VwGH 93/04/0095

VwGH93/04/009520.9.1994

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Griesmacher und die Hofräte DDr. Jakusch und Dr. Stöberl als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Cerne, über die Beschwerde des F in D, vertreten durch Dr. J, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom 15. September 1992, Zl. 2/25-9/1992, betreffend Übertretung der Gewerbeordnung 1973, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §37;
AVG §45 Abs3;
AVG §62 Abs4;
AVG §37;
AVG §45 Abs3;
AVG §62 Abs4;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom 15. September 1992 wurde die Berufung des Beschwerdeführers gegen das Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadtgemeinde Innsbruck vom 21. Jänner 1992, mit dem dem Beschwerdeführer zur Last gelegt worden war, er habe "es als gewerberechtlicher Geschäftsführer der "X" Handelsges.m.b.H. AG & Co KG mit Sitz in D zu vertreten, daß durch die genannte Unternehmung in der Zeit vom 12. Juni 1991 bis 14. August 1991 die ordnungsgemäße Anzeige im Sinne des § 46 Abs. 3 GewO 1973 über die Ausübung eines Anmeldegewerbes in einer weiteren Betriebsstätte, und zwar die Anzeige über die Ausübung des Handelsgewerbes gemäß § 103 Abs. 1 lit. b Z. 25 GewO 1973 in der weiteren Betriebsstätte in I, T-Straße 5, nicht erstattet wurde, da mit Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom 8. Februar 1990, Zl. IIa-50.009/2-90 rechtskräftig festgestellt wurde, daß der Gewerbeausübung in der gegenständlichen Betriebsstätte mangels Vorliegen der gewerberechtlichen Betriebsanlagengenehmigung ein Hindernis im Sinne des § 15 Abs. 2 GewO 1973 entgegensteht, und dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 368 Z. 1 Pkt. 13 in Verbindung mit § 46 Abs. 3 sowie § 370 Abs. 2 GewO 1973 begangen", weshalb über ihn gemäß § 368 Einleitungssatz leg. cit. eine Geldstrafe in Höhe von S 15.000,-- im Falle der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 14 Tagen verhängt werde, als unbegründet abgewiesen, jedoch der Spruch des Straferkenntnisses dahin geändert, daß der Beschwerdeführer die Verwaltungsübertretung als gewerberechtlicher Geschäftsführer der "X" Handelsgesellschaft AG & Co KG zu verantworten habe.

Die Behandlung der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde wurde vom Verfassungsgerichtshof mit Beschluß vom 15. März 1993, B 1818/92 abgelehnt und die Beschwerde gemäß Art. 144 Abs. 3 BVG dem Verwaltungsgerichtshof abgetreten.

Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid im Recht, "nur bei Vorliegen eines Straftatbestandes und nur nach Abfuhr und Durchführung eines mängelfreien Verfahrens durch die zuständige Behörde unter Einhaltung der Verfahrensgarantien insbesondere in einer mündlichen Verhandlung mit Erörterung der Rechtssache sowie Zubilligung der Möglichkeit, Fragen an Zeugen zu stellen sowie unter Einhaltung der sonstigen gesetzlichen Voraussetzungen für ein mängelfreies Verfahren bestraft zu werden", verletzt. Er bringt in Ausführung dieses Beschwerdepunktes im wesentlichen vor, die belangte Behörde habe "keine wie immer gearteten Feststellungen" darüber getroffen, ob hinsichtlich der Anzeige der Gewerbeausübung an einem weiteren Standort ein vom Beschwerdeführer durch ein Organisationsverschulden zu verantwortender Irrtum eines Angestellten der Rechtsabteilung vorliege, dem die Weisung erteilt worden sei, die Anzeige vorzunehmen. Aus dem festgestellten Sachverhalt sei nicht ersichtlich, ob und inwieweit es dem Beschwerdeführer hätte auffallen müssen, daß die von ihm erteilte Weisung nicht befolgt worden sei. Aus diesem Grunde sei aus dem festgestellten Sachverhalt die Verwirklichung eines Straftatbestandes nicht abzuleiten. Der angefochtene Bescheid sei weiters rechtswidrig, da der erstinstanzliche Bescheid dem Beschwerdeführer als gewerberechtlichen Geschäftsführer der

"X Handelsgesellschaft m.b.H. AG & Co KG" mit dem Sitz in D bestraft habe, die belangte Behörde den Beschwerdeführer jedoch ohne weitere Parteieneinvernahme sowie Gelegenheit zur Stellungnahme oder gar Abführung einer Verhandlung als Vertreter einer anderen Rechtsperson, nämlich der

"X Handelsgesellschaft AG & Co KG" herangezogen habe, obwohl er mit Recht darauf hingewiesen hätte, daß er weder handels- noch gewerberechtlicher Geschäftsführer jener Gesellschaft sei, als deren Geschäftsführer er durch die Behörde erster Instanz bestraft worden wäre. Die falsche Angabe der angeblich die Anzeige unterlassenden Gesellschaft im Spruchteil sei "nicht berichtigungsfähig und kein offensichtlicher Schreibfehler". Durch die Heranziehung des Beschwerdeführers als Geschäftsführer einer die Anzeigepflicht jedenfalls nicht verletzenden Gesellschaft sei es ihm allerdings "nicht zumutbar" gewesen, in der Berufung "über die Aufklärung dieses Sachverhaltes hinaus" alle sonstigen Einwendungen vorzubringen, die möglich gewesen wären. Es erweise sich daher die Verletzung des Parteiengehörs - insbesondere auch im Zusammenhang mit der Unterlassung der Anberaumung einer Verhandlung, die eine gründliche Erörterung des Sachverhaltes hinderte - als "besonders verwerflich". Die belangte Behörde hätte im Rahmen einer Verhandlung auch dem Beschwerdeführer Gelegenheit geben müssen, allenfalls ihr nicht ausreichend erscheinende Angaben über den Sachverhaltshergang zu machen. Hätte die belangte Behörde daher eine Verhandlung anberaumt oder weitere Beweisaufnahmen durchgeführt, so hätte sie feststellen können, daß der beim Beschwerdeführer angestellte Mag. C ein langjähriger Mitarbeiter, verläßlicher Jurist und Beauftragter sei, daß diesem die Weisung zur Anzeige der Gewerbeausübung gegeben worden und dieser über Meldung und Rückfrage mitgeteilt habe, daß die Anzeige erstattet worden sei und daß deshalb für den Beschwerdeführer keine weitere Veranlassung dazu bestanden habe, daran zu zweifeln, daß die Anzeige erstattet worden sei. Die belangte Behörde hätte eine mündliche Verhandlung anzuberaumen gehabt, da die Voraussetzungen des § 51e Abs. 2 VStG nicht vorgelegen seien. Es sei nämlich der Sachverhalt bestritten und nicht nur ausdrücklich eine unrichtige rechtliche Beurteilung geltend gemacht worden. Insbesondere sei auch Schuldlosigkeit des Beschwerdeführers zufolge eines von ihm nicht vorhergesehenen und nicht zu vertretenden Fehlers seines Angestellten vorgebracht worden. Jedenfalls habe der Beschwerdeführer durch "Anlage eines Fristenbuches und entsprechende Kontrollsysteme vorgesorgt, daß entsprechende Rechtspflichten" nicht verletzt würden. Da eine Vollzugsmeldung erfolgt sei, sei der Termin für die Anmeldung ausgestrichen worden. Schließlich verletze der angefochtene Bescheid auch § 44a VStG, da die Strafnorm nicht ausreichend determiniert sei. § 368 GewO Einleitungssatz spezifiziere das Delikt nicht in einer derart konkreten Weise, daß eine theoretische Doppelbestrafung ausgeschlossen wäre, zumal diese Norm 41 ähnliche Straftatbestände enthalte.

Dieses Vorbringen ist nicht geeignet, die Beschwerde zum Erfolg zu führen:

Zunächst ist festzuhalten, daß der Umstand, wonach in der Zeit vom 12. Juni 1991 bis zum 14. August 1991 die in Rede stehende Anzeige gemäß § 46 Abs. 3 GewO 1973 - in der im Zeitpunkt der Bescheiderlassung maßgeblichen Fassung vor der Gewerberechtsnovelle 1992, BGBl. Nr. 29/1993 - nicht erfolgt ist, in der Beschwerde nicht bestritten wird und sich auch aus der Aktenlage kein Anhaltspunkt für die gegenteilige Annahme ergibt. Es geht daher im vorliegenden Fall ausschließlich darum, ob die belangte Behörde für diese Unterlassung zu Recht den Beschwerdeführer verwaltungsstrafrechtlich zur Verantwortung ziehen durfte.

Was zunächst den Vorwurf des Beschwerdeführers anlangt, die belangte Behörde habe "die falsche Angabe der angeblich die Anzeige unterlassenden Gesellschaft" rechtswidrigerweise berichtigt, so folgt aus der Ermächtigung der Berufungsbehörde gemäß § 66 Abs. 4 AVG, den angefochtenen Bescheid - im Rahmen "der Sache" - nach jeder Richtung abzuändern, auch die Befugnis, den fehlerhaften Spruch eines erstinstanzlichen Straferkenntnisses im Sinne des § 62 Abs. 4 AVG richtigzustellen. Wenn daher die Strafbehörde erster Instanz den Beschwerdeführer in ihrem Straferkenntnis - anders als noch in der Aufforderung zur Rechtfertigung - als gewerberechtlichen Geschäftsführer der "X" Handelsges.m.b.H. AG & Co KG" statt richtig der "X" Handelsgesellschaft AG & Co KG" bezeichnete, so ist bei verständiger Betrachtung - auch vom Beschwerdeführer wurde die Existenz einer "X Handelsges.m.b.H. AG & Co KG" nicht behauptet - eindeutig und auch für den Beschwerdeführer ohne weiteres erkennbar, daß es sich bei der unzutreffenden Unternehmensbezeichnung um einen bloßen Schreibfehler handelte, der von der belangten Behörde - ohne ihre durch die Sache im Sinne des § 66 Abs. 4 AVG umschriebene Entscheidungsbefugnis zu überschreiten - berichtigt werden konnte. Daß vor einer entsprechenden Berichtigung Parteiengehör gewährt werden müsse, hat der Verwaltungsgerichtshof bereits wiederholt verneint (vgl. dazu die bei Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens" (1990) 476 referierte hg. Judikatur). Schließlich sei noch bemerkt, daß sich aus dem, vom Beschwerdeführer zur Stützung seines Beschwerdevorbringens, der genannte Fehler sei nicht berichtigungsfähig, zitierten hg. Erkenntnis vom 9. Juni 1989, Zl. 88/17/0030 für den Standpunkt des Beschwerdeführers nichts gewinnen läßt. Dieses Erkenntnis betraf nämlich den Fall, daß die Berufungsbehörde aus einem offenkundigen Versehen die Tatzeit unrichtig angegeben und - gerade weil eine Berichtigung dieses Fehlers nicht erfolgt - ihren Bescheid wegen des Widerspruches zur wahren Tatzeit mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet hatte. Es sei nämlich der Umstand, daß bei der Angabe der Tatzeit ein Schreibfehler unterlaufen sein mag, bei der Prüfung der Voraussetzungen für die Zulässigkeit der Erlassung eines Berichtigungsbescheides von Relevanz, es vermöge dieser Umstand jedoch keine berichtigende Auslegung des Schuldspruches zu Lasten des Beschwerdeführers zu bewirken.

Soweit der Beschwerdeführer weiters rügt, die belangte Behörde habe keinerlei Feststellungen darüber getroffen "ob hinsichtlich der Anzeige der Gewerbeausübung an einem weiteren Standort ein von ihm durch ein Organisationsverschulden zu verantwortender Irrtum eines Angestellten der Rechtsabteilung vorliegt, dem die Weisung erteilt worden ist, die Anzeige vorzunehmen", ist zunächst auf § 368 Z. 1 Pkt. 13 GewO 1973 hinzuweisen, wonach eine Verwaltungsübertretung, die mit einer Geldstrafe bis zu S 15.000,-- zu bestrafen ist, begeht, wer die Anzeige gemäß § 46 Abs. 3 leg. cit. über die Ausübung eines Anmeldegewerbes in einer weiteren Betriebsstätte nicht erstattet hat. Da es sich bei der Verwaltungsübertretung nach § 368 Z. 1 Pkt. 13 GewO 1973 somit um ein Ungehorsamsdelikt handelt, würde den Beschwerdeführer (als gewerberechtlichen Geschäftsführer des in Rede stehenden Unternehmens) gemäß § 5 Abs. 1 VStG nur dann kein Verschulden an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift treffen, wenn er seiner Überwachungspflicht gegenüber der Person, die er mit einem bestimmten Auftrag betraut hat, nachgekommen wäre. Die bloße Erteilung von Weisungen reicht dafür freilich nicht aus; vielmehr muß auch eine angemessene Kontrolle hinzutreten (vgl. dazu die bei Ringhofer, Die österreichischen Verwaltungsverfahrensgesetze II (1992) zu § 5 Abs. 1 VStG referierte hg. Judikatur). Daß aber im vorliegenden Fall eine wirksame Kontrolle der erteilten Weisung, "ein fristgerechtes Anmelden von Gewerbeausübungen zu gewährleisten", erfolgte, hat der Beschwerdeführer - nach Ausweis der vorgelegten Verwaltungsakten - im Verwaltungsverfahren nicht einmal konkret behauptet, obwohl es bei Ungehorsamsdelikten im Grunde des § 5 Abs. 1 VStG Sache des Beschuldigten ist, initiativ alles darzulegen, was für seine Entlastung spricht. Inwieweit dem Beschwerdeführer dies bei der gegebenen Sach- und Rechtslage "nicht zumutbar" gewesen sein sollte, vermag der Verwaltungsgerichtshof nicht zu erkennen. Soweit der Beschwerdeführer ein entsprechendes Vorbringen im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof nachzuholen versucht, fällt er damit jedoch unter das Neuerungsverbot des § 41 Abs. 1 VwGG.

Damit erweist sich allerdings auch der vom Beschwerdeführer gerügte Mangel des Unterbleibens der öffentlichen mündlichen Verhandlung - selbst wenn er gegeben wäre - als nicht verfahrensrelevant. Denn auch ein rechtswidriges Unterbleiben der öffentlichen mündlichen Verhandlung über die Berufung muß nicht jedenfalls die Aufhebung des Berufungsbescheides nach sich ziehen, sondern es ist auch hiefür die Relevanz im Sinne des § 42 Abs. 2 Z. 3 VwGG maßgeblich (vgl. z.B. die hg. Erkenntnisse vom 18. September 1991, Zl. 91/03/0165 sowie vom 21. Oktober 1992, Zl. 92/02/0192).

Da schließlich § 368 Einleitungssatz GewO 1973 - im Gegensatz zu den Beschwerdeausführungen - von der belangten Behörde nicht als Übertretungs-, sondern als Strafnorm herangezogen wurde, trifft auch der Vorwurf einer Verletzung des § 44a VStG nicht zu.

Die sich sohin als unbegründet erweisende Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung

BGBl. Nr. 416/1994, insbesondere deren Art. III Abs. 2.

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