VwGH 95/10/0255

VwGH95/10/025524.6.1996

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Novak, Dr. Mizner, Dr. Bumberger und Dr. Stöberl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Fichtner, über die Beschwerde des A in R, vertreten durch Dr. B, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 12. Oktober 1995, Zl. St 165-11/94, betreffend die Rechtswirksamkeit einer Zustellung, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §56;
AVG §66 Abs4;
B-VG Art137;
VwGG §42 Abs2 Z1;
ZustG §13 Abs1;
AVG §56;
AVG §66 Abs4;
B-VG Art137;
VwGG §42 Abs2 Z1;
ZustG §13 Abs1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird, soweit er die Rechtswirksamkeit der Zustellung der Strafverfügung der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung vom 16. Mai 1989, Sich 96/76/1989 betrifft, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.770,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Für den Beschwerdeführer wurde mit Beschlüssen des Bezirksgerichtes Urfahr-Umgebung für den Zeitraum von November 1982 bis Juli 1984 ein vorläufiger Beistand und für den Zeitraum ab 21. November 1990 ein einstweiliger Sachwalter bestellt. Seit dem 12. März 1991 ist für den Beschwerdeführer u. a. "für den Umgang mit Behörden und Ämtern" die Sachwalterschaft angeordnet.

Mit Strafverfügung der Bezirkshauptmannschaft Urfahr-Umgebung vom 16. Mai 1989, Sich 96/76/1989 (vom Beschwerdeführer eigenhändig übernommen am 2. Juni 1989), war über den Beschwerdeführer wegen der Verwaltungsübertretung nach Art. IX Abs. 1 Z. 1 EGVG (Tatzeitpunkt 2. Februar 1989) eine Geldstrafe von S 1.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 24 Stunden) verhängt worden. Einem Vermerk im Verwaltungsstrafakt zufolge wurde die Geldstrafe bezahlt. Über entsprechenden Vorhalt durch den Verwaltungsgerichtshof erklärte der Beschwerdeführer, er selbst habe keine Zahlungen geleistet. Allfällige Zahlungen seiner Sachwalter müßten sich aus den Verwaltungsakten ergeben. Über Betreiben der BH seien zur Abdeckung von Strafen und Kosten Fahrnisse versteigert worden.

Mit dem im Instanzenzug erlassenen Bescheid vom 5. Jänner 1995 hatte die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich den Antrag des (durch die damalige Sachwalterin vertretenen) Beschwerdeführers auf neuerliche Zustellung (u.a.) der erwähnten Strafverfügung abgewiesen. Der Landeshauptmann von Oberösterreich und die Oberösterreichische Landesregierung hatten mit in einer Ausfertigung verbundenen Bescheiden vom 20. Oktober 1994 gleichlautende Anträge des Beschwerdeführers abgewiesen, die sich auf zahlreiche Verwaltungsstraf- und Administrativverfahren, darunter das mit der erwähnten Strafverfügung abgeschlossene, bezogen. Die gegen diese Bescheide erhobenen Beschwerden waren vom Verwaltungsgerichtshof mit den Erkenntnissen vom 27. Februar 1995, Zlen. 94/02/0524, 0526, und vom 7. April 1995, Zl. 95/02/0068, als unbegründet abgewiesen

worden.

Am 10. März 1995 beantragte der Beschwerdeführer bei der BH die Feststellung, daß (u.a.) die erwähnte Strafverfügung nicht rechtswirksam zugestellt worden sei und "die genannten Bescheide keine Rechtswirkung mir gegenüber entfalten". Er legte dar, er sei bereits seit Beginn der Achtziger Jahre zumindest "im Bereich des Umganges mit Fahrzeugen" und im Bereich des Umganges mit Ämtern und Behörden nicht prozeßfähig. Die Zustellungen der im einzelnen bezeichneten Bescheide sei daher ohne Wirkung geblieben. Die Rechtsfrage, ob die in den Jahren 1980 bis 1990 zugestellten Bescheide gegen den Beschwerdeführer Rechtswirkungen entfalteten, sei für diesen von entscheidender Bedeutung, da "davon die Bestrafung bzw. der Eintritt der in den Administrativverfahren angekündigten Rechtsfolgen" abhänge.

Mit dem im Instanzenzug über den erwähnten Antrag des Beschwerdeführers erlassenen Bescheid vom 12. Oktober 1995 stellte die belangte Behörde fest, daß die Zustellung (u.a.) der Strafverfügung vom 16. Mai 1989, Sich 96/76/1989, in rechtswirksamer Weise erfolgt sei. Begründend legte die belangte Behörde dar, aus dem Bescheid des Bezirksgerichtes Urfahr-Umgebung vom 11. März 1991 könne nicht abgeleitet werden, daß der Beschwerdeführer schon vor der Sachwalterbestellung prozeßrechtlich nicht handlungsfähig gewesen wäre. In einem zur Erlassung eines Waffenverbotes führenden Verfahren sei ein amtsärztliches Gutachten vom 14. Februar 1980 erstattet worden, wonach kein Anhaltspunkt für Geisteskrankheit oder Unzurechnungsfähigkeit vorliege. Die Verhaltensweisen des Beschwerdeführers seien mit ziemlicher Sicherheit auf einen "Milieuschaden" zurückzuführen. Der Umstand, daß sich der Beschwerdeführer seit dem Jahre 1979 fallweise in stationärer Behandlung in einem psychiatrischen Krankenhaus befunden habe, lasse nicht darauf schließen, daß er - "als Jurist" - in den dazwischen gelegenen Zeiten unfähig gewesen wäre, Zustellvorgänge wahrzunehmen und deren Bedeutung zu erfassen. Durch die Beibringung von Gutachten über die Zurechnungsfähigkeit zum Zeitpunkt einzelner gerichtlich strafbarer Handlungen sei für den Beschwerdeführer nichts gewonnen, weil sich daraus nicht ergebe, daß er sich zum Zeitpunkt der strittigen Zustellung in einem die Prozeßfähigkeit ausschließenden Zustand befunden hätte.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Der Beschwerdeführer erachtet sich (insbesondere) im "Recht auf Feststellung der Unwirksamkeit von Verwaltungsakten" sowie im Recht, nicht wegen Verwaltungsübertretungen bestraft zu werden, verletzt. Die Beschwerde vertritt im wesentlichen die Auffassung, die belangte Behörde habe die Frage der Prozeßfähigkeit des Beschwerdeführers im maßgeblichen Zeitpunkt der Zustellung der Bescheide nicht ausreichend geprüft. Die Lösung dieser Frage könne sich weder aus der Sachwalterbestellung im Jahre 1991 noch aus Befundangaben für das Jahr 1980 ergeben. Im übrigen sei das Verfahren zur Bestellung eines Sachwalters bereits im Jahr 1988 eingeleitet worden.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Zunächst ist darauf hinzuweisen, daß die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes, soweit der angefochtene Bescheid ein Verwaltungsstrafverfahren wegen Übertretung des Meldegesetzes sowie die Erlassung eines Waffenverbotes betrifft, durch die nach der Geschäftseinteilung zuständigen Senate ergehen wird.

Die Erlassung eines Feststellungsbescheides ist nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes

Im vorliegenden Fall liegt ein rechtliches Interesse an der begehrten Feststellung aus folgenden Gründen nicht vor: Das Feststellungsbegehren war - bezogen auf den Gegenstand der vorliegenden verwaltungsgerichtlichen Entscheidung - auf die Feststellung gerichtet, daß die am 2. Juni 1989 erfolgte Zustellung der Strafverfügung vom 16. Mai 1989 nicht wirksam gewesen sei. Der Verwaltungsgerichtshof geht nach Lage der Verwaltungsakten und unter Bedachtnahme auf die Stellungnahme des Beschwerdeführers vom 24. Mai 1996 davon aus, daß die mit der Strafverfügung verhängte Geldstrafe von S 1.000,-- entrichtet wurde. Davon ausgehend kann das rechtliche Interesse des Beschwerdeführers an der begehrten Feststellung unter dem Gesichtspunkt der Notwendigkeit für die zweckentsprechende Rechtsverfolgung insbesondere deshalb nicht bejaht werden, weil dem Beschwerdeführer die auf Art. 137 B-VG gestützte Klage auf Rückerstattung der Geldstrafe vor dem Verfassungsgerichtshof offensteht (vgl. z.B. das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 26. November 1982, Slg. 9556). Die Wirkung eines über eine solche Klage ergangenen stattgebenden Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes beschränkt sich nicht - wie der vom Beschwerdeführer angestrebte Feststellungsbescheid - auf die Lösung einer Vorfrage für die Rückforderung. Die auf Art. 137 B-VG gestützte Klage ist vielmehr unmittelbar auf das eigentliche Ziel zweckentsprechender Rechtsverfolgung, die Rückabwicklung der

Der Feststellungsantrag des Beschwerdeführers war daher mangels rechtlichen Interesses unzulässig; die belangte Behörde hätte mit seiner Zurückweisung vorgehen müssen. Der angefochtene, nicht in einer Zurückweisung bestehende Bescheid entspricht somit nicht dem Gesetz. Die Eignung des darin getroffenen, sich nicht in der Abweisung des Antrages erschöpfenden Abspruches über die Rechtswirksamkeit der strittigen Zustellung - etwa im Hinblick auf seine Wirkungen in einem allfälligen Verfahren nach Art. 137 B-VG -, den Beschwerdeführer in Rechten zu verletzen, ist nicht auszuschließen. Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte