Normen
StVO 1960 §4 Abs1 lita;
StVO 1960 §4 Abs5;
VStG §5 Abs1;
StVO 1960 §4 Abs1 lita;
StVO 1960 §4 Abs5;
VStG §5 Abs1;
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Land Steiermark Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Graz-Umgebung vom 27. Juni 1991 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er sei am 13. Oktober 1990 um ca. 20.40 Uhr als Lenker eines dem Kennzeichen nach bestimmten Pkws in Graz auf der Kärntnerstraße - Kreuzung Pulverturmstraße mit einem Verkehrsunfall mit Sachschaden in ursächlichem Zusammenhang gestanden und habe 1.) nicht sofort sein Fahrzeug angehalten und 2.) hievon nicht ohne unnötigen Aufschub die nächste Sicherheitsdienststelle verständigt. Er habe dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt: 1.) § 4 Abs. 1 lit. a StVO und
2.) § 4 Abs. 5 StVO. Zu 1.) wurde gemäß § 99 Abs. 2 lit. a StVO eine Geldstrafe in der Höhe von S 4.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe sechs Tage) und zu 2.) gemäß § 99 Abs. 3 lit. b StVO eine Geldstrafe in der Höhe von S 3.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe fünf Tage) verhängt. Dagegen erhob der Beschwerdeführer Berufung.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 13. März 1992 wurde der Berufung teilweise Folge gegeben und wurden die verhängten Strafen mit 1.) S 3.000,-- (fünf Tage Ersatzfreiheitsstrafe) und 2.) S 2.000,-- (drei Tage Ersatzfreiheitsstrafe) bemessen. Zur Begründung wurde ausgeführt, daß nach ständiger Rechtsprechung im Rahmen der sofortigen Anhaltepflicht auch dann die Pflicht zur Überprüfung, ob ein Sachschaden verursacht worden sei, bestehe, wenn der Lenker bei einer unfallgefährlichen Situation ein Geräusch durch einen anderen Gegenstand wahrgenommen habe, das möglicherweise auch ein Schaden verursachendes Geräusch darstellen bzw. überdecken könnte. Nach den unwiderlegten Erhebungen sei der Beschwerdeführer beim Einbiegen mit der linken vorderen Stoßstange gegen den linken vorderen Kotflügel eines angehaltenen Pkws gestoßen. Laut den übereinstimmenden Zeugenaussagen der erhebenden Beamten und des Unfallbeteiligten hätten sich an der linken vorderen Stoßstange des Fahrzeuges des Beschwerdeführers Lackabschürfungen befunden, während der Kotflügel des anderen unfallbeteiligten Fahrzeuges links vorne eingedrückt gewesen sei. Da nun der Beschwerdeführer nicht ausschließen habe können, die Streifungen miteinander verwechselt zu haben, und danach angehalten habe, hätte ihm bei den angeführten Schäden vom Lenkersitz aus auffallen müssen, daß er im Zuge dieses Manövers zur linken vorderen Seite des unfallbeteiligten Fahrzeuges keinen ausreichenden Sicherheitsabstand mehr eingehalten habe. Auch wenn eine Kollision mit dem Randstein an seiner rechten Fahrzeugseite erfolgt wäre, hätte er bei dieser Sachlage eine gleichzeitige Streifung mit dem Unfallbeteiligten nicht ausschließen können. Gerate nämlich ein Lenker in eine unfallgefährliche Situation, müsse er in der Lage sein, seine Aufmerksamkeit der gesamten Gefahrenlage zuzuwenden. Daher hätten die möglicherweise nur teilweise wahrgenommenen Streifungen den Beschwerdeführer veranlassen müssen, nach dem Anhalten die gesamte unfallgefährliche Situation auf verursachte Schäden hin zu untersuchen. In diesem Sinne sei es nicht darauf angekommen, ob der Beschwerdeführer beim Lenken die kollidierenden Fahrzeugteile selbst gesehen habe bzw. ob bereits die Streifung mit dem Fahrzeug akustisch wahrnehmbar gewesen wäre. Da der sofortigen Anhaltepflicht nach § 4 Abs. 1 lit. a StVO nur dann entsprochen werde, wenn nach dem Anhalten entsprechende Überprüfungen zur Befolgung der übrigen Bestimmungen hinsichtlich des Verhaltens bei Verkehrsunfällen mit Sachschäden vorgenommen werden, seien beide zur Last gelegten Übertretungen in der Fahrlässigkeitsform erwiesen. Zur Strafbemessung führte die belangte Behörde aus, es habe die Behörde erster Instanz auf das Fehlen mildernder und erschwerender Umstände Bedacht genommen. Der Schutzzweck der übertretenen Bestimmungen sei dahin zu "berichtigen", daß es sich um keine Gefährdungsdelikte handle. Die neu bemessenen Strafen entsprächen jedenfalls auch einem nur geringen Einkommen und Vermögen sowie ungünstigen Familienverhältnissen, da sie wegen des erheblichen Verschuldens einen spürbaren Nachteil darstellen müßten, um der neuerlichen Begehung derartiger Übertretungen wirksam vorbeugen zu können.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der Rechtswidrigkeit des Inhaltes bzw. Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vorgelegt und in der von ihr erstatteten Gegenschrift beantragt, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 4 Abs. 1 lit a StVO haben alle Personen, deren Verhalten am Unfallort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang steht, wenn sie ein Fahrzeug lenken, sofort anzuhalten. Nach § 4 Abs. 5 leg. cit. haben die im Abs. 1 genannten Personen, wenn bei einem Verkehrsunfall nur Sachschaden entstanden ist, die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle vom Verkehrsunfall ohne unnötigen Aufschub zu verständigen. Eine solche Verständigung darf jedoch unterbleiben, wenn die im Abs. 1 genannten Personen oder jene, in deren Vermögen der Schaden eingetreten ist, einander ihren Namen und ihre Anschrift nachgewiesen haben.
Unbestritten ist, daß es durch das Fahrverhalten des Beschwerdeführers - er streifte bei einem Einbiegemanöver mit der linken vorderen Stoßstange seines Fahrzeuges den linken vorderen Kotflügel des anderen an der Kreuzung angehaltenen unfallbeteiligten Pkws des Rudolf P. - zum gegenständlichen Verkehrsunfall gekommen ist. Auf Grund der übereinstimmenden Zeugenaussagen der unfallerhebenden Beamten und des unfallbeteiligten Rudolf P. sowie mangels gegenteiliger Ausführungen des Beschwerdeführers ist davon auszugehen, daß bei diesem Zusammenstoß der Kotflügel des anderen unfallbeteiligten Fahrzeuges links vorne eingedrückt wurde und sich an der linken vorderen Stoßstange des Pkws des Beschwerdeführers Lackabschürfungen befanden. Wie schon im Verwaltungsstrafverfahren verantwortet sich der Beschwerdeführer neuerlich damit, daß er diesen Verkehrsunfall nicht wahrgenommen habe.
Die Delikte nach § 4 Abs. 1 lit. a und Abs. 5 StVO setzen in subjektiver Hinsicht auch das Wissen um einen Verkehrsunfall voraus, wobei aber nicht das positive Wissen von diesem und vom ursächlichen Zusammenhang erforderlich ist, sondern es genügt vielmehr, wenn die betreffende Person bei gehöriger Aufmerksamkeit den Verkehrsunfall und den ursächlichen Zusammenhang hätte erkennen können. Die Tatbestände des § 4 Abs. 1 lit. a und § 4 Abs. 5 StVO sind schon dann gegeben, wenn dem Täter objektive Umstände zum Bewußtsein gekommen sind oder bei gehöriger Aufmerksamkeit zu Bewußtsein hätten kommen müssen, aus denen er die Möglichkeit eines Verkehrsunfalles mit einer Sachbeschädigung zu erkennen vermocht hätte (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 28. März 1990, Zl. 89/03/0176).
Wenn nun der Beschwerdeführer vorbringt, er habe auf Grund der offenbar gleichzeitigen Kollision eines Rades seines Fahrzeuges mit dem Gehsteigrand und der dadurch hervorgerufenen Streifung den Anstoß an das andere Fahrzeug akustisch und optisch nicht wahrnehmen können, so ist dem entgegenzuhalten, daß nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes der Lenker eines Fahrzeuges bei und nach riskanten Fahrmanövern, bei welchen die dringende Gefahr besteht, daß es zu einer Kollision mit einem anderen Straßenverkehrsteilnehmer kommen kann, - wozu ohne Zweifel ein Abbiegemanöver ohne Einhaltung eines ausreichenden Sicherheitsabstandes auf der einen Seite zu einem an einer Kreuzung anhaltenden Pkw und auf der anderen zu einer Gehsteigkante zählt - den Geschehnissen und seinem Fahrzeug seine volle Aufmerksamkeit zuzuwenden und sich zu vergewissern hat, ob sein Fahrverhalten für einen Verkehrsunfall ursächlich gewesen ist. Unterläßt er dies, so ist sein Nichtwissen von einem von ihm derart verursachten Unfall verschuldet (vgl. z.B. die hg. Erkenntnisse vom 26. September 1990, Zl. 90/02/0112, vom 20. Mai 1992, Zl. 91/03/0347, und vom 21. Oktober 1992, Zl. 92/02/0197).
Vor dem Hintergrund dieser Judikatur hat die belangte Behörde mit Recht die Ansicht vertreten, daß der Beschwerdeführer im vorliegenden Fall - gefahrbringende Annäherung an den anhaltenden Pkw des Unfallgegners - das Geschehen besonders sorgfältig hätte beobachten müssen. Auf Grund der unfallgefährlichen Situation hätte er also seine Konzentration auf die gesamte Gefahrenlage zu richten gehabt und auch zufolge der Wahrnehmung eines Streifungsgeräusches durch geeignete Maßnahmen überprüfen müssen, ob es sich um ein mit einem Verkehrsunfall in Zusammenhang stehendes Geräusch handeln könnte. Da der Beschwerdeführer dieser Überprüfungspflicht nicht nachkam, ist ihm das behauptete Nichtwissen vom gegenständlichen Unfall als Verschulden anzulasten. Er hatte nämlich von Umständen Kenntnis, aus denen er auf die Möglichkeit eines Unfalles mit Sachschaden schließen mußte (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 20. Februar 1991, Zl. 90/02/0148).
Die belangte Behörde konnte somit bei der gegebenen Sach- und Rechtslage zu Recht davon ausgehen, daß die Delikte nach § 4 Abs. 1 lit. a und § 4 Abs. 5 StVO in der Schuldform der Fahrlässigkeit begangen wurden und liegt daher eine inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht vor.
Unter dem Gesichtspunkt der zitierten hg. Rechtsprechung und der dargelegten Überlegungen war hier entscheidend, daß der Beschwerdeführer wegen seines riskanten Fahrverhaltens zu erhöhter Aufmerksamkeit verpflichtet war und sich auf Grund der gegebenen Situation davon überzeugen hätte müssen, ob sein Fahrmanöver nicht zu einem Verkehrsunfall geführt hat oder ohne Folgen geblieben ist. Es kam aber nicht - wie die belangte Behörde zutreffend ausführt - darauf an, ob der Beschwerdeführer die Kollision mit dem anderen Fahrzeug optisch oder akustisch wahrgenommen hatte (vgl. das schon zitierte hg. Erkenntnis vom 20. Mai 1992, Zl. 91/03/0347). Im gegenständlichen Fall waren daher diesbezügliche Beweisaufnahmen entbehrlich.
Was die Rüge des Beschwerdeführers betrifft, wonach die "Stellungnahme" des Amtssachverständigen vom 20. März 1991 nicht als Gutachten im Sinne des AVG qualifiziert werden könne, ist festzuhalten, daß diese "Stellungnahme" von der belangten Behörde nicht zur Begründung ihres Bescheides herangezogen wurde.
Der Verwaltungsgerichtshof vermag auch nicht zu finden, daß der angefochtene Bescheid keine ausreichende Begründung dafür enthält, inwieweit der Beschwerdeführer auch gegen die Bestimmung des § 4 Abs. 5 StVO verstoßen hat.
Schließlich vermag auch das gegen die Strafbemessung gerichtete, bloß allgemein gehaltene Beschwerdevorbringen nicht durchzuschlagen. Hat es der Beschwerdeführer - wie im vorliegenden Fall - unterlassen, in der Beschwerde im Hinblick auf die Strafbemessung seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse sowie seine Sorgepflichten anzugeben, kann von der Wesentlichkeit des vom Beschwerdeführer geltend gemachten Verfahrensmangels, nämlich daß die belangte Behörde im Falle der Erhebung seiner Verhältnisse zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, nicht ausgegangen werden (vgl. z. B. das hg. Erkenntnis vom 24. Jänner 1990, Zl. 89/02/0113). Des weiteren bewegen sich die verhängten Strafen im unteren Bereich der gesetzlich vorgesehenen Strafsätze.
Die sohin zur Gänze unbegründete Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
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