VwGH 96/08/0274

VwGH96/08/027420.12.2000

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Novak, Dr. Sulyok und Dr. Nowakowski als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, über die Beschwerde des F in R, vertreten durch Dr. Wolfgang Mayrhofer, Rechtsanwalt in Mauthausen, Heindlkai 52, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Oberösterreich vom 14. August 1996, Zl. B1-12896496-12, betreffend rückwirkende Berichtigung und Rückforderung von Notstandshilfe, zu Recht erkannt:

Normen

AlVG 1977 §12 Abs3 litb;
AlVG 1977 §12 Abs6 litb;
AlVG 1977 §38;
BSVG §140 Abs5 idF 1990/296;
BSVG §140 Abs6 idF 1989/644;
BSVG §140 Abs7 idF 1990/296;
BSVG §140 Abs8 idF 1989/644;
BSVG §140 Abs9 idF 1989/644;
NotstandshilfeV §5 Abs4 idF 1990/429;
AlVG 1977 §12 Abs3 litb;
AlVG 1977 §12 Abs6 litb;
AlVG 1977 §38;
BSVG §140 Abs5 idF 1990/296;
BSVG §140 Abs6 idF 1989/644;
BSVG §140 Abs7 idF 1990/296;
BSVG §140 Abs8 idF 1989/644;
BSVG §140 Abs9 idF 1989/644;
NotstandshilfeV §5 Abs4 idF 1990/429;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 13.310,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid sprach die belangte Behörde - der Berufung des Beschwerdeführers gegen einen Bescheid der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Perg teilweise stattgebend - aus, die dem Beschwerdeführer auf Grund seiner Anträge vom 8. November 1993 und vom 7. November 1994 gewährte Nostandshilfe werde rückwirkend für den 31. August 1994 von S 305,30 auf S 198,90, für die Zeiträume vom 1. September 1994 bis zum 18. September 1994 und vom 17. Oktober 1994 bis zum 31. Dezember 1994 von S 282,70 auf S 176,30, für die Zeit vom 1. Jänner 1995 bis zum 31. Jänner 1995 von S 291,-- auf S 184,60 und für die Zeit vom 1. Februar 1995 bis zum 31. März 1995 von S 291,-- auf S 179,30 täglich berichtigt und der Beschwerdeführer werde zum Rückersatz des Übergenusses in der Höhe von S 20.002,-- verpflichtet.

Diese Entscheidung gründete sich im Wesentlichen darauf, dass der Beschwerdeführer in seinen Anträgen die Frage nach dem Besitz, der Pachtung, Verpachtung oder Übergabe einer Landwirtschaft jeweils verneint habe. Er sei jedoch seit dem 31. August 1994 Hälfteeigentümer landwirtschaftlicher Liegenschaften mit einem Einheitswert von insgesamt S 81.000,-- gewesen. Seinem in der Berufung erhobenen Einwand, die Landwirtschaft liege brach, komme aus näher dargestellten Gründen keine Berechtigung zu. Gemäß § 5 Abs. 4 Notstandshilfeverordnung sei bei der Ermittlung des Einkommens aus einem land(forst)wirtschaftlichen Betrieb § 140 Abs. 5 bis 9 BSVG anzuwenden. Aus der dazu "ergangenen Tabelle" ergebe sich bei Besitz einer landwirtschaftlichen Liegenschaft mit einem Einheitswert von S 40.000,-- ein auf die Notstandshilfe anzurechnendes Einkommen von S 3.237,-- für 1994 (maßgeblich für die Anrechnung bis Jänner 1995) und S 3.399,-- für 1995. Den daraus resultierenden Übergenuss müsse der Beschwerdeführer zurückzahlen, weil er den Besitz der Landwirtschaft nicht gemeldet bzw. im Antrag vom 7. November 1994 verschwiegen habe.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen hat:

Der Beschwerdeführer wendet sich nicht gegen Einzelheiten der von der belangten Behörde vorgenommenen Berechnung. Er verweist auf seine niederschriftliche Einvernahme vom 10. Mai 1995, bei der er angegeben habe, dass er die Landwirtschaft nicht bewirtschafte ("Wir haben keine Tiere, sondern nur Felder und Wiesen. Die Felder liegen brach und werden nicht bewirtschaftet. Die Wiesen werden nicht gemäht"). Ein Einkommen aus einem land- und forstwirtschaftlichen Betrieb könne "nicht stillschweigend einfach deswegen angenommen werden, weil jemand Hälfteeigentümer zweier Liegenschaften ist, die zusammen mit dem Bauernhof, den Nebengebäuden und den zu deren Bewirtschaftung erforderlichen Mitteln, wie Maschinen und sonstigen Anlagen und der Hofstelle zu einer organisierten Wirtschaftseinheit zusammen gefasst sind und einen landwirtschaftlichen Betrieb bilden". Weiters wird in der Beschwerde kritisiert, es seien keine Ermittlungen darüber gepflogen und keine Feststellungen darüber getroffen worden, "wer den landwirtschaftlichen Betrieb führt und wem das Einkommen aus dem landwirtschaftlichen Betrieb zusteht". Hiezu wird behauptet, die belangte Behörde hätte "unter Berücksichtigung dieser Tatsache" zu einem anderen Bescheid kommen können. Zur behaupteten inhaltlichen Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides wird auf diese Ausführungen verwiesen und kritisiert, die belangte Behörde sei "stillschweigend davon ausgegangen, dass ich ein Einkommen aus einem land- und forstwirtschaftlichen Betrieb habe, obwohl aus den Feststellungen lediglich hervorgeht, dass ich Hälfteeigentümer der Liegenschaft ... und der Liegenschaft ... bin". Der angefochtene Bescheid sei daher mit einem so genannten Feststellungsmangel oder sekundären Rechtsmangel behaftet. Darüber hinaus wird geltend gemacht, es sei unrichtig, dass das Einkommen aus einem land- und forstwirtschaftlichen Betrieb gemäß den Bestimmungen des § 5 Notstandshilfeverordnung "aus der auf Grundlage des § 140 Abs. 5 bis 9" BSVG "ergangenen Tabelle einfach durch die Teilung des Einheitswertes zu ermitteln und auf das Einkommen des Hälfteeigentümers anzurechnen"sei.

Diese insgesamt nicht sehr konkreten und zum Teil auch nicht widerspruchsfreien Ausführungen führen die Beschwerde zum Erfolg, weil die belangte Behörde dem schon im erstinstanzlichen Verfahren (nämlich in der in der Beschwerde erwähnten Niederschrift) erhobenen und in der Berufung näher ausgeführten Argument, es gebe keine Erträge, weil die Flächen brachlägen, zu Unrecht die rechtliche Bedeutung abgesprochen hat. Die belangte Behörde hat sich diesbezüglich auf die Wiedergabe von Rechtssätzen aus einer Entscheidung der Finanzlandesdirektion Wien, Niederösterreich, Burgenland vom 15. März 1991 (ÖStZ-RME 1991/188) beschränkt. Danach ergebe sich aus dem Wortlaut einer (zu § 17 EStG 1988 erlassenen) Verordnung (des Bundesministers für Finanzen), dass die Gewinnermittlung unter Einbeziehung brachliegender Flächen zu erfolgen habe, solange diese im Einheitswert mitumfasst seien. Art und Form der Bewirtschaftung sowie die Höhe der tatsächlich zufließenden Erträge seien für die Pauschalierung ohne rechtliche Relevanz (hiezu verweist die herangezogene Entscheidung auf das zu § 13 Abs. 4 KOVG ergangene hg. Erkenntnis vom 25. November 1987, Zl. 87/09/0126). "Ebenfalls" einzubeziehen seien auch die im Einheitswertbescheid als Grundstücke landwirtschaftlicher Nutzung ausgewiesenen Grundstücke, die "nicht mehr bewirtschaftet" würden (hiezu verweist die Entscheidung der Finanzlandesdirektion auf die Meinung eines deutschen Finanzgerichtes).

Diese finanzrechtliche Entscheidung und die in ihr genannten Vorentscheidungen sind nicht zu den Vorschriften ergangen, die die belangte Behörde anzuwenden hatte, und treffen den vorliegenden Fall auch insofern nur ungenau, als es hier nicht um die Einbeziehung oder Ausklammerung einzelner Flächen geht. Der Beschwerdeführer hatte vielmehr geltend gemacht, die von ihm (anteilig) übernommene Landwirtschaft liege zur Gänze brach.

Das rechtliche Umfeld, in dem sich die belangte Behörde mit diesem Einwand auseinander zu setzen hatte, bestand im Wesentlichen aus § 12 (in Verbindung mit § 38) und § 36 AlVG jeweils in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 314/1994, aus § 5 Abs. 4 Notstandshilfeverordnung in der Fassung der Novelle BGBl. 429/1990 und dem danach sinngemäß anzuwendenden § 140 Abs. 5 bis 9 BSVG in der Fassung der 14. Novelle, BGBl. Nr. 644/1989, und der 15. Novelle, BGBl. Nr. 296/1990.

Gemäß § 12 Abs. 3 lit. b AlVG gilt nicht als arbeitslos, wer selbstständig erwerbstätig ist, wovon gemäß § 12 Abs. 6 lit. b AlVG in der hier anzuwendenden Fassung aber ausgenommen ist, wer "einen land(forst)wirtschaftlichen Betrieb bewirtschaftet", dessen Einheitswert einen bestimmten (vom Beschwerdeführer im vorliegenden Fall nicht erreichten) Betrag nicht übersteigt (zum Verständnis des später an die Stelle des Wortes "bewirtschaftet" getretenen Wortes "besitzt" vgl. die hg. Erkenntnisse vom 21. April 1998, Zl. 97/08/0541, und vom 8. September 1998, Zl. 95/08/0307). Verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die bloße und unterschiedslose Anknüpfung an den Einheitswert, die beim Verwaltungsgerichtshof zunächst nicht entstanden waren (vgl. zuletzt das Erkenntnis vom 8. März 1994, Zl. 94/08/0005, unter Hinweis auf das Erkenntnis vom 9. Juni 1988, Zl. 87/08/0303, Slg. NF Nr. 12.737/A) und in der Folge - unter einem speziellen Gesichtspunkt - vom Verwaltungsgerichtshof an den Verfassungsgerichtshof herangetragen wurden (vgl. dazu den hg. Beschluss vom 22. Dezember 1999, Zl. A 1/2000, in dem mit dem Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 2000/08/0187, entschiedenen Fall), ist der Verfassungsgerichtshof nicht gefolgt (Erkenntnis vom 3. Oktober 2000, G 30/00). Im Zusammenhang mit dem vorliegenden Fall ist hervorzuheben, dass der Ausschluss der Arbeitslosigkeit auf Grund des Einheitswertes nur zum Tragen kommt, wenn eine selbstständige Erwerbstätigkeit gegeben ist (vgl. dazu das Erkenntnis vom 8. September 1998, Zl. 95/08/0307, und die dort zitierte Vorjudikatur).

Im vorliegenden Fall hat die belangte Behörde nicht die Arbeitslosigkeit des Beschwerdeführers verneint, sondern gemäß § 5 Abs. 4 der auf Grund des § 36 AlVG erlassenen Notstandshilfeverordnung eine Einkommensanrechnung vorgenommen. Die erwähnte Bestimmung sieht in der hier zeitraumbezogen maßgeblichen Fassung unter der Überschrift "Anrechnung des Einkommens des Arbeitslosen" Folgendes vor:

"(4) Bei der Ermittlung des Einkommens aus einem land(forst)wirtschaftlichen Betrieb ist § 140 Abs. 5 bis 9 des Bauern-Sozialversicherungsgesetzes sinngemäß anzuwenden."

Diese - im vorliegenden Fall noch anzuwendende - Verweisung auf Vorschriften im Zusammenhang mit der Ermittlung des zur Pension hinzuzurechnenden Nettoeinkommens bei der Beurteilung des Anspruchs auf Ausgleichszulage nach § 140 BSVG wurde mit dem Strukturanpassungsgesetz, BGBl. Nr. 297/1995, und einer entsprechenden Anpassung des § 5 Notstandshilfeverordnung durch eine Heranziehung des Einkommens gemäß § 2 Abs. 2 EStG 1988 in Verbindung mit (u.a.) einem Pauschalierungsausgleich für den Fall der Gewinnermittlung nach Durchschnittsätzen gemäß § 17 EStG 1988 und in weiterer Folge mit der Novelle BGBl. I Nr. 148/1998 durch eine unmittelbar an den Einheitswert anknüpfende Regelung im § 36a Abs. 4 AlVG ersetzt.

§ 140 Abs. 5 bis 9 BSVG in der Fassung der 14. und 15. Novelle lauten:

"(5) Der Ermittlung des Nettoeinkommens aus einem land(forst)wirtschaftlichen Betrieb sind 70 v.H. des Versicherungswertes (§ 23) dieses Betriebes zu Grunde zu legen.

§ 23 Abs. 10 ist hiebei nicht anzuwenden. Dieser Betrag, gerundet auf volle Schilling, gilt als monatliches Nettoeinkommen aus einem land(forst)wirtschaftlichen Betrieb.

(6) Steht das Recht zur Bewirtschaftung des land(forst)wirtschaftlichen Betriebes auf eigene Rechnung und Gefahr nicht einer einzigen Person zu, so gilt das gemäß Abs. 5 ermittelte Nettoeinkommen, sofern bei dessen Ermittlung die Bewirtschaftung durch mehrere Personen nicht bereits berücksichtigt wurde, nur im Verhältnis der Anteile am land(forst)wirtschaftlichen Betrieb als Nettoeinkommen.

(7) Wurde die Bewirtschaftung eines land(forst)wirtschaftlichen Betriebes aufgegeben, der Betrieb übergeben, verpachtet oder auf andere Weise jemandem zur Bewirtschaftung überlassen, so ist bei Ermittlung des Einkommens des bisherigen Eigentümers (des Verpächters) ohne Rücksicht auf Art und Ausmaß der ausbedungenen Leistungen vom Einheitswert der übergebenen, verpachteten oder zur Bewirtschaftung überlassenen land(forst)wirtschaftlichen Flächen auszugehen, sofern die Übergabe (Verpachtung, Überlassung) nicht mehr als zehn Jahre, gerechnet vom Stichtag, zurückliegt. Bei einer Übergabe (Verpachtung, Überlassung) vor dem Stichtag ist vom durchschnittlichen Einheitswert (Abs. 9), in allen übrigen Fällen von dem auf die übergebenen Flächen entfallenden Einheitswert im Zeitpunkt der Übergabe (Verpachtung, Überlassung) auszugehen. Als monatliches Einkommen gilt für Personen, die mit dem Ehegatten (der Ehegattin) im gemeinsamen Haushalt leben, bei einem Einheitswert von 77 000 S und darüber sowie bei allein stehenden Personen bei einem Einheitswert von 54 000 S und darüber ein Betrag von 35 v.H. des Richtsatzes, und zwar

1. für allein stehende Personen und für Pensionsberechtigte auf Witwen(witwer)pension bzw. auf Waisenpension des Richtsatzes nach § 141 Abs. 1 lit. a bb,

2. für alle übrigen Personen des Richtsatzes nach § 141 Abs. 1 lit. a aa,

gerundet auf volle Schilling. Diese Beträge vermindern sich für Einheitswerte unter 77 000 S und 54 000 S im Verhältnis des maßgeblichen Einheitswertes zu den genannten Einheitswerten, gerundet auf volle Schilling. Abs. 6 ist entsprechend anzuwenden.

(8) Ist die Gewährung von Gegenleistungen (Ausgedingsleistungen) aus einem übergebenen (aufgegebenen) land(forst)wirtschaftlichen Betrieb in Geld oder Güterform (landwirtschaftliche Produkte, unentgeltlich beigestellte Unterkunft) aus Gründen, die der Einflussnahme des Ausgleichszulagenwerbers entzogen sind, am Stichtag zur Gänze ausgeschlossen oder später unmöglich geworden, so hat eine Ermittlung des Einkommens des bisherigen Eigentümers (Verpächters) zu unterbleiben, und zwar so lange, wie diese Voraussetzungen zutreffen und die Unterlassung der Erbringung von Ausgedingsleistungen dem Ausgleichszulagenwerber nicht zugerechnet werden kann.

(9) Soweit ein durchschnittlicher Einheitswert gemäß Abs. 7 heranzuziehen ist, ist er durch eine Teilung der Summe der Einheitswerte, die für den land(forst)wirtschaftlichen Betrieb in den einzelnen der letzten 120 Kalendermonate vor dem Stichtag im Sinne des Abs. 10 in Betracht kommen, durch die Anzahl der Monate während dieses Zeitraumes, in denen der land(forst)wirtschaftliche Betrieb (ein Teil dieses Betriebes) noch nicht übergeben (verpachtet, überlassen) war, zu ermitteln."

Beim Vollzug dieser Bestimmungen muss in ihrem unmittelbaren Anwendungsbereich unterschieden werden, ob der Betrieb (zumindest anteilig) auf Rechnung und Gefahr des Pensionsberechtigten bewirtschaftet wird - was u.a. voraussetzt, dass der Betrieb nicht aufgegeben wurde - oder ob dies (wegen Aufgabe, Übergabe, Verpachtung oder anderweitiger Überlassung zur Bewirtschaftung) nicht zutrifft. Auf den ersten dieser Fälle bezieht sich § 140 Abs. 5 BSVG, wo an den Versicherungswert gemäß § 23 BSVG angeknüpft wird. Auf den zweiten Fall bezieht sich die - unmittelbar vom Einheitswert ausgehende, zu niedrigeren Beträgen führende - Regelung des § 140 Abs. 7 bis 9 BSVG. Unter den Begriff der Betriebsaufgabe fällt nach einer Entscheidung des Oberlandesgerichtes Graz vom 23. November 1995, SVSlg 43.917, u.a. "eine Betriebsstilllegung (Brache)". Eine Einkommensermittlung gemäß § 140 Abs. 5 BSVG entspräche in einem solchen Fall nicht dem Gesetz.

"Brache" kann andererseits auch Teil der Bewirtschaftung sein, wenn sie "im Rahmen einer sonst durchgehenden landwirtschaftlichen Betriebsführung" vorliegt (vgl. zuletzt etwa BMAGS 10. März 1998, ZASB 1999, 37). Der Verwaltungsgerichtshof hat sich damit in dem Erkenntnis vom 16. April 1991, Zl. 90/08/0155, Slg. Nr. 13.422/A, auf dessen nähere Begründung gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, ausführlich befasst und zunächst klargestellt, brachliegende Flächen seien - im Gegensatz zur Annahme der belangten Behörde im vorliegenden Fall - nicht schon deshalb, weil sie der Berechnung des von der Finanzbehörde festgestellten Einheitswertes zu Grunde gelegt wurden, bei der Bildung des Versicherungswertes gemäß § 23 BSVG jedenfalls zu berücksichtigen. Im konkreten Fall wurde - in Abgrenzung gegenüber dem in einem früheren Erkenntnis behandelten "Grasvernichtungsfall" - eine mit einer Prämie geförderte "Allflächenbrache" im Rahmen einer sonst durchgehenden landwirtschaftlichen Betriebsführung als Bewirtschaftung gewertet (vgl. zum Erfordernis zumindest einer "land(forst)wirtschaftlichen Tätigkeit im technischen Sinn" im Anschluss an dieses Erkenntnis etwa auch die Erkenntnisse vom 8. Februar 1994, Zl. 93/08/0223, vom 21. März 1995, 93/08/0098 und vom 21. März 1995, Zl. 94/08/0273, Slg. Nr. 14.227/A, jeweils mit weiteren Nachweisen; zu Sonderproblemen bei forstwirtschaftlichen Grundstücken das hg. Erkenntnis vom 12. Mai 1998, Zl. 95/08/0227; zur Behauptung der Brache im Zusammenhang mit der Arbeitslosigkeit das bereits erwähnte Erkenntnis vom 8. September 1998, Zl. 95/08/0307).

Übertragen auf den hier maßgeblichen Anwendungszusammenhang bedeutet das, dass die belangte Behörde das Einkommen des Beschwerdeführers aus einem land(forst)wirtschaftlichen Betrieb nur dann gemäß § 140 Abs. 5 und 6 BSVG (in Verbindung mit § 5 Abs. 4 Notstandshilfeverordnung) in Anknüpfung an den Versicherungswert des § 23 BSVG ermitteln durfte, wenn die vom Beschwerdeführer behauptete Brache eine Bewirtschaftungsmaßnahme war. Das dürfte - angesichts des Berufungsvorbringens dazu - nach den Maßstäben des Erkenntnisses vom 16. April 1991, Zl. 90/08/0155, Slg. Nr. 13.422/A, zumindest 1994 - wenigstens teilweise - auch der Fall gewesen sein, ist von der belangten Behörde aber nicht geprüft worden. War die "Brache" (im Sinne etwa auch der schon erwähnten Entscheidung SVSlg 43.917) eine Betriebsaufgabe, so käme eine derartige Einkommensermittlung hingegen nicht in Betracht.

Die belangte Behörde legt im angefochtenen Bescheid nicht offen, nach welchen der Absätze des § 140 BSVG sie vorgegangen ist. Die Rede ist von "der auf Grundlage des § 140 Abs. 5 bis 9" BSVG "ergangenen Tabelle", aus der sich für einen Einheitswert von S 40.000,-- ein Betrag von S 3.237,-- (für 1994) bzw. S 3.399,-- (für 1995) ergeben habe. Gemessen an den bei Teschner/Widlar, Die Sozialversicherung der Bauern, Anhang A 10, wiedergegebenen (jeweils zwei) Tabellen für die betroffenen Jahre handelt es sich bei den von der belangten Behörde genannten Beträgen jeweils um die Hälfte der einem Einheitswert von S 81.000,-- zugeordneten Beträge gemäß § 140 Abs. 5 BSVG.

Mit dem Argument, die belangte Behörde habe nicht berücksichtigt, dass die Landwirtschaft vom Beschwerdeführer nach dessen Behauptungen "nicht bewirtschaftet" werde, zeigt der Beschwerdeführer daher eine inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf, die darin besteht, dass die belangte Behörde die Frage, ob die Grundstücke bewirtschaftet wurden, unter ausschließlicher Heranziehung zu anderen Rechtsgebieten ergangener Entscheidungen zu Unrecht als unmaßgeblich angesehen und in der Begründung ihrer Entscheidung auf Grund dieser unzutreffenden Rechtsansicht nicht weiter behandelt hat.

Der angefochtene Bescheid war schon deshalb gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben, wobei von der beantragten Verhandlung gemäß § 39 Abs. 2 Z. 4 VwGG abgesehen werden konnte.

Für das fortgesetzte Verfahren ist freilich darauf einzugehen, ob die belangte Behörde insoweit, als eine Betriebsaufgabe vorgelegen haben sollte, ein nach § 140 Abs. 7 bis 9 BSVG zu ermittelndes Einkommen auf die Notstandshilfe anzurechnen haben wird, wie sich dies aus § 5 Abs. 4 Notstandshilfeverordnung nach der hier noch anzuwendenden Rechtslage zu ergeben scheint.

Die erwähnten Bestimmungen des § 140 Abs. 7 bis 9 BSVG sehen (wie die ihnen nachgebildeten Absätze im § 292 ASVG und § 149 GSVG) in ihrem unmittelbaren Anwendungsbereich die anspruchsschädliche Wirkung eines "fiktiven Ausgedinges" bei der Ausgleichszulage vor (vgl. zur Anwendbarkeit dieser Regelungen auch bei Betriebsaufgabe ohne Weitergabe der brachliegenden Flächen etwa OGH 31. Jänner 1995, 10 ObS 35/94). Schrammel (ZAS 1992, 9) hat dies - trotz des von ihm geteilten, herrschenden Verständnisses der Ausgleichszulage als "Leistung mit Fürsorgecharakter" - vor dem Hintergrund der Abkehr vom fürsorgerechtlichen Einkommensbegriff mit der 1. ASVG-Novelle als Ausdruck des "alten Fürsorgedenkens" und vor allem als Widerspruch dazu kritisiert, dass der Pensionsberechtigte im Zusammenhang mit der Ausgleichszulage im Allgemeinen nicht mehr auf Möglichkeiten zur Vermögensverwertung verwiesen werde. Gestützt auf diese - überzeugenden - Ausführungen haben der Oberste Gerichtshof und die Mehrzahl der Oberlandesgerichte die Regelungen über das fiktive Ausgedinge in einer Reihe erfolglos gebliebener Anträge an den Verfassungsgerichtshof angefochten, wobei ihnen im Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof von der Bundesregierung und in weiteren vom Verfassungsgerichtshof eingeholten Stellungnahmen vor allem die traditionelle Struktur der "bäuerlichen Altersvorsorge" entgegengehalten wurde. Der Verfassungsgerichtshof behandelte die grundsätzlichen Bedenken der antragstellenden Gerichte unter dem Gesichtspunkt, dass der Gleichheitsgrundsatz keine einheitliche Regelung der Sozialversicherungssysteme gebiete und der Umstand, dass sich ausschließlich bei land- und forstwirtschaftlichem Vermögen im Zusammenhang mit der Ausgleichszulage ein "Zwang zur Frucht bringenden Verwertung des Vermögens" ergebe, daher nicht bedeute, dass es hiefür einer spezifischen Rechtfertigung bedürfe (vgl. dazu im Einzelnen das Erkenntnis vom 10. Dezember 1993, G 60/92 u.a., VfSlg 13.634).

Auf derselben Abhandlung von Schrammel (ZAS 1992, 9), der auch insoweit u.a. einen Widerspruch zum Fehlen einer Pflicht zur Vermögensverwertung aufgezeigt hatte, beruht die neuere Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zum Verzicht (i.w.S.) auf realisierbare Ansprüche anderer Art bei der Ausgleichszulage. Ein solcher Verzicht wird in der Regel nur dann als anspruchsschädlich angesehen, wenn er rechtsmissbräuchlich ist (vgl. dazu die Entscheidungsnachweise bei Resch, DRdA 2000, 370 (375 FN 46)). Demgegenüber ist von einem Autor, der zuvor schon rechtspolitische Kritik an der teilweisen Zurücknahme der "Bedürftigkeitsprüfung" geübt hatte, die Auffassung vertreten worden, die (vom Obersten Gerichtshof im Anschluss an Schrammel als Systembruch gewerteten) Bestimmungen über das fiktive Ausgedinge seien zusammen mit bestimmten Regelungen über Unterhaltsansprüche ein Ausdruck von Grundwertungen, die das Fehlen vergleichbarer Regelungen in anderen Bereichen als verdeckte Regelungslücke erscheinen ließen und in den Verzichtsfällen die Hinzurechnung fiktiver Einkünfte zur Pension erforderten, weil sich nur so das vom Gesetzgeber intendierte Ordnungsprinzip rein realisieren lasse (Binder, ZAS 1981, 89 (99); Entscheidungsanmerkungen zu DRdA 1994/5 und DRdA 1996/38, jeweils ohne Bezugnahme auf die Kritik am "fiktiven Ausgedinge").

Bei der Anrechnung auf die Notstandshilfe hat der Verwaltungsgerichtshof in dem Erkenntnis vom 30. September 1994, Zl. 91/08/0168, in einem Fall der Übertragung von Bewirtschaftungsrechten an Geschwister keine Bedenken gegen die im § 5 Abs. 4 Notstandshilfeverordnung vorgesehene sinngemäße Anwendung des § 140 Abs. 7 BSVG artikuliert und sich - für den Bereich dieser sinngemäßen Anwendung - auch der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes angeschlossen, die Pauschalierung setze nicht voraus, dass derjenige, dem das pauschalierte Einkommen zugerechnet werden solle, die Flächen je selbst bewirtschaftet habe.

Im vorliegenden Fall ist nur - unter der Voraussetzung entsprechender Ermittlungsergebnisse im fortgesetzten Verfahren - zu prüfen, ob im Zusammenhang mit der Notstandshilfe auch die Pauschalanrechnung eines Einkommens aus einem (nicht übergebenen oder auf andere Weise zur Bewirtschaftung überlassenen, sondern) stillgelegten landwirtschaftlichen Betrieb stattzufinden hat. Für die Prüfung dieser Frage bietet die hier noch anzuwendende Bestimmung des § 5 Abs. 4 Notstandshilfeverordnung - da die verwiesenen Vorschriften des BSVG nur "sinngemäß" anzuwenden sind, was die Bedachtnahme auf Verschiedenheiten im Anwendungszusammenhang ermöglicht - einen gewissen Spielraum. Dabei ist nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes zu berücksichtigen, dass die Verweisung des die Notstandshilfe beantragenden Arbeitslosen auf fiktive Einkünfte (im Gegensatz zu einer pauschalierenden Berechnung von Einkünften) bei der Notstandshilfe als einer Leistung aus der im Großen und Ganzen durch Beiträge der Versicherten finanzierten Arbeitslosenversicherung noch systemwidriger wäre, als dies - ungeachtet der vom Verfassungsgerichtshof verneinten Frage einer daraus resultierenden Verfassungswidrigkeit - schon bei der Ausgleichszulage der Fall ist (vgl. zur Rechtsnatur der Notstandshilfe auch das Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 95/08/0107). Im hier gegebenen Zusammenhang lässt sich wohl auch keine Umkehr der Perspektive (im Sinne der Behauptung, es handle sich um ein verallgemeinerungsfähiges Ordnungsprinzip) in Erwägung ziehen, und das - im Vergleich zum Zweck der Ausgleichszulage - völlig andere Risiko, dessen Abdeckung die Notstandshilfe dient, steht auch einer Übertragung von Gesichtspunkten der traditionellen Struktur eines bestimmten Bereiches der "Altersvorsorge" und der Zumutbarkeit gegenüber einer Inanspruchnahme der Sozialleistung vorrangiger Verwertungshandlungen zur Sicherung der eigenen Altersversorgung auf den hier gegebenen Anwendungszusammenhang entgegen. Ob daraus - wohl anders als dies im Erkenntnis vom 30. September 1994, Zl. 91/08/0168, zum Ausdruck kommt - ganz allgemein die Konsequenz zu ziehen wäre, dass die im § 5 Abs. 4 Notstandshilfeverordnung in der hier noch maßgeblichen Fassung vorgesehene sinngemäße Anwendung des § 140 Abs. 7 bis 9 BSVG nur in der Heranziehung dieser Vorschriften zur Bewertung eines tatsächlich vereinbarten Ausgedinges bestehen könne, wobei nur auf "Art und Ausmaß" der "ausbedungenen" Leistungen nicht Bedacht zu nehmen wäre, bedarf für den vorliegenden Fall keiner Klärung. Sollte sich im fortgesetzten Verfahren ergeben, dass der landwirtschaftliche Betrieb nicht mehr (anteilig) auf Rechnung und Gefahr des Beschwerdeführers geführt wurde, sodass die von der belangten Behörde vorgenommene Einkommensanrechnung gemäß § 140 Abs. 5 BSVG in Verbindung mit § 5 Abs. 4 Notstandshilfeverordnung nicht dem Gesetz entsprach, und dies auf eine Stilllegung und nicht eine Weitergabe des Betriebes - auf die in den bisherigen Ermittlungsergebnissen nichts hindeutet - zurückzuführen war, so wäre ein Rückgriff auf § 140 Abs. 7 bis 9 BSVG jedenfalls nicht "sinngemäß". Die belangte Behörde wird von einer Anrechnung eines fiktiven Einkommens auf die Notstandshilfe in diesem Fall daher abzusehen haben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 20. Dezember 2000

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