers in seiner Freiheit der Meinungsäußerung zur Erreichung eines der in Art. 10 Abs. 2 EMRK genannten Ziele, etwa zur Aufrechterhaltung der Ordnung im Bereich des Rechungshofes, notwendig gewesen wäre (vgl. etwa die Urteile des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte vom 19. Dezember 1994, Serie Nr. 302, Vereinigung demokratischer Soldaten und Berthold Gubi gegen Österreich, JBl 1995, 513 ff und ÖJZ 1995/23 (MRK) sowie vom 25. November 1997, Zl. 121/1996/740/939, Grigoriades gegen Griechenland, ÖJZ 1998/37,

(MRK)).

Die zu § 43 Abs. 2 BDG 1979 im angefochtenen Bescheid dargelegte Begründung nimmt einerseits an, die inkriminierten Äußerungen des Beschwerdeführers seien "tatsachenwidrige Behauptungen" über den Rechnungshof, andererseits werden diese Aussagen schon im nachfolgenden Satz als "unrichtige Wertungen" angesehen. Die inkriminierten Textstellen sind offenkundig im Rahmen jeweils längerer und begründeter Artikel und nicht in der im Spruch des angefochtenen Bescheides dargestellten isolierten Form veröffentlicht worden; der Inhalt dieser Artikel oder wenigstens der nähere Kontext, in dem diese Aussagen stehen, wurde aber nicht festgestellt. Die zu einzelnen Aussagen im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen lassen jedoch erkennen, dass die inkriminierten Kritikaussagen sich auf konkrete Tatsachen oder Missstände bezogen haben. Die belangte Behörde hätte die inkriminierten Aussagen demnach nicht nur isoliert aus dem Zusammenhang gerissen, sondern in diesem näheren Kontext darstellen und beurteilen müssen. Dieser für die disziplinarrechtliche Beurteilung der Aussagen schwer wiegende Feststellungsmangel kann allerdings nicht dazu führen, dass mangels Berücksichtigung des zu den inkriminierten Aussagen gehörenden begründenden Kontextes - im Hinblick auf den Grundsatz "in dubio pro reo" - der hinreichende Nachweis der angelasteten Dienstpflichtverletzung als erbracht angesehen werden kann. Geht man von den zu den inkriminierten Aussagen im angefochtenen Bescheid getroffenen Sachverhaltsfeststellungen aus, dann hat die Kritik des Beschwerdeführers sich erkennbar auf die Gebarungsprüfung der Länderbank, das Schulungs-, Ausbildungs- und Fortbildungskonzept des Rechnungshofes, das System der Aufnahme in den Rechnungshof (Planstellenausschreibung), die Bestellung zum Sektionsleiter bzw. zum Abteilungsleiter im Rechnungshof und das Fehlen eines umfassenden Managementkonzeptes im Rechnungshof bezogen. Ausgehend von diesen im angefochtenen Bescheid als Substrat der Kritik des Beschwerdeführers erkannten Tatsachen erweisen sich die inkriminierten Aussagen aber als vertretbare Werturteile, die insgesamt betrachtet die Schwelle des disziplinär erheblichen Verhaltens im Sinn des § 43 Abs. 2 BDG 1979 nicht überschreiten. Dabei ist dem Beschwerdeführer auch hinsichtlich der Form seiner Kritik nicht eine bereits bedenkliche Wortwahl, die als Beleidigung, Schmähung oder massiver Vorwurf den Rahmen sachlicher Kritik sprengen würde, anzulasten (vgl. in dieser Hinsicht etwa die hg. Erkenntnisse vom 4. September 1989, Zl. 89/09/0076, vom 19. Oktober 1995, Zl. 94/09/0024, und vom 18. November 1992, Zl. 91/12/0261).

Da sich die Kritik des Beschwerdeführers auf die Sache beschränkte und die an die gebotene Form des Vortrages von Kritik zu stellenden Mindestanforderungen (noch) nicht unterschritten wurden, rechtfertigen die inkriminierten Aussagen bei objektiver Betrachtung nicht Bedenken an der sachlichen Wahrnehmung der dienstlichen Aufgaben des Beschwerdeführers bzw. den Schluss, der Beschwerdeführer werde seine dienstliche Aufgaben nicht sachlich und rechtmäßig erfüllen. Adressat des Vertrauens in die sachliche Amtsführung ist die Allgemeinheit. Der Beamte muss in dieser Hinsicht nicht das Vertrauen seiner Vorgesetzten, seiner Kollegen oder der Beamtenschaft wahren. Der Beschwerdeführer hat daher auch unter diesem Gesichtspunkt § 43 Abs. 2 BDG 1979 nicht verletzt, wenn er in der Öffentlichkeit andere Beamte (des Rechnungshofes bzw. des Präsidenten des Rechnungshofes) kritisierte (vgl. Kucsko-Stadlmayer, Das Disziplinarrecht der Beamten, zweite Auflage 1996, Seite 137f)

Die belangte Behörde hat dadurch, dass sie den erstinstanzlichen Schuldspruch im Sinn des § 43 Abs. 2 BDG 1979 teilweise bestätigte, statt in diesem Umfang ebenfalls einen Freispruch zu fällen, den angefochtenen Bescheid in dieser Hinsicht mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet. Dieser war daher in seinem durch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes unberührt gebliebenen Teil also auch hinsichtlich des Ausspruches gemäß § 128 zweiter Satz BDG 1979 gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994. Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft den überhöht verzeichneten Stempelgebührenaufwand.

Wien, am 28. Juli 2000

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