VwGH 92/18/0169

VwGH92/18/016929.6.1992

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Stoll und Dr. Sauberer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des H in K, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom 20. März 1992, Zl. 5-212 We 29/5-91, betreffend Übertretungen des Arbeitszeitgesetzes und des Arbeitsruhegesetzes, zu Recht erkannt:

Normen

ARG 1984 §3 Abs1;
ARG 1984 §6 Abs1;
ARG 1984 §6 Abs4;
AVG §45 Abs2;
AVG §46;
AVG §59 Abs1;
AVG §66 Abs4;
AZG §11 Abs1;
AZG §12 Abs1;
AZG §14 Abs1;
AZG §16 Abs2;
AZG §2 Abs1 Z1;
AZG §2 Abs1;
AZG §20 Abs1;
AZG §5 Abs1;
AZG §6 Abs1;
AZG §6 Abs5;
AZG §7 Abs2;
VStG §44a lita;
VStG §44a litb;
VStG §64 Abs1;
VStG §64 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;
ARG 1984 §3 Abs1;
ARG 1984 §6 Abs1;
ARG 1984 §6 Abs4;
AVG §45 Abs2;
AVG §46;
AVG §59 Abs1;
AVG §66 Abs4;
AZG §11 Abs1;
AZG §12 Abs1;
AZG §14 Abs1;
AZG §16 Abs2;
AZG §2 Abs1 Z1;
AZG §2 Abs1;
AZG §20 Abs1;
AZG §5 Abs1;
AZG §6 Abs1;
AZG §6 Abs5;
AZG §7 Abs2;
VStG §44a lita;
VStG §44a litb;
VStG §64 Abs1;
VStG §64 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird im Punkt 5 des Schuldspruches zur Gänze (einschließlich des Strafausspruches und der Vorschreibung von Kosten des Strafverfahrens) sowie im Punkt 4 hinsichtlich der Bestätigung des erstinstanzlichen Straferkenntnisses im Ausspruch über die Kosten des erstinstanzlichen Strafverfahrens jeweils wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Im übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.570,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft vom 23. April 1991 wurde der Beschwerdeführer für schuldig befunden, er habe als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit als zur Vertretung nach außen berufenes Organ einer näher angeführten GesmbH. nicht dafür gesorgt, daß, wie anläßlich einer Arbeitszeiterhebung für den Monat April 1989 festgestellt worden sei, in Hinsicht auf in diesem Unternehmen beschäftigte, drei namentlich angeführte Kraftfahrer "an den in der beiliegenden Aufstellung angeführten Tagen" (diese Aufstellung enthält eine entsprechende, aufgeschlüsselte Tabelle samt Erläuterung) 1. die täglich zulässige Einsatzzeit von 12 Stunden und 2. die wöchentlich zulässige Arbeitzeit von 60 Stunden nicht überschritten sowie 3. die ununterbrochene Ruhezeit von mindestens 11 Stunden, 4. die ununterbrochene Wochenendruhezeit von mindestens 36 Stunden und 5. die Ersatzruhe gewährt werde. Der Beschwerdeführer habe dadurch jeweils in Verbindung mit § 9 Abs. 1 VStG 1950 Verwaltungsübertretungen, und zwar zu 1. vier nach § 16 Abs. 2 Arbeitszeitgesetz (AZG), 2. drei nach § 7 Abs. 2 erster Satz i. V.m. § 5 Abs. 1 AZG, 3. drei nach § 12 Abs. 1 AZG, 4. eine nach § 3 Abs. 1 Arbeitsruhegesetz (ARG) und 5. eine nach § 6 Abs. 1 i.V.m. Abs. 4 ARG begangen. Es wurden zwölf Geldstrafen zu je S 3.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe je 3 Tage) verhängt. Weiters wurde dem Beschwerdeführer ein Verfahrenskostenbeitrag in der Höhe von insgesamt S 3.600,-- vorgeschrieben.

Der dagegen vom Beschwerdeführer erhobenen Berufung gab die belangte Behörde teilweise insoweit Folge, als sie u.a. die Strafen in den Punkten 4. und 5. auf je S 1.500,-- (Ersatzfreiheitsstrafe je 2 1/2 Tage) herabsetzte und die als erwiesen angenommene Übertretung im Punkt 5. dem § 6 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 5 AZG unterstellte.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof. Dieser hat erwogen:

Was zunächst die Rechtsansicht des Beschwerdeführers anlangt, für die Erledigung der vorliegenden Berufung sei (bereits) der unabhängige Verwaltungssenat - und nicht die belangte Behörde - zuständig gewesen, so genügt es für die Unhaltbarkeit dieser Ansicht gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG auf das hg. Erkenntnis vom 25. September 1991, Zl. 91/02/0078, Bezug zu nehmen, zumal die erste Verfolgungshandlung gegen den Beschwerdeführer vor dem 1. Jänner 1991 vorgenommen worden war.

Weiters sei zu einem diesbezüglichen Beschwerdevorbringen darauf verwiesen, daß der Verwaltungsgerichtshof aus der Sicht des vorliegenden Beschwerdefalles gegen die präjudiziellen Vorschriften keine verfassungsrechtlichen Bedenken hegt; er sieht sich daher auch nicht veranlaßt, einen diesbezüglichen Antrag gemäß Art. 140 Abs. 1 B-VG an den Verfassungsgerichtshof zu stellen.

Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers kann von einem Verstoß gegen die Vorschrift des § 44a (lit. a) VStG 1950 nicht etwa deshalb die Rede sein, weil die (im Instanzenzug aufrechterhaltene) Tatanlastung teilweise aus einer - einen Bestandteil des Spruches bildenden - dem Straferkenntnis der Behörde erster Instanz "beiliegenden Aufstellung" ersichtlich ist. Gegen eine solche Vorgangsweise bestehen nämlich, sofern - wie im vorliegenden Beschwerdefall - der Inhalt des Spruches trotzdem eindeutig ist, keine Bedenken (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 24. Mai 1989, Zl. 88/03/0135). Entgegen der Meinung des Beschwerdeführers gehen daraus insbesondere die Tatzeiten der einzelnen Übertretungen mit der erforderlichen Klarheit hervor. Daß die einen weiteren Arbeitnehmer betreffenden Angaben in der Aufstellung nicht Gegenstand des Schuldspruches sind, ergibt sich daraus, daß dieser Arbeitnehmer im Spruch des Straferkenntnisses nicht namentlich genannt wurde. Ob diese Aufstellung von der Behörde selbst verfaßt wurde, ist rechtlich unerheblich. Der Hinweis des Beschwerdeführers auf das hg. Erkenntnis vom 31. Jänner 1984, Slg. Nr. 11 313/A, geht fehl, weil dort von einem (allgemeinen) Verweis die Rede ist, der den Bescheidspruch deshalb als rechtswidrig erscheinen ließ, weil dieser dadurch der Vollziehung nicht zugänglich war.

Auch vermag der Verwaltungsgerichtshof die Auslegung des Spruches der angefochtenen Bescheides durch den Beschwerdeführer, damit seien die Punkte 1 bis 3 des erstinstanzlichen Bescheides "nicht bestätigt" worden, nicht nachzuvollziehen, geht doch aus dem erwähnten Spruch klar hervor, daß der Berufung "teilweise" Folge gegeben wird. Im übrigen entspricht es der ständigen hg. Rechtsprechung, daß es nicht erforderlich ist, bei (teilweiser) Bestätigung des erstinstanzlichen Bescheides durch die Berufungsbehörde im Berufungsbescheid alle keiner Abänderung unterliegenden Spruchelemente zu wiederholen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. Juli 1991, Zl. 91/19/0118). Was die Kosten des Strafverfahrens in zweiter Instanz anlangt, so entspricht die Vorschreibung im angefochtenen Bescheid von jeweils S 300,-- in den Punkten 1., 2. und 3. - in welchen der Berufung nicht Folge gegeben wurde - dem Gesetz (vgl. § 64 Abs. 1 und 2 VStG 1950). In Hinsicht auf die Kosten des Strafverfahrens erster Instanz zu den Punkten 4. und 5. wird auf die unten stehenden Ausführungen verwiesen; daß dem Beschwerdeführer zu diesen Punkten Kosten des Berufungsverfahrens vorgeschrieben worden wären, ist nicht erkennbar.

Allerdings ist der Beschwerdeführer mit seinem Vorbringen im Recht, die ihm unter Punkt 5. des Schuldspruches (Nichtgewährung der "Ersatzruhe") vorgeworfene Tat sei zu Unrecht dem § 6 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 5 "Arbeitszeitgesetz" unterstellt worden; vielmehr finden sich die diesbezüglichen Vorschriften im ARG. Somit war der angefochtene Bescheid, soweit er Punkt 5. des Schuldspruches betrifft, gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG einschließlich des damit im Zusammenhang stehenden Strafausspruches samt der Vorschreibung von Verfahrenskosten wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Im übrigen - sohin zu den Punkten 1. bis 4. - ist die Beschwerde in Hinsicht auf den Schuldspruch nicht berechtigt:

Was die vom Beschwerdeführer ins Treffen geführten "Ruhepausen" anlangt, so wurde in der Berufung gegen das erstinstanzliche Straferkenntnis insoweit im wesentlichen ausgeführt, den Chauffeuren stünden zwischen den Fahrten "freie Zeiten" zur Verfügung, wobei sie sich in den "Chauffeurzimmern" aufhalten könnten. Es sei ihnen daher möglich, sich während dieser freien Zeiten zwischen Fahrten oder in den Zeiten, in denen die Fahrgäste Besprechungen hätten, zu erholen und auszuruhen. Diese Zeiten, in denen sich die Chauffeure in den Chauffeurzimmern aufhielten, seien Ruhepausen in Sinne des § 11 AZG, die grundsätzlich nicht zur Arbeitzeit zählen würden.

Dem vermag sich der Verwaltungsgerichtshof nicht anzuschließen. Die Einordnung als "Ruhepausen" im Sinne des § 11 Abs. 1 und damit auch im Sinne des § 2 Abs. 1 Z. 1 AZG kam schon deshalb nicht in Betracht, weil diese Zeiten nicht von vornherein festgelegt sind (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. September 1990, Zl. 90/19/0245). Zu Recht hat die belangte Behörde zu diesem Vorbringen des Beschwerdeführers darauf verwiesen, daß es sich bei diesen, vom Beschwerdeführer als "freie" bezeichnete Zeiten um "Arbeitsbereitschaft" (und nicht etwa um "Rufbereitschaft") handelt (vgl. näher zu diesen beiden Begriffen das hg. Erkenntnis vom 2. Dezember 1991,

Zlen. 91/19/0248, 0249, 0250), die zur Arbeitszeit zählt; selbst in der Beschwerde wird nicht die Behauptung aufgestellt, daß die Arbeitnehmer den Ort des Bereitseins selbst wählen konnten, was für die Einordnung als Rufbereitschaft, die nicht zur Arbeitzeit zählt, jedenfalls Voraussetzung gewesen wäre (vgl. das soeben zitierte hg. Erkenntnis). Damit aber geht die von einer verfehlten Rechtsansicht des Beschwerdeführers in diesem Zusammenhang vorgetragene Verfahrensrüge ins Leere. Schließlich sei hiezu bemerkt, daß es der belangten Behörde entsprechend dem im § 46 AVG 1950 festgelegten Grundsatz der Unbeschränktheit der Beweismittel offenstand, die Anzeige des Arbeitsinspektorates als Beweismittel für die Verwirklichung des objektiven Tatbestandes heranzuziehen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 12. Juni 1992, Zl. 92/18/0135).

Aber auch die Anwendbarkeit des § 20 Abs. 1 AZG hat die belangte Behörde zu Recht verneint: Außergewöhnliche Fälle im Sinne dieser Gesetzesstelle sind nach der hg. Rechtsprechung (vgl. das zitierte Erkenntnis vom 24. September 1990, Zl. 90/19/0245) Ereignisse, die außerhalb des gewöhnlichen Betriebsablaufes liegen und nur nach strengsten Maßstäben zu einer vorübergehenden Durchbrechung der gesetzlichen Schutzvorschriften berechtigen können; die das Erfordernis der Mehrarbeit bedingenden Umstände dürfen weder regelmäßig noch vorhersehbar sein. Für das Vorliegen dieser Voraussetzungen bot das Verwaltungsverfahren allerdings keinen Anhaltspunkt, selbst in der Beschwerde werden Beispiele aufgezählt, die nicht erkennen lassen, daß es sich hiebei um Ereignisse handle, die "außerhalb des gewöhnlichen Betriebsablaufes" lägen. So muß bei den heutigen Gegebenheiten durchaus mit Verspätungen im Flugverkehr gerechnet werden.

Was die Behauptung des Beschwerdeführers anlangt, das Arbeitsinspektorat hätte ihm "keine durchführbare Maßnahme" zur Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen nennen können, so genügt der Hinweis, daß es Aufgabe des Beschwerdeführers war, von sich aus Maßnahmen zu setzen, die die Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen mit gutem Grund erwarten lassen.

Schließlich kann der Behauptung des Beschwerdeführers, das Recht auf Parteiengehör sei verletzt worden, schon deshalb kein Erfolg beschieden sein, weil er es unterläßt, eine Relevanz dieses behaupteten Verfahrensmangels darzutun.

Die Schuldsprüche zu den Punkten 1. bis 4. samt den bezüglichen Strafansprüchen sind daher frei von Rechtsirrtum.

Zu Recht rügt der Beschwerdeführer aber in Hinsicht auf die Vorschreibung von Kosten des Strafverfahrens, daß die belangte Behörde im Hinblick auf die Herabsetzung der Strafen zu den Punkten 4. und 5. auch die diesbezüglichen Verfahrenskostenbeiträge für das Verfahren erster Instanz herabzusetzen gehabt hätte (vgl. das vom Beschwerdeführer zitierte hg. Erkenntnis vom 27. April 1988, Zl. 87/03/0126), was die belangte Behörde allerdings unterlassen hat. Dies führt - da Punkt 5. entsprechend den obigen Ausführungen zur Gänze, sohin einschließlich des Strafanspruches und der Vorschreibung von Verfahrenskosten, aufzuheben ist - gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG zur weiteren Aufhebung des angefochtenen Bescheides in Punkt 4. in Hinsicht auf die im Instanzenzug aufrechterhaltene Vorschreibung von Kosten des Strafverfahrens erster Instanz wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes.

Von der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG Abstand genommen werden.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

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