VwGH 92/11/0294

VwGH92/11/029417.2.1994

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Waldner und Dr. Graf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Lenhart, über die Beschwerde des A in W, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 22. Oktober 1992, Zl. MA 64-8/23/92, betreffend Entziehung der Lenkerberechtigung, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §37;
AVG §38;
AVG §52;
KFG 1967 §66 Abs2 lite;
KFG 1967 §66 Abs3 lita;
MEG 1950 §13 Abs2 Z8;
MEG 1950 §15 Abs2;
MEG 1950 §38 Abs2;
StVO 1960 §5 Abs1;
StVO 1960 §5 Abs4 lita;
StVO 1960 §5 Abs4 litb idF 1986/105;
StVO 1960 §5 Abs7 lita;
StVO 1960 §99 Abs1 lita;
StVO 1960 §99 Abs1;
StVONov 13te;
VStG §31 Abs1;
VStG §31 Abs3;
VStG §32 Abs2;
VStG §44a Z1;
AVG §37;
AVG §38;
AVG §52;
KFG 1967 §66 Abs2 lite;
KFG 1967 §66 Abs3 lita;
MEG 1950 §13 Abs2 Z8;
MEG 1950 §15 Abs2;
MEG 1950 §38 Abs2;
StVO 1960 §5 Abs1;
StVO 1960 §5 Abs4 lita;
StVO 1960 §5 Abs4 litb idF 1986/105;
StVO 1960 §5 Abs7 lita;
StVO 1960 §99 Abs1 lita;
StVO 1960 §99 Abs1;
StVONov 13te;
VStG §31 Abs1;
VStG §31 Abs3;
VStG §32 Abs2;
VStG §44a Z1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1.1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Landeshauptmannes von Wien (der belangten Behörde) vom 22. Oktober 1992 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 73 Abs. 1 KFG 1967 die Lenkerberechtigung für Kraftfahrzeuge der Gruppe B entzogen und gemäß § 73 Abs. 2 leg. cit. ausgesprochen, daß ihm für die Dauer von zwei Jahren, gerechnet vom Tag der vorläufigen Abnahme des Führerscheines am 14. Dezember 1990 (somit bis 14. Dezember 1992), keine neue Lenkerberechtigung erteilt werden darf. Ferner wurde sein Antrag auf Erteilung der Lenkerberechtigung vom 27. November 1991 abgewiesen.

1.2. In der Begründung dieses Bescheides führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer sei mit Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Wien vom 2. Dezember 1986 wegen einer am 30. August 1986 begangenen Übertretung nach § 99 Abs. 1 lit. b in Verbindung mit § 5 Abs. 4 StVO 1960 rechtskräftig bestraft worden.

Am 14. Dezember 1990 um 20.22 Uhr habe er ein Kraftfahrzeug gelenkt. Bei einer ca. 20 Minuten später durchgeführten Untersuchung der Atemluft mittels Alkomat sei ein Atemluftgehalt von 0,4 mg/l festgestellt worden. Das diesbezügliche Verwaltungsstrafverfahren sei zwar wegen Verjährung infolge nicht rechtzeitiger Anlastung der korrekten Tatzeit gemäß § 45 Abs. 1 Z. 3 VStG eingestellt worden, doch sei davon auszugehen, daß der Beschwerdeführer damals eine Verwaltungsübertretung nach § 99 Abs. 1 StVO 1960 begangen habe, weil der Zustand einer Person bei einem Alkoholgehalt der Atemluft von 0,4 mg/l oder darüber als von Alkohol beeinträchtigt gelte. Nach dem Protokoll zur Atemluftuntersuchung habe der Beschwerdeführer angegeben, um etwa 19.00 Uhr den letzten Alkohol (eine Flasche Bier) zu sich genommen zu haben. Diese unmittelbar bei der Untersuchung getätigten Angaben seien glaubwürdiger als die im späteren Verfahren abgegebene Verantwortung, wonach er unmittelbar vor Antritt der Fahrt noch alkoholische Getränke zu sich genommen habe. Es sei somit davon auszugehen, daß die gesamte Alkoholmenge zum Zeitpunkt des Lenkens mehr als eine Stunde später bereits resorbiert gewesen sei. Weiters sei zu berücksichtigen, daß der Beschwerdeführer in der Zeit zwischen dem letzten Lenken und der Messung bereits Alkohol abgebaut habe, sodaß zur Tatzeit sein Atemalkoholgehalt mehr als 0,4 mg/l betragen habe. Der Alkomat sei zur Tatzeit ordnungsgemäß geeicht gewesen. Die Messung sei den Vorschriften entsprechend durchgeführt worden. Im Hinblick auf das Ergebnis der Atemluftuntersuchung seien Ermittlungen über die vom Beschwerdeführer behauptete Trinkmenge sowie die Einholung eines ärztlichen Sachverständigengutachtens entbehrlich. Der Beschwerdeführer habe sich zum Zeitpunkt des Lenkens in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befunden, weshalb er eine Verwaltungsübertretung gemäß § 99 Abs. 1 lit. a in Verbindung mit § 5 Abs. 1 StVO 1960 begangen habe.

Mit dem Lenken eines Kraftfahrzeuges im Zusammenhang stehende Alkoholdelikte seien als verwerflich und gefährlich zu werten. Seit der Begehung der letzten Übertretung sei noch keine so lange Zeit verstrichen, daß auf eine Änderung der Sinnesart des Beschwerdeführers geschlossen werden könne. Aus dem Verhalten des Beschwerdeführers müsse auf eine gefährliche Neigung zur Begehung von Alkoholdelikten geschlossen werden. Mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom 10. September 1986 sei ihm seinerzeit die Lenkerberechtigung für die Dauer von 18 Monaten vorübergehend entzogen worden. Nunmehr müsse eine Entziehungszeit von 2 Jahren als Minimum des Erforderlichen angesehen werden, da frühestens nach Ablauf dieser Frist aus einem bis dahin gezeigten Wohlverhalten auf eine entsprechende Änderung der Sinnesart des Beschwerdeführers geschlossen werden könne.

2. Gegen diesen Bescheid, und zwar, wie sich aus der Formulierung des Beschwerdepunktes ergibt, nur gegen die Entziehung der Lenkerberechtigung, nicht aber gegen die Abweisung des Antrages auf Erteilung der Lenkerberechtigung, richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:

3. Der Beschwerdeführer meint, infolge Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens stehe fest, daß er die ihm zur Last gelegte Verwaltungsübertretung nicht begangen habe.

Dem Beschwerdeführer ist diesbezüglich zu erwidern, daß sich aus der Einstellung des Verfahrens durch den Berufungsbescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 11. November 1991 wegen Verfolgungsverjährung infolge nicht rechtzeitiger Anlastung der korrekten Tatzeit bloß ergibt, daß er wegen der ihm zur Last gelegten Übertretung nicht bestraft wurde, nicht aber, daß er die Übertretung nicht begangen habe.

4. Der Beschwerdeführer vertritt weiters die Auffassung, § 66 Abs. 2 lit. e KFG 1967 verweise auf § 99 Abs. 1 StVO 1960, somit auf eine Strafbestimmung. Die Anwendung des § 66 Abs. 2 lit. e KFG 1967 setze daher voraus, daß der Betreffende nach der Bestimmung des § 99 Abs. 1 StVO 1960 rechtskräftig bestraft worden sei.

Diesen Ausführungen ist entgegenzuhalten, daß nach dem klaren Wortlaut des § 66 Abs. 2 lit. e KFG 1967 die Begehung einer Übertretung nach § 99 Abs. 1 StVO 1960 zur Erfüllung des Tatbestandes genügt, eine rechtskräftige Bestrafung daher nicht erforderlich ist. Eine rechtskräftige Bestrafung hätte zur Folge, daß die Begehung der Übertretung bindend feststünde und der Kraftfahrbehörde eine selbständige Beurteilung der Vorfrage, ob eine Übertretung nach § 99 Abs. 1 StVO 1960 vorliegt, verwehrt wäre. Liegt eine rechtskräfige Bestrafung jedoch - wie im Beschwerdefall - nicht vor, hat die Kraftfahrbehörde selbständig zu beurteilen, ob der Betreffende eine Übertretung des § 99 Abs. 1 StVO 1960 begangen hat (siehe die bei Grundtner/Stratil, KFG4 unter E.Nr. 42 zu § 66 KFG zitierte hg. Rechtsprechung).

Die Tatsache, daß die Kraftfahrbehörde bei Vorliegen der in § 38 AVG genannten Voraussetzungen berechtigt ist, das Verfahren bis zur rechtskräftigen Beendigung eines Verwaltungsstrafverfahrens betreffend eine Übertretung nach § 99 Abs. 1 StVO 1960 auszusetzen, steht damit nicht im Widerspruch, hat doch ein rechtskräftiges verurteilendes Straferkenntnis - wie bereits erwähnt - bindende Wirkung für die Kraftfahrbehörde.

Auch die im § 66 Abs. 3 lit. a KFG 1967 enthaltene Regelung, unter welchen Voraussetzungen strafbare Handlungen nicht als bestimmte Tatsachen im Sinne des Abs. 1 gelten, läßt im Gegensatz zur Auffassung des Beschwerdeführers nicht den Schluß zu, daß strafbare Handlungen nur dann als bestimmte Tatsachen gelten können, wenn eine rechtskräftige Bestrafung erfolgt ist.

5. Der Beschwerdeführer bekämpft die Annahme der belangten Behörde, er habe am 14. Dezember 1990 zuletzt um 19.00 Uhr alkoholische Getränke zu sich genommen.

Die diesbezüglichen Ausführungen können der Beschwerde nicht zum Erfolg verhelfen, und zwar einerseits deshalb, weil die Beweiswürdigung der belangten Behörde, wonach die Angaben des Beschwerdeführers anläßlich der Vornahme der Atemluftuntersuchung glaubwürdiger seien als seine zu späteren Zeitpunkten im Verfahren abgegebenen Erklärungen, nicht unschlüssig ist und andererseits die Behörde auch unter Zugrundelegung seiner in der Beschwerde wiederholten Behauptung, "unmittelbar vor Antritt der Fahrt die letzten Reste eines Bieres getrunken" zu haben, zu keinem für ihn günstigeren Ergebnis gelangt wäre. Sie hätte nämlich selbst dann, wenn im Zeitpunkt des Lenkens der vom Beschwerdeführer vor Antritt der Fahrt genossene Alkohol noch nicht einen Alkoholgehalt der Atemluft von 0,4 mg/l bewirkt haben sollte, im Hinblick auf die nachteilige Auswirkung der Anflutungsphase davon ausgehen müssen, daß der Beschwerdeführer in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand ein Kraftfahrzeug gelenkt habe (vgl. das hg. Erkenntnis vom 15. Dezember 1993, Zl. 93/03/0067, mit weiterem Judikaturhinweis). Der Einholung eines ärztlichen Sachverständigengutachtens bedurfte es aus diesen Gründen nicht, weshalb der in diesem Zusammenhang vom Beschwerdeführer gerügte Verfahrensmangel nicht vorliegt.

6. Ebensowenig bedurfte es der Einholung eines Eichgutachtens. Die vom Beschwerdeführer zugestandene Tatsache, daß das Eichgutachten vom 7. Juni 1990 stammt, läßt die Notwendigkeit der Einholung eines neuerlichen Gutachtens nicht erkennen. Gemäß § 13 Abs. 2 Z. 8 des Maß- und Eichgesetzes in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 742/1988 unterliegen Meßgeräte zur Bestimmung des Gehaltes von Alkohol in der Atemluft der Eichpflicht, wobei die Nacheichfrist gemäß § 15 Z. 2 leg. cit. zwei Jahre beträgt. Nach § 38 Abs. 2 leg. cit. sind zur Eichung nur Meßgeräte zuzulassen, deren physikalische Grundlage und technische Ausführung die Richtigkeit und Zuverlässigkeit dieser Meßgeräte mindestens für die Dauer der für sie festgelegten Nacheichfristen gewährleisten (siehe das hg. Erkenntnis vom 15. Mai 1990, Zl. 90/02/0015). Der Beschwerdeführer behauptet nicht, daß die Eichvorschriften nicht eingehalten worden seien.

Im übrigen wäre es dem Beschwerdeführer freigestanden, eine Bestimmung des Blutalkoholgehaltes zu verlangen, wenn er Bedenken gegen die Richtigkeit des Meßergebnisses gehabt hätte (§ 5 Abs. 4b StVO 1960 in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung der 13. StVO-Novelle, BGBl. Nr. 105/1986). Nur dadurch hätte er verhindern können, daß das Ergebnis der Untersuchung der Atemluft mittels Alkomat gemäß § 5 Abs. 4a StVO 1960 als Feststellung des Grades der Alkoholeinwirkung gilt.

7. Die Auffassung der belangten Behörde, daß im Zusammenhang mit dem Lenken von Kraftfahrzeugen begangene Alkoholdelikte als verwerflich zu werten sind, entspricht der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (siehe die bei Grundtner/Stratil, a.a.O., unter ENr. 149 und 150 zu § 66 KFG zitierte hg. Rechtsprechung).

Beim Wertungskriterium der seit der Tat verstrichenen Zeit hat die belangte Behörde zutreffend auf die am 14. Dezember 1990 begangene Übertretung und nicht auf die rechtskräftige Bestrafung wegen eines Alkoholdeliktes aus dem Jahre 1986 abgestellt. Berücksichtigt man, daß der Beschwerdeführer bereits wiederholt Übertretungen nach § 99 Abs. 1 StVO 1960 begangen hat, deretwegen ihm die Lenkerberechtigung bereits zweimal vorübergehend gemäß § 74 Abs. 1 KFG 1967 entzogen worden war, zuletzt mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom 10. September 1986 für die Zeit von 18 Monaten, bestehen gegen die von der belangten Behörde ausgesprochene Entziehung der Lenkerberechtigung gemäß § 73 Abs. 1 KFG 1967 und die nach § 73 Abs. 2 leg. cit. festgesetzte Zeit von zwei Jahren keine Bedenken.

8. Da sich nach dem Gesagten die vorliegende Beschwerde als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

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