Normen
AVG §37;
AVG §39 Abs2;
AVG §45 Abs2;
B-VG Art130 Abs2;
StVO 1960 §4 Abs1 lita;
StVO 1960 §4 Abs5;
VStG §19;
VStG §20;
AVG §37;
AVG §39 Abs2;
AVG §45 Abs2;
B-VG Art130 Abs2;
StVO 1960 §4 Abs1 lita;
StVO 1960 §4 Abs5;
VStG §19;
VStG §20;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird, soweit er die Verwaltungsübertretung nach § 4 Abs. 1 lit. a StVO 1960 betrifft, hinsichtlich des Ausspruches über die Strafe und, soweit er die Verwaltungsübertretung nach § 4 Abs. 5 StVO 1960 betrifft, zur Gänze wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben. Im übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
Das Land Steiermark hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von 12.950 S binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer im Instanzenzug schuldig erkannt, er habe am 11. März 1993 um 19,20 Uhr auf der Gemeindestraße P, Höhe Haus H 36, als Lenker eines dem Kennzeichen nach bestimmten Fahrzeuges 1.) in ursächlichem Zusammenhang mit einem Verkehrsunfall mit Sachschaden gestanden und sein Fahrzeug nicht sofort angehalten sowie 2.) nicht ohne unnötigen Aufschub die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle verständigt. Er habe dadurch Verwaltungsübertretungen 1. gemäß § 4 Abs. 1 lit. a StVO 1960 sowie 2. gemäß § 4 Abs. 5 leg. cit. begangen, weshalb über ihn Geldstrafen (Ersatzfreiheitsstrafen) verhängt wurden, und zwar zu 1.) 500 S und zu 2.) 300 S.
Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsstrafakten vor und beantragte in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die belangte Behörde ging in sachverhaltsmäßiger Hinsicht davon aus, H habe seinen Pkw gegen 19.20 Uhr auf dem P-Weg im Gemeindegebiet Laßnitzhöhe in Fahrtrichtung Mitterlaßnitz gelenkt, als ihm auf Höhe des Anwesens H 36 der Beschwerdeführer mit seinem Pkw entgegengekommen sei. Bei der Begegnung der Pkws sei es zu einer Berührung der beiden linken Außenspiegel gekommen. Der Spiegel am Pkw des H sei dadurch mitsamt der Umrahmung herausgebrochen. Der Außenspiegel am Pkw des Beschwerdeführers sei hingegen bloß eingeklappt worden. Durch das Anstoßen sei es zu einem deutlich wahrnehmbaren Knall gekommen. H habe nach der Kollision seinen Pkw sofort angehalten. Der Beschwerdeführer - in seiner Fahrtrichtung setze sich die Straße in einer leichten Rechtskurve fort - sei hingegen weitergefahren. H habe noch die Rücklichter des Pkws des Beschwerdeführers gesehen, dessen Bremslichter hätten hingegen nicht aufgeleuchtet. H sei sodann einige Meter weitergefahren und in eine Waldeinfahrt eingebogen, wo er vergeblich weitere fünf Minuten darauf gewartet habe, daß der Beschwerdeführer zurückkomme. H sei nach dem Vorfall zum Wohnhaus des Beschwerdeführers gefahren, habe aber dort den Pkw des Beschwerdeführers nicht vorgefunden.
Die belangte Behörde ging in Würdigung dieses Vorganges davon aus, aufgrund des eingeklappten Außenspiegels hätte der Beschwerdeführer bei gehöriger Aufmerksamkeit mit der Möglichkeit des Sachschadens am Pkw des H rechnen müssen. Zudem hätte er aufgrund des Kollisionsgeräusches mit der Möglichkeit eines Schadens rechnen müssen. Selbst wenn der Beschwerdeführer im Zuge des Unfalls nach rechts ausweichen habe müssen und dabei die rechten Räder seines Pkws auf das Bankett gelangt wären, was zu einem entsprechenden Lärm geführt hätte, hätte dieser Lärm den Knall des Anstoßes der beiden äußeren linken Außenrückspiegel nicht erreichen können. Da der Beschwerdeführer seinen Pkw nicht im Bereich der Unfallstelle angehalten habe, sei der Tatbestand des § 4 Abs. 1
lit. a StVO 1960 erfüllt.
Der Beschwerdeführer sowie H und die in seinem Pkw mitfahrende I würden sich - so die weiteren Sachverhaltsfeststellungen der belangten Behörde - kennen und nicht weit voneinander wohnen. Im Tatzeitpunkt sei es bereits finster gewesen, am Tatort gebe es keine Straßenbeleuchtung, die Fahrzeuge seien mit Abblendlicht gefahren. H und I seien "mit einiger Sicherheit" davon ausgegangen, daß das entgegenkommende Fahrzeug vom Beschwerdeführer gelenkt worden sei. Daraus sei jedoch, führt die belangte Behörde in rechtlicher Würdigung aus, für den Beschwerdeführer nichts zu gewinnen, weil es nicht darauf ankomme, ob die anderen am Unfall beteiligten Personen den Beschwerdeführer erkannt hätten. Wesentlich sei, daß der Beschwerdeführer aufgrund der festgestellten Verhältnisse an der Unfallstelle nicht davon ausgehen habe könne, als Lenker erkannt worden zu sein. Der Beschwerdeführer habe somit, da ein Identitätsnachweis nicht stattgefunden habe und er die Gendarmeriedienststelle nicht verständigt habe, den Tatbestand des § 4 Abs. 5 StVO 1960 verwirklicht.
Gemäß § 4 Abs. 1 lit. a StVO 1960 haben alle Personen, deren Verhalten am Unfallsort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang steht, wenn sie ein Fahrzeug lenken, dieses sofort anzuhalten.
Delikte nach § 4 Abs. 1 StVO 1960 können auch fahrlässig begangen werden. Fahrlässigkeit bedeutet in diesem Zusammenhang, daß dem Täter objektive Umstände zu Bewußtsein gekommen sind oder ihm bei gehöriger Aufmerksamkeit zu Bewußtsein kommen hätten müssen, aus denen er die Möglichkeit eines Verkehrsunfalles mit Personen- oder Sachschaden zu erkennen vermocht hätte (vgl. hg. Erkenntnis vom 5. Oktober 1994, Zl. 94/03/0099).
Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers kann es der Verwaltungsgerichtshof nicht als rechtswidrig erkennen, daß die belangte Behörde davon ausgeht, er hätte bei gehöriger Aufmerksamkeit den Verkehrsunfall sofort bemerken müssen, sodaß ihm Fahrlässigkeit vorzuwerfen sei. Auch nach der Verantwortung des Beschwerdeführers habe nämlich eine gefährliche Verkehrssituation vorgelegen, die ihn zur Vermeidung eines Frontalzusammenstoßes zum Ausweichen zum Teil auf das rechte Fahrbahnbankett gezwungen habe. Im Hinblick darauf, daß die beiden Fahrzeuge in äußerst geringem Abstand links aneinander vorbeifuhren, hätte der Beschwerdeführer sofort darauf achten müssen, daß sein linker Außenspiegel durch diesen Vorgang eingeklappt wurde, was wiederum auf eine Beschädigung des anderen Fahrzeuges schließen hätte lassen. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat nämlich der Lenker eines Fahrzeuges bei und nach riskanten Fahrmanövern, bei welchen die dringende Gefahr besteht, daß es zu einer Kollision mit einem anderen Straßenverkehrsteilnehmer kommen kann, den Geschehnissen um sein Fahrzeug die volle Aufmerksamkeit zuzuwenden und sich zu vergewissern, ob sein Fahrverhalten für einen Verkehrsunfall ursächlich gewesen ist (vgl. hg. Erkenntnis vom 26. Mai 1993, Zl. 92/03/0125). Bei dieser Sachlage kann es dahinstehen, ob der Beschwerdeführer nicht trotz des Befahrens des Banketts das Geräusch der gegeneinander prallenden Außenspiegel vernommen hat und bereits dadurch von der Möglichkeit der Beschädigung des Fahrzeuges des H Kenntnis hatte.
Der Verwaltungsgerichtshof hegt entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers keine Zweifel daran, daß eine Kollision, die das Herausbrechen eines Außenspiegels samt seiner Umrahmung herbeiführt, als Verkehrsunfall iSd § 4 StVO 1960 anzusehen ist. Ein solcher Verkehrsunfall liegt bereits bei geringfügigen Sachschäden vor. § 4 Abs. 1 lit. a StVO 1960 normiert die Verpflichtung, unmittelbar an der Unfallstelle anzuhalten (vgl. das hg. Erkenntnis vom 19. Februar 1982, Zl. 81/02/0167). Da der Beschwerdeführer, obwohl er vom Verkehrsunfall bei gehöriger Aufmerksamkeit sofort Kenntnis erlangen hätte müssen, unzweifelhaft nicht im Bereich der Unfallstelle angehalten hat, ist die belangte Behörde mit der Subsumtion seiner Handlung unter § 4 Abs. 1 lit. a StVO 1960 keinem Rechtsirrtum unterlegen.
Die Rechtsrüge des Beschwerdeführers, die belangte Behörde hätte gemäß § 21 VStG von der Verhängung einer Strafe absehen müssen, übersieht, daß gemäß § 100 Abs. 5 StVO 1960 bei Übertretungen nach § 4 Abs. 1 leg. cit. § 21 VStG keine Anwendung findet.
Zu Recht rügt allerdings der Beschwerdeführer, daß die Strafbemessung der belangten Behörde die Bestimmung des § 20 VStG außer Acht läßt. Für Übertretungen nach § 4 Abs. 1 StVO 1960 normiert § 99 Abs. 2 lit. a - wie dies auch im angefochtenen Bescheid angeführt ist - den Strafrahmen von 500 S bis 30.000 S. Weiters wird im angefochtenen Bescheid im Zusammenhang mit der Strafbemessung angeführt, für die Übertretung nach § 4 Abs. 1 lit. a StVO 1960 sei "ohnedies nur die Mindeststrafe von S 500,-- verhängt" worden. Gemäß § 20 VStG kann die Mindeststrafe bis zur Hälfte unterschritten werden, wenn die Milderungsgründe die Erschwerungsgründe beträchtlich überwiegen oder der Beschuldigte ein Jugendlicher ist. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat die Behörde bei Vorliegen der im § 20 VStG genannten Voraussetzungen zwingend einen Strafrahmen zugrunde zu legen, dessen Untergrenze die Hälfte der (gesetzlich) vorgesehenen Mindeststrafe beträgt und ausgehend davon die Strafe innerhalb des solcherart (nach unten) geänderten Strafrahmens festzusetzen (vgl. hg. Erkenntnis vom 2. September 1992, Zl. 92/02/0150).
Die belangte Behörde hätte im Hinblick auf das zum Tatzeitpunkt noch vorliegende jugendliche Alter des am 23. August 1974 geborenen Beschwerdeführers von der Vorschrift des § 20 VStG Gebrauch machen müssen, und zwar unabhängig davon, ob die Milderungsgründe die Erschwerungsgründe beträchtlich überwiegen. Da die belangte Behörde dies verkannte, erweist sich der angefochtene Bescheid, soweit er die Strafbemessung für die Übertretung nach § 4 Abs 1 lit. a StVO 1960 betrifft, als mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet.
Gemäß § 4 Abs. 5 StVO 1960 haben die in § 4 Abs. 1 genannten Personen, wenn bei einem Verkehrsunfall nur Sachschaden entstanden ist, die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle vom Verkehrsunfall ohne unnötigen Aufschub zu verständigen. Eine solche Verständigung darf jedoch unterbleiben, wenn die in § 4 Abs. 1 genannten Personen oder jene, in deren Vermögen der Schaden eingetreten ist, einander ihren Namen und ihre Anschrift nachgewiesen haben.
Sind die Beteiligten einander so gut persönlich bekannt, daß sie Namen und Adressen wissen, ist nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes der Identitätsnachweis als erbracht anzusehen (vgl. hg. Erkenntnisse vom 14. September 1983, Zl. 82/03/0144, und vom 21. September 1984, Zl. 83/02/0411). Der zweite Satz des § 4 Abs. 5 StVO 1960 verlangt, daß dem Geschädigten Gewißheit über die Person des Schädigers verschafft wird (vgl. hg. Erkenntnisse vom 9. Juli 1986, Zl. 86/03/0079, und vom 17. Dezember 1982, Zl. 81/02/0360).
Der Beschwerdeführer hat im Verwaltungsverfahren wiederholt vorgebracht, daß sich die beiden Fahrzeuglenker persönlich gekannt hätten und nicht weit voneinander entfernt wohnten. I, die Beifahrerin von H, sagte in ihrer Zeugenaussage vor der belangten Behörde, H habe ihr nach der Kollision mitgeteilt, daß er den Beschwerdeführer erkannt habe. Unbestritten ist auch, daß H unmittelbar nach dem Unfall zum Wohnhaus des Beschwerdeführers gefahren ist. Auch die belangte Behörde geht davon aus, daß H den Beschwerdeführer "mit einiger Sicherheit" erkannt habe.
Wenn die einzige Person, in deren Vermögen nach den Feststellungen der belangten Behörde ein Schaden eingetreten ist, nämlich H, mit Gewißheit den Beschwerdeführer, dessen Name und Adresse ihr geläufig ist, als weiteren Unfallbeteiligten erkannt hätte, wäre der Identitätsnachweis als erbracht anzusehen, sodaß eine Verständigungspflicht für den Beschwerdeführer objektiv nicht vorgelegen wäre. Die belangte Behörde hat nicht erkannt, daß der Beschwerdeführer nicht tatbildmäßig im Sinne des § 4 Abs. 5 StVO 1960 gehandelt hätte, wenn bei H Gewißheit über die Identität des Beschwerdeführers als weiteren Unfallbeteiligten bestanden hätte. Aufgrund dieses Rechtsirrtums hat sie es unterlassen, unter Berücksichtigung auch des Vorbringens des Beschwerdeführers und der Zeugenaussage der I festzustellen, ob H den Beschwerdeführer an der Unfallstelle tatsächlich erkannt hat oder lediglich Vermutungen über die Person des weiteren Unfallbeteiligten angestellt hat. Damit hat sie den angefochtenen Bescheid, soweit er die Verwaltungsübertretung nach § 4 Abs. 5 StVO 1960 betrifft, mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet. Entgegen der Rechtsauffassung der belangen Behörde reicht es für die Bestrafung nach § 4 Abs. 5 StVO 1960 nicht aus, daß eine Person, die als Lenker erkannt worden ist und deren Name und Adresse bekannt sind, aufgrund der Verhältnisse an der Unfallstelle (Dunkelheit, etc.) nicht davon ausgehen könne, als Lenker erkannt zu werden. Das Unterbleiben des Identitätsnachweises oder der sie ersetzenden Kenntnis über die Identität ist eine objektive Bedingung der Strafbarkeit nach § 4 Abs. 5 StVO 1960 (vgl. hg. Erkenntnis vom 27. April 1994, Zl. 92/03/0127).
Der angefochtene Bescheid war somit, soweit er die Verwaltungsübertretung nach § 4 Abs. 1 lit. a StVO 1960 betrifft, hinsichtlich des Ausspruches über die Strafe und, soweit er die Verwaltungsübertretung nach § 4 Abs. 5 StVO 1960 betrifft, zur Gänze gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben. Im übrigen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
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