VwGH 91/09/0031

VwGH91/09/003126.6.1991

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Karlik und die Hofräte Mag. Meinl, Dr. Fürnsinn, Dr. Germ und Dr. Höß als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Fritz, über die Beschwerde des E gegen den Bescheid des Berufungssenates in Disziplinarsachen für den Bereich der Hoheitsverwaltung der Stadtgemeinde Innsbruck vom 18. Dezember 1990, Zl. MD-9036/1988, betreffend Ordnungsstrafe der Geldbuße, zu Recht erkannt:

Normen

BDG 1979 §45 Abs1;
BDG 1979 §54;
BDG 1979 §91;
B-VG Art20 Abs3;
GdBG Innsbruck 1970 §17 Abs2;
GdBG Innsbruck 1970 §23 Abs1;
GdBG Innsbruck 1970 §24;
GdBG Innsbruck 1970 §59 Abs2;
StGG Art11;
VwRallg;
BDG 1979 §45 Abs1;
BDG 1979 §54;
BDG 1979 §91;
B-VG Art20 Abs3;
GdBG Innsbruck 1970 §17 Abs2;
GdBG Innsbruck 1970 §23 Abs1;
GdBG Innsbruck 1970 §24;
GdBG Innsbruck 1970 §59 Abs2;
StGG Art11;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Die Landeshauptstadt Innsbruck hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.570,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Bezüglich der Vorgeschichte wird, um Wiederholungen zu vermeiden, auf das die beiden Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens betreffende Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 19. Oktober 1990, Zl. 90/09/0112, verwiesen, mit welchem die Beschwerde des Beschwerdeführers gegen den Bescheid der belangten Behörde vom 20. Dezember 1989 betreffend Bestätigung seiner vorläufigen Enthebung vom Dienst als unbegründet abgewiesen worden war.

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 18. Dezember 1990 wurde der Beschwerdeführer nach durchgeführter mündlicher Verhandlung schuldig erkannt, er habe durch die unmittelbare Übermittlung des Schreibens vom 28. Oktober 1988, Zl. IX-1795/1988, an die einzelnen Mitglieder des Stadtsenates die in § 24 des Innsbrucker Gemeindebeamtengesetzes 1970, Landesgesetzblatt für Tirol Nr. 44/1970 (IGBG), normierte Dienstpflicht zur Einhaltung des Dienstweges verletzt und solcherart eine Ordnungswidrigkeit gemäß § 29 Abs. 2 leg. cit. begangen. Über den Beschwerdeführer wurde gemäß § 60 IGBG eine Ordnungsstrafe in Höhe von 1000 S verhängt. In den schriftlichen Gründen dieses Erkenntnisses wurde, soweit für die Beschwerde von Relevanz, ausgeführt, die Vorgangsweise des Beschwerdeführers ergebe sich aus dem bei den Akten des Verwaltungsverfahrens erliegenden Schreiben vom 28. Oktober 1988, welches der Beschwerdeführer nicht nur an den Bürgermeister und an den mit der Führung der Magistratsabteilung n betrauten amtsführenden Stadtrat Z, sondern auch an die beiden Bürgermeister-Stellvertreter und die weiteren Mitglieder des Stadtsenates gerichtet habe; das Berufungsvorbringen, wonach dieses Schreiben auch an den Magistratsdirektor gerichtet worden sei, sei aktenwidrig. Dieses Schreiben habe zweifelsfrei einen Beschaffungsvorgang im Rahmen der Magistratsabteilung n und solcherart eine dienstliche Angelegenheit zum Gegenstande. Der Rechtsmeinung des Beschwerdeführers, bei dem streitverfangenen Schreiben vom 28. Oktober 1988 habe es sich um eine Petition gehandelt, könne nicht beigetreten werden. Nach § 49 des Stadtrechtes der Landeshauptstadt Innsbruck 1975, LGBl. Nr. 53, habe jeder Gemeindebürger das Recht, in Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches der Gemeinde dem Gemeinderat Anliegen oder Beschwerden in schriftlicher Form als Petitionen vorzutragen. Abgesehen davon, daß das streitverfangene Schreiben vom 28. Oktober 1988 nicht an den Gemeinderat gerichtet gewesen sei, handle es sich bei diesem Schreiben seinem Inhalt nach, wenn nicht um ein Ansuchen, so jedenfalls um ein Anbringen und in bezug auf den Vorwurf der nicht gehörigen Information des Stadtsenates und der Anregung der Überprüfung durch die Staatsanwaltschaft auch um eine Beschwerde in einer dienstlichen Angelegenheit, die der Beschwerdeführer als Beamter und Leiter der Magistratsabteilung n zu bearbeiten hätte. Von der Ausübung eines jedem Gemeindebürger offen stehenden Petitionsrechtes könne daher nicht die Rede sein. Auch § 54 BDG 1979 vermöge den Beschwerdeführer nicht zu entlasten. Diese Bestimmung gelte für die Beamten des Bundes und sei auf das Dienstrecht der Innsbrucker Gemeindebeamten nicht anwendbar. Der Beschwerdeführer sei daher gemäß § 24 IGBG zur Einhaltung des Dienstweges verpflichtet, welche Gesetzesbestimmung einen Ausnahmetatbestand iSd § 54 Abs. 2 BDG 1979 nicht kenne. Überdies sei nicht erkennbar und es werde dies auch nicht ausgeführt, weshalb zur Zeit des Schreibens vom 28. Oktober 1988 Gefahr im Verzug bestanden haben sollte. Der Dienstweg gehe vom Beschwerdeführer als Abteilungsleiter (allenfalls über den amtsführenden Stadtrat oder den Magistratsdirektor) jedenfalls an den Bürgermeister, welchem nach § 31 Abs. 1 des Innsbrucker Stadtrechtes alle Bediensteten der Stadt unterstünden, nicht aber an die einzelnen Mitglieder des Stadtsenates, welcher in dienstlichen Angelegenheiten nicht Vorgesetzter des Bürgermeisters sei. Wenn der Beschwerdeführer zu seiner Entschuldigung abschließend noch geltend mache, daß er sich vor Abfassung des Schreibens vom 28. Oktober 1988 mit der Gesetzeslage eingehend auseinandergesetzt habe, weshalb ihm nicht einmal leichte Fahrlässigkeit unterstellt werden könne und es daher an der subjektiven Tatseite mangle, sei ihm entgegenzuhalten, daß ein Irrtum über Dienstpflichten, deren Verletzung unter disziplinärer Sanktion stehe, die Strafbarkeit einer Pflichtverletzung grundsätzlich nicht aufhebe. Dies gelte im besonderen für leitende Beamte, denen § 23 IGBG besondere Pflichten auferlege. Der Beschwerdeführer habe somit durch die festgestellte Vorgangsweise die Dienstpflicht zur Einhaltung des Dienstweges gemäß § 24 iVm § 17 Abs. 1 IGBG verletzt, wobei ins Gewicht falle, daß er nach § 23 Abs. 1 leg. cit. als Abteilungsleiter für die Aufrechterhaltung eines geregelten und vorschriftsmäßigen Dienstbetriebes zu sorgen habe, wozu nicht zuletzt die Einhaltung des Dienstweges gehöre. Damit habe sich der Beschwerdeführer jedenfalls einer Ordnungswidrigkeit iSd § 59 Abs. 2 IGBG schuldig gemacht.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, in der Rechtswidrigkeit des Inhalts des angefochtenen Bescheides sowie dessen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragte.

Der Gerichtshof hat erwogen:

Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich der Beschwerdeführer nach seinem gesamten Vorbringen in dem Recht darauf, daß er nicht ohne Vorliegen der Voraussetzungen des § 24 IGBG einer Dienstpflichtverletzung als schuldig erkannt und solcherart nicht mit einer Ordnungsstrafe bestraft werde, verletzt. In Ausführung des so aufzufassenden Beschwerdepunktes trägt er hiezu unter dem Gesichtspunkt einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit im Einklang mit seinem Vorbringen im Administrativverfahren vor, das streitverfangene Schreiben vom 28. Oktober 1988 sei kein dienstliches oder das Dienstverhältnis des Beschwerdeführers berührendes Schreiben. Auf Grund des bezüglichen Beschlusses des Stadtsenates vom 8. Juni 1988 sei nämlich die Information des Stadtsenates und die Vorlage eines Berichtes im Gegenstande keine dienstliche Obliegenheit des Beschwerdeführers. Der angefochtene Bescheid räume ein, daß es sich nicht um ein Ansuchen gehandelt habe, stelle jedoch fest, es sei ein "Anbringen" und hinsichtlich des Vorwurfes der nicht gehörigen Information des Stadtsenates und der Anregung der Überprüfung durch die Staatsanwaltschaft auch eine "Beschwerde". Eine Erörterung, ob das streitverfangene Schreiben ein Anbringen gewesen sei, erübrige sich, weil § 24 IGBG ausdrücklich nur von "Ansuchen und Beschwerden" spreche, der Begriff "Anbringen" jedoch dem AVG entnommen sei, und für die Begriffe "Anträge, Gesuche, Anzeigen, Beschwerden und sonstige Mitteilungen" stehe. Auch der Begriff "Beschwerde" sei für das Schreiben vom 28. Oktober 1988 unzutreffend, weil es keinen Vorwurf gegen bestimmte Personen enthalte, sondern wertfreie Informationen und Anregungen. Das streitverfangene Schreiben habe den rechtlichen Charakter einer Petition gemäß Art. 11 StGG, weil es lediglich Informationen sowie Anregungen enthalte. Der Beschwerdeführer habe das streitverfangene Schreiben offen Herrn A "im Einlauf" der Magistratsdirektion übergeben. Ab der Übernahme dieses Schreibens sei die Magistratsdirektion für die Weiterbehandlung zuständig und verpflichtet gewesen, die Rechtmäßigkeit der Weiterleitung zu prüfen. Die Abgabe eines allenfalls unrichtig adressierten Schreibens, das offen bei der richtigen Stelle eingebracht worden sei, könne niemals als Verletzung des Dienstweges angesehen werden, insbesondere wenn die zur Prüfung der Rechtmäßigkeit der Übermittlung zuständige Magistratsdirektion selbst die Weiterleitung veranlaßt und durchgeführt habe. Die Darstellung im angefochtenen Bescheid, wonach der Beschwerdeführer das Schreiben direkt und gleichzeitig an den Bürgermeister und die übrigen Mitglieder des Stadtsenates übermittelt habe, sei aktenwidrig und unrichtig. Konstitutiv für das Vorliegen einer Ordnungswidrigkeit sei das Vorliegen einer Gefährdung oder Schädigung der Interessen der Stadtgemeinde Innsbruck. Im angefochtenen Bescheid werde keine konkrete, tatsächliche Gefährdung oder Schädigung der Interessen der Stadt Innsbruck festgestellt.

Zur Bewertung des gegenständlichen Schreibens des Beschwerdeführers als Petition (im Sinne des Art. 11 StGG) ist dem Beschwerdeführer folgendes entgegenzuhalten:

Art. 11 des Staatsgrundgesetzes vom 21. Dezember 1867, über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger für die im Reichsrate vertretenen Königreiche und Länder, RBGl. Nr. 142 (StGG), lautet:

"Das Petitionsrecht steht jedermann zu. Petitionen unter einem Gesamtnamen dürfen nur von gesetzlich anerkannten Körperschaften oder Vereinen ausgehen."

Im Sinne der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes besteht das Petitionsrecht "in der Freiheit, Anträge allgemeiner Art an die Organe der Gesetzgebung oder Vollziehung zu stellen und die Erlassung bestimmter genereller Anordnungen oder die Abstellung bestimmter rechtlicher Zustände zu begehren" (beginnend mit VfSlg 4065/1961 unter Berufung auf ADAMOVICH-SPANNER, Handbuch des österreichischen Verfassungsrechts, 5. Auflage, Seite 450; ebenso: VfSlg 4295/1962, 6131/1970 - mit dem Hinweis, daß eine Petition Anträge oder Anregungen allgemeiner Art zu enthalten hat - so wie 6441/1971). Mangels eines dem Art. 11 StGG entnehmbaren Anhaltspunktes darf die Geltendmachung dieses Grundrechtes nicht eingeschränkt werden: dies bedeutet nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes - soweit dies aus der Sicht des Beschwerdefalles bedeutsam ist - unter anderem, daß der Zugang zu jenem Organ, das nach dem Willen des Petenten angerufen werden soll, unmittelbar offenzustehen hat.

Da Art. 11 StGG das Petitionsrecht jedermann gewährleistet, steht dieses Grundrecht auch dem Beamten (öffentlich Bediensteten) zu. Gegenstand der Petition kann jede, daher auch eine dienstliche oder das Dienstverhältnis betreffende Angelegenheit, sein. Eine Schranke ergibt sich allerdings für den in Art. 20 Abs. 3 B-VG genannten Personenkreis insofern, als er bei Ausübung des Petitionsrechtes die verfassungsgesetzlich normierte Pflicht zur Wahrung des Amtsgeheimnisses zu wahren hat (vgl. dazu näher KUCSKO-STADLMAYER, Das Disziplinarrecht der Beamten, 43 f). Mangels eines Gesetzesvorbehaltes in Art. 11 StGG ist es aber dem einfachen Gesetzgeber oder der Vollziehung verwehrt, die Einbringung von Petitionen des Beamten Beschränkungen zu unterwerfen und zwar ohne Rücksicht auf ihren Gegenstand, also gleichgültig, ob sie einen Dienstbezug aufweisen oder nicht. Dies bedeutet auch, daß der Beamte nicht verpflichtet werden darf, Anbringen (mit oder ohne Dienstbezug), die ihrem Inhalt nach Petitionen im Sinn des Art. 11 StGG sind, im Dienstweg einzubringen. Die in dienstrechtlichen Vorschriften enthaltenen Bestimmungen die - wie z.B. § 24 IGBG - den Beamten bei dienstbezogenem Vorbringen zur Einhaltung des Dienstweges verpflichten, sind daher - wenn es ihr Wortlaut zuläßt - verfassungskonform dahingehend auszulegen, daß Petitionen im Sinn des Art. 11 StGG (also Anträge oder Anregungen allgemeiner Art) mit diesem Inhalt davon nicht erfaßt werden.

Der Wortlaut des im Beschwerdefall anzuwendenden § 24 IGBG läßt eine derartige verfassungskonforme Auslegung zu: er bezieht sich demnach ausschließlich auf dienstbezogenes Vorbringen konkreter Art. Im Beschwerdefall ist daher weiters die Frage zu prüfen, ob das streitverfangene Schreiben des Beschwerdeführers seinem Inhalt nach eine Petition im Sinn des Art. 11 StGG ist oder nicht.

Das nach Ausweis der Akten des Verwaltungsverfahrens am 28. Oktober 1988 bei der Einlaufstelle des Stadtmagistrates Innsbruck vom Beschwerdeführer persönlich eingebrachte

Schreiben lautet:

"MAGISTRATSABTEILUNG n

Zl. IX - 1795/1988 SACHBEARBEITER: SR Dr. E

BETREFF: Ankauf eines Klein-LKW's

für die Stadtgärtnerei

Sehr geehrter Herr BürgermeisterÜ

Sehr geehrter Herr StadtratÜ

Dem Unterfertigten wurde der Beschluß des Stadtsenats vom 19. Oktober 1988 betreffend die weitere Vorgangsweise bei der Anschaffung eines Kleinlastwagens für die Stadtgärtnerei durch Herrn Magistratsdirektor übermittelt. Aus der Textierung muß entnommen werden, daß den Mitgliedern des Stadtsenats nicht bekanntgegeben wurde, daß das Anforderungsprofil für die gegenständliche Anschaffung noch vor der Ausschreibung vom

8. MÄRZ 1988 gemeinsam von Herrn F und Herrn K im Büro des Herrn K erarbeitet und im Ausschreibungstext auch schriftlich festgehalten wurde.

Die neuerliche Anführung des Anforderungsprofils erfolgt daher lediglich aus formalen Gründen, um dem Beschluß des Stadtsenates und der darauf basierenden Weisung des Herrn Bürgermeisters zu entsprechen.

Die bisherige Vorgangsweise in der gegenständlichen Sache, Herr Amtsführender Stadtrat Z hat mir mündlich mitgeteilt, daß eine massive Intervention des Herrn Gemeinderates G vorliege, sollte lückenlos dokumentiert und gegebenenfalls von einer geeigneten Stelle, allenfalls der Staatsanwaltschaft überprüft werden.

1 BEILAGE Mit vorzüglicher Hochachtung

Innsbruck, am 28. Oktober 1988 Der Abteilungsleiter:

(E)

Senatsrat

ERGEHT AN:

  1. 1. Herrn Bürgermeister Romuald Niescher, hier
  2. 2. Herrn 1. Bürgermeister-Stellvertreter Rudolf Krebs, hier
  3. 2. Herrn 2. Bürgermeister-Stellvertreter Ing. Arthur Krasovic, hier
  4. 4. Herrn Amtsführenden Stadtrat Dr. Harald Hummel, hier
  5. 5. Herrn Amtsführenden Stadtrat Dr. Hermann Knoll, hier
  6. 6. Herrn Amtsführenden Stadtrat Dr. Franz Meisinger, hier
  7. 7. Herrn Amtsführenden Stadtrat Dr. Josef Rettenmoser, hier
  8. 8. Herrn Amtsführenden Stadtrat Dipl. Ing. Eugen Sprenger, hier
  9. 9. Herrn Amtsführenden Stadtrat Dr. Wilhelm Steidl, hier
  10. 10. Herrn Amtsführenden Stadtrat Ing. Karl Stöckl, hier
  11. 11. Herrn Amtsführenden Stadtrat Dr. Bruno Wallnöfer, hier" Da sich dieses Schreiben auf eine konkrete dienstliche

    Angelegenheit, nämlich einen bestimmten Beschaffungsvorgang für die Stadtgärtnerei, der der Beschwerdeführer als Abteilungsleiter vorsteht, bezieht, darin das Verhalten bestimmter Personen in diesem Zusammenhang dargelegt wird und darauf bezogen bestimmte Maßnahmen vorgeschlagen werden (lückenlose Dokumentation dieses Beschaffungsvorganges sowie allfällige Einschaltung der Staatsanwaltschaft) stellt es vor dem Hintergrund der obigen Ausführungen seinem Inhalt nach keine Anregung bzw. keinen Antrag ALLGEMEINER Art und daher keine Petition im Sinn des Art. 11 StGG dar. Wegen seines sich auf eine konkrete dienstliche Angelegenheit beziehenden Inhaltes kommt daher im Beschwerdefall die Anwendbarkeit des § 24 IGBG 1970 grundsätzlich in Betracht.

Die Bedeutung des § 24 IGBG 1970 liegt im wesentlichen in der Verpflichtung des Beamten, bei Ansuchen und Beschwerden in dienstlichen oder sein Dienstverhältnis berührenden (konkreten) Angelegenheiten den entsprechenden Dienstweg einzuhalten. Unter dem Begriff "Dienstweg", der im IGBG 1970 nicht ausdrücklich geregelt ist, ist nach allgemeiner Anschauung der Weg über den unmittelbaren und die weiteren Vorgesetzten zu verstehen. Die von dieser Verpflichtung erfaßten Eingaben betreffen die eigene beamtenrechtliche Stellung des Beamten wie z.B. Beförderungsansuchen, Ansuchen in Gnadensachen usw. oder die konkrete Ausübung seines Dienstes wie z.B. dienstliche Arbeitsanweisungen (vgl. § 17 Abs. 2 IGBG 1970). Übergeht der Beamte in diesen Angelegenheiten den unmittelbaren Vorgesetzten, so kann hiedurch das Vertrauensverhältnis, das zwischen ihm und seinem Vorgesetzten bestehen muß, um eine reibungslose Zusammenarbeit im Rahmen der Dienststelle zu ermöglichen, empfindlich gestört werden. Die eine Ordnungsvorschrift darstellende Bestimmung, den Dienstweg einzuhalten - und solcherart den unmittelbaren Vorgesetzten nicht zu umgehen - dient der Erhaltung dieses Vertrauensverhältnisses.

Soweit der Beschwerdeführer meint, wegen der erfolgten Übergabe des inkriminierten Schreibens an einen Beamten der Magistratsdirektion sei der Dienstweg eingehalten worden, ist ihm zu erwidern, daß diese Tatsache für sich allein nicht ausreicht, diese Rechtswirkung herbeizuführen. Das Schreiben des Beschwerdeführers vom 28. Oktober 1988 sollte - wie sich aus seinem äußeren Erscheinungsbild zweifelsfrei ergibt - offenkundig unmitttelbar dem angeführten Personenkreis übermittelt werden, unter dem sich auch - unbestritten - Organwalter befanden, denen die Eigenschaft eines Dienstvorgesetzten gegenüber dem Beschwerdeführer nicht zukam. Daran ändert auch nichts der vom Beschwerdeführer gewählte Einbringungsweg, zumal er nicht einmal behauptet hat, er habe den die Eingabe entgegennehmenden Magistratsbeamten ausdrücklich ersucht, diese im Dienstweg vorzulegen.

Dennoch erweist sich die Beschwerde als berechtigt.

§ 59 Abs. 2 IGBG 1970 lautet:

"(2) Ordnungswidrigkeiten sind Pflichtverletzungen geringerer Art, insbesondere wenn sie nicht aus grober Fahrlässigkeit oder aus bößer Absicht begangen worden sind und die Gefährdung oder Schädigung der Interessen der Stadtgemeinde gering ist."

Aus dieser Bestimmung ergibt sich nicht nur, daß das Ausmaß der Gefährdung oder Schädigung der Interessen der Stadtgmeinde ein Abgrenzungskriterium für die Beurteilung einer Handlung (Unterlassung) des Beamten als Dienstvergehen oder Ordnungswidrigkeiten ist; vielmehr ist daraus auch abzuleiten, daß die Gefährdung oder Schädigung der Interessen der Stadtgemeinde überhaupt eine Voraussetzung für die disziplinäre Ahndbarkeit ist.

Ob eine solche Beeinträchtigung vorliegt, ist unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles zu prüfen, soweit nicht - insbesondere im Hinblick auf die Art der zur Last gelegten Tat - diese als offenkundig anzusehen ist.

Eine offenkundige Gefährdung oder Schädigung der Interessen der Stadtgemeinde liegt jedoch nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes im Beschwerdefall nicht vor. Sie ist auch nicht in der (abstrakten) Schädigung des oben genannten Vertrauensverhältnisses zum unmittelbaren Vorgesetzten zu erblicken, denn bei verständiger Würdigung des inkriminierten Schreibens des Beschwerdeführers ist ihm zuzugestehen, daß er (jedenfalls auch und in hohem Ausmaß) im Interesse der Allgemeinheit handelte, indem er den Bürgermeister und die Stadträte der Landeshauptstadt Innsbruck über einen vermeintlichen Mißstand bei der Beschaffung eines Kleinlastwagens für die Stadtgärtnerei, welcher er als Abteilungsleiter vorsteht, aufmerksam machen wollte. Er hat sich mit seinem oben wiedergegebenen Begehren nicht an die Öffentlichkeit gewandt, sondern seine Sorge um die Vergabe des Auftrages neben dem Bürgermeister auch den Stadträten der Landeshauptstadt Innsbruck unterbreitet, die - wie aus dem zitierten Beschluß vom 19. Oktober 1988 hervorgeht - mit der aufgeworfenen Frage und mit den ihr zu Grunde liegenden Verhältnissen vertraut sein und ein berechtigtes Interesse daran haben mußten, von den Wünschen des zuständigen Abteilungsleiters über die Beschaffung des zweckmäßigsten Fahrzeuges unterrichtet zu werden. Die Aufmerksamkeit und das Verantwortungsbewußtsein eines Beamten, der (vermeintliche) Mißstände nicht zur Kenntnis nimmt, sondern sich auch für deren Abstellung einsetzt, ist eine wesentliche Voraussetzung sowohl für die Verwirklichung des Verfassungsgebotes der Führung der Verwaltung nach den Grundsätzen des fünften Hauptstückes des B-VG (vgl. Art. 126 b Abs. 5, 127 Abs. 1 sowie 127 a Abs. 1 und 7 B-VG) als auch der Rechtstaatlichkeit. Dies gilt insbesondere für den Leiter einer Dienststelle, der gemäß § 23 Abs. 1 IGBG 1970 für die Aufrechterhaltung eines geregelten und vorschriftsmäßigen Dienstbetriebes zu sorgen hat.

Liegt aber - wie im Beschwerdefall - die zu beurteilende Handlung auch im Interesse des Dienstgebers (Stadtgemeinde), dann hat eine Abwägung mit entgegenstehenden Interessen, die sich im Beschwerdefall aus der Nichteinhaltung des Dienstweges ergeben, zu erfolgen. Bei der demnach gebotenen Gesamtwürdigung des Verhaltens des Beschwerdeführers kann der Verwaltungsgerichtshof im Beschwerdefall nicht finden, daß der Beschwerdeführer dadurch, daß er seine Vorstellungen im Rahmen einer Auseinandersetzung an die mit der Anschaffung beteiligt gewesenen Mitglieder des Stadtsenates in einer sachlichen Weise und in einer gebotenen Form herangetragen hat, ohne den Dienstweg nach § 24 IGBG 1970 eingehalten zu haben, Interessen der Stadtgemeinde gefährdet oder geschädigt hat.

Da die belangte Behörde in Verkennung der Rechtslage auf die Beeinträchtigung der Interessen der Stadtgemeinde durch die inkriminierte Vorgangsweise des Beschwerdeführers nicht eingegangen ist, hat sie ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet, was zu dessen Aufhebung nach § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG zu führen hatte, ohne daß auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen war.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Pauschalierungsverordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 104/1991.

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