Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird im Umfang der Anfechtung, daß heißt insoweit, als dem Begehren des Beschwerdeführers auf eine Grundrente auf einer Basis von mehr als 40 % Minderung der Erwerbsfähigkeit nicht stattgegeben wurde; wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.120,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer hat bereits mit Antrag vom 28. Dezember 1979 die Anerkennung der Leiden "psychische Beschwerden, Rheumatismus, Herzbeschwerden, Lungenblähung" als Dienstbeschädigungen nach dem KOVG 1957 beantragt. Die Abweisung dieses Antrags war Gegenstand des Verfahrens vor dem Verwaltungsgerichtshof zur Zl. 87/09/0124; mit Erkenntnis vom 8. September 1987 zu dieser Zahl hat der Verwaltungsgerichtshof die damalige Beschwerde des Beschwerdeführers gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abgewiesen.
Am 19. Jänner 1982 langte beim Landesinvalidenamt für Wien, Niederösterreich und Burgenland (LIA) ein weiterer Antrag des Beschwerdeführers auf Anerkennung der Leiden "Hallux rigidus, Arthritis der Zehen und des Metatarsus, rheumatische Veränderungen an der Kreuz- und Halswirbelsäule, Spondylarthritis" ein. Dieser Antrag wurde vom LIA mit Bescheid vom 9. Oktober 1987 im wesentlichen unter Bezugnahme auf ein Gutachten der Sachverständigen Dr. L abgewiesen, wonach die im Jahre 1945 vom Beschwerdeführer erlittene Verschüttung nicht als Ursache der geltend gemachten Leiden in Frage käme.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung.
Im Berufungsverfahren wurden mehrere weitere Gutachten eingeholt und es wurden jeweils Stellungnahmen des Beschwerdeführers zu den einlangenden Ermittlungsergebnissen eingeholt. Der chirurgische Sachverständige Dr. H kam zu demselben Ergebnis wie die in erster Instanz beigezogene Sachverständige, ergänzte aber nach einer vom Beschwerdeführer vorgelegten Stellungnahme von Univ.Prof.Dr. K sein Gutachten dahin, daß - sollte man trotz des Fehlens jeder Dokumentation über das auslösende Kriegsereignis von einer Kausalität ausgehen - die Veränderungen wie folgt einzuschätzen wären:
"degenerative Veränderungen und Fehlhaltung der Lendenwirbelsäule mit Bewegungseinschränkung zum Teil durch Verschüttung ausgelöst ... I/f/191 40 % 1/2 20 %".
Zumindest die Hälfte der Veränderungen der Wirbelsäule sei auf anlage- und altersbedingte degenerative Erscheinungen zurückzuführen.
In der Folge veranlaßte die belangte Behörde die Einholung eines Klinikgutachtens des Primarius des orthopädischen Krankenhauses, Prof. Dr. N, welcher nach Untersuchung des Beschwerdeführers zu dem Ergebnis kam, daß ein Zusammenhang der Wirbelsäulenbeschwerden des Beschwerdeführers mit der Verschüttung im Jahre 1945 wahrscheinlich sei.
Das hierauf gemäß § 8 KOVG 1957 eingeholte berufskundliche Gutachten ergab keine beruflichen Sonderverhältnisse, sodaß die den Durchschnitt nicht übersteigenden Berufsanforderungen bereits in der medizinischen Bewertung der Erwerbsunfähigkeit des Beschwerdeführers erfaßt seien.
Ein in der Folge eingeholtes Aktengutachten Dris. K folgte wiederum der Einschätzung des Sachverständigen Dr. H.
Hierauf wurden - auch wegen vom Beschwerdeführer behaupteter, inzwischen aufgetretener Verschlechterungen - Ergänzungsgutachten der Sachverständigen Prof. Dr. N und Dr. K eingeholt. Prof.Dr. N kam am 15. Mai 1991 zu dem Ergebnis, daß beim Beschwerdeführer in den vergangenen Monaten eine Verschlechterung der degenerativen Wirbelsäulenveränderungen "um 12 - 15 %" eingetreten sei, wobei allerdings "sicher mehr als 50 % als kriegsopferbedingt anzusehen" seien. Nach sorgfältiger Anamnese der "Verschüttung" würde der Sachverständige 70 % als "kausal" gerechtfertigt ansehen.
Der Sachverständige Dr. K kam in seinem Ergänzungsgutachten vom 3. September 1991 auf eine Einschätzung der degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule mit 50 %, wobei diese "z.Teil" durch die Verschüttung ausgelöst seien; die Gesamt-MdE betrage 30 %.
In einer Eingabe vom 26. November 1991 machte der Beschwerdeführer als weitere Leiden "Herzinfarkt im Alter von 25 Jahren, Angina pectoris, Herzcoronarkrankheit, starke Herzarhythmie sowie psychiatrische infolge des am Kriegsende erlittenen psychischen Schocks und ... Lungenkrankheiten wie chronische, spastische Bronchitis, Asthma, Emphysem, Verengung der Luftröhre u.ä." geltend.
In der Folge wurde eine weitere sachverständige Beurteilung der Leiden des Beschwerdeführers auf Grund der vorliegenden Vorgutachten und Röntgenbefunde durch den Sachverständigen Dr. L eingeholt, der zu dem Ergebnis kam, daß alle geltend gemachten Leiden mit Ausnahme der Wirbelsäulenveränderung in der unteren Brustwirbelsäule akausal seien; das zuletzt genannte Leiden verursache gemäß Richtsatz I/f/186 eine Minderung der Erwerbsfähigkeit von "40 % vollkausal". Die Einschätzung durch Prof.Dr. N sei demgegenüber nicht richtsatzmäßig begründet.
In einem Ergänzungsgutachten vom 17. September 1993 führte Prim.Dr. N aus, daß er die MdE von 70 % auf Grund der "Richtsätze von 1983 Pt. 191" nicht nur aufrechterhalte, sondern auf Grund der weiteren Verschlechterung mit derzeit 80 % einschätze.
Der Sachverständige Dr. L führte dazu am 10. November 1993 aus:
"Es ist kein Zweifel, daß bei Befundung der Originalröntgenfilme zweierlei zu Tage tritt: einerseits mit Wahrscheinlichkeit alte posttraumatische Wirbelsäulenveränderungen in der unteren Brustwirbelsäule bei D 8-10, andererseits degenerative keinesfalls posttraumatische Veränderungen in anderen Wirbelsegmenten.
Demzufolge wurde in der eigenen Stellungnahme vom 20.1.93 differenziert zwischen vollkausal anzuerkennenden posttraumatischen Schäden bei D 8-10 und degenerative Veränderungen der übrigen Wirbelsäule. Dementsprechend wurde vollkausal die Position I/f/186 herangezogen und akausale Veränderungen der Wirbelsäule für die DB nicht herangezogen.
Ein anderer Weg wäre gewesen, die Wirbelsäulenveränderungen insgesamt einzuschätzen und durch Heranziehung eines Kausalitätsfaktors den vollkausalen Anteil zu ermitteln. Eine solche Vorgangsweise sollte nach Ansicht von Dr. L auch dann vermieden werden, wenn sich eine Differenzierung in akausale Schäden und kausale Schäden durchführen läßt.
Würde nämlich ein Gesamtschaden aus kausalen und akausalen Schädigungen eingeschätzt werden, so müßte man nach Jahr und Tag bei Vorliegen eines Verschlimmerungsantrages die Einschätzung des kausalen Anteils belassen und bei Zunahme akausaler Veränderungen den Kausalitätsfaktor ändern.
So gesehen ist die Einschätzung im Attest von Prof.Dr. N zu verstehen, in dem offenbar jetzt aktuell der Gesamtschaden an der Wirbelsäule mit 80 % zu vertreten ist. Bei einer solchen Einschätzung müßte aber noch ein Kausalitätsfaktor berücksichtigt werden, weil sich ja der Gesamtschaden an der Wirbelsäule aus kausalen und akausalen Komponenten zusammensetzt. Nimmt man einen Kausalitätsfaktor von 1/2 an, so käme man tatsächlich auf eine rein kausale MdE von 40 %.
Bemerkenswert in diesem Zusammenhang ist auch die Tatsache, daß eine attestierte Verschlimmerung bei D 12 - L 1 eingetreten sein soll, was nicht dem Segment der seinerzeitigen traumatischen Schädigung bei D 8-10 entspricht und somit akausal einzuordnen ist.
An der Einschätzung der reinen kausalen MdE von 40 % entsprechend I/f/186 ist festzuhalten."
Dazu erstattete Prof. Dr. N am 7. Dezember 1993 folgendes abschließendes Ergänzungsgutachten:
"Der Versuch, die teils posttraumatischen, teils degenerativen Veränderungen an der WS "kausal" bzw. "nicht-kausal" zu beurteilen, mag juridisch richtig und bedeutungsvoll sein, medizinisch ist diese Trennung nicht absolut möglich, da die WS als Gesamtorgan aufzufassen ist. Jede Veränderung (Trauma) im Bereich eines Segments führt zwangsläufig auch zu Funktions- und Statikveränderungen nicht nur in benachbarten, sondern auch in weiter entfernt liegenden Segmenten. So gesehen, sind die sog. "kausalen" Veränderungen nicht als rein "kausal" einzustufen, die sog. "akausalen" Degenerationserscheinungen aber durchaus auch mit einem "kausalen" Faktor.
Die Gesamtbeurteilung wird daher nie ganz objektiv erfolgen können, da das Auftreten von Degenerationserscheinungen nicht prognostizierbar ist und auch in der Spätbeurteilung eine klare Trennung nicht vorgenommen werden kann.
Wenn Herr Dr. L einen "Kausalitätsfaktor" von 50 % annimmt, so ist dies sein gutes Recht, auch ist diese Einschätzung wissenschaftlich nicht widerlegbar; gleiches gilt aber auch für meine Einschätzung eines höheren Faktors auf Grund meiner jahrelangen Erfahrung. Ich schätze den "Kausalitätsfaktor" im Bereich der gesamten WS dementsprechend auf 70 - 75 %, was einer Gesamtbeeinträchtigung von 56 % bis 60 % entspricht."
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 5. April 1994 gab die belangte Behörde der Berufung des Beschwerdeführers teilweise Folge und änderte den Bescheid des LIA gemäß § 66 Abs. 4 AVG wie folgt ab:
"Gemäß den §§ 1, 4, 7 und 8 KOVG 1957 wird eine Grundrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 40 v.H. zuerkannt.
Die Zuerkennung wird gemäß § 51 Abs. 1 KOVG 1957 ab 1. Jänner 1982 (Antragsmonat) wirksam."
Im weiteren Spruch wird die betragsmäßige Höhe der Grundrente für die inzwischen verstrichenen Jahre im einzelnen dargestellt und schließlich festgestellt:
"Als Dienstbeschädigung (DB § 4 KOVG 1957) wird anerkannt:
Kompressionsbrüche der Wirbelsegmente D 8-10 mit Beteiligung der Zwischenwirbelscheiben, Gibbus-Fehlstellung und sekundärer Spondylose, kausaler Anteil 1/1".
In der Begründung des angefochtenen Bescheides gab die belangte Behörde den Gang des Verfahrens und den wesentlichen Inhalt der eingeholten Gutachten wieder. Das Gutachten Dris. L sei als schlüssig erkannt und in freier Beweiswürdigung der Entscheidung zugrunde gelegt worden. Es sei zusammenfassend mit Wahrscheinlichkeit ein traumatischer Schaden der unteren Brustwirbelsäule zu befunden, der mit Wahrscheinlichkeit auf das Verschüttungstrauma im Krieg zurückgeführt werden könne. Auch aus der Röntgenbefundung lasse sich der Schluß ziehen, daß bei dem Verschüttungsereignis im 2. Weltkrieg ein Kompressionsbruch mehrerer Segmente der unteren Brustwirbelsäule eingetreten sei. Bei den geltend gemachten Leiden "Hallux rigidus" und "Arthritis der Zehen und Metatarsus" hingegen handle es sich um akausale Leiden, ein Zusammenhang mit der Verschüttung 1945 sei mit Sicherheit auszuschließen. Unter Berücksichtigung des Befundes Dris. L ergebe sich nachfolgende Richtsatzeinschätzung:
Als DB (§ 4 KOVG 1957) Position in MdE gemäß
wird festgestellt: den Richtsätzen § 7 KOVG
zu § 7 KOVG 1957:
Kompressionsbrüche der 1957:
Wirbelsegmente D 8-10
mit Beteiligung der Zwischen-
wirbelscheiben, Gibbus-Fehl-
stellung und sekundäre Spondy-
lose I/f/186 40 v.H.
Dabei sei eine Differenzierung der Wirbelsäulenveränderungen in kausale Schäden in der unteren Brustwirbelsäule und allgemeine degenerative Wirbelsäulenveränderungen in der übrigen Wirbelsäule erfolgt, woraus sich die Einschätzung mit 40 % ergebe. Dieser Zustand bestehe sicher schon seit mehreren Jahren. Die Überprüfung der Berufslaufbahn des Beschwerdeführers ergebe unter Berücksichtigung der Haupttätigkeit des Beschwerdeführers als Übersetzer keine gemäß § 8 KOVG 1957 höhere Einschätzung.
Dem bevollmächtigten Vertreter des Beschwerdeführers seien die Ergebnisse der Beweisaufnahmen zur Kenntnis gebracht worden; die vorgebrachten Einwendungen seien letztlich nicht geeignet gewesen, die Beweiskraft des ärztlichen Sachverständigengutachtens zu mindern. Insbesondere sei jedoch zu entgegnen, daß sich Dr. L eingehend mit der Kausalität des Wirbelsäulenleidens auseinandergesetzt habe und daß in der Stellungnahme des Prof.Dr. N vom 7. Dezember 1993 im wesentlichen nur dessen Kausalitätsbeurteilung wiederholt werde. Die medizinische Vorfrage sei ausführlich erörtert und vom ärztlichen Sachverständigen schlüssig beantwortet worden.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde. Der Bescheid der belangten Behörde wird insoweit angefochten, als der Berufung des Beschwerdeführers nicht voll stattgegeben worden und seine Grundrente nicht entsprechend einer MdE von 80 % zugesprochen worden sei.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften bringt der Beschwerdeführer vor, es sei zu Unrecht unterlassen worden, auch über die von ihm geltend gemachten Leiden Herzinfarkt, Angina pectoris, Herzkoronarkrankheit, starke Herzarhytmie, psychiatrische Störungen und Lungenkrankheiten zu entscheiden. Dem ist zu erwidern, daß nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Berufungsbehörde darüber nicht absprechen konnte, weil § 78 KOVG 1957 ausdrücklich festlegt, daß über die Anerkennung einer Gesundheitsschädigung in erster Instanz das LIA zu entscheiden hat (vgl. dazu das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 18. Februar 1993, Zl. 92/09/0313, und die dort angeführte Vorjudikatur). Den vorgelegten Akten ist im übrigen zu entnehmen, daß in der Zwischenzeit mit einschlägigen Ermittlungen des LIA begonnen worden ist.
Was die weiteren Leiden "Hallux rigidus" und "Arthritis der Zehen und des Metatarsus" betrifft, hat das Ermittlungsverfahren keine brauchbaren Hinweise auf das Vorliegen einer Kausalität ergeben. Vielmehr handelt es sich nach den Gutachten Dris. H und Dris. L hier um rein alters- und anlagenbedingte degenerative Abnützungserkrankungen. Die in der Beschwerde bloß angedeutete Möglichkeit eines Zusammenhanges mit dem Verschüttungsereignis im Jahre 1945 vermag die vom Gesetz für das Vorliegen einer Gesundheitsschädigung im Sinne des KOVG 1957 geforderte Wahrscheinlichkeit nicht zu ersetzen.
Anders verhält es sich mit der nunmehr eindeutig festgestellten traumatischen Schädigung der Wirbelsäule des Beschwerdeführers und der diesbezüglich zu ermittelnden MdE des Beschwerdeführers, welcher für die Höhe der Grundrente nach dem KOVG 1957 entscheidende Bedeutung zukommt. Dazu weist der Beschwerdeführer sowohl unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensbestimmungen als auch unter dem Gesichtspunkt der inhaltlichen Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf die im Ergebnis nicht übereinstimmenden Resultate der eingeholten Gutachten hin. Seiner Auffassung wäre hier dem Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. N zu folgen gewesen, der den Beschwerdeführer persönlich untersucht habe und dessen Schlußfolgerungen überzeugend begründet seien.
Die belangte Behörde hat sich jedoch in dieser Frage der Auffassung des Sachverständigen Dr. L angeschlossen, ohne allerdings im angefochtenen Bescheid näher darzulegen, aus welchen Gründen dessen Gutachten eine schlüssige Antwort auf die Kausalitätsfrage darstelle, nicht aber jenes des Prof.Dr. N.
Dabei hat die belangte Behörde außer acht gelassen, daß der Trennung eines kausalen und eines akausalen Anteils an den Wirbelsäulenleiden des Beschwerdeführers durch Dr. L sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach eine gewisse Willkürlichkeit anhaftet. Prof.Dr. N hat demgegenüber in nachvollziehbarer Weise dargetan, daß eine solche Trennung mit Rücksicht darauf medizinisch nicht möglich sei, daß die Wirbelsäule ein "Gesamtorgan" sei und sich jedes Trauma an diesem Organ zwangsläufig in Funktions- und Statikveränderungen auch in weiter entfernt liegenden Segmenten auswirke. Auch unter diesem Gesichtspunkt erscheint die Aufteilung von Kausalanteilen von je 50 % für posttraumatische und für mit dem Verschüttungsereignis nicht zusammenhängende degenerative Veränderungen der Wirbelsäule des Beschwerdeführers nicht unbedenklich.
Zu diesen Überlegungen kommen aus rechtlicher Sicht noch solche, wie sie der Verwaltungsgerichtshof bereits in seiner Vorjudikatur, insbesondere in seinem Erkenntnis vom 21. Jänner 1994, Zl. 93/09/0373, und der dort angeführten Vorjudikatur angestellt hat.
Gemäß § 4 Abs. 1 KOVG 1957 ist eine Gesundheitsschädigung im Sinne des § 1 Abs. 1 KOVG 1957 anzuerkennen, wenn und insoweit die festgestellte Gesundheitsschädigung zumindest mit Wahrscheinlichkeit auf das schädigende Ereignis oder die der Dienstleistung eigentümlichen Verhältnisse ursächlich zurückzuführen ist. Für die Auslegung des Begriffes "wahrscheinlich" ist der allgemeine Sprachgebrauch maßgebend. Wahrscheinlichkeit ist gegeben, wenn nach der geltenden ärztlich-wissenschaftlichen Lehrmeinung erheblich mehr für als gegen einen ursächlichen Zusammenhang spricht (vgl. dazu z.B. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 18. Jänner 1990, Zl. 89/09/0060, und vom 11. Juli 1990, Zl. 89/09/0132).
Danach ist für die Begründung eines Versorgungsanspruches nur die Wahrscheinlichkeit, nicht aber die bloße Möglichkeit einer Verursachung der Gewißheit gleichgestellt (vgl. dazu zur inhaltsgleichen Regelung des § 2 Abs. 1 erster Satz HVG z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 6. Juni 1991, Zl. 90/09/0046). Im Verfahren nach dem Kriegsopferversorgungsgesetz 1957 geht es demnach nicht um eine Objektivierung der Verneinung der Kausalität, sondern um die Feststellung, ob die Wahrscheinlichkeit für die Kausalität spricht. In diesem Zusammenhang entschädigt das Kriegsopferversorgungsgesetz 1957 als Dienstbeschädigung auch den Anteil einer Gesundheitsschädigung, der zumindest mit Wahrscheinlichkeit auf das schädigende Ereignis oder die der Dienstleistung eigentümlichen Verhältnisse ursächlich zurückzuführen ist (sogenannte "Verschlimmerungskomponente"; vgl. dazu das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 26. September 1991, Zl. 89/09/0030, und die dort zitierte Vorjudikatur). Diese Anerkenntnisform ist jedoch nur dann gerechtfertigt, wenn eine schon vor der Kriegseinwirkung vorhanden gewesene Gesundheitsschädigung durch die Kriegseinwirkung ungünstig beeinflußt - verschlimmert - worden ist. Diesem Regelfall der Verschlimmerung ist es gleichzuhalten, wenn eine Gesundheitsschädigung vor der Kriegseinwirkung zwar nicht klinisch manifest, aber pathologisch-anatomisch vorhanden war und dieser Zustand durch die Kriegseinwirkung nachteilig verändert worden ist. Der Begriff der Verschlimmerung setzt demnach zwar nicht die Manifestation, jedenfalls aber die Existenz einer Gesundheitsschädigung voraus. Wo eine Gesundheitsschädigung nicht vorhanden war, konnten die Kriegseinwirkungen nicht verschlimmernd, wohl aber - falls eine Krankheitsanlage bestanden hatte - auslösend am Werke gewesen sein. Die Feststellung, ob die Kriegseinwirkung eine schon existente Gesundheitsschädigung verschlimmert oder aber eine Anlage auslöst und damit erst die Gesundheitsschädigung zum Entstehen gebracht hat, ist für die Kriegsopferversorgung von rechtserheblicher Bedeutung. Im Falle der Verschlimmerung ist nämlich nur derjenige Anteil des Leidenzustandes zu entschädigen, der der Kriegseinwirkung zur Last fällt. Im Falle der Auslösung der Anlagebereitschaft dagegen kommt es darauf an, ob die Krankheit ohne Kriegseinwirkung existent geworden oder ob sie ohne Kriegseinwirkung nicht aufgetreten wäre (vgl. hiezu das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 25. September 1992, Zl. 92/09/0132).
Wenn zumindest mit Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, daß die Gesundheitsschädigung zwar durch die Kriegseinwirkung ausgelöst worden ist, jedoch auch ohne sie eingetreten wäre, dann läßt sich der Leidenszustand in eine anlagebedingte Komponente und in eine kriegsbedingte Komponente teilen. Die kriegsbedingte Komponente stellt den Anteil dar, der nach dem KOVG 1957 zu entschädigen ist. Wenn dagegen die durch die Kriegseinwirkung ausgelöste Gesundheitsschädigung sonst wahrscheinlich nicht aufgetreten wäre, dann ist eine anteilsmäßige Entschädigung nicht am Platze, weil Anlagebedingtheit und Kriegsbedingtheit hier nicht in Komponenten zerfallen, sondern sich in ihren Ausmaßen vollkommen decken. Ist aber eine Gesundheitsschädigung zwar anlagebedingt, jedoch zugleich zur Gänze kriegsbedingt, dann ist sie auch zur Gänze als Dienstbeschädigung zu werten (vgl. zum Ganzen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 10. April 1957, Zl. 3004/54, VwSlg. 4.331/A).
Die rechtliche Beurteilung des ursächlichen Zusammenhanges zwischen einem schädigenden Ereignis oder der der Dienstleistung eigentümlichen Verhältnisse und einer Gesundheitsschädigung im Sinne des § 4 Abs. 1 erster Satz KOVG 1957 setzt voraus, daß der Kausalzusammenhang im medizinisch-naturwissenschaftlichen Sinn in dem durch § 90 KOVG 1957 geregelten Verfahren geklärt wird und allenfalls strittige Tatsachen im Zusammenhang mit der Wehrdienstleistung bzw. dem schädigenden Ereignis und der Krankheitsvorgeschichte von der Behörde ermittelt und festgestellt werden (vgl. z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 21. März 1991, Zl. 89/09/0040).
Nach den bisher eingeholten Gutachten steht fest, daß das Wirbelsäulenleiden des Beschwerdeführers durch ein kriegsbedingtes Trauma ausgelöst worden ist. Die belangte Behörde hat aber in Verkennung der Rechtslage die Prüfung unterlassen, ob und in welchem Ausmaß die von Dr. L als "akausal" beurteilten weiteren Schädigungen der Wirbelsäule des Beschwerdeführers auch ohne dieses Trauma überhaupt oder mit einer allenfalls geringeren Intensität aufgetreten wären; hiezu ist erneut an die Beurteilung der Wirbelsäule als ein "Gesamtorgan" durch den Sachverständigen Prof.Dr. N zu erinnern.
Der angefochtene Bescheid erweist sich daher in der Frage der endgültigen Beurteilung der Frage der Wirbelsäulenleiden des Beschwerdeführers als inhaltlich rechtswidrig. Im fortgesetzten Verfahren wird zu prüfen sein, ob und allenfalls in welchem Ausmaß und ab welchem Zeitpunkt dieses Leiden des Beschwerdeführers zur Feststellung einer 40 % übersteigenden MdE des Beschwerdeführers zu führen geeignet ist. Von diesem Ergebnis wird auch abhängen, ob eine Ergänzung der berufskundlichen Begutachtung erforderlich sein wird oder nicht.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 2 und 59 VwGG iVm Art. I A Z. 1 der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.
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