Normen
AVG §1;
AVG §10 Abs1;
AVG §66 Abs2;
AVG §66 Abs4;
AVG §68 Abs1;
AVG §8;
BauO NÖ 1976 §113 Abs2 Z2;
BauO NÖ 1976 §118 Abs8;
BauO NÖ 1976 §2 Z8;
BauO NÖ 1976 §4;
BauO NÖ 1976 §62 Abs2;
BauRallg;
B-VG Art119a Abs5;
KinderspielplatzG NÖ 1973 §1 Abs1;
KinderspielplatzG NÖ 1973 §9 Abs1;
KinderspielplatzV Ausgestaltung NÖ 1975 §3 Abs2;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §41 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;
AVG §1;
AVG §10 Abs1;
AVG §66 Abs2;
AVG §66 Abs4;
AVG §68 Abs1;
AVG §8;
BauO NÖ 1976 §113 Abs2 Z2;
BauO NÖ 1976 §118 Abs8;
BauO NÖ 1976 §2 Z8;
BauO NÖ 1976 §4;
BauO NÖ 1976 §62 Abs2;
BauRallg;
B-VG Art119a Abs5;
KinderspielplatzG NÖ 1973 §1 Abs1;
KinderspielplatzG NÖ 1973 §9 Abs1;
KinderspielplatzV Ausgestaltung NÖ 1975 §3 Abs2;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §41 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z1;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Niederösterreich hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.670,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Von der Beschwerdeführerin wurde auf dem Grundstück Nr. 96/25, KG X, Hauptstraße 66, eine Wohnhausanlage errichtet. Mit Eingabe vom 7. Juni 1988 zeigten die mitbeteiligten Nachbarn, an, daß an der Grundstücksgrenze zu ihrer Liegenschaft ein Kinderspielplatz mit Klettertürmen, Schaukel, Rutsche sowie einer Sandkiste und Bänken ohne baubehördliche Bewilligung errichtet worden sei und bis 1 Meter an die Grundstückgrenze heranreiche. Sie fühlten sich durch die zu erwartenden Lärm-Immissionen gestört und wollten ihre Rechte bei einer Bauverhandlung wahren. Sie beantragten die Erlassung eines Beseitigungsauftrages gemäß § 113 Abs. 2 Z. 3 der Niederösterreichischen Bauordnung (im folgenden: BO). Der Kinderspielplatz sei gemäß § 92 Abs. 1 Z. 2 leg. cit. eine Anlage, die geeignet sei, Nachbarrechte zu beeinträchtigen. Ein gewisses Maß an technischen Kenntnissen sei zur Errichtung erforderlich.
Nach Durchführung eines Lokalaugenscheines erließ der Bürgermeister der Marktgemeinde P. am 8. Februar 1989 einen Bescheid mit nachstehendem Spruch:
"Die in der Niederschrift vom 1. 9. 1988, welche anläßlich des Lokalaugenscheines aufgenommen wurde, diesem Bescheid beiliegt und einen wesentlichen Bestandteil desselben bildet, beschriebenen Kinderspielgeräte (Kletterbock, Schaukeln und Rutsche) sind keine im Sinne des § 92 der NÖ. Bauordnung 1976, LGBl. 8200-7, baubewilligungspflichtigen Vorhaben". In der Begründung wird ausgeführt, es handle sich um eine Anlage einfacher Natur, für deren Aufstellung kein wesentliches Maß bautechnischer Kenntnisse erforderlich sei. Die von der Beschwerdeführerin erfolgte Bauanzeige, betreffend Aufstellung von Spielgeräten, wurde in diesem Bescheid zur Kenntnis genommen.
Die dagegen erhobene Berufung wies der Gemeinderat mit Beschluß vom 25. Juli 1989 ab. Zur Herstellung der gegenständlichen Anlage seien keine wesentlichen bautechnischen Kenntnisse erforderlich.
In der dagegen erhobenen Vorstellung behaupteten die Mitbeteiligten, daß das nur einen Meter von der Grundstücksgrenze entfernt errichtete Kinderspielgerät, bestehend aus einem Kletterbock, Schaukel und einer Rutsche von 5,50 m Länge, 2,00 m Höhe und 2,00 m Breite mit dem Boden in eine fixe Verbindung gebracht worden sei. Insbesondere im Hinblick auf die Sicherheitsvorschriften, die das Niederösterreichische Kinderspielplatzgesetz bezüglich Standsicherheit, Ausführung und Verletzungsgefahr vorschreibt, könne nicht in Abrede gestellt werden, daß eine bewilligungspflichtige Anlage vorliege. Auch eine Werbetafel mit einer Fläche 10,60 m x 2,60 m sei bewilligungspflichtig. Eine derart große Anlage sei geeignet, Nachbarinteressen zufolge der unbestrittener Maßen bestehenden Lärm-Immissionen zu verletzen. Durch die Annäherung an die Grundstücksgrenze würden die Mitbeteiligten in ihrem Recht auf Freihaltung des seitlichen Bauwichs verletzt. Anläßlich der Baubewilligung zur Errichtung der Wohnhausanlage sei in einem Lageplan der Kinderspielplatz an der Nordseite des Gebäudes eingetragen gewesen. Deswegen hätten die Mitbeteiligten ihre Terrasse an der Westfront eingerichtet, weil dort keine Immissionen zu erwarten gewesen wären. Durch die Errichtung an der Westfront ohne Baubewilligung sei den Mitbeteiligten die Möglichkeit genommen worden, Einwendungen bei einer Bauverhandlung zu erheben.
Mit dem angefochtenen Bescheid hob die belangte Behörde den Bescheid der Berufungsbehörde auf und verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an den Gemeinderat zurück. Die Vorstellungsbehörde stellte fest, daß zur KONSTRUKTION der gegenständlichen Anlage Erkenntnisse auf dem Gebiet der Statik gehörten; das Spielgerät müsse standsicher sein, um eine Verletzungsgefahr hintanzuhalten. Eine gewisse Verbindung zum Boden sei "anzunehmen", weil eine bestimmungsgemäße Nutzung ohne stabilen Bodenkontakt ausgeschlossen sei. Das Gerät sei geeignet, subjektiv-öffentliche Interessen der Anrainer zu gefährden. Die Vorstellungswerber hätten eine unzumutbare Lärmbelästigung geltend gemacht.
Dagegen richtet sich die vorliegende, auf Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit zufolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gestützte Beschwerde. Die mitbeteiligten Nachbarn erstatteten ebenso wie die belangte Behörde eine Gegenschrift; die belangte Behörde legte ihren Akt und den Akt der Gemeindebehörde vor.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Nachbarn haben gemäß § 118 Abs. 8 BO Parteistellung im Bauauftragsverfahren, wenn sie durch den vorschriftswidrigen Bau in einem subjektiv-öffentlichen Recht verletzt werden (hg. Erkenntnis vom 14. Jänner 1987, Zl. 86/05/0037, BauSlg. 843; hg. Erkenntnis vom 24. November 1992, 92/05/0146). Es müssen aber zwei Voraussetzungen vorliegen, damit es zu einem Beseitigungsauftrag gemäß § 113 (2) Z. 2 BO aufgrund eines Nachbarantrages kommen kann: Die Anlage muß (z.B. gemäß § 92 Abs. 1 Z. 2 in Verbindung mit § 2 Z. 5 BO) baubewilligungspflichtig UND der Anrainer muß in einem subjektiv-öffentlichen Recht beeinträchtigt sein.
Als solche Rechtsverletzung wird im vorliegenden Fall Lärmimmission geltend gemacht.
Das Grundstück, auf welchem die Wohnhausanlage der Beschwerdeführerin errichtet ist, befindet sich im Bauland mit der Nutzungsart "Kerngebiet". Gemäß § 16 (1) Z. 2 dürfen dort Gebäude (und Wohngebäude, § 16 (2) ROG) errichtet werden, die keine das örtlich zumutbare Ausmaß übersteigende Lärmbelästigung auf die Umgebung verursachen können. Der Verwaltungsgerichtshof hat stets ausgesprochen, daß die Immissionen, die sich im Rahmen des in einer Widmungskategorie üblichen Ausmaßes halten, von den Nachbarn hingenommen werden müssen (siehe z.B. hg. Erkenntnis vom 23. November 1989, Zl. 89/06/0109). Insbesondere wurde dies auch hinsichtlich von für Wohnhausanlagen üblichen Lärmimmissionen ausgesprochen (hg. Erkenntnisse vom 17. September 1991, Zl. 91/05/0004, und vom 12. November 1991, Zl. 91/05/0083).
Die Darstellung im Schreiben der Nachbarn vom 29. September 1988, wonach das tägliche, Stunden andauernde Kindergeschrei knapp vor Terrasse, Ruhe- und Wohnräumen, unerträglich sei, enthält noch nicht die Behauptung, daß der für derartige Wohnhausanlagen und davor befindliche Spielplätze ÜBLICHE Kinderlärm überschritten werde. Allein aus dem Vorbringen der Mitbeteiligten kann daher eine über das Widmungsmaß hinausgehende Beeinträchtigung durch Immissionen nicht erkannt werden.
In der Berufung vom 16. Februar 1989 machten die Mitbeteiligten auch geltend, daß die Anlage innerhalb des Bauwichs errichtet worden sei. Entfernungsvorschriften begründen grundsätzlich subjektiv-öffentliche Nachbarrechte (Hauer, Der Nachbar im Baurecht2, 154). Abgesehen davon, daß von einer Abstandsverletzung schon deshalb keine Rede sein kann, weil kein Bebauungsplan besteht, bezieht sich der Bauwich ja nur auf den Abstand eines GEBÄUDES von der Grundstückgrenze (§ 2 Z. 8 BO; vgl. hg. Erkenntnis vom 19. November 1985, Zl. 85/05/0052, BauSlg. Nr. 570, betreffend eine Stützmauer im Bauwich).
Im vorliegenden Verfahren ist allein über den Antrag von Personen zu entscheiden, denen kein Nachbarrecht zukommt, sodaß die Frage, ob das gegenständliche Gerät bewilligungspflichtig gemäß § 92 Abs. 1 Z. 2 BO ist, nicht zu beurteilen ist.
Gemäß § 1 Abs. 1 des NÖ. Kinderspielplatzgesetzes, LGBl. 8215-0, hat die Gemeinde im Rahmen der örtlichen Baupolizei dafür vorzusorgen, daß nichtöffentliche Kinderspielplätze errichtet und betrieben werden, wobei hinsichtlich des Verfahrens und der Zuständigkeit im § 9 Abs. 1 dieses Gesetzes auf die Bauordnung verwiesen wird. § 3 Abs. 2 der Verordnung der Niederösterreichischen Landesregierung vom 11. Februar 1975 über die Ausgestaltung von Kinderspielplätzen (LGBl. 8215/1-0) sieht vor, daß die Geräte derart fest verankert und fix montiert sein müßten, daß die Benützer sie nicht umstellen oder in der Breite, Größe und Höhe verändern können; die Geräte müßten daher im Boden fest eingerammt, eingegraben oder einbetoniert sein. Zur Überwachung der Einhaltung dieser Bestimmung ist aufgrund des oben genannten § 1 Abs. 1 des Niederösterreichischen Kinderspielplatzgesetzes allein die Gemeinde im Rahmen ihrer baupolizeilichen Aufgaben befugt. Nachbarn hingegen, die vor allem eine Lärmquelle beseitigen wollen, kommt diesbezüglich keine Legitimation zu.
Die belangte Behörde kam zur Aufhebung des Berufungsbescheides des Gemeinderates, weil sie die Verletzung des Nachbarrechtes auf Schutz vor Immissionen annahm und das gegenständliche Spielgerät als Anlage im Sinne des § 92 Abs. 1 Z. 2 BO ansah. Diesen Aufhebungsgründen des Vorstellungsbescheides kann der Verwaltungsgerichtshof, wie oben dargetan, nicht folgen. Allerdings muß davon ausgegangen werden, daß die Mitbeteiligten ausdrücklich beantragten, es möge im Sinne des § 113 Abs. 2 Z. 3 BO ein Beseitigungsauftrag erlassen werden. Selbst wenn seine Parteistellung verneint wird, hat der Nachbar doch einen Rechtsanspruch auf bescheidmäßige Erledigung, sei es auch nur auf Zurückweisung seines Antrages (hg. Beschluß vom 15. Dezember 1977, Slg. 9.458/A, verstärkter Senat). Nun hat der Bürgermeister mit Bescheid vom 8. Februar 1989, bestätigt durch die Rechtsmittelbehörde, die Feststellung getroffen, daß die anläßlich des Lokalaugenscheines vorgefundenen Kinderspielgeräte keine bewilligungspflichtigen Bauvorhaben seien. Für einen derartigen Feststellungsbescheid bestand aber kein Anlaß, weil ein Leistungsbescheid möglich gewesen wäre; der Feststellungsbescheid ist daher schon aus diesem Grund unzulässig (Walter-Mayer, Grundriß des österreichischen Verwaltungsverfahrensrechts5, RZ 407). Die Baubehörde hat weder die Beseitigung angeordnet noch den Antrag ab- oder zurückgewiesen; über den Antrag wurde daher gar nicht abgesprochen. Allein aus diesem Grund hätte die belangte Behörde den bei ihr angefochtenen Bescheid aufheben müssen (vgl. Erkenntnis vom 30. April 1985, Zl. 85/05/0007, BauSlg. 436).
Nicht nur die Gemeinde, sondern auch andere Parteien des Verfahrens, so auch die Aufsichtsbehörde selbst und der Verwaltungsgerichtshof, sind an die die Aufhebung tragenden Gründe des aufsichtsbehördlichen Bescheides gebunden (siehe die Nachweise aus der Rechtsprechung bei Hauer a.a.O., 111). Allein um diese Bindungswirkung zu vermeiden, muß der angefochtene Bescheid, auch wenn sein Spruch auf Aufhebung lautet, zufolge seiner vom Verwaltungsgerichtshof nicht gebilligten Begründung wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben werden. Zwar hat der Verwaltungsgerichtshof mehrfach ausgesprochen, daß eine Beschwerde auch dann als unbegründet abzuweisen ist, wenn die Behörde mit einer unrichtigen Begründung zu dem der Rechtslage entsprechenden Ergebnis gelangt ist (vgl. die bei Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, Seite 570, angegebenen Erkenntnisse), es muß aber beachtet werden, ob der Spruch der Behördenentscheidung mit der von der belangten Behörde angegebenen Begründung ein der Rechtslage entsprechendes Ergebnis darstellt. Deswegen wurde etwa eine Berufungsentscheidung aufgehoben, mit welcher eine Berufung zurückgewiesen wurde, weil sie von einem nicht bevollmächtigten Vertreter eingebracht wurde. In diesem Erkenntnis wurde aber ausgeführt, daß im fortgesetzten Verfahren die Berufung wieder als unzulässig zurückzuweisen sein wird, allerdings wegen Unzuständigkeit infolge Erschöpfung des abgekürzten Instanzenzuges (hg. Erkenntnis vom 17. Dezember 1984, Zl. 83/11/288).
Von der Durchführung der von der Beschwerdeführerin beantragten mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff. VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991, wobei insbesondere auf deren Art. III Abs. 2 verwiesen wird.
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