Normen
AVG §37;
AVG §45 Abs2;
AVG §52;
KOVG 1957 §52 Abs2;
AVG §37;
AVG §45 Abs2;
AVG §52;
KOVG 1957 §52 Abs2;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Der im Jahre 1939 geborene Beschwerdeführer wurde im Jahr 1948 am Nachhauseweg von der Schule von einem Lastkraftwagen der französischen Besatzungsmacht niedergestoßen. Er erlitt schwere Kopf- und Bein- (Hüft-)Verletzungen.
Das Landesinvalidenamt für Tirol erkannte dem Beschwerdeführer mit Bescheid vom 9. Juli 1957 eine Beschädigtengrundrente auf der Grundlage einer eingeschätzten Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 50 Prozent zu. Zu den anerkannten Dienstbeschädigungen bzw. Schädigungsfolgen wurde im Bescheid folgendes festgestellt:
- "1) Oberschenkelbruch rechts, markgenagelt, geheilt mit Beinverlängerung von 3 cm und Kausalanteil an Arthrose der re. Hüfte.
- 2) Zustand nach Rißwunde am linken Kniegelenk ohne wesentliche Funktionsbehinderung.
- 3) Kausalanteil an Hirnschäden wegen Schädelbasisbruch und Zustand nach geheiltem Kieferbruch.
Die Minderung der Erwerbsfähigkeit ist nach § 7 KOVG. lt. Richtsatzordnung vom 27.1.1953, BGBl. Nr. wie folgt zu bemessen:
1) lt. Abschnitt I, Ziffer 4, lit. b, Pos. 11 und
Abschnitt I, Ziffer 4, lit. c, Pos. 6 ......40 v.H.
2) ..............................................null v.H.
3) lt. Abschnitt IV, Ziffer 22 lit. b .......kausal 25 v.H."
In einem Schriftsatz vom 20. Mai 1968 führte der Beschwerdeführer aus, als Folgen seiner bereits anerkannten Dienstbeschädigungen habe sich eine Verminderung seines Gehörs und eine Verschlechterung seiner Augen eingestellt. Auch sei der (teils kausale, teils akausale) "Hirnschaden" als Dienstbeschädigung anzuerkennen.
Das nach Ergehen des erstinstanzlichen Bescheides des Landesinvalidenamtes für Tirol vom 13. Oktober 1972 durchgeführte Berufungsverfahren führte zu folgenden Feststellungen (Bescheid der Schiedskommission bei Landesinvalidenamt für Tirol vom 23. Dezember 1975, mit dem es bei der Zuerkennung einer Beschädigtenrente nach einer MdE von 50 v.H. blieb):
- "1.) Gemäß §§ 1 und 4 Kriegsopferversorgungsgesetz- KOVG.- in der geltenden Fassung werden die Gesundheitsschädigungen:
- a) Rotationseinschränkung im re. Hüftgelenk bei rudimentärer Entwicklung des re. Femurkopfes nach Oberschenkelbruch zur Gänze,
- b) Ablagerungen im Weichteilbereich über dem re. Trochanter nach Marknagelentfernung zur Gänze,
- c) reizlose, ausgedehntere Narbenbildung an der Innenseite des li. Oberschenkels und des Kniegelenkes ohne Funktionsstörung zur Gänze,
- d) objektivierbare Beschwerden nach Contusio cerebri (Hirnprellung) zur Gänze,
- e) Arthrose der re. Hüfte (Kausalanteil) als Dienstbeschädigungen anerkannt,
- 2.) Gemäß §§ 1 und 4 KOVG in der geltenden Fassung werden die geltend gemachten Gesundheitsschädigungen:
- a) Gehörschaden;
- b) Kiefergelenksarthrose;
- c) Hirnnervenatrophie mit Visusherabsetzung und Gesichtsfeldeinschränkung sowie Schielen
als Dienstbeschädigungen nicht anerkannt und der hiefür geltend gemachte Versorgungsanspruch abgewiesen."
Gegen den Bescheid vom 23. Dezember 1975 erhob der Beschwerdeführer Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof. Diese Beschwerde wurde mit Erkenntnis vom 5. November 1976, 424/76, als unbegründet abgewiesen.
Im Erwägungsteil des Erkenntnisses wird u.a. ausgeführt, bei der "Hirnnervenatrophie mit Visusherabsetzung und Gesichtsfeldeinschränkung sowie Schielen" handle es sich um eine diagnostizierte Opticusatrophie. Mit der Opticusatrophie und weiteren Augenschädigungen habe sich Dr. W im Gutachten vom 3. Juli 1975 auseinandergesetzt. Dabei sei der Gutachter mit eingehender Begründung zur Auffassung gelangt, daß die Opticusatrophie mit großer Wahrscheinlichkeit als akausal anzusehen sei. Als Dienstbeschädigung anzuerkennen seien aber "objektivierbare Beschwerden nach Contusio cerebri". Daß das Gutachten Dris. W auf einer unrichtigen Beurteilung beruhe, werde in der Beschwerde nicht dargetan. Auch bezüglich der Gesundheitsschädigungen "Gehörschäden" und "Kiefergelenksarthrose" werde durch den Beschwerdeführer keine Rechtswidrigkeit des (damals) angefochtenen Bescheides aufgezeigt.
Mit Bescheid vom 5. Juni 1978 erledigte das Landesinvalidenamt für Tirol einen Antrag des Beschwerdeführers vom 6. März 1972, in dem unter Geltendmachung von zusätzlichen Gesundheitsschädigungen um Erhöhung der Beschädigtenrente angesucht worden war. Der Spruch dieses Bescheides lautet wie folgt:
- "a) Gemäß §§ 1,2,3 und 4 des Kriegsopferversorgungsgesetzes - KOVG - in der geltenden Fassung werden die Gesundheitsschädigungen
- 1. Rotationseinschränkung im rechten Hüftgelenk bei rudimentärer Entwicklung des rechten Femurkopfes nach Oberschenkelbruch;
- 2. Ablagerungen im Weichteilbereich über dem rechten Trochanter nach Marknagelentfernung;
- 3. Reizlose, ausgedehntere Narbenbildung an der Innenseite des linken Oberschenkels ohne Funktionsstörung;
- 4. Objektivierbare Beschwerden nach Contusio Cerebri (Hirnprellung)
zur Gänze als Dienstbeschädigung anerkannt.
- b) Gemäß den oben angeführten Gesetzesstellen werden die Gesundheitsschädigungen
Opticusatrophie beiderseits und
organisches Psychosyndrom
mit einem ursächlichen Anteil, und zwar zur Hälfte als Dienstbeschädigungen anerkannt.
- c) Die übrigen geltend gemachten Gesundheitsschädigungen werden gemäß den oben zitierten Gesetzesstellen als Dienstbeschädigungen nicht anerkannt."
In der Begründung zu diesem Bescheid wird u.a. ausgeführt, daß die Beurteilung auf der "sachverständigen Stellungnahme des leitenden Arztes des Landesinvalidenamtes für Tirol Dr. D vom 21.4.1978" beruhe.
Insgesamt wurde die MdE im Bescheid vom 5. Juni 1978 nach § 7 KOVG mit 70 Prozent eingestuft, wobei sich unter Berücksichtigung einer berufskundlichen Einstufung nach § 8 KOVG eine Erhöhung der MdE auf gesamt 80 Prozent ergab. Eine entsprechende Erhöhung der Beschädigtengrundrente ab 1. März 1972 wurde dem Beschwerdeführer zuerkannt. Der Bescheid erwuchs in Rechtskraft.
Am 22. Dezember 1988 stellte der Beschwerdeführer niederschriftlich einen "Verschlimmerungsantrag u. Geltendmachung eines Herzleidens als mittelbare Dienstbeschädigung". Darin wird vorgebracht, seine anerkannten Kriegsleiden, insbesondere das Leiden "Kausalanteil an organischen Psychosyndrom", hätten sich in letzter Zeit wesentlich verschlimmert und es werde daher um neue Begutachtung bzw. Erhöhung der Rente ersucht. Gleichzeitig werde ein Herzleiden geltend gemacht, welches als mittelbare Dienstbeschädigung auf das halbkausal anerkannte organische Psychosyndrom zurückzuführen sei. Außerdem hätten sich die "Reizblase u. die Gleichgewichtsstörungen" verschlechtert. Dem Antrag legte der Beschwerdeführer fünf ärztliche Zeugnisse über seinen derzeitigen Gesundheitszustand bei.
In dem (über vier Jahre) geführten Ermittlungsverfahren kam es zur Einholung und Vorlage verschiedener ärztlicher Sachverständigengutachten. Nachdem auch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales mit dem Fall befaßt worden war, erging der erstinstanzliche Bescheid vom 30. Oktober 1992 (der inhaltlich der Beurteilung des ärztlichen Fachberaters beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales Dr. L folgte).
Im Bescheid vom 30. Oktober 1992 wird der Antrag vom 22. Dezember 1988 auf Erhöhung der Beschädigtenrente abgewiesen, und die Gesundheitsschädigungen "Reizblasensyndrom bei hypoaktivem Detrusor mit Detrusorinstabilität" sowie "Herzleiden" werden nicht als Dienstbeschädigung anerkannt. In der Bescheidbegründung wird ausgeführt, "nach den eingeholten ärztlichen Sachverständigengutachten vom 25. Juli 1989 und vom 9. November 1989 sowie der Stellungnahme des ärztlichen Konsulenten Dr. L vom 3. April 1991 bzw. vom 15. Oktober 1991, welche in freier Beweiswürdigung diesen Bescheid zugrundegelegt wurde", ergebe sich, daß gegenüber dem dem Vorbescheid vom 5. Juni 1978 zugrundegelegten ärztlichen Befund (Vergleichsbefund) keine maßgebende Änderung eingetreten sei.
Es ergebe sich folgende Richtsatzeinschätzung:
Lfd. Bezeichnung der Gesundheits- Richtsatz- Gesamt- Kausal MdE
Nr. schädigung position Leidens anteil v.H
zustand
(MdE)
1.) "Zustand nach operativ versorg-
tem Bruch des rechten Ober-
schenkels mit nachfolgender
Bewegungseinschränkung im
Hüftgelenk" 96 20 v.H. 1/1 20
2.) "Ablagerungen im Weichteilbereich
über dem rechten Trochanter
nach Marknagelentfernung" 205 O v.H. 1/1 0
3.) "Reizlose, ausgedehntere
Narbenbildung an der Innenseite
des linken Oberschenkels
und des Kniegelenkes ohne
Funktionsstörung" 702 10 v.H. 1/1 10
4.) "Objektivierbare Beschwerden
nach Contusio cerebri" 570 25 v.H. 1/1 25
Bei der Bildung der Gesamt-MdE sind weiters folgende als Dienstbeschädigungen rechtskräftig anerkannte Leiden mit ihren bisherigen Werten zu berücksichtigen;
5.) "Arthrose der rechten Hüfte" 100 50 v.H. 1/2 25
6.) "Opticusatrophie beiderseits" 637 50 v.H. 1/2 25
7.) "Organisches Psychosyndrom" 579 50 v.H. 1/2 25
Eine umfassende Prüfung des medizinischen Sachverhaltes hat ergeben, daß die unter den Punkten 5 bis 7 angeführten Leiden nicht als kausal zu betrachten sind und daher auch deren allfällige Verschlechterung bzw. mittelbare Folgen keine Erhöhung der Gesamt-MdE zu bewirken vermögen.
Erläuterungen zur Einschätzung der einzelnen MdE-Werte:
zu 1: oberer Rahmensatz, weil es sich um eine Bewegungseinschränkung in allen Freiheitsgraden handelt.
Zu 3: mittlerer Rahmensatz aufgrund der Ausdehnung.
Zu 4: unterer Rahmensatz entsprechend den auf die Dienstbeschädigung zu beziehenden Beschwerden. Bereits in seinem Fachgutachten vom 3. Juli 1975 hat der seinerzeitige Sachverständige für Wien, Niederösterreich und Burgenland ausdrücklich festgehalten, daß eine Verschlechterung auf den kausalen Sektor der Hirnausfälle nicht mehr zu erwarten ist, jedoch eine Progredienz der akausalen neurologischen Erkrankung eintreten könnte.
Zu 7: Hiebei handelt es sich um eine Doppeleinschätzung
gegenüber der Dienstbeschädigung Nr. 4."
Durch die Vorlage eines neurologischen Befundberichtes - so die weitere Begründung des erstinstanzlichen Bescheides - von Dr. G vom 15. November 1989 sowie eines ärztlichen Attestes von Dr. M vom 11. Dezember 1991 hätten sich laut Stellungnahme der leitenden Ärztin des Landesinvalidenamtes für Tirol vom 30. Mai 1990 bzw. vom 12. Februar 1992 keine neuen Gesichtspunkte ergeben. Auch der ausführliche fachärztliche Beitrag von Dr. S vom 23. Juni 1992 vermöge laut Stellungnahme der leitenden Ärztin des Landesinvalidenamtes vom 23. Dezember 1992 keine Änderung bezüglich der Kausalität herbeizuführen. Der durch die Gesamteinschätzung zu erfassende Gesamtleidenszustand infolge des Zusammenwirkens aller zu berücksichtigenden Gesundheitsschädigungen rechtfertige die Einschätzung der MdE mit 70 v.H. Im Hinblick darauf, daß es im Bereich des § 7 KOVG zu keiner Befundänderung gekommen sei, sei die Durchführung eines Verfahrens nach § 8 KOVG nicht erforderlich gewesen. Die Beschädigtenrente werde daher weiterhin gemäß § 52 Abs. 4 KOVG nach einer MdE von 80 v.H. bemessen. Zu den Gesundheitsschädigungen "Reizblasensyndrom bei hypoaktivem Detrusor mit Detrusorinstabilität" sowie "Herzleiden" sei festgestellt worden, daß diese nicht, auch "nicht zu einem Teile", auf ein infolge des Wehrdienstes eingetretenes schädigendes Ereignis oder auf die der Dienstleistung eigentümlichen Verhältnisse ursächlich zurückzuführen seien. Laut Gutachten vom 25. Juli 1989 sowie der Stellungnahme der leitenden Ärztin des Landesinvalidenamtes vom 30. Mai 1990 sei das Blasenleiden, welches insbesondere bei psychischem Streß ausgelöst werde, aus den vorliegenden Befunden nicht als Kriegsleiden bzw. als dessen Folge abzuleiten. Da ein kausales organisches Psychosyndrom nicht bestehe, könne auch ein auf dieses zurückgeführtes Herzleiden nicht als kausal gewertet werden, es handle sich dabei vielmehr um ein altersbedingtes Leiden.
In der Berufungsschrift vom 18. Dezember 1992 wird eingangs festgehalten, der Beschwerdeführer habe am 22. Dezember 1988 einen Antrag auf Erhöhung der mit Bescheid des Landesinvalidenamtes für Tirol vom 5. Juni 1978 gewährten Beschädigtengrundrente eingebracht, weil sich der Kausalanteil am organischen Psychosyndrom verschlimmert habe, ein Herzleiden aufgetreten sei und sich die "Reizblase" und die Gleichgewichtsstörungen verschlechtert hätten. Dieser Antrag sei im Rahmen einer Stellungnahme des Beschwerdeführers vom 30. März 1990 weiter ausgeführt und insbesondere auf die auch im Befund Dris. G festgestellten Pyramidenbahnzeichen hingewiesen worden. In derselben Stellungnahme, aber auch in einer nachfolgenden Stellungnahme vom 16. August 1990, habe der Beschwerdeführer auf die Verschlimmerung, insbesondere auch auf die Verschlechterung des Augenleidens hingewiesen. Der erstinstanzliche Bescheid habe diese Anträge nicht erledigt. Er beschäftige sich weder im Spruch noch in der Begründung mit den geltend gemachten Leidenszuständen "Gleichgewichtsstörungen, Pyramidenbahnschädigung und Augenverschlechterung". Er sei daher schon aus diesem Grund mangelhaft. Der Beschwerdeführer habe im Verfahren eine Reihe von Gutachten vorgelegt und auch die Behörde selbst habe Sachverständigengutachten eingeholt. Anstatt selbst im Sinne des § 45 AVG nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen sei oder nicht, habe die Behörde erster Instanz bzw. deren ärztlicher Dienst den Akt dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales zur Klärung medizinischer Fragen vorgelegt. Die Behörde lasse sich "in Übergehung des von ihr selbst bestimmten Gutachters, im Widerspruch zur Meinung des eigenen Ärztlichen Dienstes von einem in Wien ansässigen Ferndiagnostiker vorschreiben, welche Entscheidungen sie zu treffen hat". Von einem Verfahren im Sinn des Gesetzes könne keine Rede sein. Auch sei der Antrag des Beschwerdeführers auf Erörterung des von ihm vorgelegten Gutachtens Dris. S "einfach übergangen" worden. Dieser Antrag werde im erstinstanzlichen Bescheid "weder erwähnt noch abgelehnt", obwohl gerade dieser Antrag der Ermittlung des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes gedient hätte und mit den vorliegenden übrigen neurologischen Befundungen die Klärung der Frage nach der Kausalität des "Leidenszustandes" hätte bringen können. Die "stereotypen Ablehnungen" der leitenden Ärztin hätten jedenfalls die fundierten Aussagen der Fachärzte Dr. G und Dr. S nicht erschüttern können. Die zahlreichen fachärztlichen Befunde und Gutachten seien im erstinstanzlichen Bescheid "mit der lapidaren Feststellung abgetan" worden, daß sich aufgrund freier Beweiswürdigung gegenüber dem Vorbescheid vom 5. Juni 1978 bzw. dem diesem Bescheid zugrundegelegten Vergleichsbefund keine maßgebende Veränderung ergeben habe. Diese Begründung sei "schlicht und einfach falsch" und mit den ärztlichen Unterlagen nicht in Einklang zu bringen. Bereits das Sachverständigengutachten Dris. H bestätige eine maßgebliche Veränderung im Sinne einer Verschlechterung. Diese Verschlechterung betreffe die Bewegungseinschränkung im rechten Hüftgelenk, neben der etwas verstärkten Rotationsbeschränkung bestünden jetzt auch eine geringe Streckhemmung und eine stärkere Beugehemmung sowie glaubhafte Schmerzen und eine geringe Gangbehinderung. Dieses Gutachten sei vom ärztlichen Dienst des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales "weggewischt" worden. Dr. L habe das Gutachten "einfach" abgelehnt und als "technisch ungeschickt" bezeichnet, ohne den Beschwerdeführer untersucht zu haben. Der ärztliche Dienst des Landesinvalidenamtes für Tirol, der noch am 27. November 1989 dem Gutachten Dris. H zugestimmt habe, habe in der Folge offenbar seine Meinung geändert und stimme nunmehr "plötzlich der Ferndiagnose des Dr. L zu". Nach dem Gutachten Dris. H vom 9. November 1989 hätte aufgrund einer maßgeblichen Veränderung im Zustand nach operativ versorgtem Bruch des rechten Oberschenkels mit nachfolgender Bewegungseinschränkung im Hüftgelenk die diesbezügliche MdE mit 40 Prozent festgestellt werden müssen. Zur Oberflächlichkeit der Beschäftigung mit seinen Leidenszuständen sei auch darauf hinzuweisen, daß die Richtsatzeinschätzung zu Nr. 3 (Narbenbildung an der Innenseite des linken Oberschenkels) richtigerweise den rechten Oberschenkel betreffen müßte, wie dies aus dem Versorgungsakt ersichtlich sei. Widersprüchlich seien auch die Ausführungen im erstinstanzlichen Bescheid zu den unter Nr. 5 bis 7 genannten Leiden, weil dazu einerseits ausgeführt werde, die Prüfung des Sachverhaltes habe ergeben, daß die dort angeführten Leiden nicht als kausal zu betrachten seien, andererseits diese Leiden bei Bildung der Gesamt-MdE als Dienstbeschädigungen rechtskräftig anerkannt würden. Das vom Beschwerdeführer beigebrachte Gutachten Dris. S vom 23. Juli 1992 stelle fest, daß die Leidenszustände des Beschwerdeführers, "sowohl die Sinnesfunktonsminderung, der Tinnitus, die spastische Parese, die extrapyramidalen Symptome, die Koordinationsstörung und der cerebelläre Schwindel im Zusammenhang und vollkausal mit dem seinerzeitigen Unfall gesehen werden können". Nach der Beurteilung Dris. M vom 11. Dezember 1991 sei mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit anzunehmen, daß der Sehdefekt nicht durch eine fortschreitende Erkrankung des zentralen Nervensystems entstanden sei, sondern im Sinne des Gutachtens Dris. G vom 8. Mai 1971 als Unfallfolge des im Jahr 1948 erlittenen Schädelbruches zu bewerten sei. Dr. M beurteile die Erwerbsminderung im übrigen mit 80 Prozent. Das Gutachten Dris. G vom 15. November 1989 weise ebenfalls auf die Kausalität der Leidenszustände hin, wenn dort angeführt werde, "wahrscheinlich ist diese Schädigung traumatischer Ätiologie" bzw. später "die Ursache ist offen". Die Zitierung aus dem Gutachten Dris. W vom 3. Juli 1975, der bei dem Beschwerdeführer zu Unrecht das Leiden einer multiplen Sklerose diagnostiziert habe, zeuge davon, daß die Behörde an der Ermittlung des "wahren Sachverhaltes gar nicht interessiert ist". Bei einem derartigen Irrtum eines Gutachters, könne diesem auch kein Glauben geschenkt werden, wenn er "für alle Zukunft" diagnostiziere, daß eine Verschlechterung auf dem kausalen Sektor der "Hirnausfälle" nicht zu erwarten sei, eine Progredienz der akausalen neurologischen Erkrankungen aber eintreten könne. Der erstinstanzliche Bescheid zeige nicht auf, welche nachvollziehbaren Schlüsse zu seinem Inhalt geführt hätten und sei eine Wiederholung der Stellungnahme des Bundesministers für Arbeit und Soziales vom 15. Oktober 1991. Es werde daher der Berufungsantrag gestellt, den erstinstanzlichen Bescheid aufzuheben und die vom Berufungswerber geltend gemachten Leidenszustände gemäß seinem am 22. Dezember 1988 gestellten Antrag als vollkausal anzuerkennen.
In der Folge brachte der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 18. Jänner 1993 einen "Ergänzungsbefund" eines Facharztes für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde vom 23. November 1992 und eidesstattliche Erklärungen verschiedener Personen zur Frage bei, "wie und auf welche Weise der Besatzungsunfall sich wirklich abgespielt hat und auch die diesbezüglichen Folgen".
Nachdem im Berufungsverfahren schließlich wiederum das Bundesministerium für Arbeit und Soziales mit der Angelegenheit befaßt worden war, dieses mit Note vom 11. November 1994 seine Ansicht über die Beurteilung der strittigen Fragen der belangten Behörde mitgeteilt und der Beschwerdeführer nochmals am 25. November 1994 (in einem 20-seitigen Schriftsatz) Stellung bezogen hatte, erging der nunmehr angefochtene Bescheid vom 7. Februar 1995.
Mit dem angefochtenen Bescheid wird der Berufung keine Folge gegeben und der erstinstanzliche Bescheid bestätigt.
Nach einer punkteweise Wiedergabe des Berufungsvorbringens wird im angefochtenen Bescheid ausgeführt, im Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 5. November 1976, 424/76, seien die Gesundheitsschädigungen "organisches Psychosyndrom" und "Hirnnervenatrophie mit Visusherabsetzung und Gesichtsfeldeinschränkung sowie Schielen" nicht als Dienstbeschädigung anerkannt worden. Entgegen dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes habe der Bescheid des Landesinvalidenamtes vom 5. Juni 1978 diese Gesundheitsschädigungen als Dienstbeschädigungen zur Hälfte anerkannt. Der Bescheid vom 5. Juni 1978 sei in Rechtskraft erwachsen. Der nunmehrige erstinstanzliche Bescheid korrigiere die irrtümliche Anerkennung insofern, als eine allfällige Verschlimmerung nicht berücksichtigt werde. Bei einer irrtümlich als Dienstbeschädigung anerkannten Gesundheitsschädigung sei die Verschlimmerung gemäß § 52 Abs. 2 KOVG nicht zu berücksichtigen. Das irrtümlich anerkannte Leiden könne nicht Grundlage für die Anerkennung weiterer Folgeleiden und für die Zuerkennung von Versorgungsleistungen für diese Gesundheitsschädigungen sein. Es bestehe zwar ein Schutz gegen den Verlust erworbener Rechte, nicht aber eine Garantie dafür, daß auch im Falle feststehender Irrtümer auf deren Grundlage immer weitere Anerkennungen und Zuerkennungen erfolgen müßten. Der Beschwerdeführer habe in seinem Antrag vom 22. Dezember 1988 in Verbindung mit der Stellungnahme vom 30. März 1990 geltend gemacht, daß es sich bei dem Blasenleiden um eine funktionelle, vom Zentralnervensystem gesteuerte Blasenentleerungstörung handle. Auch das vom Beschwerdeführer vorgelegte Attest Dris. M komme zu der Beurteilung, daß das Reizblasensyndrom insbesondere bei psychischem Streß auftrete. Dieses Leiden sei daher zu Recht als Folgeleiden des irrtümlich anerkannten "organischen Psychosyndroms" abgewiesen worden. Der Beschwerdeführer habe im Antrag vom 6. März 1972 zahlreiche Gesundheitsschädigungen als Dienstbeschädigungen geltend gemacht u.a. "Pyramidenbahnläsion" und "Gleichgewichtsstörungen". Diese Leiden seien im Bescheid des Landesinvalidenamtes vom 5. Juni 1978 nicht als Dienstbeschädigungen anerkannt worden. Über die geltend gemachte Verschlimmerung dieser Leiden sei im erstinstanzlichen Bescheid nicht abgesprochen worden. Die diesbezüglichen Berufungsausführungen beträfen daher nicht den Gegenstand des Verfahrens und gingen ins Leere. Über die geltend gemachte Verschlimmerung dieser Leiden werde die Behörde erster Instanz eine gesonderte Entscheidung zu treffen haben. Sofern durch die vorhandenen Sachverständigen keine Klärung des Sachverhaltes erzielt werden könne, stehe es dem Leiter des Bundessozialamtes frei, auf Vorschlag des leitenden Arztes eine Stellungnahme des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales einzuholen. Gemäß § 46 AVG komme als Beweismittel alles in Betracht, das zur Feststellung des maßgebenden Sachverhaltes und nach Lage des einzelnen Falles zweckdienlich sei. Demzufolge habe die Behörde erster Instanz auch eine Stellungnahme des ärztlichen Fachberaters des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales einholen und diese im Rahmen der freien Beweiswürdigung ihrer Entscheidung zugrundelegen können. Es könne daher in dieser Vorgangsweise "weder ein Verfahrensmangel noch eine Rechtswidrigkeit erblickt werden". Im erwähnten Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 5. November 1976 sei über die "Kausalitätsfrage bezüglich des Hirnleidens rechtskräftig abgesprochen" und im nunmehrigen erstinstanzlichen Bescheid das 1978 anerkannte "organische Psychosyndrom" als irrtümlich anerkannte Dienstbeschädigung "richtiggestellt" worden. Es habe somit keine Notwendigkeit bestanden, auf das ärztliche Attest Dris. S einzugehen und "die Frage der Kausalität von neuem aufzurollen". Mit Bescheid des Landesinvalidenamtes vom 9. Juli 1957 sei erstmals ein "Kausalanteil an Arthrose der rechten Hüfte" anerkannt worden. Im Sachverständigengutachten vom 9. November 1989 stelle Dr. H eine maßgebliche Veränderung im Sinne einer Verschlechterung fest, die als sekundäre Arthrose posttraumatischer Natur aufzufassen sei. Dr. H schätze die Dienstbeschädigung 1 (Rotationseinschränkung im rechten Hüftgelenk) und Arthrose gemeinsam ein und verwende die Richtsatzposition 98 (gemeint wohl: 97) mit "40 v.H. 1/1". Im erstinstanzlichen Bescheid werde die Arthrose der rechten Hüfte unter den irrtümlich anerkannten Dienstbeschädigungen gereiht und mit der Richtsatzposition "50 v.H. 1/2 25 v.H."
eingeschätzt. Für die Dienstbeschädigung 1 werde die Richtsatzposition 96 "20 v.H. 1/1" herangezogen. Festzuhalten sei, daß die Arthrose der rechten Hüfte nur mit einem Kausalanteil von 1/2 rechtskräftig anerkannt sei. Die belangte Behörde vertrete daher die Ansicht, daß die Arthrose der rechten Hüfte gesondert einzuschätzen sei, und nicht, wie von Dr. H, gemeinsam mit der Dienstbeschädigung 1. Das Leiden sei als irrtümlich anerkannt zu werten, weil es sich bei den in den Röntgenbefunden 1957 und 1970 beschriebenen arthrotischen Veränderungen tatsächlich um dysplastische, d.h. anlagebedingte Fehlentwicklungen im Bereich beider Hüftgelenke, rechts mehr als links, handle. Im Sinne der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes sei die Arthrose jedoch weiterhin als Dienstbeschädigung zu behandeln und mit der bisherigen MdE bei der Bemessung der Beschädigtenrente zu berücksichtigen. Eine Verschlimmerung des Leidenszustandes habe jedoch nicht als kausal beurteilt werden können, weil "sie die Fortentwicklung einer anlagebedingten Entwicklung darstellt". Die belangte Behörde komme somit zu folgender Richtsatzeinschätzung:
Lfd. Bezeichnung der Gesundheits- Richtsatz- Gesamt- Kausal MdE
Nr. schädigung position Leidens anteil v.H.
zustand
(MdE)
1. "Funktionsstörung im Bereich
des rechten Hüftgelenkes nach
Oberschenkelbruch und Mark-
nagelung" 113 20 v.H. 1/1 20
2. "Ablagerungen im Weichteilbereich
über dem rechten Trochanter
nach Marknagelentfernung" 205 O v.H. 1/1 0
3. "Reizlose, ausgedehntere
Narbenbildung an der Innenseite
des linken Oberschenkels
und des Kniegelenkes ohne
Funktionsstörung" 702 10 v.H. 1/1 10
4. "Objektivierbare Beschwerden
nach Contusio cerebri" 570 25 v.H. 1/1 25
Bei der Bildung der Gesamt-MdE sind weiters folgende als Dienstbeschädigungen rechtskräftig anerkannte Leiden mit ihren bisherigen Werten zu berücksichtigen:
- 5. "Arthrose der rechten
Hüfte mit mittelgradiger Bewegungseinschränkung 97 30 v.H. 1/2 15
6. "Opticusatrophie beiders-
seits" 637 50 v.H. 1/2 25
7. "Organisches Psycho-
syndrom" 579 50 v.H. 1/2 25
Erläuterung zu:
DB 1)
Entsprechend der Entstehungsgeschichte (Oberschenkelschaftbruch) wird wieder auf die Ripos. 113 zurückgegriffen.
DB 3)
Wie im Sachverständigengutachten Dr. H wird diese DB ergänzt um die Narbe am rechten Trochanter. Auf die Höhe der MdE hat dies keine Auswirkung.
DB 5)
Von der Ripos. 100 "Arthrose mit mittelgradiger Bewegungseinschränkung beidseitig" war abzugehen, da die Arthrose nur an der rechten Hüfte und nicht beidseitig anerkannt ist. Der Bewegungseinschränkung in allen Freiheitsgraden entsprechend wurde der untere Rahmensatz herangezogen.
Die Gesamt-MdE nach § 7 KOVG bleibt wie bisher 70 v.H.
Da es nach § 7 KOVG 1957 weder zu einer Leidenszunahme noch -abnahme gekommen sei, sei die Durchführung eines Verfahrens nach § 8 KOVG 1957 nicht erforderlich. Es bleibe daher bei der Gesamt-MdE von 80 v.H. Im Gutachten Dris. W vom 3. Juli 1975 - so weiter in der Begründung des angefochtenen Bescheides - sei keineswegs eine multiple Sklerose attestiert worden, sondern es werde im Gutachten ausgeführt, daß aufgrund der Aktenlage die Annahme eines demyelinisierenden Prozesses (Formenkreis der multiplen Sklerose) am wahrscheinlichsten erscheine. Im Sachverständigengutachten Dris. D vom 25. Juli 1989 werde keine Verschlimmerung der anerkannten Dienstbeschädigungsleiden festgestellt. Dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung nach § 45 AVG folgend habe die Behörde erster Instanz das Fachgutachten Dris. W zur Untermauerung ihrer Beweisführung heranziehen können. Dem Antrag des Beschwerdeführers auf vollkausale Anerkennung seiner mit Niederschrift vom 22. Oktober 1988 geltend gemachten Leidenszustände könne aus den dargelegen Gründen nicht entsprochen werden. Die im Rahmen des Parteiengehörs vom Beschwerdeführer aufgeworfenen "etwa 180 Fragen" hätten großteils nicht das anhängige Verfahren betroffen (in der Folge wird in der Begründung des angefochtenen Bescheides noch zu einigen Fragen betreffend Gewährung des Parteiengehörs Stellung genommen). Die vom Beschwerdeführer im Schreiben vom 25. November 1994 "eingebrachten Erläuterungen" hätten ebenfalls keine andere Entscheidung "zu bewirken" vermocht.
In der Beschwerde werden Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in der Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 52 Abs. 2 KOVG 1957 ist die Beschädigtenrente neu zu bemessen, wenn eine für die Höhe der Leistung maßgebende Veränderung eintritt. Die Behörde hat im Verfahren nach § 52 Abs. 2 KOVG 1957 zu prüfen, ob sich der derzeit vorliegende Befund der anerkannten Dienstbeschädigung gegenüber dem der letzten rechtskräftigen Rentenbemessung zugrundeliegenden Befund (Vergleichsbefund) maßgebend geändert hat (vgl. dazu beispielsweise das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 15. September 1982, 09/3034/80).
Gemäß § 4 Abs. 1 KOVG 1957 ist eine Gesundheitsschädigung im Sinne des § 1 Abs. 1 KOVG 1957 anzuerkennen, wenn und insoweit die festgestellte Gesundheitsschädigung zumindest mit Wahrscheinlichkeit auf das schädigende Ereignis oder die der Dienstleistung eigentümlichen Verhältnisse ursächlich zurückzuführen ist. Für die Auslegung des Begriffes "wahrscheinlich" ist der allgemeine Sprachgebrauch maßgebend. Wahrscheinlichkeit ist gegeben, wenn nach der geltenden ärztlich-wissenschaftlichen Lehrmeinung erheblich mehr für als gegen einen ursächlichen Zusammenhang spricht (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 15. Dezember 1994, 94/09/0142, m.w.N.). Eine Gesundheitsschädigung, die im unmittelbaren ursächlichen Zusammenhange mit dem durch die militärische Besetzung Österreichs geschaffenen Verhältnissen ohne Verschulden des Beschädigten eingetreten ist, wird nach § 2 Abs. 2 KOVG 1957 wie eine Dienstbeschädigung entschädigt.
Als Dienstbeschädigung sind auch solche Gesundheitsschädigungen anzuerkennen, die ihre Ursache in einer bereits anerkannten Gesundheitsschädigung haben (mittelbare Dienstbeschädigung). Als Ursache gilt auch im Falle einer mittelbaren Dienstbeschädigung nur eine wesentliche Bedingung (vgl. dazu z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 25. Juni 1992, 91/09/0231, m.w.N.).
Der Erlassung eines Bescheides hat gemäß § 56 des auch im Verfahren nach dem KOVG geltenden AVG grundsätzlich die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes nach den Vorschriften der §§ 37 und 39 dieses Gesetzes voranzugehen. Zweck des Ermittlungsverfahrens ist es nach § 37 AVG den für die Erledigung einer Verwaltungssache maßgebenden Sachverhalt festzustellen und den Parteien Gelegenheit zur Geltendmachung ihrer Rechte und rechtlichen Interessen zu geben. Nach der Anordnung des § 58 Abs. 2 AVG sind Bescheide zu begründen, wenn dem Standpunkt der Partei nicht vollinhaltlich Rechnung getragen wird. In der Begründung sind gemäß § 60 AVG die Erkenntnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen. Die Rechtsfrage des Kausalzusammenhanges ist richtigerweise nicht vom ärztlichen Sachverständigen, sondern (auf der Grundlage des Gutachtens) von der Behörde zu beurteilen und nachvollziehbar zu begründen (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 7. Mai 1996, 95/09/0178).
In der Frage der Beurteilung von einander widersprechenden Gutachten ist nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes davon auszugehen, daß beispielsweise nicht schon die amtliche Eigenschaft des einen Sachverständigen den Ausschlag geben darf. Der unterschiedliche Wert der Gutachten liegt vielmehr im Grad des erkennbaren inneren Wahrheitsgehaltes (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16. Februar 1952, Slg. Nr. 2.453/A). Bei einander widersprechenden Gutachten ist es der Behörde gestattet, sich dem einen oder anderen Gutachten anzuschließen. Sie hat aber in der Begründung ihres Bescheides die Gedankengänge und sachlichen Erwägungen darzulegen, die dafür maßgebend waren, daß sie das eine Beweismittel dem anderen vorgezogen hat (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 19. März 1992, 91/09/0007, m. w.N.). Wenn die Behörde sich über ein von der Partei beigebrachtes Sachverständigengutachten hinwegsetzt, ist dies zu begründen (vgl. beispielsweise das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 25. Juni 1996, 95/17/0070).
Ausgangspunkt des beschwerdegegenständlichen Verfahrens war der Antrag des Beschwerdeführers vom 22. Dezember 1988, in dem der Beschwerdeführer unter Hinweis auf die Verschlimmerung bestimmter Leidenszustände und Geltendmachung von mittelbaren Dienstbeschädigungen eine Erhöhung der Beschädigtenrente anstrebte. Mit dem erstinstanzlichen Bescheid vom 30. Oktober 1992 wurde dieser Antrag auf Erhöhung der Beschädigtenrente abgewiesen und zugleich ausgesprochen, daß die Gesundheitsschädigungen "Reizblasensyndrom bei hypoaktivem Detrusor mit Detrusorinstabilität" und "Herzleiden" nicht als Dienstbeschädigung anerkannt würden. Mit dem Inhalt des Spruches dieses erstinstanzlichen Bescheides war die "Sache" des Berufungsverfahrens im Sinne des § 66 Abs. 4 AVG festgelegt (vgl. beispielsweise das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 18. Oktober 1989, Slg. Nr. 13.045/A).
Im Beschwerdefall erfolgte die letzte rechtskräftige Rentenbemessung mit dem Bescheid des Landesinvalidenamtes für Tirol vom 5. Juni 1978. Grundsätzlich zutreffend wird im erstinstanzlichen Bescheid vom 30. Oktober 1992 auf den dem Bescheid vom 5. Juni 1978 zugrundegelegten ärztlichen Befund ("Vergleichsbefund") Bezug genommen. Es wäre damit Aufgabe der Behörde erster Instanz gewesen, nachvollziehbar darzustellen, warum gegenüber diesem "Vergleichsbefund" (laut Aktenlage handelte es sich um die amtsärztliche Stellungnahme des leitenden Arztes des Landesinvalidenamtes für Tirol Dr. D vom 21. April 1978) keine "maßgebende Änderung eingetreten" sei und überdies in der Richtsatzeinschätzung verschiedener Leiden eine andere Einstufung bzw. Kausalitätsbeurteilung stattzufinden hätte. Die formelhafte Wendung "in freier Beweiswürdigung" sei die Stellungnahme des ärztlichen Konsulenten Dr. L vom 3. April bzw. 15. Oktober 1991 der Entscheidung zugrunde gelegt worden, vermag eine sachliche und nachvollziehbare Auseinandersetzung mit anderslautenden ärztlichen Begutachtungen nicht zu ersetzen. Eine derartige Darlegung wäre umsomehr notwendig gewesen, als die Behörde erster Instanz in ihren einleitenden Ausführungen zur Richtsatzeinschätzung auf ärztliche Sachverständigengutachten vom 25. Juli 1989 und vom 9. November 1989 Bezug nimmt. Bei dem Gutachten vom 25. Juli 1989 handelt es sich nämlich nach der Aktenlage um ein über Auftrag der Behörde erster Instanz erstelltes "neurologisch-psychiatrisches Gutachten" des Facharztes Dr. D, in dem dieser in seiner zusammenfassenden Beurteilung u.a. ausdrücklich darauf hinweist, daß die zuletzt bescheidmäßig ausgesprochene "Trennung in akausale Leiden bzw. in halbkausale und vollkausale DB-Leiden" vollinhaltlich beizubehalten sei (der Gutachter verweist dazu auf seine amtsärztliche Stellungnahme vom 21. April 1978, in der beispielsweise sowohl ein Kausalanteil an der Opticusatrophie als auch am organischen Psychosyndrom als gegeben angesehen wird). In dem ebenfalls von der Behörde erster Instanz in Auftrag gegebenen chirurgischen Sachverständigengutachten vom 9. November 1989 kommt der Gutachter Dr. H hinsichtlich einer Verschlechterung der orthopädischen Leiden zur Ansicht, daß eine maßgebliche Verschlechterung vorliege und diese als "sekundäre Arthrose posttraumatisch aufzufassen" sei. Er schlug dazu hinsichtlich der DB 1 ("Zustand nach operativ versorgtem Bruch des rechten Oberschenkels mit nachfolgender stärkerer Bewegungseinschränkung im Hüftgelenk") die Einschätzung der MdE mit 40 v.H. der Richtsatzverordnung zu § 7 KOVG 1957 vor. Zutreffend wurden in der Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid auch Mängel insofern geltend gemacht, als auch ansonsten nicht konkret ausgeführt worden sei, warum beispielsweise laut Stellungnahmen der leitenden Ärztin des Landesinvalidenamtes zugunsten des Beschwerdeführers sprechende ärztliche Aussagen als nicht gerechtfertigt beurteilt würden (laut den in den Verwaltungsakten enthaltenen schriftlichen Stellungnahmen der leitenden Ärztin des Landesinvalidenamtes für Tirol vom 4. Oktober 1989 und vom 27. November 1989 hatte diese im übrigen noch den Gutachten Dris. D vom 25. Juli 1989 und Dris. H vom 9. November 1989 ausdrücklich zugestimmt und beispielsweise daraus in ihrer Stellungnahme vom 27. November 1989 eine Erhöhung der Gesamt-MdE nach § 7 KOVG 1957 auf 80 v.H. abgeleitet).
Im angefochtenen Bescheid wird - ohne die Begründungsmängel des erstinstanzlichen Bescheides zu beheben - zur Gesundheitsschädigung des "organischen Psychosyndroms (und der damit im Zusammenhang stehenden mittelbaren Gesundheitsschädigung "Reizblasensyndrom bei hypoaktivem Detrusor mit Detrusorinstabilität") auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 5. November 1976, 424/76, verwiesen, in dem u.a. diese Gesundheitsschädigung nicht als Dienstbeschädigung anerkannt worden sei. Abgesehen davon, daß - wie erwähnt - für das streitgegenständliche Rentenbemessungsverfahren grundsätzlich nur der Vorbescheid vom 5. Juni 1978 Ausgangspunkt sein konnte, verweist die Beschwerde hier zu Recht darauf, daß im Verwaltungsgerichtshoferkenntnis vom 5. November 1976 ein diagnostiziertes "organisches Psychosyndrom" nicht zur Beurteilung stand. Nach dem oben wiedergegebenen Inhalt des genannten Erkenntnisses bezogen sich die dort verwerteten Ausführungen im Gutachten Dris. W vom 3. Juli 1975 lediglich auf die Akausalität der damals strittigen Opticusatrophie. Weitergehende Aussagen über die Kausalität allenfalls bereits vorhandener oder noch auftretender psychischer Leiden (so in bezug auf ein unter die Richtsatzposition 579 "mittlere organische Demenz" einzuordnendes "organisches Psychosyndrom") des Beschwerdeführers wurden im genannten Erkenntnis nicht gemacht. Die belangte Behörde hätte sich daher mit den die neurologischen Leidenszustände betreffenden Gutachten (die Beschwerde verweist hier beispielsweise auf den neurologischen Befundbericht Dris. G vom 15. November 1989 und das Gutachten der Fachärztin für Psychiatrie und Neurologie Dr. S vom 23. Juli 1992) entsprechend inhaltlich auseinandersetzen müssen.
Warum die Arthrose der rechten Hüfte (die im übrigen bereits im Bescheid vom 9. Juni 1957 und in der Folge beispielsweise auch im Bescheid vom 23. Dezember 1975 als Dienstbeschädigung anerkannt war) nunmehr als "irrtümlich anerkannt" zu gelten habe, wird im angefochtenen Bescheid im wesentlichen nur in Form nicht nachvollziehbarer Behauptungen dargestellt. Der in der Beschwerde erworbene Vorwurf, daß diesbezüglich das Gutachten des Sachverständigen Dr. H "übergangen" wird, ist nicht von der Hand zu weisen.
Da im Vorbescheid vom 5. Juni 1978 auch die Opticusatrophie mit einem Kausalanteil von 1/2 Anerkennung fand, wäre auch hier darzustellen gewesen, inwieweit die Beurteilung in diesem Vorbescheid unrichtig war (auch wäre beispielsweise eine Auseinandersetzung mit der Frage erforderlich gewesen, ob die im Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 5. November 1976 behandelte "Hirnnervenatrophie mit Visusherabsetzung und Gesichtsfeldeinschränkung sowie Schielen" mit der in der amtsärztlichen Stellungnahme Dris. D vom 21. April 1978 diagnostizierten Opticusatrophie bzw. mit dem laut der ärztlichen Bestätigung Dris. M vom 11. Dezember 1991 als Unfallfolge zu wertenden "Sehdefekt" übereinstimmte).
Wenn die belangte Behörde nunmehr den Versuch unternimmt, Begründungsteile in der Gegenschrift nachzubringen, so ist sie auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach selbst ausführliche Darlegungen in der Gegenschrift fehlende Erörterungen und Feststellungen im angefochtenen Bescheid nicht zu ersetzen vermögen (vgl. beispielsweise das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 19. März 1992, 91/09/0007).
Der angefochtene Bescheid ist daher mit wesentlichen Verfahrensmängeln belastet. Der in der Beschwerde enthaltene Vorwurf, über die Anerkennung der "Pyramidenbahnläsion" und "Gleichgewichtsstörungen" als Dienstbeschädigung sei noch immer nicht entschieden worden, zeigt indes keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf, weil Sache des Berufungsverfahrens nur der Abspruch im Bescheid erster Instanz sein konnte und die erwähnten Gesundheitsschädigungen nicht Gegenstand dieses Bescheides waren (nach der Aktenlage wurden die Anträge auf Anerkennung der Gesundheitsschädigungen "Gleichgewichtsstörungen" sowie "Pyramidenbahnschädigung" mittlerweile vom Bundessozialamt Tirol mit Bescheid vom 31. März 1995, Zl. OB 810-045902-008, wegen entschiedener Sache zurückgewiesen).
Insgesamt war der angefochtene Bescheid daher wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 VwGG aufzuheben. Bei diesem Verfahrensergebnis brauchte auf das weitere Beschwerdevorbringen nicht mehr eingegangen werden.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994. Stempelgebühren waren wegen der bestehenden Gebührenbefreiung nach § 64 Abs. 2 KOVG 1957 nicht zuzusprechen.
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