Normen
AlVG 1977 §12 Abs1;
AlVG 1977 §12 Abs3 litb;
AlVG 1977 §12 Abs6 litb idF 1995/297;
AlVG 1977 §12 Abs6 litb;
AlVG 1977 §12 Abs6 litc impl;
AlVG 1977 §12 Abs6 litc;
AlVG 1977 §12 Abs1;
AlVG 1977 §12 Abs3 litb;
AlVG 1977 §12 Abs6 litb idF 1995/297;
AlVG 1977 §12 Abs6 litb;
AlVG 1977 §12 Abs6 litc impl;
AlVG 1977 §12 Abs6 litc;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für Arbeit, Gesundheit und Soziales) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.890,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer beantragte am 17. Juli 1995 Arbeitslosengeld. Im Antragsformblatt bejahte er u.a. die Frage, ob er "einen land(forst)wirtschaftlichen Besitz" (nicht: "Betrieb") "besitze bzw." gepachtet, verpachtet oder übergeben habe, sowie die Frage, ob er einen land(forst)wirtschaftlichen Besitz "bewirtschafte". Die Höhe des Einheitswertes des "Besitzes" gab er mit einem S 100.000,-- übersteigenden Betrag an.
Mit Bescheid vom 14. August 1995 wies die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Salzburg den Antrag des Beschwerdeführers gemäß § 7 Abs. 1 Z. 1 in Verbindung mit § 12 AlVG "mangels Arbeitslosigkeit" ab. Begründend wurde u.a. ausgeführt, "gemäß § 12 Abs. 6 lit. b AlVG" gelte "nicht als arbeitslos", wer einen land(forst)wirtschaftlichen Betrieb besitze, dessen Einheitswert den Betrag von S 54.000,-- übersteige. Das Ermittlungsverfahren habe ergeben, daß der Beschwerdeführer einen land(forst)wirtschaftlichen Betrieb mit einem Einheitswert von über S 54.000,-- besitze. Sein "gesamter Einheitswert" betrage "laut Einheitswertbescheid S 106.066,--".
In seiner Berufung gegen diesen Bescheid machte der Beschwerdeführer geltend, Arbeitslosigkeit sei nicht schon immer dann ausgeschlossen, wenn das land- und forstwirtschaftliche "Vermögen" den Einheitswert von S 54.000,-- übersteige. Sei dies der Fall, so müsse vielmehr geprüft werden, ob ein land- und forstwirtschaftlicher "Betrieb" bestehe und ob dieser bewirtschaftet werde. Der Beschwerdeführer habe "entsprechende Beweise angeboten", die im erstinstanzlichen Verfahren aber nicht aufgenommen worden seien, weil offenbar von der rechtsirrigen Auffassung ausgegangen worden sei, die Überschreitung der Wertgrenze schließe Arbeitslosigkeit unwiderleglich aus. Tatsächlich bestehe kein land- und forstwirtschaftlicher Betrieb, der bewirtschaftet werden könnte. Dem Beschwerdeführer als Rechtsanwaltsanwärter fehlten auch die fachliche Ausbildung und körperliche Eignung für die Bewirtschaftung eines solchen Betriebes. § 12 Abs. 6 lit. b AlVG ziele auf Nebenerwerbsbauern ab, die neben der unselbständigen Erwerbstätigkeit einen Hof bewirtschafteten. Dies sei beim Beschwerdeführer nicht der Fall. Er habe sein land- und forstwirtschaftliches Vermögen ererbt und habe "keine nähere Beziehung dazu". In den letzten Jahren habe daraus auch kein "nennenswertes Einkommen" erzielt werden können.
Im einzelnen führte der Beschwerdeführer aus, bei den Grundstücken, für die (aufgrund eines Miteigentumsanteils von einem Fünftel) ein Einheitswert von S 51.600,-- auf ihn entfiele, handle es sich um einen Wald, dessen "ordnungsgemäße Bewirtschaftung" aus näher dargestellten Gründen zur Zeit nicht möglich sei. Das Fischereirecht im Einheitswert von S 19.000,-- (auf anderen Flächen) könne nur privat genutzt werden. Beim übrigen land- und forstwirtschaftlichen Vermögen (Einheitswerte von S 19.000,--, S 7.853,--, S 4.666,--, S 2.333,--, S 1.000,-- und S 614,--) handle es sich um brachliegende, mangels Vorhandenseins eines entsprechenden Betriebes nicht bewirtschaftbare Wiesen.
Die belangte Behörde gab der Berufung mit dem angefochtenen Bescheid keine Folge und bestätigte den erstinstanzlichen Bescheid. Sie begründete dies wie folgt:
"Unbestritten ist, daß Sie Miteigentum an mehreren landwirtschaftlichen Flächen in Oberösterreich haben. Die Summe des Einheitswertes dieser Grundstücke ergibt einen Betrag von S 106.066,--. Dazu wurden vom Finanzamt Braunau am Inn mehrere Einheitswert- bzw. Feststellungsbescheide, in denen Sie als Miteigentümer der dort angeführten Grundbesitze ausgewiesen sind, vorgelegt. In diesen insgesamt acht Bescheiden ist die Art des Steuergegenstandes jeweils mit "landwirtschaftlicher Betrieb" angegeben. Sämtliche Bescheide sind unter Pkt. A mit einer ordnungsgemäßen Rechtsmittelbelehrung versehen. Sie und die Miteigentümer haben gegen die genannten Bescheide des Finanzamtes Braunau jedoch keine Berufung erhoben und wurden diese daher rechtskräftig. Die Landesgeschäftsstelle Salzburg kann daher vom Vorliegen mehrerer land- und forstwirtschaftlicher Betriebe ausgehen, da die Finanzbehörde in ihren Bescheiden vom Vorliegen eines "Urwaldes" bzw. einer Ödfläche nicht ausgegangen ist. Durch die Nichtanfechtung der Bescheide durch die Bescheidempfänger wurde die Einstufung als land- und forstwirtschaftlicher Betrieb offensichtlich auch von Ihnen akzeptiert.
Die von Ihnen in Ihrer schriftlichen Berufung vom 31.8.95 geäußerte unrichtige rechtliche Beurteilung des Sachverhaltes trifft aufgrund des durch das Strukturanpassungsgesetz BGBl. Nr. 297/95 geänderten Wortlautes des § 12 Abs. 6 lit. b AlVG nicht zu. Dadurch wurde nämlich der Wortlaut "wer einen land(forst)wirtschaftlichen Betrieb bewirtschaftet" durch die Neufassung "wer einen land(forst)wirtschaftlichen Betrieb besitzt" ersetzt. Gemäß § 79 Abs. 19 AlVG gilt die Neufassung des § 12 Abs. 6 lit. b für alle Ansprüche, die nach dem 30.4.95 geltend gemacht wurden. Der gegenständliche Antrag auf Arbeitslosengeld wurde von Ihnen jedoch erst am 17.7.95 eingebracht, weshalb die neue Gesetzeslage auch anzuwenden war.
Gemäß § 7 Abs. 1 AlVG hat nur derjenige Anspruch auf Arbeitslosengeld, der - u.a. - auch arbeitslos ist. Da jedoch gemäß § 12 Abs. 6 lit. b AlVG nur der als arbeitslos gilt, der einen land(forst)wirtschaftlichen Betrieb besitzt, dessen nach den jeweils geltenden gesetzlichen Vorschriften festgestellter Einheitswert S 54.000,-- nicht übersteigt, konnte Arbeitslosigkeit in Ihrem Fall nicht festgestellt werden und war Ihrem Antrag auf Arbeitslosengeld daher keine Folge zu geben.
Ihr Vorbringen, wonach keine wirtschaftliche Nutzung Ihrer Anteile der land- und forstwirtschaftlichen Flächen vorliegt und daß Sie selbst gar nicht in der Lage seien, einen entsprechenden Betrieb zu führen, geht ins Leere, weil es jedem Grundbesitzer freisteht, auf die Erträge aus seinen Flächen zu verzichten. Sie könnten ebensogut Ihre Anteile an den genannten Grundstücken verpachten und dadurch ein entsprechendes Einkommen erzielen.
Als Miteigentümer mehrerer land(forst)wirtschaftlicher Betriebe mit einem gesamten Einheitswertanteil von S 106.066,-- gelten Sie daher nicht als arbeitslos im Sinne des § 12 Abs. 6 lit. b AlVG und es war daher spruchgemäß zu entscheiden."
Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde. Die belangte Behörde hat ihren Akt und einen Auszug aus den Akten des erstinstanzlichen Verfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Nach § 7 AlVG hat Anspruch auf Arbeitslosengeld nur, wer (u.a.) arbeitslos ist. Arbeitslos ist nach § 12 Abs. 1 AlVG, wer nach Beendigung seines Beschäftigungsverhältnisses keine neue Beschäftigung gefunden hat. Daß diese Voraussetzung beim Beschwerdeführer zutraf, ist im vorliegenden Fall nicht strittig.
Nach § 12 Abs. 3 lit. b gilt "insbesondere" nicht als arbeitslos, "wer selbständig erwerbstätig ist".
Nach § 12 Abs. 6 lit. b AlVG in der hier - nach den insoweit zutreffenden Ausführungen der belangten Behörde - anzuwendenden Fassung des Strukturanpassungsgesetzes, BGBl. Nr. 297/1995, gilt "jedoch" als arbeitslos, "wer einen land(forst)wirtschaftlichen Betrieb besitzt, dessen nach den jeweils geltenden gesetzlichen Vorschriften festgestellter Einheitswert S 54.000,-- nicht übersteigt".
Im Erkenntnis vom 21. April 1998, Zl. 97/08/0541, auf das gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, hat sich der Verwaltungsgerichtshof in einem Fall, in dem § 12 Abs. 6 AlVG aufgrund der Verweisung in § 26 Abs. 4 AlVG in der Fassung BGBl. Nr. 297/1995 anzuwenden war, mit der Neufassung des § 12 Abs. 6 lit. b AlVG durch das Strukturanpassungsgesetz, BGBl. Nr. 297/1995, auseinandergesetzt und u.a. dargelegt, daß und aus welchen Gründen der Ersatz des Wortes "bewirtschaftet" durch den Ausdruck "besitzt" nur im Sinne der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. insbesondere das Erkenntnis vom 25. Jänner 1994, Zl. 94/08/0001) verdeutlichen sollte, daß es nicht auf die persönliche Mitarbeit des Anspruchswerbers in dem Betrieb, sondern nur darauf ankomme, ob dieser auf seine Rechnung und Gefahr geführt werde (vgl. in diesem Sinne auch Dirschmied, AlVG3 117 f). Die belangte Behörde hat daher die Rechtslage verkannt, wenn sie in ihrem Bescheid davon ausging, es komme aufgrund der Änderung des § 12 Abs. 6 lit. b AlVG durch das Strukturanpassungsgesetz, BGBl. Nr. 297/1995, nicht mehr darauf an, daß der Betrieb auf Rechnung und Gefahr des Anspruchswerbers bewirtschaftet werde.
Die belangte Behörde hat aber vor allem nicht erkannt, daß § 12 Abs. 6 lit. b AlVG nur eine Ausnahme von § 12 Abs. 3 lit. b AlVG bedeutet, wonach nicht arbeitslos ist, "wer selbständig erwerbstätig ist" (vgl. in diesem Sinne bereits das Erkenntnis vom 9. Juni 1988, Slg. Nr. 12.737/A; daran anknüpfend - mit ausführlichen Judikaturhinweisen zu den Voraussetzungen einer selbständigen Erwerbstätigkeit - das schon zitierte Erkenntnis vom 25. Jänner 1994, Zl. 94/08/0001; zuletzt auch das Erkenntnis vom 21. April 1998, Zl. 97/08/0541). Die Frage, ob der Anspruchswerber überhaupt selbständig erwerbstätig ist, ist der Frage, ob zugleich die Voraussetzungen des Ausnahmetatbestandes gegeben sind, gedanklich vorgelagert (vgl. dazu - im Zusammenhang mit der Einkommensgrenze nach § 12 Abs. 6 lit. c AlVG - das Erkenntnis vom 27. April 1993, Zl. 92/08/0260). Ohne die Erfüllung des Ausschlußtatbestandes kann sich aus der Nichterfüllung des Ausnahmetatbestandes nicht ergeben, daß Arbeitslosigkeit ausgeschlossen sei. Die den Ausschluß der Arbeitslosigkeit unmittelbar aus § 12 Abs. 6 AlVG ableitende Darstellung der Rechtslage im erstinstanzlichen Bescheid - der die belangte Behörde keine eigene Darstellung der Rechtslage zur Seite gestellt hat - steht im Widerspruch zum Gesetz (ungenau in dieser Hinsicht auch Dirschmied, a.a.O.).
Als Voraussetzung einer auf § 12 Abs. 6 lit. b gestützten Entscheidung hatte die belangte Behörde daher zunächst zu prüfen, ob der Beschwerdeführer "selbständig erwerbstätig" sei. In dieser Hinsicht hatte der Beschwerdeführer zwar im Antragsformular angekreuzt, daß er den "Besitz" auch "bewirtschafte", in der Berufung aber - ohne daß dem im angefochtenen Bescheid entgegengetreten würde - vorgebracht, er habe Beweise für das Gegenteil angeboten. Die belangte Behörde hat das Erfordernis einer selbständigen Erwerbstätigkeit als Voraussetzung des von ihr angenommenen Ausschlußgrundes nicht erkannt und in ihren Ausführungen darüber, weshalb die Einwände des Beschwerdeführers ihrer Meinung nach "ins Leere" gingen, sogar ausdrücklich in Abrede gestellt. Aufgrund ihrer falschen Rechtsansicht hat sie zu der Frage, ob eine selbständige Erwerbstätigkeit des Beschwerdeführers (hier in dem Sinne, daß ein land- oder forstwirtschaftlicher Betrieb auf seine Rechnung und Gefahr geführt werde) aufgrund seiner Angaben oder anderer Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens anzunehmen sei, auch keinerlei Feststellungen getroffen.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Der Vollständigkeit halber sei darauf hingewiesen, daß der von der belangten Behörde als Argument für die vermeintliche Unbeachtlichkeit des Berufungsvorbringens erwähnte Fall einer Verpachtung des land(forst)wirtschaftlichen Betriebes geradezu beispielhaft für eine Sachverhaltsgestaltung wäre, die den Ausschlußgrund der selbständigen Erwerbstätigkeit nicht verwirklicht (vgl. dazu die Judikaturhinweise im Erkenntnis vom 21. April 1998, Zl. 97/08/0541). Da es seiner persönlichen Mitarbeit im Betrieb für die Annahme einer selbständigen Erwerbstätigkeit nicht bedarf, käme es andererseits auf die fachliche und körperliche Eignung des Beschwerdeführers hiefür nicht an. Zur Frage der "privaten" Nutzung eines Fischereirechtes sei auf die zur Versicherungspflicht nach dem BSVG ergangenen Erkenntnisse verwiesen (vgl. aus jüngerer Zeit das Erkenntnis vom 30. November 1993, Slg. Nr. 13.952/A; aus der Vorjudikatur etwa die Erkenntnisse vom 15. Mai 1986, Zl. 84/08/0210, und vom 24. April 1990, Zl. 88/08/0268).
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
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